„Auf dem Spielplatz bin ich ein Exot – mein Leben als Hausmann“ – Interview mit Alexander

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Lieber Alexander, Du bist Hausmann – erzähl doch mal, wie es dazu kam. 

Als meine Partnerin und ich planten ein Kind zu haben, spielten wir im Kopf schon vor der Schwangerschaft durch, wie sich unser Leben über die ersten fünf Jahre verändern würde und auch sollte. Für uns war von vornherein klar, dass wir unseren Fokus von der Karriere auf das Kind verlegen wollten, da wir gerade die ersten Jahre so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollten und nicht „nur“ vor oder nach der Arbeit/KITA.
Da wir zu dem Zeitpunkt noch in Spanien gelebt haben und es dort keine großen Erziehungs- oder Elternzeiten gibt und wir vor Ort auch keine familiäre Unterstützung hatten, mussten wir selbst eine Lösung finden.
Das erste Jahr überbrückten wir mit Mutterschutz und Urlaub (bezahlt/unbezahlt) und Anfang 2015 habe ich meinen Traumjob endgültig verlassen und bin Hausmann geworden. Da meine Partnerin besser verdiente als ich, fiel die Wahl logischerweise auf mich. Ich muss allerdings zugeben, dass ich darüber alles andere als unglücklich war, da ich schon länger mit der Idee geliebäugelt hatte.

Man muss wohl auch erwähnen, dass wir beide zu diesem Zeitpunkt bereits Ende 30 und dementsprechend lange berufstätig waren. Wir hatten also nicht nur bereits Gelegenheit, uns beruflich zu verwirklichen, sondern vor allem auch ein finanzielles Polster anzulegen, das uns unabhängigere Entscheidungen ermöglichte. Dies ist sicher nicht für alle Eltern möglich.

Hattest Du Dir das Leben als Hausmann so vorgestellt – oder gab es dann doch Überraschungen?

Im Großen und Ganzen hatte ich es mir schon so vorgestellt: Viel Zeit mit dem Sohn verbringen können, Spielen, Spazieren gehen, etc. Dabei natürlich den Haushalt schmeißen, was ja viel mehr bedeutet als zu Putzen und zu Kochen. In der Hinsicht betrachte ich mich eher als Familienmanager, der dafür sorgt dass es „unserem Laden“ an nichts fehlt. Dass er läuft, sauber ist und dabei alles auch finanziell Sinn macht. Da kommt mir sicherlich der Alltag aus meinem organisierten Büroleben zugute.

Was mich überrascht hat war wie wenig die Gesellschaft anscheinend mit Vätern rechnet, die sich um die Kinder kümmern und auch alleine mit ihnen unterwegs sind. Als ein Beispiel seien da nur mal Wickeltische genannt, die man in den meisten Fällen ja auf der Damentoilette findet. Ein Freund von mir ist aus diesem Grund schon einmal mit seiner Tochter wieder nach Hause gefahren, um zu wickeln. Ich hab da allerdings weniger Skrupel und bin auch nie in Schwierigkeiten gekommen, wenn ich bei den Damen einkehrte.

Eigentlich sollte es ganz normal sein, dass in manchen Familien die Väter zu Hause bleiben, aber ich könnte mir vorstellen, dass Du oft der einzige Mann auf dem Spielplatz bist. Ist das ein komisches Gefühl?

Oh ja! Wir haben vorher noch gescherzt, dass ich vermutlich eine Attraktion auf dem Spielplatz bin und sofort Anschluss an eine Gruppe Mütter finden würde, mit denen ich mich dann als einziger Mann zum Kaffee treffe und Playdates für die Kinder vereinbare! In der Realität war allerdings eher das Gegenteil der Fall. Gerade zu Beginn guckten die Mütter skeptisch und suchten nicht nur keinen Kontakt, sondern schienen ihn eher zu vermeiden.

Ich weiß nicht, mit welchem Stigma ich als „Mann mit Kind“ auf dem Spielplatz dort versehen wurde. Aber es kam mir schon immer so vor, als sei es nicht unbedingt etwas Positives. Eher in die Richtung „merkwürdig“ oder „auf jeden Fall arbeitslos“. Es hat schon etwas gedauert, und ist vermutlich auch meinem Sohn zu verdanken, dass sich das geändert hat. Er ist glücklicherweise sehr offen und anschlussfreudig und dem konnten sich die Mütter nicht verschließen. Am Ende habe ich dann doch eine kleine Gruppe Mütter kennengelernt, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe und regelmäßig verabreden und austauschen konnte.
Auch hier muss man aber vielleicht dazusagen, dass dies hauptsächlich in Spanien war wo die „Machokultur“ dann noch einmal etwas ausgeprägter ist.

Eine Mutter aus der KITA erzählte mir später, sie hätte mich nie angesprochen oder nach meiner Nummer gefragt während ich alleine war, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Obwohl unsere Kinder befreundet und wir quasi Nachbarn waren. Erst als meine Partnerin eines Tages dabei war, hat sie sich getraut. Nachdem ich dann auch einige der Partner der Mütter kennenlernte, tauchten diese übrigens auch etwas häufiger und regelmäßiger auf dem Spielplatz auf. Ich will nicht sagen, dass ich dort als gutes Beispiel gedient habe. Es hat ihnen aber vielleicht einen Grund mehr gegeben zu kommen, da sie nicht davon ausgehen mussten, dort der einzige Mann zu sein und sich auch mal über andere Themen austauschen konnten. 

Welchen Spruch kannst Du nicht mehr hören?

„Wann gehst du wieder arbeiten oder wann suchst du dir wieder einen Job?“
Fast jede Person, die hört dass ich Hausmann bin, reagiert so. Ob dies nun neue Bekanntschaften oder auch regelmäßige Nachfragen aus dem engeren Umfeld sind. Ich frage mich oft, ob Hausfrauen auch ständig diese Frage gestellt bekommen und wie sie darüber denken. Nicht nur, dass man als Hausmann anscheinend ein Exot ist und es anscheinend nicht vorstellbar ist, dies nicht nur übergangsweise zu machen. Da spielt das klassische Rollendenken eine große Rolle. Es zeigt mir aber auch, dass es nicht als vollwertige Tätigkeit angesehen wird die Familie zu managen und sich um den Haushalt zu kümmern. Egal ob als Mann oder Frau.

Bei der Gelegenheit, im Englischen gibt es den schönen Ausdruck „stay-at-home dad“, den ich nicht nur klanglich viel besser finde, sondern der meiner Meinung nach auch einen positiveren Eindruck vermittelt als „Hausmann“.

Hat Deine Frau je dumme Sprüche bekommen, weil Du bei den Kindern bist?

Sprüche nicht wirklich, eher Blicke. Ihre Kolleginnen waren immer sehr begeistert und vielleicht auch etwas neidisch. Die männlichen Kollegen haben sich mit Kommentaren zurückgehalten, aber doch meist sehr verdutzt geguckt. Es war für sie wohl unvorstellbar, dass der Mann zuhause bleibt und die Frau arbeiten geht. Das merkte man schon allein an den Fragestellungen, „Ah, dann ist der Kleine jetzt den ganzen Tag in der KITA?“, „Oh, schon wieder zurück im Büro? Ich dachte du würdest noch länger zuhause bleiben. Wer kümmert sich denn jetzt um das Kind?“.

Was ist das Schönste daran, so viel Zeit mit den Kindern zu verbringen?

Zu sehen, wie sich das eigene Kind entwickelt und jeden noch so kleinen Schritt dabei zu begleiten. Es gibt mir Gelegenheit bei so vielen „ersten Malen“ wirklich dabei zu sein und nicht nur davon erzählt zu bekommen. Das erste Wort, die ersten Schritte, das erste Mal auf dem Spielplatz, der erste Tag in der KITA, in der Eisdiele, im Zoo, Theater, aber auch das erste Mal richtig krank, beim Arzt usw.
Außerdem ist es mir unheimlich wichtig in den ersten Jahren engen Kontakt und viel Zeit mit dem Kind zu haben. Auf der einen Seite, um für ihn da zu sein und eine tiefe Bindung zu schaffen. Auf der anderen Seite, um es persönlich zu genießen, bevor die Kinder so selbständig sind, dass sie einen nicht mehr „brauchen“ oder wollen, weil sie z.B. lieber mit Freunden oder alleine sind. 

Und welche Situationen bereiten Dir am meisten Stress?

Die gleichen Situationen wie allen anderen auch, glaube ich. Wenn der Kleine mal wieder seinen Dickkopf kriegt und absolut nicht hören will oder nur Unsinn macht. Wenn er beginnt zu weinen, weil er nicht vom Spielplatz nach Hause will oder unbedingt noch dieses und jenes vorm Schlafengehen erledigen muss, während ich auch noch Sachen auf meiner To-Do-List habe.
Es gab auch eine Zeit, in der er ein absolutes Papakind war und nur ich ihn ins Bett bringen, trösten, anziehen usw. konnte. Er wurde fast hysterisch wenn meine Partnerin es versuchte und rief immer nur nach Papa.
Wie es sonst vermutlich oft umgekehrt vorkommt. Das war ziemlich anstrengend und hielt über einige Monate an – es war aber wohl auch normal, weil ich seine Hauptbezugsperson zu der Zeit war. Inzwischen haben wir das aber ganz gut hingekriegt und jetzt gerade bin ich sogar etwas in den Hintergrund gerückt.

Was glaubst Du, ist die größte Herausforderung für Mütter heute?

Das ist für mich sehr schwierig zu beantworten, weil es aufgrund der individuellen Situation dann ja doch für jeden etwas komplett anderes sein kann. Ich denke, die größte Herausforderung für uns beide als Mutter und Vater ist es, unser Leben so zu gestalten, dass es uns als Familie glücklich macht. Und dafür benötigt man Zeit! Es kann ja nicht sein, dass man alles nur gerade irgendwie hinkriegt und stemmt, dadurch aber ständig ausgelaugt oder unglücklich ist. Damit schadet man meiner Meinung nach auf lange Sicht der gesamten Familie, der Beziehung, aber vor allem auch sich selbst. 

Man ist natürlich bestimmten Zwängen unterlegen, schon alleine des Geldes wegen. Hier könnte sicherlich auch die Politik noch einiges tun. Aber man sollte auch regelmäßig seine Prioritäten hinterfragen. Mal ganz provokativ: Vielleicht sind die 2 Autos, das Haus, Urlaube, das viele Spielzeug oder auch die Markenklamotten für Babys ja die zwei Vollzeitstellen oder die ganzen Überstunden wert. Unsere Entscheidung war es zumindest für eine gewisse Dauer kürzer zu treten und dafür etwas mehr Zeit und Lebensqualität zugewinnen. Das ist aber natürlich eine sehr individuelle Entscheidung.
Ich habe von vielen Vätern so Sachen gehört wie: „Meine Frau ist schwanger! Das Kind ist da! Jetzt muss ich noch mehr arbeiten als vorher! Was das alles kostet!“. Bei mir war es komischerweise das genaue Gegenteil und ich habe hauptsächlich überlegt, wie wir so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen können, ohne „am Hungertuch zu nagen“. Natürlich macht man dabei Abstriche und es bedarf einiger Planung, aber das war es uns zumindest immer wert. Wenn man es dann noch schafft, einen anständigen Menschen großzuziehen, der sich durch Respekt und Empathie für seine Mitmenschen und sein Umfeld auszeichnet, hat man doch schon fast alles richtig gemacht. 

Und welche Herausforderungen müssen speziell Väter heute meistern?

Auch hier: Versuchen, sich von den gesellschaftlichen und persönlichen Stereotypen oder Erwartungen frei zu machen, den Mut zu haben auch mal gegen die Norm zu handeln und die eigenen Prioritäten zu hinterfragen oder neu zu setzen. Wenn das Umfeld dies häufiger unterstützen und weniger in Frage stellen würde, würde es schon helfen und man käme vielleicht auch etwas aus dem klassischen Modell der Geschlechterrollen heraus. 
Und dies stellt vielleicht auch eines der größten Probleme für Väter dar. Dass das Umfeld oder der Arbeitgeber nicht mitzieht oder es nicht unterstützt, weil dieses Rollendenken sehr tief zu sitzen scheint.

Tage mit Kindern können ja auch ganz schön anstrengend sein. Wann hast Du dich das letzte Mal sehnlichst in ein ruhiges Einzelbüro gewünscht :-)?

Haha! Kann ich ehrlich gesagt gar nicht sagen. Es gibt natürlich immer Situationen, wo man lieber mal seine Ruhe haben möchte und sich vielleicht um andere Sachen kümmern möchte, als die nächste Ladung Wäsche zu machen oder zum zehnten Mal das gleiche Buch vorzulesen. Aber das sind eigentlich immer relativ kurze Zeiträume und sieht nach ein oder zwei Stunden auch schon wieder anders aus.

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6 comments

  1. Lieber Alexander, es ist toll
    Lieber Alexander, es ist toll, was du leistest! Nicht jeder Mann würde sich dafür entscheiden und dann noch den Mut haben, denn viele haben dann noch diese Angst, was die männlichen Kollegen und Freunde dazu sagen würden…
    Ich selber bin alleinerziehend und wünsche meinem Sohn eine männliche Bezugsperson. Ich musste wieder anfangen zu arbeiten und war sehr froh, einen Tagesvater gefunden zu haben. Alle, die mich gefragt haben, wie ich das mit meinem Kind schaffe zu arbeiten, waren geschockt und begeistert, wenn ich sagte, dass mein Kleiner bei seinem Tagespapa ist. „Das es sowas gibt!“, sagen sie… Und ich finde, er macht das besser, wie manche Frauen.
    Hut ab vor jedem Mann, der sich traut!

  2. Tolles Vorbild
    Lieber Alexander,
    Hut ab, ich wünschte mehr Männer hätten den Mut, sich aus der „Wohlfühlzone“, sprich sicherer Job, geregelter Alltag herauszuwagen und sich ganz der Familie zu widmen. In meinem Bekanntenkreis gibt es glücklicherweise auch ein paar dieser Exemplare, wenn diese auch oft Elternzeit in Anspruch nehmen und nicht den Arbeitsplatz komplett aufgeben. Mir fällt auch immer wieder auf, dass die Männer, wenn sie dann mit den Kindern unterwegs sind fast belächelt oder bedauert werden. Ich denke hingegen, Du kannst stolz darauf sein, diesen Schritt gemacht zu haben.

  3. Männliche Erzieher
    Hallo, meine Tochter hatte einen männlichen Erzieher in der Krippe und sieht ihn auch jetzt im Kindergarten noch oft. Wir Eltern sind alle durchweg begeistert und er ist ein toller Ausgleich im „Weiberhaufen“ der zahlenmäßig überlegenen Erzieherinnen! Aber mein Mann wurde die ersten Male beim Kinderarzt auch vorsichtig gefragt, wann ich käme… doch seit ich wieder arbeite teilen wir uns auch oft in so etwas rein. Mit der Weile ist es völlig normal, dass wir bei Kind krank Tagen immer einzelne Krankenscheine brauchen, weil immer der zu Hause bleibt, wo es besser passt…

  4. Akzeptanz bei Männern vs. Frauen
    Ich mache Elternteilzeit und verbringe daher 2 Nachmittage pro Woche allein mit meinem 2jährigen. Ich finde es sehr spannend, dass Unterstützung/Zuspruch gerade von Männern kommt – Frauen schauen eher skeptisch und meiden das Gespräch. Und das habe ich schon so oft erlebt: Frauen helfen Müttern und Männer helfen Vätern…aber wenn eine Frau einem Vater hilft heisst es gleich von der Mütterfraktion „Da soll der doch mal selber zusehen wie er das alleine hinkriegt…mir hilft ja auch keiner“ und wenn ein Mann einer Mutter helfen will kommt gleich „Ne ne, lassen se Mal, das kann ich problemlos selber…“. In der Generation X empfinde ich die Vorurteile gegenüber Kindbetreuung von Vätern bei Frauen eher noch höher als bei Männern. Ich finde auch seltsam, dass sich alle mehr männliche Erzieher wünschen – aber bitte nicht beim eigenen Kind. Da müssen Mütter dann erstmal „den unter die Lupe nehmen, wer weiss, was das für einer ist…“.

  5. Hausmann/-frau
    Hallo!!
    Ich bin auch im Moment Vollzeit Hausfrau mit 3 Kindern (10,6&2) und ich fühle mich auch oft genötigt mich zu erklären, warum ich zu hause bin und nicht arbeiten gehe oder ob ich überhaupt noch mal arbeiten gehen werde. Es ist definitiv in der Gesellschaft heute nicht anerkannt, zu hause zu bleiben (wenn man es sich leisten kann).

  6. Daumen hoch!
    Lieber Alexander,
    ich finde es toll, dass Du und Deine Partnerin Euch für den Weg entschieden habt, der für Eure Familie und für jeden von Euch am besten ist und Ihr Euch nicht von Rollenklischees und gesellschaftlichen Erwartungen beirren lassen habt. Es gibt immer noch viel zu wenige Familien, die sich das „trauen“. Und wenn es letztendlich die klassische Rollenverteilung ist, die sich als die Beste herausstellt, ist das genauso gut! Das Wichtigste ist doch, dass es den Kindern gut geht und beide Eltern mit dem gewählten Modell zufrieden sind.