Gastbeitrag: Mein langer Weg zur Vereinbarkeit – wie ich nun Kinder und Beruf meisterte

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Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für mich kein Problem – dachte ich, als ich noch keine Familie hatte. Doch ich musste mir leider eingestehen, dass es immer noch große Diskrepanzen gibt und dass die Chancengleichheit heutzutage leider immer noch eine Lüge ist. 

Anfang 2014 habe ich mich aus der Not heraus selbstständig gemacht, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei mir nicht möglich war. Das war damals übrigens nicht meine Meinung, sondern die Meinung von anderen. Nämlich derjenigen, die höchstwahrscheinlich an meiner Leistungsfähigkeit und Flexibilität als zweifache Mutter zweifelten und die mehr als 100% von einem Mitarbeiter erwarten…

Mein damaligen Arbeitgeber sagte irgendwann in einem Gespräch, wir müssten eine Lösung finden. Damit meinte er eine gegenseitige Aufhebung des Vertrages. Denn als Projektleiterin/Business Consultant war ich viel unterwegs gewesen und musste flexibel sein. Mit zwei Kindern und einem Mann, der ebenfalls viel auf Reisen war, war die Ausübung der früheren Jobinhalte kaum mehr möglich – wenn ich meine Kinder auch noch sehen wollte.

Ich hatte sogar Verständnis für die Lage meines damaligen Chefs (heute nicht mehr), denn sie mussten tatsächlich Rücksicht auf mich als Mutter nehmen. Und ich hatte mich auch verändert. Ich wollte nicht mehr zu 100 % flexibel sein. Ich wollte mir nicht ständig ein Bein für den Job ausreißen, viele Überstunden machen und viel auf Reisen sein. Und so unterschrieb ich den Aufhebungsvertrag. 

Wir zogen von München in meine Heimatstadt Rottweil und ich war zuversichtlich, bald eine neue Arbeizt zu finden. Ich hatte ja was vorzuweisen, einen guten Lebenslauf und viel Wissen auf meinem Gebiet. 

Aber: Pustekuchen! Ich erlebte eine absolute emotionale Bruchlandung. Denn bei Telefonaten und Vorstellungsgesprächen, hörte ich ganz viele, kuriose und unterschwellige Kommentare. Ich wurde reduziert. Ich war nicht mehr eine ambitionierte Frau, die arbeiten will, sondern die Mutter mit zwei Kindern und sooooo klein mit Hut. Diese Sätze habe ich tatsächlich gehört:

  • Frau Weinmann, wir haben Sie 6 Wochen hingehalten, weil wir schauen wollten, ob wir noch was Besseres finden. (27 -jähriger Personalreferent)
  • Denken Sie wirklich, Sie können zu 100% arbeiten? Als 2-fache Mutter?
  • Iris, du hast zwei kleine Kinder, meine Kinder sind schon älter, ich denke, nicht, dass du den Job gut ausführen kannst.
  • Ich dachte immer die Mütter seien ungepflegt, doch sie sehen richtig gut aus. (ÄHM?? – Headhunter in Stuttgart)

Mein Selbstbild war zerstört und mein Selbstbewusstsein war am Ende. Und ich verlor den Glauben daran, dass Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sind. Ich war wirklich frustiert. Doch dann beschloss ich, nicht aufzugeben.  

Ich wollte es allen zeigen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich ist und machte mich selbstständig. Warum?  

  •  Ich wollte mit meiner Arbeit etwas bewegen aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in der Industrie und in der Medienbrache mit unterschiedlichen Auslanderfahrungen einer Arbeit nachgehen, die für mich anspruchsvoll genug war und nicht irgendeinen Job machen, um Geld zu verdienen 
  • Ich wollte mein eigenes Geld verdienen und die Familie damit unterstützen, denn wir hatten uns ein Dreifamilienhaus gekauft und mit einem Teil meines Gehaltes gerechnet

Anfangs war es unglaublich hart. Manchmal schlief ich nachts nur vier Stunden. Nachdem ich die Kinder in die Kita gebracht hatte, fing ich an zu arbeiten und Kontakte zu knüpfen. Um 16. 30 Uhr holte ich die Kinder wieder ab, kümmerte mich um sie, fuhr zu Hobbies oder Freunden. Wenn die Kinder dann im Bett waren, machte ich den Haushalt und arbeitete noch weiter. 

Mein Mann und ich blieben als Paar völlig auf der Strecke. Wir hatten kaum mehr Zeit füreinander und das Geld, das ich in Anbetracht der zeitlichen Aufwände verdiente, war eher ein Hungerlohn und weit unter dem Mindestlohn.  Häufig dachte und sagte ich zu meinem Mann, dass ich mal wieder herzhaft lachen, Spaß haben möchte und ich mal wieder gerne Zeit für mich hätte.  

Irgendwann stellte ich fest, dass ich gar keine Ziele, Träume und Wünsche habe und Hobbies schon lange nicht mehr. Außerdem kam immer wieder die Sinnfrage auf. Sinn des Lebens und meiner Arbeit. Denn auch wenn ich Aufträge erledigte, die zwar sehr anspruchsvoll und gut waren, musste ich mich ziemlich dafür motivieren. Im dritten Jahr lief es zwar finanziell dann richtig gut, aber die Sinnfrage ließ mich nicht mehr los. Ich wollte endlich mehr über mich und meine Träume erfahren. 

Und plötzlich spielten in der Jobfrage ganz andere Aspekte eine Rolle. Es ging nicht mehr nur ums Geld und darum, es allen beweisen zu wollen. In meiner heutigen beruflichen Ausrichtung geht es nun um meine Leidenschaft andere zu inspirieren, zu motivieren und zu unterstützen und zum anderen, meine Grundmotive, nämlich das Recht auf Selbstverwirklichung und eine erfüllte Arbeit als Mutter ausführen zu dürfen. Ich gründete Momcoach.de und berate nun andere Frauen, die sich selbstständig machen wollen, gebe Webinare und Seminare. Klar – dieses für mich neue Business war ein Risiko, ich musste wieder von vorne anfangen. Doch in Anbetracht der zukünftigen Aussichten, der Unabhängigkeit, der Möglichkeit, die Familie und den Beruf zu vereinbaren, meine Leidenschaft zu leben und andere zu unterstützen lässt mich aufblühen und lächeln. Ich bin also auf dem richtigen Weg. 

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6 comments

  1. Weit gefehlt!
    Habe dazu neulich einen interessanten Vortrag von Judith Klups gehört: Wichtige Infos in Kürze:
    1. Vereinbarkeit muss auch vom Arbeitgeber gewollt sein, sonst geht es nicht.
    2. Wenn Papa zuhause bleibt, ist das vielleicht gut für die Frau, aber kein Fall von Vereinbarkeit, sondern einfach nur die klassischen Rollen umgedreht.
    3. Sollten sich Unternehmen fragen, welche Arbeiten wirklich gemacht werden müssen, ob alle immer vor Ort sein müssen, d. h. Optimierung von work load, sofern Sie Interesse haben, Elternteile einzustellen.

    Persönliche Anekdote: Ich wollte in meiner Elternzeit mit Baby zu einem (dachte ich bis dato) interessanten Wirtschaftskongress gehen, auf dem einige großen Player vertreten waren. Ich war so dumm, bei der Anmeldung anzukündigen (gefragt habe ich nicht, nur informiert), dass ich das 3-Monate alte Baby mitbringen würde. Die Original-Reaktion der Pressestelle: „Da ich selbst Mutter bin, kann ich Ihre Anfrage sehr gut verstehen. Leider ist der geschäftliche Rahmen und das Konzept der Veranstaltung nicht dazu geeignet, dass Sie Ihre Tochter mitbringen können. Bitte haben Sie Verständnis dafür.“ Hatte ich natürlich nicht, habe ich ihr auch so geschrieben.

    Dieses Beispiel bestätigt einmal mehr, dass wir von wahrer Vereinbarkeit von Familie und Beruf weit entfernt sind!

  2. Aufhebungsvetrag
    Das Thema erwartet mich auch bald – pendeln geht nicht mehr, da war die Aussage Teilzeit wollen sie nicht, auch nicht kombiniert mit Home Office, obwohl ich das eine Zeitlang (vor der Umstrukturierung) gemacht habe. Stehe also auch vor einem Neubeginn. Aber da da Thema Abfindung angesprochen wurde – hab ich da tatsächlich einen Anspruch darauf bei einer Aufhebung? Viele Grüße nach Rottweil, Christine

  3. Parallelen
    Liebe Heike,

    es gibt mir Hoffnung, von Schicksalen, wie dem Deinen zu lesen. Insbesondere natürlich, weil Du den richtigen Weg für Dich gefunden hast und Dich getraut hast, etwas Neues auszuprobieren. Ich selbst habe eine ähnliche Lernkurve hinter mir und erarbeite mir gerade einen neuen Karriereweg. Aber es ist hart, denn zuerst fühlte es sich an, als würde ich meinen Wunsch nach einer Karriere und auch einen Teil meiner Identität vor dem Mutterdasein aufgeben. Mühsam erarbeite ich mir nun einen neuen Berufsweg, bei dem ich dann hoffentlich abends zufrieden sein kann, weil ich Kinder und Job gemeistert habe. Über Höhen und Tiefen meines Weges schreibe ich gerade einen Blog http://www.mamakadabra.de.
    Viel Erfolg weiterhin!
    Liebe Grüße
    Dinah

  4. So ging es mir auch. Nur hat
    So ging es mir auch. Nur hat man mir keinen Aufhebungsvertrag serviert, sondern war für mich keine weitere berufliche Entwicklung vorgesehen. Gleiche Gründe: mit zwei Kindern, wie soll das gehen, die sind zu oft krank… Auch ich bin zu dem Schluss gekommen, mich selbständig zu machen. Anfang des Jahres geht es los und ich bin gespannt wie es wird. Schön zu lesen, dass du dann noch das richtige für dich gefunden hast.

    1. Ich finde es klasse, dass du deine Chance nutzt
      Liebe Heike, ich finde es klasse, dass du deine Chance nutzt und du dich selbstständig machst. Für deine Selbstständigkeit wünsche ich dir ganz viel Erfolg. Das Thema Aufhebungsvertrag ist eine wichtige Sache. Viele Mütter trauen sich nicht das Thema beim Arbeitgeber anzusprechen bzw. auf eine Abfindung zu bestehen. Vielleicht hast du noch eine Chance. Gerne gebe ich dir Tipps. Sag einfach bescheid. Viele Grüße Iris