Gastbeitrag von Nele: Wie ich eine neue Liebe fand und mein Sohn einen Vater bekam

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Das Wort klingt scheiße: Stiefvater. Ich wollte nie, dass mein Sohn einen bekommt. Und heute denke ich: Hätte er doch bloß viel früher einen gekriegt!

Gut, man muss dazu sagen, dass mein Ex leider ein Voll-Ausfall als Vater ist.

Weil ich leider nicht so emanzipiert bin, wie ich es gerne wäre, sondern Erwartungen grundsätzlich zu erfüllen versuche, bin ich lange bei ihm geblieben. Obwohl er weder mir noch dem Jungen gut getan hat. Erst als sein Desinteresse sich so unverhohlen zeigte, als er dem strahlenden Kind die Tür vor der Nase zu machte, begriff ich, dass ich mein Kind nicht beschütze, wenn ich diese Beziehung zum Schein aufrecht erhalte.

Ich ging. Mit dem Kind und mit dem Vorsatz, allein zu bleiben.

Meine Kraft war aufgebraucht. Sie reichte gerade für meinen Sohn und eigentlich schon nicht mehr ganz für mich. Wie sollte da noch ein neuer Mann auf seine Kosten kommen? Überhaupt: Welcher normaler Mann will schon eine alleinerziehende Mutter? Die Männer, die Kinder mögen, die wollen die dann doch wenigstens selber machen, oder?

Und wir hatten es gut, mein Sohn und ich. Zum Glück hatte ich nur ein Jahr pausiert, habe also wieder selbst verdient, so dass ich über die Runden kam. Mein Sohn war in der perfekten Kita und mochte seine Freunde dort. Alles war gut. Kein Anlass, etwas zu ändern. Zumal ich die meisten Typen, die ich im Job oder bei Freunden in dieser Zeit kennen lernte, echt strange fand. Total narzistisch, dabei hatten sie nicht mal wirklich was zu bieten. Ich musste an die Erzählungen mancher Freundinnen denken, die mit ihren Männern manchmal ein Kind dazu bekommen zu haben schienen. Darauf konnte ich verzichten.

Dass ich mich dann doch verliebte, kam überraschend. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich ausgerechnet in diesem Typen eine solch große Liebe finden würde. Vermutlich hätte ich Abwehr-Maßnahmen ergriffen, wenn ich damit gerechnet hätte. So war ich ihm schutzlos ausgeliefert und beeindruckt von seiner Entschlossenheit. Ich fand das früher immer kitschig, wenn Frauen sagten, ihr Mann sei ihr Fels in der Brandung. Jetzt verstehe ich das. Ich ihn an – wie eine Naturgewalt. Wie er mit seinen breiten Schultern alles Schlechte von uns fern hält. Ich sage von uns, weil er vom ersten Tag an die Verantwortung übernahm. Für mein Wohl und für das Wohl meines Kindes.

Er hat sich nie bei meinem Sohn eingeschleimt, hat ihn nicht mit Geschenken überhäuft. Im Gegenteil. Er war von Anfang an streng mit ihm. Und klar. Das hat ihm gut getan. Am Anfang habe ich bei jedem `Nein` still mitgelitten. Bis ich merkte: Mein Sohn leidet gar nicht. Der findet das super. Endlich klare Ansagen, endlich muss er nicht mehr der Mann im Haus sein.

Und ich begriff: Ich habe meinen Sohn in den ersten vier Jahren seines Lebens zu viel durchgehen lassen. Weil ich eine Helikopter-Mum war, weil alle Verantwortung für das Kind immer bei mir lag, weil mein Ex überzogene Erwartungen hatte, für die er selbst nie einen Finger krümmte, weil ich manchmal einfach keine Kraft mehr hatte, ausgerechnet in dem Moment konsequent zu sein. Aus falsch verstandener Mutterliebe, die in Selbstaufopferung gipfelte. Ich hatte all das jahrelang nicht realisiert.

Ich merkte es jetzt, weil mein neuer Freund mir den Spiegel vorhielt. Manchmal machte er mich wahnsinnig damit. Wer will schon ständig korrigiert werden. Aber wie mein Sohn begriff ich, dass es mir gut tut. Dass es der bessere Weg ist. Und vor allem: Dass er da war und bereit den Weg mit uns zu gehen.

Natürlich war nicht alles Hollywood auf unserem Weg und es wird sicherlich auch in Zukunft schwierige Momente geben. Aber wenn ich sehe, wie meine Männer zusammen Fußball spielen, wie sie im Schwimmbad gemeinsam die schnelle Rutsche runterrutschen oder im Doppel-Kart um den Parcours pesen, wie sie gemeinsam irgendetwas reparieren (was der eine zuvor alleine kaputt gemacht hat) oder ihre Werkzeuge sortieren, wie sie sich in die Arme schließen, wie sie sich streiten, wie sie manchmal um meine Gunst buhlen – und sich dann wieder selbst genug sind… Die Liste könnte ewig weiter gehen. Ich sehe, dass jedes Kind einen Mann in seinem Leben haben sollte, mit dem es das haben kann. Und der die Mami liebt.

Wir so haben so einen gefunden. Wir nennen ihn nur nicht Stiefvater. Wir nennen ihn Held. Und lieben ihn beide sehr.

Foto: hanssch / photocase.de

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10 comments

  1. Unser Held? Jedes Kind
    Unser Held? Jedes Kind braucht einen Mann, mit dem es das haben kann und der die Mama liebt?

    Was für ein Schlag für alle alleinerziehenden Mütter, die es super alleine schaffen, selbständig sind und für ihre Kinder alles geben. Die ohne Mann ganz wunderbar durchs leben gehen.

    Was für ein Schlag für alle getrennten Väter, die die Mami nicht mehr lieben, aber alles für ihre Kinder machen und sie im Leben begleiten.

    Was für ein Schlag für alle gleichgeschlechtlichen Elternpaare, die wunderbar ihre Kinder aufziehen.

    Tut mir Leid, der Beitrag ist so devot.
    Nicht jede Frau und nicht jedes Kind muss von einem „Helden“ gerettet werden.

    Ich freue mich wirklich, dass ihr einen Beschützer gefubden habt und wünsche euch alles Glück der Welt.

  2. Bei meiner ersten festen
    Bei meiner ersten festen Beziehung nach meiner Scheidung dachte ich das zuerst auch. Aber dann stellte sich heraus, dass mein Freund eifersüchtig auf meinen Sohn war. Dass er das auch bei seinem eigenen Sohn und seiner verstorbenen Frau gewesen ist. Dass er sich grundsätzlich jungen gegenüber eher kühl verhielt und meinen Sohn verbal anging, wenn wir als Paar vor Herausforderungen standen. Ich habe die Beziehung zum Wohl meines Sohnes beendet. Mein Sohn hat sich dafür bei mir bedankt

  3. Genau so ist es bei mir auch.
    Genau so ist es bei mir auch. Mein Sohn und mein Freund sind ein Herz und eine Seele. Er ist mein Fels, der mir auch gerne mal den Spiegel vorhält. Ich liebe ihn einfach. Hat nur 4 1/2 Jahre gedauert, dass aus Bekannten Freunde und dann mehr wurde ❤️

  4. Toller Text! Ich habe jetzt
    Toller Text! Ich habe jetzt nach fast 6 Jahren das Glück, einen tollen Mann an meiner Seite zu haben. Mein Sohn liebt ihr sehr. Wünsche es allen, dass sie auch Glück haben

  5. Stiefvater
    Danke für diese Geschichte. Es ist fast die gleiche, die ich erlebt habe. Ich bin immer noch dankbar für dieses tollen neuen Mann in unserem Leben…

  6. Auch ich habe vor 29 Jahren
    Auch ich habe vor 29 Jahren einen so tollen Mann gefunden. Wir hatten im letzten Jahr Silberhochzeit.Die Große hat er adoptiert und zusammen haben wir noch 4 Kinder bekommen. Der emotionalste Moment für die Große bei ihrer Hochzeit war der, als der Standesnbeamte vorlas: geborene M….. , der Name des für sie einzigen Papas. Obwohl ihr Geburtsname ein anderer war. Sie hatte Angst, der Name des Papas verschwindet. Als klar war, dass der Name ihr Geburtsname bleibt, nahm sie den Namen des Mannes an.

  7. wundervoll!!!
    SChön, dass ihr das erleben dürft!!!
    Hier ist es genauso… und dass, obwohl ich allein war mit 2 Söhnen, von 2 Vätern, die uns alleingelassen haben.
    Ich war nach all dem zufrieden wieder allein zu sein und dann kam unser „Held“.

    Heute sind wir verheiratet und bekommen unser „erstes“ gemeinsames Kind. Wobei die anderen auch unsere gemeinsamen Kinder geworden sind. <3

  8. Schön!
    So schön das zu lesen.das wünsche ich mir für uns auch. Aber noch kann ich mir das nicht vorstellen bzw weiß gar nicht wo ich je einen Mann wieder kennen lernen soll…
    Naja, vielleicht geschieht ein Wunder 🙂

  9. Mein Sohn nennt meinen neuen
    Mein Sohn nennt meinen neuen Mann „mein Torsten“. Es gibt ja für diese Väterrolle keinen Titel in unserer Sprache und ich freue mich stets sehr wenn ich lese, es klappt auch noch in anderen Neufamilien gut.

    Liebe Grüße
    Nina