Interview mit einer Krankenhaus-Clownin: Wir feiern mit schwer kranken Kindern das Leben

01 maria gundolf foto gregoryb.waldis

Ihr Lieben, darf man dem Tod ins Gesicht lachen? Ja, darf man – muss man mitunter sogar. Das sagt Maria Gundolf, die für ROTE NASEN Deutschland e.V. (www.rotenasen.de) als Krankenhaus-Clown Brischit schwerkranke Kinder zum Lachen bringt. Maria ist Schauspielerin, Comedian, Theaterpädagogin und Mutter einer siebenjährigen Tochter und spielt unter anderem auf der onkologischen Kinderstation der Charité in Berlin, für herzkranke Kinder im Deutschen Herzzentrum, aber auch für dementiell erkrankte Senioren in Pflegeheimen. 

Sie gehen als Clown zu kranken Kindern. Kinder, die vielleicht bald sterben werden. Sie selbst haben ein Kind. Können Sie sich noch an Ihre Gefühle nach dem ersten Einsatz erinnern?

In den ersten 3 Jahren meiner Zeit als Krankenhausclown war ich noch nicht Mutter. Es gibt keine speziellen Gefühle, an die ich mich erinnere – es war eher das Staunen über die große Freude und Neugierde, die uns Clowns von den Kindern entgegenstrahlte. Nachdem ich selbst Mutter geworden bin, konnte ich die Ängste und Sorgen der Eltern kranker Kinder noch besser nachvollziehen und einordnen. Und wenn ich von der Visite nach Hause kam, spürte ich sehr stark das Glück und die Dankbarkeit, ein gesundes Kind zu haben. Daran hat sich bis heute nichts geändert.  

Viele Schicksale sind unendlich traurig – wie schaffen Sie es, diese Traurigkeit nicht mit nach Hause in die eigene Familie zu nehmen?

Da hilft mir die große Professionalität, mit der wir ROTE NASEN-Clowns an diese Aufgabe herangehen. Alle Künstler kommen aus verschiedenen Richtungen, von Schauspielerei über Pantomime und Musik bis hin zu Artistik. Wir machen ständig Fortbildungen, in denen wir unsere Fähigkeiten in diesen Bereichen und in medizinischen Belangen weiterentwickeln. 

Die rote Nase des Clowns wird oft als kleinste Maske der Welt bezeichnet – sie schafft Distanz zur realen Situation und ermöglicht eine bestimmte innere Haltung: Wir Clowns können uns in den Moment begeben, ohne zu werten. Das erlaubt uns, auch in Situationen der Schwere Leichtigkeit und Freude zu finden. Wir können mit den Stärken der kleinen Patienten spielen, statt uns auf ihre Defizite und ihre Krankheit zu reduzieren. Auch wenn wir als Clowns stets mit offenem, empathischem Herzen unterwegs sind, schließen wir so die Dinge nicht in unsere Herzen ein sondern lassen sie auch wieder los. 

 Wie erleben Sie die Kinder, die Sie als Clown besuchen?

Wir erleben die Kinder sehr unterschiedlich, je nach Alter, Krankheit bzw. Krankheitsverlauf und –dauer. Auch die Haltung der Eltern ist sehr entscheidend. Ist sie ablehnend, tun sich auch die kleinen Patienten schwer, offen auf uns zuzugehen. Umgekehrt sind Eltern, die uns herzlich ins Zimmer bitten oder auf uns zugehen, ein Schlüssel zu den Herzen der Kinder. 

Sehr viele Kinder reagieren begeistert und freuen sich über die Abwechslung, die wir in den Krankenhausalltag bringen. Zumindest sind sie neugierig, was da passiert. Natürlich gibt es manchmal auch Kinder, die Angst haben. Wir nehmen darauf Rücksicht und ziehen uns entweder ganz zurück oder spielen das Kind nicht direkt an, um ihm Raum zu geben, uns unbeteiligt zu beobachten. Und oft verschwindet dadurch die Angst.

 Wie verändern sich die Kinder durch Ihren Besuch?

Sie entspannen sich oder werden munter – ganz nach Ausgangslage und Art der Begegnung. In jedem Fall verändert sich ihre Stimmung meist zum Positiven. „Nach eurem Besuch ist die Stimmung in den Zimmern fröhlich und voller Leben!“ Das hören wir oft von Ärzten und Pflegern. 

 Warum sollten (mitunter todkranke) Kinder unbedingt lachen?

Weil Humor der natürliche Feind der Angst ist. Wer heiter ist, kann keine Angst haben – das sagt auch die Wissenschaft! Lachen wirkt entspannend und es hilft Sprachlosigkeit zu durchbrechen. Bei meinen Besuchen bei schwerkranken Kindern beeindruckt mich immer wieder, dass sie trotz ihres schweren Schicksals und des großen Leides in erster Linie Kinder sind, die spielen wollen, sich in den Moment begeben und das Leben feiern. Sie können so ihre Krankheit für eine gewisse Zeit vergessen – das gibt Kraft und stärkt das Selbstbewußtsein.

 Gab es auch schon mal Angehörige/Außenstehende, die Ihre Arbeit pietätlos fanden?

Wenn ich von dem erzähle, was wir Clowns in Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen tun, fragen manchmal Menschen: „Aber ist das denn nicht total unpassend?“ Aber wenn wir uns länger unterhalten, schwindet diese Skepsis. Und wer einmal bei einer Clownvisite mit dabei war, weiß es sowieso besser! 

 Wie kamen Sie überhaupt zu ROTE NASEN?

Ein Kollege erzählte mir vor 10 Jahren von seiner Arbeit als Krankenhausclown. Das hat mich sehr beeindruckt und neugierig gemacht. Nachdem meine Mutter kurz vorher an Krebs gestorben war und ich das Bild eines fröhlichen, poetischen Clowns an ihrem Bett sehr tröstend fand, entschloss ich mich, eine Ausbildung bei den Roten Nasen zu machen. Und das habe ich nie bereut!

 Wie kann man ROTE NASEN unterstützen?

ROTE NASEN ist ein gemeinnütziger Verein, der seine Projekte mit Spendengeldern finanziert. 

Auf unserer Website www.rotenasen.de/helfen/jetzt-spenden gibt es mehr Informationen.

 Gibt es ein Kind, das Sie besonders berührt hat?

Die gibt es immer wieder. Aber eine meiner Lieblingsgeschichten erlebte ich zusammen mit meinem Clownspartner bei einem ca. 10jährigen Jungen, der seine Augen nicht aufmachen konnte. Die Ärzte standen vor einem Rätsel, denn medizinisch war kein Grund dafür zu finden. Wir Clowns nahmen die Situation so wie ist und feierten eine Party im Zimmer dieses Jungen. Wir beschrieben ihm, was gerade passiert und hatten zusammen mit ihm, seinem Stoffhund und seiner Zimmernachbarin wirklich viel Spaß. Er verabschiedete sich sehr herzlich von uns und wir zogen weiter. Auf dem Rückweg kam dann eine Pflegerin auf uns zu und bat uns strahlend, doch noch mal in das Zimmer des Jungen zu schauen. Das taten wir: Und da saß der Junge und strahlte uns entgegen. „Ich musste meine Augen irgendwann aufmachen!“ meinte er. Was für ein Fest!

 Wie hat Ihre Arbeit als Clown Ihr "anderes" Leben verändert?

Ich habe von meinem Clown „Brischitt“ viel gelernt – als Clown scheitere ich ständig, falle auf die Nase und stehe immer wieder auf. Ich nehme die Dinge wie sie sind, ohne sie bewerten, suche mit offenem, liebevollem Herzen immer das Spiel. Ich springe ins kalte Wasser und lerne schwimmen. All das hat mich auch als Mensch sehr geprägt und weitergebracht – ich kann mir immer wieder innerlich eine rote Nase aufsetzen und gehe damit gelassener mit schwierigen Situationen und Stress um – ob als Mutter, Partnerin, im Beruf oder in der U-Bahn!clwon1

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Foto: Gregory B. Waldis.

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1 comment

  1. Danke!
    Herzlichen Dank an alle Clowns – ihr macht einen tollen job. Als mein Sohn (Frühchen und mit Behinderung) auf der Neonatologie lag, war ich sehr bewegt und gerührt, als die Clowns kamen. So behutsam und liebevoll zärtliche Gitarrenklänge an jedem Bettchen zu hören, die lieben wünsche dazu, es war ganz toll und hat mir geholfen, an einem tag voller Rückschläge doch noch ein lächeln ins Gesicht zu zaubern. Macht weiter so!