Loslassen tut weh? Warum es so wichtig ist, sich als Mutter ab und zu mal nur auf sich zu konzentrieren

mutter auszeit

Es war einmal zu einer Zeit, da ich allein in meiner Ein-Zimmer-Wohnung im damals noch ziemlich heruntergekommenen Berlin-Prenzlauer Berg saß und ganz bei mir selbst war. Ich kaufte nur ein, was ich mochte, ich beschloss, ohne Fernseher zu leben, um mehr zu lesen oder Freunde zu treffen oder feiern zu gehen  und ich studierte in den ersten Semestern. Es war eine Phase der Ungewissheit. Aber auch der Freiheit. Alle Wege waren noch offen. Es wurde eine Zeit des Ausprobierens, des Geschmack-des-Lebens-Kostens und eine, in der tiefe Freundschaften entstanden, denn ich war nach dem Abi in Köln allein nach Berlin gegangen und so stellte ich mir ein Fundament aus Freundschaften zusammen, die zum Teil bis heute noch Anker sind, wenn der Wind mal wieder kräftiger weht.

Es erfüllten sich im Rückblick relativ viele Träume nach und nach in dieser Zeit. Ich konnte neben dem Studium als freie Journalisten in der Hauptstadt arbeiten und mich so selbst finanzieren, ich wurde bald auf der Journalistenschule angenommen, ich durfte für ein paar Monate nach New York, auf Recherchereise nach Bosnien-Herzegowina und nach Rumänien (eben dort lernte ich Stadtmama Katharina kennen) und es trat ein Mann in mein Leben, der noch immer an meiner Seite ist. Zum Abschlussball der Journalistenschule war ich also schon schwanger und damit war der überhaupt größte Traum meines Lebens besiegelt. Ein Kind. Zwei Jahre später war ich Dreifachmutter und unser Weg als Familie nahm relativ ungebremst Fahrt auf.

Nun haben wir sozusagen Halbzeit auf dem Weg der intensiven Begleitung unserer Kinder- ich nenne es gern "Brut- und Aufzuchtsphase". Nicht, dass wir unsere Verantwortung komplett abgäben, wenn sie irgendwann ausziehen, aber so intensiv wird es in zehn Jahren nicht mehr sein, wenn unsere Drei allesamt volljährig sind und vermutlich flügge werden. Wie wird also alles werden und ist es nicht heute schon Zeit, die Leinen ein bisschen lockerer zu lassen?

Loslassen gehört zum Elternsein dazu und es zieht sich wie ein roter Faden durch die Kinderjahre. Es beginnt nicht erst mit der ersten Klassenfahrt, sondern spielt sich im Kleinen fast täglich in vielen Momenten ab. Und trotzdem: Mit einem Ohr sind wir doch oft noch beim Kind, lauschen nach nebenan oder fragen den Babysitter, ob zu Hause auch wirklich alles in Ordnung ist. So ganz abschalten? Wann tun wir das schon?

Meine Cousine, selbst Mutter, sagt immer: „Die fünf Tage Karneval im Jahr, die sind für mich erholsamer als drei Wochen Urlaub.“ Das klingt absurd, wenn man bedenkt, dass es an Karneval laut ist, dass man kaum Schlaf bekommt und vermutlich am Morgen auch nicht ganz so glücklich auf den Kölsch-Konsum des letzten Tages zurückblickt. Aber! Aberaberaber.

Es ist tatsächlich erholsamer als Urlaub, denn man taucht wahrhaftig für mehrere Tage ab in eine andere Welt. Ich bin da ganz bei meiner Cousine. Ich tauche ab in eine Welt, in der ich ich sein kann, nur Lisa. Wie die Lisa damals, die allein in ihrer Wohnung in Berlin saß und jeden Tag und jeden Moment neu überlegen konnte, was sie denn nun als nächstes tut. Ich wusste in diesem Jahr die Kinder in guten Händen, bei Oma, bei Papa, bei Menschen, die sie lieben und von denen sie geliebt werden.

Wir haben zum Teil gemeinsam die Karnevals-Umzüge angeschaut und zum Teil bin ich dann später nochmal losgezogen, habe Freunde getroffen, habe mich mit einer Freundin rausgesetzt und gequatscht, habe getanzt (siehe Screenshot. An Weiberfastnacht habe ich doch tatsächlich über 13 Kilometer und 23.000 Schritte zurücklegt, obwohl ich an nur einem Ort gefeiert habe), mitgesungen, Leute kennengelernt, alte Weggefährten wiedergetroffen, neue hinzugewonnen und war so frei frei frei.

23000

Als Mutter musst du so oft funktionieren, bist Du so oft fremdbestimmt. Vergisst dich vielleicht manchmal sogar selbst. Und dann kommen diese tollen Tage und führen dich zurück zu Dir und zu Deinem innersten Kern und zu Deinen Überzeugungen. Und das muss überhaupt nicht Karneval sein. Das kann jede Gelegenheit sein, in der man sich wohlfühlt und für einige Stunden nur man selbst sein kann. Ein Wochenende mit Freunden auf Föhr, ein Theaterabend, ein Wellnesstrip oder was auch immer. Einfach Zeit zum Zurückbesinnen, was uns Spaß macht und uns den Menschen wieder hervorkramt, der wir eigentlich sind.

Denn wenn ich im Alltag zwischen Kommunionsvorbereitung und Klassenfahrt und Fußballtraining und Eislaufschule und Hausaufgaben und Vokabeltest und Wäschebergen und Jobaufträgen irgendwann wieder meinen Tunnelblick kriege, wie ich ihn in den letzten Wochen öfter mal verspürt habe (und wie ihn viele mal verspüren, wie dieser Gastbeitrag von Bettina zeigt), dann erkenne ich manchmal selbst nicht wieder. Dann bin ich die, die über schon wieder offen gebliebene Zahnpastatuben heulen könnte, weil der Kopf versehentlich signalisiert, dass das jetzt lebensentscheidend sein könnte. Das ist es aber nicht.

Und das weiß ich, weil ich mich mal wieder gefunden habe. Mich selbst. Als Lisa. Und nicht als Mama. Die Hemmschwelle des Loslassens mag groß sein, aber wer sie ab und zu mal überschreitet, wird sehen, wie glücklich es macht. Gönnt euch das auch, denn danach macht alles wieder so viel Sinn und fühlt sich so viel leichter an. Und die Liebe, die kann noch heller und bunter blühen. Selbst, wenn die Zahnpastatuben wieder offen geblieben sein wollten.        

 

Zum Weiterlesen:

Abschalten, Loslassen, Party on: warum Eltern unbedingt auch mal unvernünftig sein müssen

Loslassen gehört zum Elternsein dazu

 

Und wer noch ein Partyfoto von Lisa sehen mag… Sie hat an Weiberfastnacht kurz noch zwei weitere Blogger getroffen, die ebenso viel Spaß hatten wie sie. Lest also unbedingt auch diese Texte von "mama-notes" und "glücklich scheitern":

Helau und Alaaf: Karnevalswochenende von Wieverfastelovend bis Tulpensonntag

Weiberfastnacht in der Kölner Südstadt. Alaaf

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7 comments

  1. Oh ja! ich war an Karneval
    Oh ja! ich war an Karneval auch einen (ja, leider nur einen!) Abend feiern und konnte mich wieder vollkommen frei fühlen!! ich fühlte mich unglaublich energiegeladen und das haben meine Freunde auch gespürt und mir gesagt wie stolz sie auf mich sind, darauf was ich alles meistere nachdem sich mein Leben mit Kind einmal um 180° gedreht hat. Sie haben sich mit mir gefreut dass ich für diesen Moment wieder die Alte war und ich mich eingefügt habe ich den Trouble als wäre ich nie weg gewesen!
    Das wünscht man sich manchmal öfter, diese Momente.. wenn einen der Alltag zurück hat und man wieder Mama ist. Die Zeit kann ich ohne Frage auch genießen, auf eine andere Art und ich liebe mein Mama-Sein! aber ich freue mich auch schon auf die nächste Gelegenheit wieder „frei“ zu sein und einfach nur zu genießen wer man eigentlich ist! 🙂

  2. Kleine Auszeit
    Super toll geschrieben und ich bin da ganz bei dir. Ich gönne mir zwar selten ein we aber doch manchmal einen Mamifreien Abend.
    So wie heute! Ich freu mich sehr drauf,denn es ist tatsächlich so wie du es beschrieben hast man spürt mal wieder sich selbst so wie man davor war. „Einfach Zeit zum Zurückbesinnen.“ Lg Denise

  3. Bericht TV
    Hallo Lisa,
    Habe gerade den Bericht von Frau TV gesehen.
    Hat mich sehr angesprochen, auch die Worte deiner Mama.
    Genau so sehe ich es auch: Blogs, Austausch jeglicher Art soll Mütter zusammen bringen und verbinden.

    Ich finde dieses Konkurrenz- Denken einiger Mütter anstrengend…

    Und by the way: Gemütlich schaut es bei dir aus…

    Schreibst du auch noch für die ,,Eltern“?

    Gute Nacht

  4. meine nächste Auszeit…..
    ….sind 4 Tage Sylt Ende März mit einer alten lieben Freundin, wie ich mich darauf freue!!
    Im Alltag neben Vollzeitjob und Kind sind es abendliche Friseurbesuche, Treffen mit Freundinnen und Yoga.
    So behalte ich halbwegs meine innere Balance.

    LG Evi

  5. Wiesn
    Das ist bei mir das Oktoberfest, unsere Münchner Wiesn!
    Wie ich mich darauf freue das glaubt mir kein Mensch.

  6. Ach ja…
    …wie Recht Du doch hast! 🙂 Ich freue mich auch schon auf meine nächste Auszeit – Mädels-WE mit drei Studienfreundinnen in Hamburg. Das wird fein. 🙂