Kinderfreundschaften: „Ich lade dich nicht zu meinem Geburtstag ein“

Kinderfreundschaften

Foto: pixabay

Ihr Lieben, sehr oft erreichen uns Fragen von euch zum Thema Freundschaft. Was mache ich, wenn mein Kind nicht zum Geburtstag des Freundes eingeladen wird, wenn tolle Kinderfreundschaften wegen Banalem zerbrechen, wie begleite ich sprunghafte Emotionen in Zuneigung und Abneigung? Heidemarie Brosche hat genau darüber gerade ein Kinderbuch geschrieben! Du bist nicht mehr mein Freund: Eine Geschichte über Streit, Freundschaft und Versöhnung für Kinder ab drei Jahren. Wir durften sie zum Thema Freundschaft unter Kindern interviewen.

Kinderfreundschaften
Du bist nicht mehr mein Freund: Eine Geschichte über Streit, Freundschaft und Versöhnung

Liebe Frau Brosche, Kinder sind manchmal sehr sprunghaft in ihren Emotionen, kann man das so generell sagen?

Na ja, auch Kinder sind nicht alle gleich. Ich tendiere dazu zu sagen: Manche Kinder sind tatsächlich sprunghaft, andere eher nicht. Aber tatsächlich lässt sich bei Kindern nicht selten ein recht abruptes Beenden oder Unterbrechen von Freundschaften beobachten.

Ab welchem Alter schließen unsere Kleinen so richtige Kinderfreundschaften, binden sich an einzelne Personen, die ihnen sympathisch sind?

Ich sehe es gerade wieder bei meinen Enkelkindern und habe es auch bei meinen eigenen Söhnen und vielen anderen Kinder so beobachtet, dass es schon weit vor dem 3. Geburtstag losgehen kann mit besonderen Sympathien. Schon im Laufe des dritten Lebensjahres können Kinder regelrechte Lieblingsspielkameraden finden. 

Wann geht das eigentlich los, dass sich Kinder anderen Kindern oder auch Erwachsenen gegenüber bewusst nicht sehr nett verhalten?

Spätestens mit 3 bis 4 Jahren lernen Kinder in der Regel, sich in andere einzufühlen. Gleichzeitig erkennen sie auch, dass sie selbst in einer Beziehung etwas vermurksen können. Gefühle der Schuld, Scham und Reue bringen sie oft dazu, dass sie sich wieder versöhnen wollen. Ungefähr mit 5 bis 6 Jahren erkennen Kinder meist die Bedürfnisse und die wunden Punkte ihrer Mitmenschen.

Dies führt dazu, dass sie Beziehungen, zum Beispiel zu den Eltern, schon in diesem Alter ab und zu bewusst strapazieren. So können sie erspüren: Wann tue ich Papa weh? Wie mache ich Mama wütend? Sie können dabei zwar auch lernen, dass es ihnen nichts bringt, wenn sie Menschen nerven oder verletzen, die ihnen wichtig sind, aber natürlich bewirkt dieser Lerneffekt nicht, dass ab jetzt nur noch sehr nettes Verhalten angesagt ist. So sind wir Menschen einfach nicht.

Nun kommt es natürlich auch zu Situationen wie diesen: Mutter und Kind streiten sich und das Kind sagt: „Mama, du bist so gemein, ich lade dich nicht zu meinem Geburtstag ein!“ Wo kommt das her und wie können wir damit umgehen?

Dass man sich über Menschen sehr ärgern kann, die man eigentlich liebhat, ist ja eine bekannte Tatsache. Ich behaupte mal ganz keck, dass auch Erwachsene in der Hochphase ihrer Wut gerne sagen würden: „Dich lade ich nicht mehr zu meiner Party ein!“ Wir tun es halt meist nicht, weil es uns nicht reif und gesittet vorkommt. Und dass ausgerechnet Mama so eine vernichtende Ausladung an den Kopf geworfen bekommt, rührt sicher auch daher, dass das Kind im Innersten weiß:

Die Liebe meiner Mama verliere ich nicht, auch wenn ich mal so gar nicht nett zu ihr bin. Genau das ist ja das Thema meines ersten Biber-Bilderbuches „Und trotzdem hab ich dich immer lieb“. Ich würde dem Kind übrigens sehr wohl sagen, dass ich das nicht nett finde und dass mich das traurig macht. Aber ich würde auch zugeben, dass ich das Kind verstehen kann, weil es sich nun eben sehr geärgert hat. Auf keinen Fall würde ich einen Zweifel an meiner Liebe aufkommen lassen.

Und wenn nun mein Kind Geburtstagseinladungen schreibt, sich am Morgen aber mit der besten Freundin oder dem besten Freund gestritten hat und sie oder ihn nun nicht einladen möchte, obwohl sie eigentlich seit Monaten ein Herz und eine Seele sind … sollte ich die Nicht-Einladung so stehen lassen oder nochmal versuchen, zu insistieren?

In diesem Fall würde ich schon das Gespräch mit meinem Kind suchen, versuchen, über den Streit zu reden, und mein Kind zum Perspektivenwechsel einladen: Wie würdest du dich fühlen, wenn er/sie dich nicht einladen würde, bloß weil ihr euch kurz zuvor gestritten habt? Möchtest du wirklich so hart sein? Kannst du nicht über deinen Schatten springen und das Kind einladen, obwohl ihr euch so sehr gestritten habt? Vieles war doch so schön mit ihr/ihm. Aber natürlich kann es sein, dass das Kind im Moment unerbittlich ist, im schlimmsten Fall sogar, dass die Freundschaft nie wieder so wird, wie sie war. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich alles mit der Zeit wieder einrenkt.

Falls ich das Gefühl hätte, dass das „verstoßene“ Kind sehr leidet, würde ich seiner Mutter oder seinem Vater signalisieren, wie leid es mir tut, aber dass ich den Willen meines Kindes, was seine eigene Geburtstagsfeier betrifft, respektiere. So können die anderen Eltern ihr Kind auffangen und unterstützen. Vielleicht aber weiß das andere Kind im Innersten selbst, dass es die Freundschaft belastet hat und dass die Nicht-Einladung nun die Konsequenz ist.

Wie kann ich als Elternteil damit umgehen, wenn mein Kind quasi nie zu Kindergeburtstagen eingeladen wird, sollte ich da unterstützend wirken oder mich raushalten?

Kinder sind einfach sehr unterschiedlich und tun sich auch unterschiedlich schwer mit Kontakten. Manche haben eine offenere Persönlichkeit und können schnell neue Beziehungen knüpfen, den anderen fällt es schwerer, auf andere zuzugehen und von Gleichaltrigen positiv wahrgenommen zu werden. Erfreulicherweise findet doch fast jeder Topf sein Deckelchen. Und manche Kinder sind auch mit einem einzigen Freund sehr zufrieden, manche sind wirklich gerne alleine und beschäftigen sich einfach gerne mit sich selbst.

Es sind also manchmal die Eltern, die sich Sorgen machen, obwohl es ihrem Kind gar nicht schlecht geht. Wenn ein Kind aber spürbar darunter leidet, dass es so gar keine Freundschaften knüpft und nie eingeladen wird, würde ich schon versuchen, ein bisschen zu helfen oder gar anzuschubsen. Ich würde versuchen herauszubekommen, mit welchem Kind mein Kind schon mal gespielt hat bzw. mit welchem Kind es von Temperament und Wesensart her gut auskommen könnte. Und dann würde ich versuchen, einen gemeinsamen Termin zu arrangieren – bei kleineren Kindern über die Eltern.

Vielleicht kann es zunächst auch eine Unternehmung der Kinder mit jeweils einer erwachsenen Bezugsperson sein, ein Besuch im Wildpark zum Beispiel. So kann man als Mutter oder Vater auch unauffällig beobachten, wie sich das eigene Kind im Umgang mit anderen Kindern verhält, und bekommt so ein Gefühl dafür, woher die Schwierigkeiten rühren und wie man dem eigenen Kind helfen kann.

Wie begleite ich mein Kind, wenn die liebste Kita-Bekanntschaft plötzlich sagt: „Du bist nicht mehr mein Freund“?

Meist ist das ja ein herber Schlag für das plötzlich verstoßene Kind. Eltern können ihr Kind hier freundlich unterstützen, aber sie können dem anderen Kind nicht befehlen, den schlimmen Satz zurückzunehmen. Einen ähnlichen Fall habe ich in meinem neu erschienenen Buch „Du bist nicht mehr mein Freund!“ aufgegriffen. Ein Kind ist gekränkt, weil der beste Freund plötzlich mit einem anderen Kind spielt, die Sache schaukelt sich hoch, und schon ist der Satz ausgesprochen. Natürlich kann es sein, dass nur ein Kind leidet. Aber oft geht es eben beiden nicht gut mit der Situation.

Eltern tun gut daran, sich die belastende Geschichte einfach mal anzuhören, ohne gleich hundert Lösungen parat zu haben. Wichtig ist auch, dass sie nicht das andere Kind zum Bösewicht machen, sondern  das eigene Kind zum Perspektivenwechsel einladen: Wie hättest du dich gefühlt, wenn Emil plötzlich nicht mehr mir dir gespielt hätte? Wie wäre es für dich gewesen, wenn Lena so garstig reagiert hätte wie du heute? Eltern können auch davon erzählen, was sie selbst erlebt haben, gerne auch, wo sie selbst mal nicht so gut und edel gehandelt haben.

brosche heidemariecandreasbrosche

Dabei fällt ihnen kein Zacken aus der Krone, sondern sie verhalten sich authentisch und zeigen ihrem Kind, dass das nichts Schreckliches ist, was da passiert ist, sondern dass Menschen sich manchmal nicht so nett verhalten. Eine Versöhnung können Eltern nicht erzwingen, aber sie können ihr Kind unterstützen – indem sie mit ihm gemeinsam überlegen, wie eine Versöhnung erreicht werden könnte, aber auch indem sie es darauf vorbereiten, dass eine Versöhnung nicht erzwungen werden kann.

Wenn die Freundin oder der Freund sich nun plötzlich umorientiert, weil vielleicht ein neues Kind in die Kitagruppe gekommen ist – entsteht da auch in diesen frühen Jahren schon eine Form von Eifersucht?
Es kann auf jeden Fall ein großer Schmerz entstehen. Und was ist Eifersucht anderes als ein Schmerz darüber, dass man beim Gegenüber nicht mehr die erste bzw. die einzige Geige spielt?!

Eines meiner Kinder hat mir im Alter von 21 Monaten auf den Anblick seines an meiner Brust nuckelnden neugeborenen Bruders den Satz entgegengeschleudert: „Wegtun, das das!“ Und ich denke, genau diesen Gedanken haben auch Kinder, deren Freundin/Freund sich plötzlich umorientiert. Das neue Kind sollte am liebsten weg sein, es solldie Beziehung nicht mehr stören. Aber wie groß der Wunsch auch ist, er wird nicht in Erfüllung gehen. Es kann gut sein, dass die Umorientierung tatsächlich eine Schwächung oder gar das Ende der Freundschaft bedeutet. Da muss sich dann das verstoßene Kind auch umorientieren.

Wie stehen Sie zu Dreierkonstellationen, ich erinnere mich an eine Clique, in der sich in einer ebensolchen immer zwei gegen eine Person verbündeten, das wechselte wie in einem Karussell und war für alle nur noch anstrengend…

Genau die Gefahr, die Sie hier beschreiben, besteht natürlich. Aber Eltern können auch hier nicht verordnen: Du spielst nicht mehr mit den beiden, das tut dir nicht gut. Wie oben schon gesagt – können Eltern als Bindungspersonen und Gesprächspartner zur Verfügung stehen und Denkansöße geben, wenn es belastend wird. Vielleicht erkennt dann auch das Kind, dass ein Ausstieg aus der Dreierkonstellation und eine Umorientierung ihm guttun würde.

Wie kann ich mein Kind insgesamt in Sachen Freundschaft fördern und bestärken?

Kinder, die eine sichere Bindung zu ihren Hauptbezugspersonen haben, sind in der Regel gut gerüstet für weitere Beziehungen. Und Kinder, die von ihren Eltern gestärkt werden, ohne sie zu kleinen Prinzessinnen oder Prinzen zu machen, können auch mit anderen Kindern meist gut kooperieren. Meine eigene Mutter erzählte mir gerne die Geschichte, wie sie es anstellte, dass die kleine Tochter der sympathischen neuen Nachbarn zu mir zum Spielen kam. Und obwohl meine Mutter da so beherzt eingegriffen hatte, erwuchs daraus eine Freundschaft, die tiefer nicht hätte sein können.

Es gab Zeiten, da war mir klar, dass ich meine Freundin heiraten würde, denn ein Leben ohne sie war für mich nicht vorstellbar. Es hätte auch so ausgehen können, dass es zwischen uns beiden so gar nicht gefunkt hätte. Eltern sind nicht allmächtig, sie können nicht alles für ihre Kinder „richten“. Aber sie können ihren Kindern nahe sein, sich für ihre Gefühle interessieren, was nicht heißt, dass sie sie ständig auszuhorchen. Über diese Nähe können Eltern dabei helfen, dass ihre Kinder in Sachen Freundschaft gut zurechtkommen. Und wenn im Rückblick klar wird, dass dieser eine Freund, an dem das Kind so lange festgehalten hat, in Wirklichkeit nicht die Idealbesetzung war, dann ist auch dies eine wertvolle Erfahrung.

ddfe0b7b230042dabbd21dbf538f71a6

Du magst vielleicht auch


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert