Ein Kind und dann Zwillinge: Wird das irgendwann besser? JA, UND OB!

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Ihr Lieben, im Grunde ist so ein Blog ja auch ein bisschen eine Selbsthilfegruppe. Ein Ort zum Austausch, zum Wiedererkennen, zum Abgleichen und zum Mut holen. Und wenn mich dann manchmal Anfragen von Lesern erreichen, dann katapultiert mich das ab und zu zurück in frühere Zeiten. Genauso ging es mir mit dieser Mail einer Leserin:

"Hallo Lisa! Ich lese schon lange begeistert euren Blog. Ich bin Mutter von zwei Kindern und lebe auf dem Land. Genauer gesagt in einem Bergdorf in den Schweizer Bergen. Es geht um meine Freundin J. Sie ist Mama eines Vierjährigen und frischgebackene Zwillingsmama. Sie macht das toll!!! Allerdings ist sie zur Zeit am Limit. Sie funktioniert grad nur noch, hat ein furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Grossen und sie kann sich nicht vorstellen, dass ihr Leben irgendwann wieder "normal" wird. Sie hat Angst, vor allem was noch kommt. Ich dachte, vielleicht kannst du ihr ein paar Zeilen schreiben. So quasi als "gutes Beispiel" der gleichen Situation… LG Tina"

Zu Allererst: Was ist das für eine tolle Freundin, die mich extra anschreibt, um ihrer Freundin zu helfen!!! Danke liebe Tina, denn genau das ist es, was uns Müttern in überforderten Situationen hilft! Nicht nur unsere Kinder brauchen Aufmerksamkeit, sondern auch wir. Ich weiß noch genau, wie schwierig das am Anfang meiner  Mutterschaft für mich war, dass ich allein war, wenn mir jemand Hilfe anbot. Besonders, wenn ich krank war. Bevor ich Mutter wurde, umkümmerte mich dann jemand, brachte mir Tee oder Zieback, schaute nach mir. Seit ich Mutter bin, heißt diese Hilfe: Ich nehme Dir die Kinder ab, damit Du Dich erholen kannst. Und dann lag ich da alleine. Ohne Tee. Ohne Zwieback. Natürlich spielt sich das ein. Was ich aber sagen will: Wir Mütter brauchen manchmal nicht nur Hilfe mit den Kindern, sondern auch selbst Aufmerksamkeit. Toll also, wenn man Freunde hat, die sich sorgen und kümmern.

Tina, ich möchte Deiner Freundin sagen, dass ihre Gefühle in Ordnung sind. Wenn man seekrank ist, sollte man nicht mit dem Körper gegen die Wellen ankämpfen, denn das macht es nur schlimmer. Man sollte mit den Wellen mitgehen. Das gilt auch für die Extremsituation mit drei kleinen KIndern zu Hause. Deine Freundin kommt da jetzt gerade nicht raus aus der Situation. Ich weiß noch, wie müde ich war, wie klebrig sich alles anfühlte, auch das Gehirn. Mein Leben bestand aus stillen, stillen, essen machen, wickeln, meine Tochter war zwei, als unsere Zwillinge geboren wurden. Ich habe zweieinhalb Jahre lang keine einzige Nacht durchgeschlafen. Ich wusste manchmal nicht genau, ob Tag oder Nacht ist, man sitzt im Hamsterrad.

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Bei uns kam hinzu, dass meine Jungs im Alter zwischen sechs und 18 Monaten gleich fünf Mal stationär ins Krankenhaus mussten, nie etwas Schlimmes, aber immer nervenaufreibend. Denn ich hatte eine weinende große Schwester zu Hause und neben dem kranken Baby immer noch ein gesundes mit in der Klinik – es mussten immer beide mit, weil ich sie stillte. Ich kann mich an vieles aus dieser Zeit nicht mehr erinnern, ich funktionierte wohl teils im Autopilot und wenn ich Dir einen Tipp geben darf, dann ist es dieser: Mach viele Fotos. So anstrengend die Zeit jetzt sein mag mit Deinen drei Kleinen, so schön ist es nachher, sich die Fotos anzuschauen und zu denken: Wow, so süß waren die? Ich hatte während der Zeit ja viel zu wenig Zeit darüber nachzudenken, wie süß sie sind, wie toll, wie wunderbar – und welches Glück es ist, mit so vielen Kindern beschenkt zu werden. Und ich verspreche Dir: Auch wenn Du jetzt das Gefühl hast, unterzugehen, die Zeit wird kommen, in der Du es als Geschenk ansiehst.

Und ich gebe Dir noch einen Rat. Hab keine Angst vor der Zukunft. Denk nicht zu viel dran, was in zwei Jahren oder fünf oder zehn sein könnte. Versuch, von Tag zu Tag zu leben oder wenn das zu lang ist: von Vormittag zu Nachmittag. Nimm Hilfe an, wenn sie Dir angeboten wird. Von Freunden oder von wellcome (Ehrenamtliche, die Familien mit Kindern unter eins helfen) oder von einer Mütterpflegerin. Lass Dir beim Arzt eine Haushaltshilfe verschreiben, wenn Du das Gefühl hast, Du brauchst da Hilfe.

Ich denke heute lächelnd daran, dass Katharina mich mal zu Hause besuchte, als die Zwillinge drei Wochen alt waren. Sie hat mir erst später erzählt, wie geschockt sie über das Chaos in unserer Wohnung war. Ja, es ging ums Überleben. Da war der Haushalt zweitrangig. Die Kinder mussten gestillt, gewickelt und bespielt werden. Und unsere Große wusste genau: Wenn ich beide Brüder gleichzeitig stillte, konnte ich nicht aufstehen. Und malte dann extra an die Wände. Ich beruhigte mich damit, dass ich mir, wenn die Kinder ausgezogen wären, eine neue Couch ohne Stillgeruch und Bäuerchen-Flecken zulegen würde. Und auch erst dann die Wände streichen würde, um mich bei der nächsten Mal-Aktion nicht aufregen zu müssen.    

Und ich konnte die Große ja auch verstehen. Es war ein Einschnitt. Für uns alle. Und wenn ich dann mal Zeit für sie allein hatte, dachte ich: So, JETZT ABER, was wollen wir Tolles zusammen tun? Und dann hatte sie keine Lust. Sie war und ist eben keine Maschine, die man zu gewissen Zeifenstern anknipsen kann. Und wenn soie dann spielen wollte, musste ich schon wieder stillen. Solche Situationen gab es viele.

Aber es wird wieder werden, liebe J! Es spielt sich ein! Die Kinder werden größer und Du wächst mehr und mehr in die Rolle der Mehrfachmutter rein. Und irgendwann wird Dich der Gedanke kalt erwischen, dass Du denkst: Stopp! Ihr könnt doch jetzt noch nicht so groß und cool und selbständig werden! Was ist denn hier los? Wo sind denn bitteschön meine Kuschelbabys hin? Und wenn Sie dann irgendwann in Kita oder Schule sitzen und Du mit einem Käffchen auf der Trrasse oder parkbank, dann lehnst Du Dich zurück und wirst vor Stolz fast platzen. Nicht nur auf die Kids, sondern auch auf Dich. Und wenn Du Dich dann fragst, warum Du so fit und fröhlich bist, dann wirst Du denken: Huch, seit wann schlafe ich nachts eigentlich wieder ungestört durch?

HALT DURCH, LIEBE J!

 

P.S. Einige werden das Foto oben vielleicht kennen,m aber es ist wirkliuch das Einzige, das ich öffentlich zeigen kann aus dieser Zeit. Ich war sooo müde. Und dieses Bild wurde gemcht, als ich grad frisch vom Frisör kam und kurz Erholung hatte. Das zweite Bild zeigt unsere Beiden im Krankenhaus auf Mallorca. Ja, wir wollten mal Urlaub machen, um wieder ein bisschen zu uns zu kommen. Es endete… so! Es entstand übrigens exakt heute vor sieben Jahren.

P.P.S Die wunderbare Blogprinzessin hat auch schon einen Mutmachtext für Zwillingseltern geschrieben. Schaut mal vorbei!

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9 comments

  1. Vielen Dank liebe Lisa!
    Ich bin in der gleichen Situation wie J. Meine Tochter ist vier und wir haben Zwillis, die jetzt 8 Monate alt sind. Und ich kenne diese Gefühle – es gibt Tage, da funktioniert man wirklich nur noch. Und manchmal sitze ich da und heule Sturzbäche, weil meine Große ausflippt, nicht auf mich hört, Dinge extra tut, die sie nicht tun soll und ich genau weiß: sie macht das alles nur um meine Aufmerksamkeit zu kriegen. Und ich fühle mich schuldig, weil ich ihr im Moment nicht gerecht werden kann. Die Nächte können der Horror sein, und manchmal auch die Tage. Und oft frage ich mich: wie soll ich das bloß jemals schaffen.

    ABER: ich platze jetzt schon vor Stolz auf diese drei wunderbaren kleinen Wesen, die uns geschenkt wurden. Langsam werden die Zwillis mobil und es wird besser. Ich schaffe es nun viel öfter die Zeit auch zu genießen. Und das alles dank Dir! Du hast mir gerade am Anfang oft Mut gemacht mit Deinen Kommentaren auf meinem Blog. Und mit dem was Du hier auf Deinem Blog schreibst.

    Du bist eine ganz tolle Mami – und ich danke Dir von Herzen für diese tollen Worte hier, die zwar für J. geschrieben sind, aber ein Mutmacher für alle frischgebackenen Zwillingseltern sind!

  2. Oh, das ist sooo schön, zu
    Oh, das ist sooo schön, zu lesen. Ich fühl mich so verstanden als 4-fach Mutter und davon auch Zwillinge. Dankeschön für diesen wunderbaren Text.

  3. Danke
    Danke für diesen tollen Text!
    Ich bin seit 14 wochen Mami einer kleinen ganz zauberhaften Tochter, die ganz furchtbare Koliken hat und immer und ständig untröstliche Schreianfälle hat.
    Noch nie in meinem Leben war ich so fertig. Ich geh dermaßen auf dem Zahnfleisch, dass ich nicht mehr weiß, wo hinten u vorn ist.
    Um mich herum sind nur solche „supermamis“ mit super entspannten Kindern. Sie treffen sich in Cafés, gehen Babywalken, Babyschwimmen etc. und ständig fragen sie mich „ist das denn immer noch nicht besser?“ „Du musst doch mal raus“ bla bla bla.
    Aber alle diese Frauen haben weder kolikenkinder, noch Verständnis dafür!
    Dazu kommt, dass sie hier im Münchner Vorort verwurzelt sind, freunde und Familie haben, die ihnen die Kinder auch mal abnehmen.
    Und eben das habe ich nicht. Mein Mann u ich wohnen erst kurz hier und jeder Form von Hilfe wohnt mindestens 500km entfernt.
    Noch nie habe ich mich so einsam gefühlt!
    Wenn mein Mann abends um 6 heim kommt, nimmt er mir das kleine Schreihälschen ab, aber Ruhe hab ich deswegen ja auch nicht. Auch mein Mann fehlt mir sehr.

    ABER ich würde die ganze Situation für nichts auf der Welt eintauschen! Ich liebe meinen kleinen Grummelpummel so sehr wie nichts anderes jemals bevor! <3

  4. „Durchhalten“ ja, aber vor allem auch mal genießen
    Die Zeit vergeht schnell. Von einer mega-sauberen Wohnung wird kein Kind glücklicher, wenn man dafür das Spielen, Genießen nicht schafft. Ich habe (selbe Konstellation wie bei Lisa, aber alles Mädchen) viele Dinge, wie Hobby, auch paar Freunde und den Perfektionismus weggelassen und die Zeit mit den Minis genossen, mich dabei als Mama neu entdeckt und gecheckt, was doch so alles in mir steckt als so verantwortungsvolle, achtsame Frau. Manchmal war ich im Yummmm, weil Schlaf und Energie fehlte, oft habe ich sie einfach beobachtet und gekitzelt, mit ihnen gespielt und die Unordnung ignoriert. Aller zwei Wochen kam eine Hilfe für den Hauhalt und dann war alles wieder porentief rein. Gesundes Kochen und viel frische Luft, kleines Glück jeden Tag beim Abholen der Großen aus der Kita. Ich habe spät Kinder bekommen und sehnte mich nicht sooo sehr nach Kneipen und wilden Tanzabenden, nach langen Arbeitstagen und Geschäftsreisen. Lass‘ Dich darauf ein, gehe auch mal allein in’s Café, verabrede Dich mit den allerbesten Freunden (die anderen bleiben auf der Strecke:)). Vergiss Dich nicht! und nicht in der Kombi mit dem Mann/Lover/Freund. Und: Hilfe annehmen und es den Helfenden freistellen, wie und was und nur genießen, dass sie kochen, mit dem Kinderwagen spazieren gehen, vielleicht auch aufräumen. Und nicht den Haushalt und Garten machen, nur weil es die Eltern, Nachbarn, oder wer auch immer so von einem erwarten (könnten)!
    Alles Gute, viel Muse zum Genießen der Kids (so nah und abhängig sind sie nie wieder). Es bleibt viel Arbeit und klopfe Dir selbst dafür öfters auf die Schulter.

  5. Einfach toll!!!
    Eigentlich schreibe ich nie irgendwelche Kommentare, aber hier muss ich einfach mal sagen, wie wunderbar aufbauend und toll ich deine lieben Worte finde. Sie werden der J. bestimmt helfen!!!!

  6. Ein Kind und dann Zwillinge
    …. das kenne ich doch irgendwo her ;O)
    Ja, liebe Lisa, ich kann dem allen nur beipflichten!! Toll geschrieben!

    Ich fühlte mich auch oft so leer, schuldig der Großen gegenüber (und alles was man sich vor der Geburt der Zwillinge vorgenommen hat, konnte man nur schwer oder gar nicht umsetzen, um z.B. mal alleine mit der Großen etwas zu unternehmen um ihr die volle Aufmerksamkeit 1x die Woche zu schenken), habe wie eine Maschine funktioniert und kann mich leider auch an manches gar nicht mehr erinnern. Auch bei uns war einer unserer Zwillinge mit 7 Wochen gleich in einer Kinderklinik und ich pendelte mit dem anderen Zwilling und der großen Schwester täglich zwischen Klinik und zu Hause hin und her (einfache Fahrt 1 Stunde), damit ich meinem anderen Kind die wichtige Muttermilch in der Klinik geben konnte, bei dem mein Mann die ganze Zeit natürlich mit in der Klinik war (Tag und Nacht!). Und es war so nervenaufreibend, weil der Kleine so schlechte Entzündungswerte hatte und man alles machen musste bei dem Kleinen, was man sich vorstellen kann (Röntgen (da wurde er aufgehängt, ich habs Gott sei Dank nicht sehen müssen, aber mein Mann war danach am Ende!), mehrmals täglich Blutabnahme am Kopf und Infusionen, Lumbalpunktion uvm. ). Es ist aber unglaublich, was man alles durchhalten kann und man schafft es irgendwie – immer!
    Und jetzt, wenn ich Bilder oder Kurzfilme anschaue, wo unsere so zuckersüße kleine Propper waren mit ihren zarten Stimmchen, sitze ich heulend vorm PC und sehne mir die Zeit zurück, weil sie einfach zu schnell vergangen ist und man durch die tägliche Routine und das sich selber unter Druck setzen, so wenig geniessen konnte, sondern einfach nur „gemacht“ hat.
    Jetzt wüsste ich es besser und würde mehr genießen und nicht immer alles als Mutter und Hausfrau perfekt machen wollen… denn die Zeit kommt nie wieder zurück! Und dann wird man plötzlich ganz wehmütig.

  7. Danke
    Für diesen Text. Du bist so so toll, Lisa! Ich mag euren Blog sehr gerne, weil er einfach so menschlich ist!