Wir waren doch früher wilder, oder? Was ist nur mit den Zwanzigjährigen los?

party

Am Sonntag morgen, als ich meinen müden Körper durch den Wald schob und mir einredete, dass Joggen bei Nieselregen um acht Uhr morgens Spaß macht, kamen mir zwei junge Damen entgegen. Sie trugen neon-farbene Oberteile, hatten rosige Wangen und beste Laune. Sie schnatterten fröhlich und liefen dabei ein vielfaches schneller als ich. 

Am selben Tag rief mich meine Schwester an, sie erzählte mir, dass sie das erste Mal nach der Geburt ihres Kindes beim Yoga war und leichte Komplexe zwischen all den jungen, biegsamen, schlanken Studentinnen gehabt habe. 

Letzte Woche war ich mit einer Freundin aus, nach zwei Gläsern Wein gingen wir an die frische Luft und meine Freundin wollte sich eine Zigarette schnorren. Sie fragte fünf junge Frauen und Männer, die dort ebenfalls rum standen – aber keiner rauchte. 

Unsere 18-jährige  Babysittern erzählte, dass all ihre Freunde in den Aktivurlaub fahren, zum Wandern, zum Klettern, zum Kanufahren. Warum zur Hölle fährt denn niemand mehr zum Party machen nach Lloret del mar?

Diese vier kleinen Geschichten brachten mich zum Nachdenken. Was ist nur mit den Zwanzigjährigen von heute los? Sie scheinen fitness-süchtige, ernährungs-fanatische, nicht rauchende Wesen zu sein 🙂

Ich sag`s ehrlich: Mit Anfang 20 war ich definitiv anders drauf. Ich bin sonntags morgens um acht aus den Clubs gefallen und habe dann bis in den Nachmittag hinein gepennt. Ich war niemals joggen, wirklich niemals. Wenn ich einen sportlichen Anfall bekam (so alle 6 Monate), habe ich in irgendwelchen Fitnessstudios Probetrainings ausgemacht, war dort 15 Minuten auf dem Stepper und bin dann in die Sauna. 

Über Ernährung habe ich mir keine Gedanken gemacht. Es gab sehr viel Tiefkühl-Pizza und Nudeln. Ich hatte wenig Geld und noch weniger Lust auf Kochen. 

Ich habe oft auf Partys zu viel getrunken, weshalb ich den ein oder anderen Morgen vor dem Klo aufgewacht bin. Ich hab geraucht – und wie. 

Ich bin barfuß von der Hamburger Reeperbahn nach Hause gelaufen, weil ich meine Schuhe und meinen Geldbeutel verloren hatte. Ich habe Typen geküsst, die ich erst 10 Minuten kannte. Ich habe so viel getanzt, dass meine Füße weh taten. 

Natürlich weiß ich, dass rauchen/trinken/wenig schafen/viel Mist essen ungesund ist. Das wusste ich damals auch. Aber es war mir egal. Es gab kein Instagram, wo alle ihre grünen Smoothies posteten. Es gab nicht den ganzen Fitness-Kram von heute. Nichts war bio oder vegan oder raw. 

Wir waren jung. Wir dachten: Joggen und anständig essen können wir später auch noch. Wir dachten nur: Jetzt hauen wir auf die Kacke. 

Und wisst Ihr was das Wunderbarste ist? Wenn ich an meine Anfang-Zwanziger zurück denke, muss ich sofort grinsen. Es war eine wunderbare, unbeschwerte Zeit. Mit viel Blödsinn im Kopf, vielen Freundschaften und Herzklopfen, vielen Sonnenaufgängen am Hamburger Hafen, vielen Absackern in Kneipen, vielen Gesprächen an WG-Tischen, vielen Lachanfällen. Das möchte ich nicht missen. Niemals. Also werde ich nächsten Sonntag genau daran denken, wenn mich Zwanzigjährige mal wieder beim Joggen abhängen!

PS: Die Fotos oben stammen von einem sechswöchigen Paris-Aufenthalt. Dort war ich kurz nach dem Abi auf einer Sprachschule…und im Nachtleben unterwegs 🙂

 

 

ead7ff9ece3343639f418af8818a63c9

Du magst vielleicht auch


7 comments

  1. Ja, so war das – eine geile Zeit!
    Musste lachen bei Deinem Beitrag, denn ich habe schon oft das Gleiche empfunden. Zusätzlich erschreckt mich immer, dass die 20-jährigen heute alle schon morgens beim Bäcker aussehen wie Germanys next Topmodel. Ich hatte damals schon Augenringe, habe mir selten Gedanken gemacht, ob ich die passenden Klamotten anhabe und wenn ich mich geschminkt habe wurde es viel zu bunt oder ich lief halt natur-blass mit Pickel auf der Nase rum. Aber wir hatten definitiv jede Menge Spaß und waren viel unverkrampfter. Wir waren halt damals das Ergebnis des gerade herrschendenen Zeitgeistes, so wie die jungen Menschen heute das Ergebnis des Smoothie-Zeitgeistes sind…smile.

  2. Oh yeah, I remember the time
    Oh yeah, I remember the time und es war eine verdammt geile Zeit! 🙂

  3. 20er
    Hallo Katharina,

    musste beim Lesen deines Eintrages sehr lachen – und mich an eigene Studenten-, Party- und Erasmus-Zeiten zurückerinnern. Mir (35 und Mutter) geht es so oft wie Dir. Anfangs hatte ich Hemmungen, unsere 18-Jährige Babysitterin zu häufig am Samstagabend einzuspannen, weil ich dachte, die geht doch bestimmt feiern? Ich lerne aber immer mehr Leute aus dieser Generation kennen, die eben genauso sind, wie du sie beschreibst. Die erzählen, dass sie am Wochenende gerne früh ins Bett gehen, um am nächsten Tag fit zu sein. (Ich dachte immer, das machen nur wir Eltern zwangsläufig so …). Ob das tatsächlich die Realität ist oder ob wir durch das Posten in sozialen Netzwerken mittlerweile einfach gut darin sind, allen immer ein perfektes Bild vermitteln wollen, weiß ich nicht. Vielleicht wird ja (hinter verschlossenen Türen) manchmal doch noch gefeiert. Wenn wir ehrlich sind, haben wir es ja damals auch nicht jedem erzählt, oder? Danke auf jeden Fall für diesen und andere sehr lustige, persönliche Posts. Ich lese euren Blog sehr gerne.

  4. 20er
    Wir waren auch ständig unterwegs. In der Abizeitung steht über mich dass ich mehr in der Disse war wie zu Hause. Und das stimmte…. Es war so, wie Du es auch geschrieben hast. Eine tolle Zeit. Wenn ich aber ehrlich bin wäre es mir recht wenn meine Kinder nicht so abgehen werden, wenn sie älter sind. Ich glaube ich würden mir viele Sorgen machen. Auch mit dem Wissen, dass aus mir ein anständiger Mensch geworden ist ohne soziale (…) Probleme

    1. lifestyle 20iger
      irgendwann wird man auf die kacke haun, wenn es nicht vor 20 ist, dann vlt in den 20igern, 30igern, oder 60igern wenn man sie erlebt,…es bleibt aber definitiv jedem selbst ueberlassen wie brav oder frech sie oder er durchs leben geht…und jede zeit hat ihren eigenen lifestyle, und das hat immer seine gruende…

  5. Liebe Katharina,

    Liebe Katharina,
    Das ist mein erster Kommentar auf eurem Blog, den ich eigentlich sehr gerne lese. Bei diesem Beitrag hatte ich jedoch weniger Freude beim Lesen. Ich bin 25 und Mutter eines Kindes von 1,5 Jahren. Also bin ich offiziell auch noch in den Zwanzigern. Jedoch bin ich auch vor der Geburt unseres Sohnes nicht von einem Club in den anderen gefallen. Vielleicht ist unsere Generation auch einfach ein bisschen anders und Freizeit besteht für uns aus nettem Beisammensitzen in Cafés oder Bars. Nur weil wir nicht jedes Wochenende betrunken und rauchend und in der Ecke liegen, heißt das noch längst nicht, dass wir unser Leben nicht genießen. Dein Beitrag erweckt den Eindruck, dass nur die Art wie du deine Zwanziger verbracht hast, gut und richtig ist. Ich gönne jedem seine ausgiebigen Partynächte, der Lust darauf hat, finde aber auch, dass man die, die in deinen Augen “ brav“ sind deshalb nicht verurteilen sollte. Ein kleiner Nachsatz in diesem Sinne wäre für deinen Eintrag schön gewesen.
    Trotz allem viele Grüße,
    Svenja