Einfach mal abschalten: Warum können andere so viel besser auf sich selbst hören?

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Ihr Lieben, Anfang der Woche telefonierte ich mit einem Interviewpartner und als das Gespräch zu Ende war, sagte er: "Ach schön, jetzt mach ich Feierabend und gehe noch eine Runde joggen." Und ich dachte: Wow. Er hat Frau und drei Kinder zu Hause sitzen und statt sich nach der Arbeit sofort auf den Weg zu ihnen zu begeben, nimmt er sich jetzt einfach noch seine Zeit. Ich muss ehrlich zugeben: Ich bin ein bisschen neidisch darauf, auf diese Ruhe, auf dieses Freiräume-Schaufeln, auf dieses nicht vorhandene schlechte Gewissen. Denn ich kann das nicht so gut.
 
Wisst ihr, wie das bei mir aussieht, wenn ich frei habe? Ich rase förmlich aus dem Büro, springe in mein Auto. Gehe im Kopf schon einmal die Nachmittagsplanung durch, fluche über Stau und bin froh, wenn ich es schaffe, alle Kinder pünktlich aus der Nachmittagsbetreuung zu holen. Dann haben alle Hunger, Durst oder Redebedarf und wir fahren einkaufen und zum Training und holen Hausaufgaben nach und sammeln Pflanzen für die Sachkundeunterricht und nehmen uns in den Arm und und ärgern uns und bereiten Abendessen vor und machen uns fertig für den Abend und…. Ihr hört es schon. Einfach mal joggen gehen? Oder shoppen? Die Kinder länger in der Betreuung lassen, um Zeit für mich zu haben? Wie geht das? Welchen Schalter muss ich da umlegen?
 

Selbst wenn ihr ganztags arbeiten solltet, werdet ihr das vielleicht kennen. Wenn ihr von der Arbeit kommt, habt ihr die Tasche noch nicht in die Ecke gestellt, da wischt ihr schon die Krümel vom Tisch, lasst euch Klassenarbeiten oder Basteleien zeigen, serviert dem durstigen Kind ein Glas Milch oder stellt schon mal Wasser auf den Herd, damit es mit dem Abendessen nicht mehr so lange dauert… statt einfach mal kurz durchzuschnaufen und zu sagen: "Hey, warte. Gleich, gleich mach ich das. Ich komme kurz an und bin dann für alle Scherze zu haben… Aber jetzt brauch ich erstmal fünf Minuten."

Ich glaube, wir könnten uns einige Kuren sparen, wenn wir uns da ernster nähmen. Denn die Kinder akzeptieren das in der Regel. Es ist überhaupt kein Problem! Es ist sogar richtig gut für alle, weil so alle Grenzen geachtet werden und danach niemand genervt ist. Wieso tun sich Frauen wie ich und viele meiner Freundinnen also so schwer damit? Es ist ein winziger Akt der Abgrenzung und Selbstfürsorge. So wichtig! So schwer! Könnt IHR das?

Ach und am Wochenende. Könnt ihr eurem Mittagstief nach dem Essen einfach so kurz nachgeben? Euch zehn Minuten hinlegen und ein kurzes Nickerchen machen? Oder denkt ihr nicht auch: Ach, komm, ich räum in der Zeit noch schnell die Spülmaschine aus? Woher kommt dieser dauernde On-Modus? Wollen wir es einfach immer allen recht machen? Haben wir nicht gelernt, uns auch Zeiten für uns zu nehmen?

Oder wenn Gäste kommen. Sich kurz vorher seelenruhig mit Kaffee und Zeitung in die noch explodiert wirkende Küche setzen. Könnt ihr das? Und um euch herum alles ausblenden? Den Moment leben? Weil danach doch dann auch wirklich alles lockerer und zufriedener von der Hand geht…

Ich beneide das. Und ich versuche wirklich, das auch ein bisschen mehr zuzulassen. Aber das ist gar nicht so leicht. Habt ihr da irgendwelche Geheimrezepte parat? Soll ich jetzt einfach joggen gehen? Aber ach nee, ich muss jetzt ECHT erstmal diesen Text hier fertig schreiben 😉

 

Foto: pixabay

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8 comments

  1. Müde,müdemüde
    Ich habe gerade noch einen Artikel von „Das Nuf“ alias Patricia Cammerata gelesen, indem es um Aufgabenverteilung geht.
    Schade, wenn man niemanden hat,an den man die Alltagsaufgaben verteilen kann. Vor allem: der die von SICH aus macht. Wie soll man es da schaffen, mal eben 5e-gerade-sein zu lassen? So bald man zur Ruhe kommt, fängt doch die Gedankenspirale an: was muss ich gleich noch machen, was morgen? Was liegt die Woche an, welche Termine, wie regel ich das mit dem Elternabend, wo bleiben die Kinder am Brückentag…? Ich Regeln auch immer alles gerne sehr weit im Voraus, damit notfalls noch Plan B greifen kann. Der Vater macht es genau anders herum, trifft irgendwelche Zusagen von Terminen, ohne sich vorher Gedanken zu machen, wie er das gemanged bekommt. Ich richte mein Leben nah den Kindern aus, er richtet sich nur nach sich und die anderen müssen „springen“. Und wenn ich doch tatsächlich mal was „für MICH “ mache, bin ich egoistisch (als die Aussage kam, musste ich länger arbeiten, weil Kollegen ausgefallen sind, und er MUSSTE wirklich mal die Kinder abholen, sonst kann er es sich quasi aussuchen…). Sind wir Mütter zu pflichtbewusst, während die Väter alles viel lockerer sehen?
    Und mal nebenbei: ich schaffe gerade so die Abholzeit um 16 Uhr, da ist nix mit freischaufeln.
    Aber heute habe ich mir auch mal eine Mütze Schlaf mehr gegönnt: während die Kleine um 7:30 auf war, hab ich mich umgedreht und weitergeschlafen. Bis 9:30 durfte ich noch im Bett bleiben (zwischendurch kam sie natürlich wegen lauter wichtiger“ Fragen zu mir).

  2. Déjà-vu
    Genau so läuft das bei mir auch ab. Irgendwie erschreckend, dass man (Frau) wie in einem Hamsterrad ist und es trotzdem wie ein Zwang ist so zu reagieren. Es ist echt schwer das zu unterbrechen und sich, auch wenn es nur eine kurze Auszeit ist, sich diese für sich zu nehmen. Unbewusst der Gedanke, wenn ich das nicht….., wer macht es dann?! Das erinnert mich auch an meine Kindheit und das meine Mutter es genauso vorgelebt hat.

  3. Kopfhörer auf
    Ich kenne das Gefühl nur zu gut. Bis vor ein paar Tagen noch war meine kleine Tochter täglich bei mir, inzwischen besucht sie die KITA. Mit nun zwei Kindern hatte ich bislang selten die nötigen Verschnaufpausen. Bei mir ist das zum Teil bestimmt selbstverschuldet. Damit meine ich, daß ich öfters mal den STOPP-Schalter hätte drücken müssen. Mein Sohn (vier Jahre) hat es uns einmal vorgemacht, wie einfach das ist, sich bewusst mal aus der Situation rauszunehmen: er setzte demonstrativ seine Kopfhörer auf, als wir mit ihm schimpften. Ich hab das zum Spaß auch einmal gemacht, er hat ganz verwirrt geschaut und gefragt, was denn los sei. Ich musste lachen und habe ihm erklärt, dass das ständige Nörgeln, Quengeln, Forderungen Stellen für mich sehr anstrengend ist. Danach habe ich meinen Kindern auch zugemutet, eine Auszeit zu nehmen, ohne ihnen Schuldgefühle zu machen. Auch sonst denke ich, daß die gesamte Familie Sorge für das Wohl jedes Familienmitglieds tragen muss. Wenn der Akku leer ist, sollte es möglich sein, aufzutanken.

  4. Mir fällt es auch schwer!
    Ich kann Dich so gut verstehen! Mir fällt es auch total schwer, mir meine Zeiten bewusst zu nehmen. Vor allem die Kinder länger im Kindergarten zu lassen… meine beiden gehen zwar in den Kindergarten, aber nicht mit wehenden Fahnen… und sie dann länger lassen? Schaffe ich nicht. Und dann komme ich mit den Kindern heim, habe noch nicht Mittag gegessen… Mittlerweile sage ich aber schon ganz klar, dass sie jetzt erstmal allein spielen müssen, weil Mama sich was zu essen machen muss. Das akzeptieren sie wirklich gut (sie sind 2,5 u 4,5). Auch auf dem Spielplatz sage ich jetzt immer mal wieder, dass ich jetzt mal 10 Min. auf der Bank sitzen möchte, auch das klappt gut.
    Aber die Oma setze ich nur ein, wenn ich länger arbeiten muss, zum Arzt muss usw. Habe ein schlechtes Gewissen, sie dafür auszunutzen, dass ich z. B. zum Sport gehe… Aber ich versuche, mir zuliebe dran zu arbeiten!

  5. Mal mehr, mal weniger…
    Nach der Geburt unserer Kleinen, hatte ich eine postpartale Depression, die ich jetzt weitestgehend los bin, aber geblieben ist immernoch, dass ich allein bei dem Gedanken, ich müsse mich gleich um meine Tochter kümmern, dass sie versorgt ist, etc., in leichte Angststarre verfalle. Den Mitragsschlaf kann ich dabei kaum für mich nutzen, weil ich dann Angst bekomme, ich würde die Zeit vergessen, gar schlafen, und dann ohne sichtbare Pause gehabt zu haben, direkt wieder in der Verantwortung sein.
    Mein Mann mildert dies glücklicherweise großartig ab: Er verpflichtet mich dazu, nichts zu tun, wenn die Maus schläft, zwingt mich abends ab 8 vor den Fernseher oder zum Buch, aber was mich tatsächlich rettet: Er macht die meiste Arbeit. Ich gehe voll arbeiten (auch als Flucht vor der Verantwortung) und am Wochenende, wenn ich da bin, nimmt er das Babyphone beim Mittagsschlaf, alleine,dass ich nicht sofort laufen muss, sondern nachkommen darf in meinem eigenen Tempo, macht vieles einfacher. Dadurch, dass er auch mehrere Monate voll zu Hause war, hat er mir auch gezeigt, dass der Haushalt nicht wichtig ist, wenn man selbst ausgeglichen ist, wenn die Kleine schläft, schläft er auch und wenn das bis 4 dauert, dann ist bis um halb 6 (wenn ich komme) nichts geschafft, ist halt so. Der Kleinen tut ein so entspannter Vater unheimlich gut, was mich auch motiviert, an meinen Pausen zu arbeiten :).

  6. Liebe Lisa – ich praktiziere
    Liebe Lisa – ich praktiziere die kleinen Pausen im Alttag seht oft. Mir ist wichtig, dass meine Töchter eine Mutter kennenlernen, sie sich und ihre Leistungsfähigkeit respektiert. Ich lege mich hin und sage: Mama muss jetzt mal 15 Minuten ausruhen. Ich springe auch nicht sofort auf, wenn ein Glas Milch gewünscht wird. Sofern man kein bedürftiges Baby mehr hat, ist es durchaus legitim zu sagen: Mama ruht sich aus und holt nach der Pause ein Glas Milch für Dich.

    Ich agiere sehr bedürfnisorientiert ggü. meinen Kindern.
    Aber auch gegenüber mir.
    Es

  7. Ich versuche immer einen
    Ich versuche immer einen kleinen Puffer einzubauen, zwischen Bringen oder Abholen von der Betreuung und Arbeit, so dass ich noch eine halbe Stunde Zeit für einen Kaffee in einem schönen Café ganz für mich allein habe. Das tut mir sehr gut. Und wir bestellen immer eine Gemüsekiste und vieles mehr bei einem Biohof und bekommen das ins Haus geliefert. Dadurch wird das Einkaufen seltener und vor allem die Schlepperei weniger. Bei Besuch gerate ich doch auch in Aufräum- und Putzwahn. Das muss ich auch noch lernen.