Interview mit dem Kinderschutzbund: So macht Ihr Eure Kinder stark gegen Missbrauch

sabine bresche fotor

Ihr Lieben, im Jahr 2016 wurden 14.051 Fälle polizeilich erfasst, bei denen Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch wurden – die Dunkelziffer liegt weit höher. Wir bekommen immer wieder Mails von Leserinnen, die sich Tipps wünschen, wie man seine Kinder stark gegen Missbrauch machen kann. Genau darüber haben wir mit Sabine Bresche, Sozialarbeiterin und Koordinatorin Beratungsstelle vom Deutschen Kinderschutzbund LV Berlin, gesprochen. Vielen Dank für die hilfreichen Antworten!

Liebe Frau Bresche, wir bekommen immer wieder Mails, in denen Mütter uns fragen, wie man das Thema sexuellen Missbrauch am Besten mit seinen Kindern bespricht – ohne die Kinder unnötig zu ängstigen. Daher erstmal die Frage: Ab welchem Alter sollten Eltern anfangen, die Kinder dafür zu sensibilisieren?

Kinder zu stärken fängt vom ersten Tag an. Eltern können sich selbst entlasten, wenn sie offen mit ihren Kindern darüber sprechen, welche Gefühle sie kennen; wo sie im Körper wahrgenommen werden und was dann am liebsten getan würde. Neben Fröhlichkeit und lautem Lachen gibt es noch viel mehr zu entdecken. Wie fühlt es sich an, wenn ich Angst habe oder ich richtig wütend bin und was würde ich in einer solchen Situation am liebsten machen?

Darüber mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, verlangt uns Erwachsenen ein Umdenken ab. Kein Elternteil möchte, dass das eigene Kind Angst hat und dann ist der Impuls groß, dem Kind zu sagen „Du brauchst keine Angst zu haben!“ Jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Deshalb liebe Eltern: Nur Mut! Hinterfragen Sie die Gefühle ihres Kindes!

Das Kinderbuch „Ein Dino zeigt Gefühle“ kann Sie dabei unterstützen.

Aber wie kann man Kinder vor Gefahren warnen, die sie eigentlich nicht verstehen können?

Da liegt es an uns Erwachsenen kindgerechte Worte zu finden. Worin unterscheiden sich gute und schlechte Geheimnisse? Ein gutes Geheimnis ist z.B. wenn man ein Geschenk besorgt hat und sich schon richtig darauf freut, wenn Mama oder Papa es auspacken. Das fühlt sich gut an und bringt Freude.

Ein schlechtes Geheimnis hingegen liegt einem schwer im Magen, macht Bauch- oder Kopfschmerzen und man darf nicht darüber reden, weil sonst etwas passiert.

Fragen Sie ihr Kind einfach, bei wem es sich Hilfe holen würde.  Und bestärken sie ihr Kind darin, dass es das Recht hat, sich Hilfe zu holen, wenn es ihm oder ihr schlecht geht. So geben sie ihrem Kind auch die Erlaubnis, dass es sich an andere vertraute Menschen wenden kann.

Leider passieren immer wieder sexuelle Übergriffe. Gibt es typische Verhaltensmuster, die Kinder dann zeigen und bei denen Eltern hellhörig werden sollten?

Eine Typische Reaktion gibt es nicht. Wenn Ihnen Verhaltensauffälligkeiten bei ihrem Kind auffallen, nehmen Sie sie ernst und sprechen Sie ihr Kind auf ihre Beobachtungen an. Vielleicht will ihr Kind erst einmal nichts dazu sagen. Bestärken Sie es in dem Recht, sich die Zeit zu nehmen, die es braucht. Sagen Sie ihrem Kind, dass Sie es einfach wieder darauf ansprechen werden und es natürlich jederzeit auch zu Ihnen kommen kann. Das erleichtert Kinder und gibt Ihnen die Sicherheit verstanden und ernst genommen zu werden.

Was können Eltern tun, um Kinder ganz generell stark gegen Übergriffe jeder Art zu machen?

Wir können unsere Kinder in vielen Situationen aktiv stärken. Das fängt schon damit an, dass wir ihre Gefühle ernst nehmen. Klassisches Beispiel: Wenn Verwandte von Kindern einen Kuss zur Begrüßung verlangen oder der Kinderarzt einfach sagt, das Kind muss sich nun ausziehen. Wenn das Kind nicht will, stellen sie sich schützend vor ihr Kind. Kinder haben das Recht selbst zu entscheiden, wer sie küssen oder umarmen darf oder ihnen sagt, ob sie sich ausziehen müssen. Und dabei brauchen sie unsere Unterstützung und Rückenstärkung. Andernfalls lernen Kinder aus solchen Momenten, dass sie alles machen müssen, was wir Erwachsene sagen.

Wichtig ist, dass Kinder ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und ernst nehmen. Auch wir Erwachsene kennen Situationen, in denen wir ein komisches Gefühl haben und nicht genau wissen, was wir machen sollen. Es ist wichtig diese Gefühle ernst zu nehmen und sich Hilfe zu holen. Mit jemandem darüber zu sprechen, hilft, das Gefühl besser zu verstehen. Wenn wir Kindern hier Vorbild sind, können sie es besser begreifen!

Wenn Sie sich unsicher sind oder befürchten, dass es ihrem Kind nicht gut geht, wenden Sie sich einfach telefonisch an eine Beratungsstelle oder eine Hotline. Es gibt eine Hotline „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ mit der Telefonnummer 0 800 22 55 530. Die Sprechzeiten der Hotline sind Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 14 Uhr und Dienstag und Donnerstag von 15 bis 20 Uhr. Hier werden Sie anonym beraten. 

Können Sie gute Kinderbücher zu dem Thema empfehlen?

Es gibt dazu viele Kinderbücher, die Sie sich gemeinsam mit Ihren Kindern anschauen können und die Ihnen dabei helfen:

„Ein Dino zeigt Gefühle“

„LiLoLe Eigensinn“

„Kein Küsschen auf Kommando“

„Das große und das kleine Nein“

Eine gute Broschüre dazu  gibt es von der AJS: Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, ein Ratgeber für Mütter und Väter.

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2 comments

  1. ?
    Vielen Dank für die wichtigen Hinweise. Ich bin jedoch über die Sache mit dem Kinderarzt gestolpert. Mein Kind ist 16 Monate alt und sagt fleißig und nachdrücklich „nein“, was ich generell gut finde, aber es gibt eben Situationen, in denen man sich darüber hinweg setzen muss?! Eben wenn beim genannten Beispiel mit dem Kinderarzt/der Kinderärztin gefordert wird, dass das Kind ausgezogen werden muss (das kann es ja noch nicht selbst), um es zu untersuchen, zu impfen etc. Alles Dinge, gegen die man sich mit eineinhalb natürlich verständlicherweise wehrt. Das geht noch weiter im Alltag daheim mit Wickeln und Schneuzen… man kann leider einfach nicht immer das „nein“ des Kindes akzeptieren, weil man es dann nicht vom Arzt untersuchen lassen könnte, so ziemlich in 95% Prozent der Fälle nicht wickeln usw…. das Schneuzen lasse ich inzwischen aus dem Grund, auch wenn der Rotz bis zu den Füßen fließt.
    Ich bin natürlich auch absolut dagegen, wenn Verwandte usw sich dem Kind mit Küsschen Küsschen und „Aiai“ annähern und es das nicht will. Aber es gibt ja eben Situationen, die im Endeffekt dem Wohl des Kindes dienen und es trotzdem „nein“ dazu sagt… wie bitte gehe ich damit um?

  2. Danke!
    Danke für diesen mal neutralen, sachlichen Artikel. Vor allem den Punkt mit den guten und schlechten Geheimnissen nehme ich gleich dankbar auf.
    Meine große Maus, 4,5 Jahre alt, ist eine Geheimniskrämerin. Sie würde nie ein Geheimnis verraten. Sie kennt zum Beispiel als Einzige den Namen unserer Bauchmaus und würde ihn nie sagen 😉 Das finde ich toll. Nun hab ich mich aber schon oft gefragt, wie es mit anderen Dingen ist. Was wenn ihr jemand etwas tut und sie „dieses Geheimnis“ nicht verrät? Ich werde mal mit ihr über gute und schlechte Geheimnisse sprechen. Vielen Dank!