Gastbeitrag von Ina: Luxuskleidung und Latte Macciato: Ich musste erst umziehen, um zu vertehen, dass Mutterschaft auch ohne geht

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Mein Name ist Ina und ich habe zwei Kinder, 7 und 4 Jahre alt. Ich lebe in einer mittelgroßen Stadt mitten in Deutschland, bis vor einem Jahr aber wohnten wir in Berlin Prenzlauer Berg. Wir waren wohl so, wie man sich den Klischee-Prenzlauer-Berg-Bewohner vorstellt – besonders, als wir noch keine Kinder hatten. Mein Mann und ich haben beide gute Jobs und verdienen wirklich gut. Wir gingen schön essen, ich shoppte gegen die Langeweile, wir hatten eine wunderschöne Altbauwohnung. 

Dann bekam ich meine Tochter und blieb ein Jahr zu Hause. Rückblickend war das eine schräge Zeit. Ich bekam den Höchstsatz an Elterngeld und hatte einiges gespart, so dass ich mein Konsumverhalten kaum ändern musste. Ich besuchte Babymassage-Kurse, trank mit meinen neuen hippen Mutti-Freudinnen überteuerten Kaffee, hing die Nachmittage auf Spielplätzen ab. Es ging mir gut. 

Meine Tochter war mein Lebensmittelpunkt, alles drehte sich um sie. Für sie musste alles vom Besten sein. Ich kaufte nur zuckerfreie Bio-Snacks für unterwegs, gab generell Unsummen für Lebensmittel aus. Und auch ihre Klamotten shoppte ich nur in den kleinen Läden bei uns im Kiez. Ohne mit der Wimper zu zucken zahlte ich 25 Euro für eine Kinderstrumpfhose. Es schien mir völlig normal, dass ein hübscher Pulli aus Merinowolle auch mal 70 Euro kosten konnte. Die Kinder meiner Freundinnen waren ja auch so gekleidet. In Pastelltönen, dickem Strick zu Röhrenjeans, coolen Boots. 

Die Kinderzimmer sahen überall aus wie aus dem Katalog. Es gab Kuschelecken mit teuren Kissen, herrliche Teppiche, Lampenschirme aus Seide und jede Menge Holzspielzeug. Auch ich hätte mir eher einen Arm abgehackt, als mein Kind mit einem Plastikhandy spielen zu lassen oder dem Kind eine schlecht geschnittene Hose anzuziehen. Und auch für meinen Sohn, der 2014 geboren wurde, zog ich das so durch. 

Und dann wurde mein Mann versetzt. In eine Stadt, in der noch nie jemand von meinen Freunden gewesen war. Beim ersten Ausflug dahin verschlug es mir die Sprache. Es war eben so, als sei ich aus meinem Märchenschlaf erwacht. Keine stylischen Kinderläden mit Babydecken für 90 Euro. Keine Kindercafes, in denen sich August und Greta die Köpfe einschlugen. Nicht mal richtig modische Mamas liefen wir über den Weg. Ich gebe zu: Ich war geschockt. 

Trotzdem sind wir umgezogen. Anfangs habe ich oft geweint. Mich nach veganen Bagels in der Mittagspause gesehnt und nach den Müttern, die aussehen, als seien sie vom Laufsteg in die Sandkiste gefallen. Und dann habe ich mich an das Leben hier gewöhnt. Und noch etwas später habe ich mal kritisch hinterfragt, was dieser ganze Kinderkram eigentlich soll. Ich musste ehrlich zugeben: So vieles hatte ich nicht für die Kinder getan, sondern für mich. 

Einem Kind (natürlich nur bis zu einem gewissen Alter) ist es nämlich scheissegal, was für eine Hose es anhat. Kinder brauchen keine schicken Klamotten, sondern Klamotten, die man heiß waschen kann, Kinder brauchen auch keine hellen Teppiche im Kinderzimmer. Es ist nicht normal, hunderte von Euro in die Herbstgarderobe seines Nachwuchs zu stecken. Meine Meinung: Das alles machen Mütter nur für sich. Vielleicht, um die innere Leere zu füllen oder sich von der Langeweile abzulenken, die sich sonst in ihrem Leben breit gemacht hat. All das machen Mütter nur, damit die Mutti-Freundinnen was zum Staunen haben. 

Es gibt so viel wichtigeres, was wir unseren Kindern mitgeben sollten als modischen Style. Natürlich ziehe ich meine Kinder auch mal hübsch an. Und ich habe auch Freude an gutem Spielzeug. Aber letzendlich geht es doch nur darum, dass die Kinder sich wohl fühlen und Spaß haben. Und das können sie nun mal am Besten in bequemen Sachen und einem Zimmer, das nicht aussieht wie bei "Besser Wohnen."

Ich schäme mich heute fast, wieviel Geld ich für Luxuszeug ausgeben habe, den meine Kinder nicht brauchten. Und ich denke mir: "Was für ein Quatsch", wenn ich via Instagram all diese teuren Kindersachen sehe.  Für mich war dieser Umzug bitter notwenig, um aus meiner Blase aufzutauchen.

Foto: Pixabay 

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7 comments

  1. Das gibt es wirklich ?
    Danke für den Beitrag – die Latte Machiato Mütter gibt es wirklich ?!
    Unglaublich, ich hielt das für einen Gag.
    Wir wohnen in einem ein Tausend Seelen Dorf. Hier gibt es weder Café noch andere Läden.
    Langeweile gibt es auch nie.
    Essen, Lesen, Sport machen, Garten, Freunde treffen und wenn ganz viel Zeit – SCHLAFEN 😉
    Viele Grüße

  2. Teure Klamotten
    Meine Erfahrung ist allerdings, dass teure Anziehsachen einfach auch länger halten. Damit meine ich nicht den Trendy Pulli, sondern etabliere Marken wie zb Petit bateau. Wir haben drei Kinder und da die günstigen Sachen vom Flohmarkt oder hm doch meistens nur ein Kind überstehen, kaufe ich lieber richtig gute und die werden dann vererbt. Noch dazu sehen sie auch einfach schöner aus und ich möchte, dass meine Kinder einen Sinn für Qualität bekommen und sich später auch stilvoll kleiden, weil ich das einfach wichtig finde. Kauft man im Sale, muss man dafür auch keine Unsummen ausgeben.

  3. Ein schöner und
    treffender Beitrag! Auch ich erwische mich manchmal dabei, dass ich schöne Kindersachen eher für mich als für die Kinder kaufe. Allerdings deutlich maßvoller als die Autorin.
    Meine Frage: womit „bekämpft“ die Autorin jetzt (ohne den ganzen Konsum & Kaffeetrinken) die manchmal auftretende innere Leere und Langeweile?

  4. Kinder werden später noch teuer genug…
    Das gesparte Geld kann man dann (wenn man möchte) zu einem späteren Zeitpunkt für die Hobbies der Kinder investieren. Unsere machen jeder zwei Sportarten und ein Instrument (aus eigenem Wunsch und Antrieb) und die monatlichen Ausgaben für Sportvereine, Ballett- und Musikschule sind ganz schön happig…. aber allemal besser als in den zehnten süßen Äpfelchenbody investiert. Wir sind bis jetzt ziemlich gut mit geerbten und auf dem Flohmarkt ergatterten Anzieh- und Spielsachen gefahren! Auch bei Kinderfahrzeugen und Sportausrüstung sind die gebraucht erworbenen Teile eigentlich immer jeden Euro wert gewesen.

  5. Irgendwann im Leben denke ich
    Irgendwann im Leben denke ich muss jeder mal solche Erfahrungen machen.
    Liebe Grüße ~ Lara

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