Absurdes aus dem Eltern-Alltag: Wer hat sich eigentlich Freundebücher für Kitakinder ausgedacht?

freundebuch

Sie können noch nicht schreiben, tauschen aber schon fleißig Freundschaftsbücher: Kita-Kinder. Wer die Seiten am Nachmittag befüllt? Na wir, die Eltern. Wer hat sich denn das eigentlich ausgedacht?  

Soll ich wirklich als Berufswunsch „Dienerin“ angeben, wie meine kleine Tochter es sich gerade wünscht? Soll ich tatsächlich als Lieblingstier die „Kellerassel“ in das Freundebuch schreiben, wie sie es mir gerade mit dem Keks im Mund über den Tisch diktiert?

Dass ich als Mutter würde Windeln wechseln müssen – okay, das hatte ich erwartet. Dass ich aber nachmittagelang Freundebücher für die Kitakumpels meiner drei Kinder ausfüllen würde? Nein, das hatte ich wirklich nicht auf dem Schirm. Warum warnt kein Elternratgeber vor dieser Mammut-Aufgabe, die uns da erwartet?

Ihr erstes Freundebuch brachte meine Tochter mit nach Hause, da war sie gerade zwei geworden. Frisch eingewöhnt in der Kita, sollte ich mich nun also bereits mit ihren „Freunden“ auseinandersetzen, die ich selbst noch gar nicht kannte. Gehörte das dazu? Klar, wir haben als Kinder auch Poesiealben gefüllt. Aber ich betone: wir! Denn meine Mutter hatte damit bestimmt nichts zu tun.  Wir waren früher einfach älter, als das losging, nicht noch im Beikost-Alter. Vermutlich hätte meine kleine Tochter damals gleich in die weichen Ecken reingebissen, wenn ich das Büchlein nicht mit einem Hechtsprung aus ihren mit Spinat verschmierten Fingern gerettet hätte.

Es blieb nicht das letzte Freundebuch in unserer Familie. Regelmäßig lag eines im Kitafach – dort, wo eigentlich Platz ist für Regenjacke oder Ersatzhose: Ui, wir haben Hausaufgaben, sagte ich und meinte es auch so. Am heimischen Küchentisch versuchte ich es mit Fragen an das Kind. Und das Kind antwortete. Daran erkennt man mich: Gesicht. Wenn ich groß bin, werde ich: größer. Das waren die ehrlichen Antworten. Aber sollte ich das so schreiben?

Ich blätterte im Buch und schaute, wie die anderen Eltern es hielten. Da wünschten sich Kinder Golf-Europameister zu werden, da hatten Mütter ihre hübschesten Glitzerstifte ausgepackt, um über das Lieblingsessen ihrer Kleinsten zu philosophieren. Couscous-Salat stand da bei dem Kind, das gestern an unserem Tisch noch nach der dritten Portion Pommes gefragt hatte. Und das fein colorierte Mandala – das hat doch niemals ein Zweijähriger hinbekommen… War das hier ein Spiel? Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die talentierteste Freundebuch-Schreib-Mama im ganzen Land?

Wie das wohl damals in den Verlagen zugegangen sein muss? Als die Freundschaftsbuch-Entwickler da zusammengesessen haben und sich gedacht haben müssen: Mensch, die Muttis von heute, die haben doch eh alle Langeweile und trinken nur Kaffee. Die brauchen mal ein bisschen Beschäftigung. 

Lebe glücklich, lebe froh, wie der Mops im Haferstroh. Solche Sprüche kennen wir selbst noch von früher. Aber Kitakinder haben von solchen Sprüchen noch nie gehört – geschweige denn können sie sie aufschreiben. Wir stehen also vor einem Dilemma: Lassen wir sie selbst ihre Strichmännchen mit dem Lieblingskuli (und nur mit dem!) malen, mit dem sie keine Linie treffen? Oder füllen wir Eltern das Buch aus und riskieren, dass irgendwann ein Psychologe das Ding in die Hand bekommt und nicht nur unsere akribische Handschrift analysiert, sondern uns auch noch als überbehütende Helikopter-Eltern verunglimpft, die ihre Kinder nicht mal selbst ein kleines Buntstiftbild malen lässt. 

Wir können nicht gewinnen in diesem Reigen. Wir können nur darauf hoffen, dass irgendwer all diese Bücher aufhebt… und sie dann zur Hochzeit unserer Jetzt-noch-Kleinen wieder auspackt. Wenn wir alle zusammen darüber lachen können, welch ambitionierte Kuli-Strichmännchen unsere Kinder damals für ihre Freunde kritzelten. Oder welch pseudo-kreative Sätze wir Eltern uns ausdachten, um die anderen von unserem Kind zu überzeugen, das eigentlich Dienerin werden wollte und Kellerasseln liebte…

 

Dieser Text erschien ursprünglich in der Zeitschrift Eltern Family.

84c66c1ae6884b28b81a9ae4c2d1b772

Du magst vielleicht auch


14 comments

  1. Meine Tochter geht inzwischen in die erste Klasse, ganz frisch. Das erste Freundebuch kam UND, ich habe es getan.
    Ich habe einen Zettel reingelegt auf den ich schrieb:
    Liebe xy,
    gerne darfst du K. das Buch nochmal geben, wenn sie es selber ausfüllen kann, das halte ich für viel sinnvoller. Ihr geht ja noch 4 Jahre zusammen in die Grundschule.
    Liebe Grüsse Mama von K.

    Es hat sich gut angefühlt, allerdings war das nächste Zusammentreffen, und seither auch alle weiteren Zusammentreffen, mit der Mama des Kindes, nun sagen wir mal… Frostig…
    Egal, das ist für mich der sinnvollere Umgang damit.

  2. Drama über Drama! Ich kenne
    Drama über Drama! Ich kenne auch so eine Mutter die sich nur darüber beschwert. Dann Buch zurück geben und gut ists. Ich mag es auch gerne und fülle gerne die Antworten meiner 5 Jährigen aus.

  3. Einfach mal locker bleiben …
    Das Freundebuch auf dem Foto ist für Schulkinder gedacht. Das haben hier einige in der Schule. Die meisten finden es sehr witzig. Warum auch nicht? Ich finde es auch witzig.

    Einfach mal locker bleiben …

    Die Kindergartenbücher habe ich auch so gehandhabt: Ich schreibe exakt das rein, was mein Kind mir sagt. Und selbst malen dürfen sie selbstverständlich auch.

    Ich weiß gar nicht, warum man sich darüber aufregt …
    Meine Kinder fanden die Freundebücher super und blättern oft in ihren eigenen herum.

    Und wenn ich den Kindern damit eine kleine Freude mache, helfe ich doch gerne mal ein paar Minuten beim Ausfüllen …

  4. Netter Artikel, erfrischend
    Netter Artikel, erfrischend geschrieben!
    Den Erinnerungsfaktor finde ich auch ganz schön an den Freundebüchern, aber da ich auch mehr als ein Kind habe, habe ich das Ausfüllen bzw. Kinder dazu zu motivieren, längst auf die Liste der lästigen Pflichten einer Mama gesetzt…

  5. Erinnerung
    Mein Sohn hat mit 4 Jahren den Kindergarten gewechselt und ein von allen Kindern (Eltern) seiner Gruppe ausgefülltes Freundebuch bekommen- das fand ich mega- toll! Er bewahrt es bis heute (2. Klasse) auf.
    Wir haben auch schon viele solcher Bücher ausgefüllt, meine Tochter (Kindergarten) mag das total. Und ich schreibe immer das hinein, was sie mir diktieren und lasse sie auch selber malen und ihren Namen schreiben, denn nur so ist es doch wirklich eine Erinnerung an die Besitzer. Peinlich ist mir nur, dass mein Sohn schon im Kindergarten immer als Berufswunsch „Banker“ angab- nun ja, steht Herztod in etlichen Büchern… mal sehen, vielleicht stimmt es ja später mal oder es ist Grund zum Lachen, wenn er dann mal etwas ganz Anderes ist!

  6. Geschwisterkind…
    Meine Kindergartentochter kennt die Bücher natürlich von ihrem Schulkindbruder und hat sich zum 4. Geburtstag auch eines gewünscht. Ich weiß nicht, wie widerwillig die Eltern das Buch ausgefüllt haben, aber meine Tochter schaut sich liebend gern die Fotos und Zeichnungen ihrer Freunde an. Von daher kann es so verkehrt nicht sein.

  7. Steht da oben auf der
    Steht da oben auf der abfotografierten Seite ernsthaft „Darum habe ich mal gekotzt“??? Wir mussten auch schon eins ausfüllen. Ich finds auch bescheuert. Nach drei Fragen hatte das Kind keine Lust mehr, das Buch lag ein halbes Jahr bei uns rum, das Foto vom Kind ist demnach bereits bei der Rückgabe schon veraltet gewesen.

  8. Überflüssig
    Ich finde die Bücher im Kindergartenalter einfach nur überflüssig. Aus demselben Grund wie Lisa, die Kinder verstehen den Sinn überhaupt noch nicht und die Eltern haben den Stress mit dem Ausfüllen. Ab Grundschule find ichs schön, wenn die Kinder die Bücher selbst ausfüllen können.

      1. Stress!
        DAFÜR habe ich nicht mal 5 Minuten übrig. Ich halte es für total überflüssig. Wer es haben möchte – gerne. Leben und leben lassen. Aber hier werden MIR wieder Aufgaben auferlegt, um die ich nicht gebeten habe. Das nervt einfach – selbst wenn es „nur“ 5 Minuten sind.

  9. Da geht’s dir wie mir
    Ich bin es auch leid. Ich schreibe einfach das rein, was die Kinder mir sagen. Ich lasse sie auch selbst kritzeln. Alles andere finde ich Quatsch.
    Meine Kinder bekommen so ein Buch, wenn sie selbst schreiben können.

  10. Ich finde diese Bücher auch
    Ich finde diese Bücher auch gut und fülle das aus, was mein Kind mir sagt. Ich finde aber, dass es ab 4 oder 5 Jahren reicht. Mein Sohn hat jetzt eine tolle Erinnerung an die Freunde aus der Vorschulzeit.

  11. Finde ich toll
    Ich finde so eine Idee mit diesem Freundebuch gar nicht so dramatisch.
    Bei uns lagen auch schon einige und ich schreibe auch das auf, was mir gesagt wird. Ich finde es total süß, wenn dann ein Kind kommt und sagt „ich möchte das er in mein Buch schreibt“ mega niedlich.
    Ich freue mich auf jedes weitere Kindergarten Buch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert