Interview mit Antonia: ich liebe meinen Mann, seit ich 12 Jahre alt bin

antoniafam

Liebe Antonia, Du bist 30 Jahre alt und Du hast Deinen jetzigen Mann Martin mit 12 Jahren kennen gelernt. Erzähl mal von diesem Tag!

Ich bin an dem Tag nach einem Umzug neu in die Klasse gekommen. Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als ich ihn das erste Mal sah – wie er da in seinem dunkelgrünen Pullover zwischen all den anderen saß. Unsere Blicke trafen sich und ich habe gewusst: Den heirate ich! Manchmal wundere ich mich selbst darüber, aber so war es wirklich. Schließlich hatte ich mit ihm ja noch kein Wort gewechselt und war erst 12 (!) Jahre alt. Er hatte zu dem Zeitpunkt aber für eine andere Mitschülerin geschwärmt und ich musste mich ganz schön ins Zeug legen, ihn zu bekommen. Vier Wochen später hatte ich es geschafft.

Was hat Dir so gut an Martin gefallen? 

Das klingt jetzt wahnsinnig kitschig, aber ich habe eine Verbindung gespürt, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Das war noch nicht mal wegen des Aussehens (obwohl mir das auch gefiel), es war einfach da. Ich stelle mir diesen Moment manchmal vor und frage mich, wie es sein muss, wenn man das Gefühl der absoluten Zugehörigkeit erst nach ein paar Jahren Beziehung spürt, aber ich kann es nicht nachfühlen, weil dieses Gefühl bei uns niemals in Frage stand. Was mir damals wie heute so gut an ihm gefällt ist seine liebevolle Art. Er ist der sozialste Mensch, den ich kenne, er hasst Ungerechtigkeiten und gibt immer alles, um diese zu beseitigen. Wenn wir auf der Straße jemanden treffen, dem es nicht gut geht, dann ist er der erste, der ein offenes Ohr hat. Manchmal nervt mich das, aber letztendlich bin ich einfach nur stolz, ihn an meiner Seite zu haben. Natürlich ist er für mich mit seinen braunen Augen und Haaren auch der schönste Mann der Welt. Das war er immer und wird er immer bleiben. Seit der Geburt unserer ersten Tochter weiß ich, dass er der tollste Vater ist, den man sich vorstellen kann. Wahnsinnig geduldig, lieb und immer bereit einzuspringen, wenn ich nicht mehr kann.

Lass uns mal an den Anfang zurück. Du warst 12, wie war das dann mit ihm?

Wie das eben so ist in dem Alter. Händchenhalten und erste Küsse. In der Pause zusammen stehen, und wann immer möglich im Unterricht nebeneinander sitzen. Wir haben auch viele Nachmittage zusammen verbracht, manchmal mit Freunden, manchmal auch allein.

Spätestens in der Pubertät wollen sich viele austoben. War das bei Euch nie Thema? Hatte nie einer Angst, etwas zu verpassen?

Von meiner Seite aus gar nicht. Für mich war er immer der, den ich wollte. Er selber hatte einmal eine kleine Schwärmerei, aber das war auch in der frühen Teenagerzeit und hat natürlich Eifersucht bei mir hervorgerufen, aber es kam nie soweit, dass wir uns deswegen überworfen hätten.

Wie haben Eure Freunde/Familie eigentlich darauf reagiert, dass Ihr Euch so früh bindet?

Ich glaube, die Familie das hat anfangs gar nicht richtig ernst genommen. Eine Sache übrigens, die ich für meine Mutterschaft gelernt habe: Unterschätze niemals die Gefühle von Kindern und Jugendlichen. Sie mögen anders sein, aber dadurch nicht weniger stark oder weniger wert. Und niemals ein Grund, sie zu belächeln.

Bei unseren Freunden war die Reaktion die gesamte Schulzeit über unterschiedlich: Während seine Freunde oft sauer auf mich waren, weil ich so viel seiner Zeit beanspruchte, waren meine Freundinnen oft eher neidisch, weil sie auch gern einen Freund gehabt hätten. Spätestens zu Unizeiten war es dann aber so, dass wir oft hörten, wie krass es sei, dass wir schon so lange zusammen wären.

Hatte Ihr auch mal eine ordentliche Krise? 

Ja, die hatten wir. Als wir zwei Jahre lang in unserer ersten gemeinsamen Wohnung gewohnt haben, hat Martin mit mir Schluss gemacht. Er wollte Freiheit, ich habe an ihm geklammert. Ich bin zu meinen Eltern gefahren und einen Tag später wiedergekommen, weil ich es nicht ausgehalten habe. Wir haben geredet und festgestellt, dass wir mehr Freiräume brauchen. Unsere damalige Wohnung (2 Zimmer mit einem Durchgangsraum) hat dazu beigetragen, dass wir zu Hause niemals ohne den anderen sein konnten. Wir haben uns dann eine andere Wohnung gesucht und unseren Freundeskreis erweitert. Das hat dazu geführt, dass wir wieder neu zueinander gefunden haben.

Wann habt Ihr geheiratet?

Wir haben im Januar 2011 geheiratet, auf den Tag genau 9 Jahre, nach dem Tag, an dem wir uns das erste Mal in der Schule gesehen haben. Einen Antrag habe ich unmittelbar davor gar nicht bekommen. Den hatte er mir schon mit 15 Jahren gemacht. Wir haben dann aber sehr lange gar nicht darüber gesprochen. Im Sommer 2010 haben wir dann ganz spontan entschieden, dass wir ja jetzt auch heiraten könnten und das haben wir dann in die Tat umgesetzt.

Was meinst du ist der "Kleber", der Euch seit so langer Zeit zusammen hält?

Das fragen wir uns auch oft. Aber am Ende ist es wohl einfach unerschütterliche Liebe, so seltsam das klingen mag. Das Leben hat uns schon viele Prüfungen gegeben, aber keine war stark genug, uns auseinander zu bringen.

Nervt Dich auch etwas an Deinem Mann??

Ich bin häufig genervt, weil er sich gesellschaftlich und politisch sehr engagiert ist und deshalb oft meine Planungen an seinen scheitern. Trotzdem weiß ich, dass er das Engagement zu seiner Erfüllung braucht, und deswegen trage ich es mit.

Wie hat sich Eure Beziehung durch die Kinder nochmal verändert?

Mit der Geburt unserer großen Tochter im Mai 2014 wurden wir wie jedes Elternpaar vor neue Herausforderungen gestellt. Sie hat so viel geschrien, dass wir manchmal in Schichten geschlafen haben, um überhaupt zu Schlaf zu finden. Natürlich verändert das das Leben eines Paares. Wir haben aber immer zueinander gehalten und uns die Aufgaben möglichst geteilt. Wir sind aus dieser Zeit als Paar stärker herausgegangen, als wir hineingegangen sind. Immer mit dem Wissen, dass wir uns immer aufeinander verlassen können, egal wie schwierig es einmal sein wird.

Dieses Wissen wurde nochmal stärker, als unsere zweite Tochter im Oktober 2015 zur Welt kam. Die Zeit mit den zwei so kleinen Kindern war anstrengend, mein Mann hat gearbeitet und trotzdem so gut es ging unterstützt. Mein Respekt vor seiner Leistung wuchs mit jedem Tag. Seit August 2018 ist unsere dritte Tochter nun auf der Welt und wieder einmal kann ich nur den Hut ziehen vor seiner Leistung. Wir haben also seit der Geburt der Kinder noch einmal an Wertschätzung und Verständnis für einander gewonnen.

Natürlich haben wir jetzt nicht mehr spontan die Zeit für Kino oder ein gemeinsames Essen im Restaurant. Selbst Abende mit gemütlichem Essen zu Hause werden oft durch die Kinder in ihrer Planung durcheinander geworfen. Aber wir verabreden uns dann neu und irgendwann klappt es, dass alle Kinder im Bett sind, die Wäsche gefaltet ist und wir in Ruhe kochen und Essen können. Und das gibt viel Kraft.

Hast du den Eindruck, dass viele Paare heute zu schnell aufgeben?

Das kann ich nicht so recht beurteilen, weil ich denke, dass jede Liebe und jede Beziehung anders ist. Aber ich habe mal einen Spruch gehört, der mich sehr beeindruckt hat. Ein Kind fragte seine Großeltern, warum die Beziehung der beiden schon so lange hielt. Der Großvater antwortete: „Weißt du, wir kommen aus einer Zeit, in der man kaputte Dinge noch reparierte, statt sie weg zu schmeißen.“ Das denke ich mir oft, wenn mal etwas nicht so läuft, wie es sollte. Und wahrscheinlich sollten das alle häufiger mal tun.  Ich glaube außerdem, dass es ein Phänomen dieser Zeit ist, immer nach mehr zu streben, immer etwas Besseres finden zu wollen, nie zufrieden zu sein, mit dem, was man hat. Und das führt dann schlimmstenfalls dazu, dass man am Ende allein da steht.

Was könntest du nicht verzeihen?

Wenn sich herausstellen würde, dass mein Mann ein Doppelleben geführt hätte, ohne dass ich es gemerkt hätte, dann wäre das wohl etwas, was ich nicht verzeihen könnte. Alles andere kann man mit Arbeit an sich selbst und miteinander wieder hinbekommen, auch wenn es schwer ist und Tränen bedeutet.

Wann hat Dein Herz das letzte Mal richtig doll geschlagen, als du ihn gesehen hast? 

Ganz klar, wenn ich ihn mit unseren Töchtern sehe. Ich liebe ihn für den Umgang mit unseren Kindern, ich finde ihn nach wie vor unfassbar attraktiv und freue mich jeden Tag, wenn er von der Arbeit kommt. Und ja: Jeden Tag habe ich dann noch Herzklopfen!

78a8f9c977b64ffaacf9df3b68c56fab

Du magst vielleicht auch


6 comments

  1. Schöner Beitrag
    Der Beitrag gefiel mir sehr gut und ich kann vieles das Antonia sagt nachvollziehen.
    Mein Mann und ich sind zusammen seitdem wir 15 und 19 Jahre alt sind. Das heißt, mittlerweile seit 20 Jahren und das fünfte gemeinsame Kind ist unterwegs.:-)

  2. Hut ab
    nach so einer langen Zeit und 3 Kindern.. Glückwunsch. Mich würde mal interessieren, wie Dein Mann das sieht. Ich finde es schweirig, es wirkt so, als würdest Du ihn vergöttern und extremst klammern. Das ist jetzt natürlich nur subjektiv 🙂

    1. Ehrlich gesagt..
      .. Habe ich das beim Lesen auch gedacht. Aber solange alle glücklich sind, ist ja alles super (und natürlich ist dass hier nur ein kurzer Abriß ihrer Sichtweise).

  3. Jeden Tag Herzklopfen?
    Jeden Tag Herzklopfen? Beneidenswert. Kenne sonst wirklich niemanden bei dem das so ist. Die Aussage, dass man die Gefühle von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen soll, finde ich aber sehr schön und nachvollziehbar.

    1. Das ist aber schade
      dass du das nicht kennst und auch niemanden weiter, der Herzklopfen hat, nach all den Jahren. Mir geht es heute , nach 25 Jahren, ganz genauso. Wenn ich meinen Mann sehe, dann pocht mein Herz ganz wild und aufgeregt vor Liebe. Auch wir haben die Regel, nicht länger als 2 Nächte voneinander getrennt zu sein. Vielleicht, ist dass das Geheimnis der Liebe. Nähe, Zuwendung, das Besondere sehen. Und wie es in dem Text auch steht und etwas esoterisch rüberkommt – Seelenverwandschaft. Ich sah meinen Mann damals das allererste Mal und ich wusste, dass er es ist, dass ich „zuhause“ angekommen bin. Vielleicht sind wir auch was Besonderes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert