Gastbeitrag von Janna Hagedorn: Geht die Party mit 40 erst richtig los?

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Hilfe, ich werde vierzig: Gibt es wirklich Gründe, sich vor dem Älterwerden zu fürchten, als Mutter, als Frau und überhaupt? Oder geht die Party erst richtig los?

Neulich, beim Verschicken meiner Geburtstagseinladungs-Mails, hatte ich nacheinander drei Gedanken. Erstens: Was hab ich für ein Glück, dass mein Ex-Nachbar aus dem ersten Stock gefühlte drei Millionen Tonträger besitzt. Der macht mir sicher gern den DJ. Zweitens: Ist doch noch gar nicht so lang her mit der letzten Null auf einer Einladung! Drittens: Fünfzig? Ich? Echt jetzt?

Spulen wir die Zeit spaßeshalber nochmal ins Jahr 2009 zurück. Damals stand ich kurz vor meinem Vierzigsten, viele Freundinnen und Bekannte auch, und uns einte ein gewisses Gefühl in der Magengrube: Das geht nicht gut aus. Die Vier und die Null klangen nach praktischem Kurzhaarschnitt, nach Schluss mit lustig und Schluss mit Lust, nach Anti Aging und Menopause.

Gleichzeitig war da auch ein gewisses Gefühl von Unwirklichkeit: Da stand dieser Geburtstag vor der Tür, der offiziell das Adjektiv „jung“ von der persönlichen Eigenschaftsliste strich, und gleichzeitig stand bei mir noch alles auf Anfang.

Meine Tochter war noch keine vier, mein Sohn gerade abgestillt, ich also mitten in der Phase, in der jeder Einkauf eine logistische Großtat ist und man beim Anblick eines Bettes nur einen sündigen Gedanken hat: schlafen, die ganze Nacht lang und immer wieder. Sollte ich nun übergangslos von junger Mutter zu alter Schachtel morphen?hagedorn ein hauch von patina schreibtischcsebastian knoth

Um es vorweg zu schicken: So schlimm war’s dann doch nicht. Im Gegenteil: Die letzten zehn Jahre haben nicht nur erstaunlich viel Spaß gemacht, sie waren auch eine wunderbare Lektion in Gelassenheit, Besinnung auf das Wichtige, mehr Ich-selbst-sein. Was einem nämlich keiner erzählt zwischen all den „Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt“-Wechseljahrswitzen und Midlife-Crisis-Horrorstorys: Wenn’s gut läuft, ist das fünfte Jahrzehnt ein sonniges Hochplateau in der Lebensmitte, auf dem man es sich richtig gutgehen lassen kann.

Nachdem man mit hängender Zunge durch die anstrengenden Zwanziger und Dreißiger mit all ihren Entscheidungen gehetzt ist – Kind ja oder nein, früher oder später, Ehe pro und Contra, Hausbau oder Dauer-Mieter, im Job ranklotzen oder während Babypausen Wassertreten -, sind ab vierzig tatsächlich ein paar unverrückbare Eckpfeiler eingezogen. Und das heißt erstmal eins: durchatmen, zurücklehnen, sich auf die Schulter klopfen.

Nicht, dass jetzt alle Würfel gefallen wären: Dieselben Freundinnen, die sich vor zehn Jahren mit mir gemeinsam vor der bösen Vier gefürchtet haben, haben zum Teil noch einiges gedreht in ihrem Leben, noch (weitere) Kinder bekommen, sich fortgebildet, noch mal studiert, oder sind nach Liebes-Crash anders glücklich geworden.

In einem Fall mit einer neuen Frau statt mit einem neuen Mann. Geht alles. Auch ich bin – gut so! – nicht mehr dieselbe wir vor zehn Jahren. Aber gleichzeitig ist da auch dieses Glück der Erntezeit: Vieles ist gut, wie es ist. Trotz allem Stress habe ich die vergangenen zehn Jahre als eine Phase erlebt, in der ich immer wieder mal mit einem gewissen Besitzerstolz auf mein Leben schauen und mich über das Erreichte freuen konnte.

Zum Beispiel darüber, dass dieses gedachte Gummiband, das meine Kinder und mich verbindet, mit jedem Jahr länger und lockerer wird, wieder mehr Raum lässt für eigene Ziele und Gedanken. Dass ich mit beiden wahlweise über coole Filme, das Wunder von Liverpool, Transgender-Toiletten oder Europapolitik diskutieren kann, statt ihnen Bobo Siebenschläfer vorzulesen.hagedorn ein hauch von patina hochkant portraitcsebastian knoth

Darüber, dass mein Mann und ich aus dem häufig ganz schön dunklen Tunnel dieser „Wer-wickelt-das-Baby-wer-bringt-zur-Kita-und-wo-kommt-das-doofe-Geld-rein“-Jahre aufgetaucht sind und festgestellt haben: Da bist du ja noch – und ich find dich immer noch gut! Darüber, dass ich in meinem Beruf fest im Sattel sitze, und selbst darüber, dass das Hüftgold zu- und das Wow-Gefühl vor dem Spiegel abnimmt. So what?

Es ist verdammt befreiend, wenn man irgendwann zu dem Schluss kommt: Optisch mit den eigenen Töchtern schrittzuhalten, ist ein Rennen, das man nicht gewinnen kann – stattdessen kann man sich auch ganz lässig auf den Kantstein setzen und den jüngeren beim Erblühen zuschauen. Schließlich haben wir in dem Alter doch vieles zu bieten, das mindestens genau so viel Selbstbewusstsein bringt wie der gut geshapte Body: Wir wissen mehr, können Menschen und Situationen besser beurteilen, machen weniger Anfängerfehler und die besseren Witze. Das kann uns keiner nehmen.

Der Rest ist Schicksal, und dem bin ich dankbar: Meine Familie und ich sind im Großen und Ganzen gesund, immerhin eines meiner Elternteile ist es auch. Und dass es Privileg und Verantwortung zugleich bedeutet, wenn man zufällig unter guten Bedingungen in einem wohlhabenden Land lebt, nun, auch das habe ich in den letzten zehn Jahren deutlicher denn je empfunden.

Ich muss dennoch zugeben, dass mir vor dem Fünfzigsten anfänglich ein wenig die Muffen sausten. Wenn vierzig der Beginn jenes sonnigen Hochplateaus ist, ist fünfzig dann sein natürliches Ende? Geht jetzt alles den Bach runter? Mit dem einzigen Trost, dass demnächst keine Kosten für Schwangerschaftsverhütung mehr unser Haushaltsbudget belasten?

Aber diese Gedanken habe ich schon wieder hinter mich gebracht, seitdem ich vor einiger Zeit an einem schönen Frühlingstag in einer Fußgängerzone in Köln saß und dort die Zukunft erblickte. Sie setzte sich mir gegenüber an den Freiluft-Cafétisch und bestellte sich einen kleinen Riesling, nachmittags um fünf. Eine Frau von vielleicht sechzig, gepflegt und gut gelaunt, die so aussah, als würde sie das Leben richtig genießen.

Seitdem habe ich ein noch paar mehr dieser ermutigenden Signale aus der Zukunft vernommen. Etwa, wenn ich die Gespräche etwas älterer Kollegen belausche und dabei mitbekomme, dass die nach dem Auszug ihrer erwachsenen Kinder wieder ein Leben führen wie ich mit Anfang dreißig – nur mit mehr Geld auf dem Konto und mehr Geschmack.

Als überzeugte Stadtmama weiß ich genau, was das heißt: Kino, Konzert, Kunst und Co. Wohin dann meine Kinder gelegentlich freiwillig mitkommen, weil sie bis dahin nicht mehr grundsätzlich alles doof finden müssen, was ihren Eltern gefällt. Da ist doch Musik drin! Nur den DJ muss ich mir noch sichern.

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Janna Hagedorn, Jahrgang 1969, hat gerade das Buch "Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden" (Affiliate Link, Eden Books) veröffentlicht – ein unterhaltsamer und witziger Mutmacher für Frauen ab vierzig und alle, die es werden wollen. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in Hamburg und arbeitet als Journalistin und Buchautorin.

 

 

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3 comments

  1. Authentischer Text
    Danke für diesen ehrlichen und authentischen Text.
    .
    Ich bin zwar „erst“ 30, aber bei mir läuft es grad ähnlich ab.

    Ich finde es wunderbar, mit meinem Sohn ernsthafte Gespräche führen zu können – über Gott und die Welt zu philosophieren.

    In der Kleinkindzeit hatt ich das Gefühl, ich würde intellektuell verdursten.
    Diesen Bob-der-Baumeister und Thomas-die-sprechende-Dampflok-Kram fand ich schrecklich.
    Ich bin erleichtert, dass diese Zeit des steten Kümmerns vorbei ist.
    .
    Jetzt bin endlich wieder ich dran.
    Ich mache Sport, gehe regelmäßig in die Sauna und bin mit Freunden unterwegs.
    Es macht jetzt richtig Spaß, diese Freiheiten zu genießen.

    Viele Grüße,
    Conni von muttersprach.de

  2. Wundervoll geschrieben! Eine
    Wundervoll geschrieben! Eine herrlich entspannte Reflexion in der man sich selbst erkennt und trotz Unwägbarkeiten des Alltags ermutigt wird das Ganze mit mehr Leichtigkeit zu betrachten!

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