Mein Kind haut und beißt: Wie sich das für die Eltern anfühlt

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Ihr Lieben, Was, wenn das eigene Kind zum "Täter" wird, wenn es andere haut, beißt und ärgert? Wenn es sich damit selbst ins Abseits katapultiert, weil es nicht mehr zu Kindergeburtstagen eingeladen wird? Wenn es irgendwann einfach in der Schublade "laut und ruppig" steckt – und da nicht mehr wirklich rauskommt? Wir haben mit einer Mama gesprochen, die ein solches Kind hat. 

Liebe Kristin, Du hast uns erzählt, dass Dein Kind ein anderes Kind mobbt. Erzähl uns erstmal ein bisschen mehr über Dein Kind. 

Zu unserer Familie gehören mein Mann, ich, mein Sohn Jonas (bald 6) und meine Tochter Lene (bald 2). Jonas war ein absolutes Wunschkind, auf das wir fast zwei Jahre gewartet haben. Er liebt alles, was mit der Feuerwehr zu tun hat. Wahrscheinlich hat er das von seinem Papa, Opa und Onkeln. Ebenso liebt er das Handwerk. Es kam schon sehr oft vor, dass er Sachen auseinanderschraubt, um zu sehen, wie sie funktionieren.

Wann hast Du das erste Mal davon gehört, dass Jonas andere Kinder ärgert?

Das erste Mal, dass Eltern und Erzieher mich ansprachen war, als er zwei Jahre alt war. Er fiel vor allem durch Beißen auf. Er schubste aber auch größere und ältere Kinder einfach um und ließ sich nichts sagen. Eine Phase, dachten wir, doch es steigerte sich von Jahr zu Jahr. Beißen tut er zwar nicht mehr, doch er ärgert und setzt andere Kinder so unter Druck, dass diese mittlerweile nicht mehr in den Kindergarten wollen.

Wie genau sieht dieses Unter-Druck-setzen aus? 

Er wendet sich hauptsächlich an "schwächere" Kinder, die nicht viel Selbstvertrauen haben. Er "entzieht" ihnen die Spielerlaubniss in seiner Gruppe und schließt sie aus, wenn sie nicht das machen, was er möchte.
Aber er kann auch schnell aus der Haut fahren und schlägt dann auch Kinder. 

Du hast sicher nach dem ersten Vorfall sofort mit deinem Kind gesprochen.

Ja, natürlich. Wir haben sehr viel darüber gesprochen und er weiß auch, dass es falsch ist. Dennoch hat er keine Empathie für das betroffene Kind. Generell fehlt es ihm an Empathie, auch uns gegenüber. Ich gehe mittlerweile jeden Tag mit einem beklemmenden Gefühl zur Kita. Es ist eigentlich schon Alltag, dass entweder eine Erzieherin oder eine andere Mutter zu mir kommt und wieder etwas berichtet, was Jonas einem anderen Kind angetan hat. 

Wie gehen denn die anderen Eltern mit Euch um?

Meistens wurden wir persöhnlich von anderen Eltern angesprochen. Da wir eher ländlich wohnen, macht es jedoch immer ziemlich schnell die Runde, wenn wieder etwas vorgefallen ist. Oft bekomme ich dann böse Blicke und Ablehnung. Jonas wird fast zu gar keinem Geburtstag eingeladen und auch Spieleverabredungen werden dankend abgelehnt. Selbst wenn er sich jetzt um 180 Grad ändern würde, steckt er bereits in dieser Schublade…  

Wie geht Ihr damit um?

Natürlich haben wir immer wieder nach Fehlern in unserer Erziehung gesucht. Ich habe mir sogar Hilfe bei der Kinder- und Jugendberatung geholt. Diese waren mit seinem Verhalten jedoch so sehr überfordert, dass sie uns auch nicht weiterhelfen konnten. Sie und der Kindergarten haben uns dann gebeten, ihn mal beim Arzt vorzustellen. Dass es vielleicht gar nicht an uns liegen könnte, habe ich vorher gar nicht in Betracht gezogen. 

Inweiweit unterstützt Euch die Kita?

Vorweg muss ich sagen, dass wir einen super Kindergarten haben, der uns mega unterstützt. Wir arbeiten eng zusammen und probieren oft neue Dinge aus. Sie schreiben sehr oft Beobachtungsbögen, die sie mir für die ärtzliche Behandlung geben. Da er sich auch mit der Feinmotorik schwer tut, fordern sie ihn da besonders. Jonas Ergotherapeutin kommt regelmäßig in die Kita und bespricht neue Übungen mit der Kita.

Wie ist die Situation jetzt? 

Zur Zeit sind wir immer noch bei der Ergotherapie. Auch im SPZ (sozial-pädriatisches Zentrum) sind wir wieder in Behandlung. Fest steht, dass Jonas eine Tiefensensible Wahrnehmungsstörung hat. Konzentration, Ausdauer und Wahrnehmung (vor allem Druck und Schmerz) sind absolut im Keller. Es steht der Verdacht von ADS im Raum. Dies kann unser SPZ aber erst testen, wenn er in die Schule gekommen ist. Bis dahin bleibt uns nur die Ergo und viel Geduld.

Was möchtest du unbedingt zu dem Thema noch los werden?

Es ist noch nicht lange her, dass es einen Vorfall auf dem Spielplatz gab. Ich habe versucht, der Mutter zu erklären, dass es bei ihm dieses Problem gibt. Sie entgegnete mir nur, dass ich "dann nicht mit so einem Kind auf den Spielplatz gehen sollte, er wäre eine Gefahr für alle". Ich wünsche mir so sehr, dass man nicht nur denkt, dass die Eltern ihre Kinder nicht unter Kontrolle haben oder nicht erziehen. Manchmal steckt so viel mehr dahinter, wenn ein Kind sich anders benimmt. 

 

Foto: pixabay

 

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9 comments

  1. Kampfsport
    Hallo, ich habe selber einen lebhaften Jungen, als bei ihm eine ausgeprägte Raufphase auftrat, haben wir ihn im Ringerverein angemeldet. Er war damals 5 Jahre alt, dort hat er seinen Körper und dessen Einsatz sehr gut kennen gelernt und konnte ganz kontrolliert „kämpfen“. Das hat ihm über ein Jahr lang große Freude bereitet, dann machte es keinen Spaß mehr. Doch bis heute (er ist 8) zehrt er davon, wie er sich effektiv wehren kann und vermeidet dadurch unnötige körperliche Konfrontationen, redet lieber erst. Denn er weiß, er muss nicht angreifen, er kann sich verteidigen. Und er hat dadurch gelernt, dass es weh tuen kann, wenn ein Stärkerer gegen ihn kämpft. Dazu gabs vom Trainer auch ganz klare Regeln. Eine Mutti von einem anderen Ringer- Kind ist auch Kindergärtnerin, sie war der Meinung, dass es vor allem Jungs auch mal richtig gut tut im geschützten Rahmen und mit Technik zu kämpfen. Sie sind dann außerhalb des Trainings viel ausgeglichener und haben nicht den Drang sich ständig zu behaupten. Vielleicht ist das nochmal ein Ansatz.

  2. Mut
    Hallo, ich finde es klingt beeindruckend, wie sehr Ihr Euch für Euren Sohn engagiert. Das ist ein großer Schatz für ihn. Es klingt, als fehle Eurem Sohn die Mentalisierungsfähigkeit, also die Möglichkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Manchmal ist das ein Anzeichen für Asperger Autismus, es kann aber auch eine starke Ausprägung im Normbereich sein. Oft ist das schwer zu sagen. Aus eigener Erfahrung: Es hilft, immer wieder über unterschiedliche Gefühle verschiedenster Menschen zu sprechen. Auch eine Erziehungsberatung oder Unterstützung für Euch als Eltern kann helfen, um Euch zu stabilisieren und Euch Tools zum Umgang beizubringen. Viel Glück und vor allem viel innere Gelassenheit und Stärke für Euch!

  3. Bei allem Verständnis brauchen die anderen auch Schutz
    Liebe Mama dieses sicherlich lieben, aber im Umgang nicht ganz einfachen Kind. Was hätte die andere Mama denn sagen sollen? Toll, dass ihr da seid, der meint es nicht so und dann lass ihn halt mein Kind drangsalieren? Irgendwo hat sie doch recht, dass du dir wo du um die Besonderheit weißt doch überlegen musst, was du mit ihm wann machen kannst und wo ihr euch dann doch einschränken solltet um die anderen zu schützen. Du weißt, dass es eskalieren wird immer wieder und klar, soll er spielen und Kind sein dürfen, aber dann musst du bei solchen Situationen entweder so dabei sein können, dass du sofort eingreifen kannst und einen Ausbruch im Keim ersticken kannst oder zu Spielplatz etc antizyklisch gehen, wenn nichts los ist.
    Mein Sohn wurde einige Wochen von einem Kind, das sehr intelligent ist und sich schwächere Opfer sucht im Kindergarten geärgert, geschubst und gehauen. Immer dann wenn keiner es sehen konnte. Er will nachhaltig nicht mehr hingehen und hat richtig Angst, dass dieses Kind wieder kommt, obwohl es jetzt in die Schule kommt (er ist 3 ). Bei allem Verständnis muss auch an die Opfer und ihren Schutz gedacht werden. Der geliebte Kindergarten ist meinem Sohn nachhaltig verdorben und er hat Angst vor Kindern, die diesem ähnlich sehen entwickelt und traut sich nicht mehr unbefangen auf sie zu. Das kann doch wohl auch nicht sein und nein, das kann ich nicht akzeptieren

  4. Liebe Kristin,

    Liebe Kristin,
    Ich fühle mit dir.. vielleicht kann ich dir Mut machen?!

    Mit meinem Sohn, wird im November 6, haben wir ähnliches durch. Seit dem er in die Krippe gekommen ist, hat er erst andere Kinder gebissen, später anders ausgeteilt.
    Dann kam irgendwann dazu, dass er vor allem mich gehauen und getreten hat in seiner Verzweiflung.
    Wir haben eine wundervolle Erzieherin, die mich immer darin bestärkt hat, dass mein Sohn es nicht böse meint, nicht besser kann und sich in diesen Momenten unwohl fühlt, etwas für ihn nicht in Ordnung ist. Lass dir von niemandem einreden, dein Kind sei nicht in Ordnung!
    Ich glaube, in den meisten Fällen ist solches Verhalten nur ein Hilfeschrei, dass irgendwas für das Kind nicht stimmt. Dass sie sich nicht gesehen und geschätzt fühlen, wie sie sind. Wir haben auch eine Erziehungsberatung gemacht und hauptsächlich kam raus, unser Sohn fühlt sich in Konfliktsituationen nicht wahrgenommen, nicht wertgeschätzt.
    Ich war erst irritiert. Ich liebe ihn doch so unglaublich, wie kann er sich nicht geschätzt fühlen?! Aber bei genauerer Betrachtung habe ich micj in Konfliktsituationen eben nicht wertschätzend und achtsam verhalten. Spiegeln hilft da, sagen, dass man sieht, wie sich das Kind fühlt, dass man das verstehen kann, kennt oder es einem leid tut, es aber evtl Grad nicht anders geht.
    Mir hat auch das Buch über gefühlsstarke Kinder von Nora Imlau sehr geholfen und ich lese mich durch die Bücher von Jesper Juul. Vor allem „Aggression“ passt.
    Bei uns hat sich alles sehr entspannt. Nur, da sich seit Jahren blöde Streitmuster eingeschlichen haben, dauert es natürlich auch und kostet Anstrengung, das wieder raus zu bekommen.

    Habt euch lieb, lasst euch nicht einreden euer Sohn wäre nicht ok oder ihr würdet was falsch machen..

    Liebe Grüße!

  5. Mein Kind haut und beißt
    Hallo!

    Ich lese viele eurer Beiträge und ich finde uns häufig darin wieder.
    Das Interview mit Kristin hat mich besonders berührt. Auch mein Junge (7) nimmt auf diese Art Kontakt zu anderen Kindern auf. Hinter uns liegen vier sehr schwierige Jahre mit Arztbesuchen, Frühförderung, Kiga Wechsel, Ergotherapie, Arztwechsel, Einschulung, etlichen Lehrergesprächen und und und…. seit kurzem haben wir die Diagnose Asperger Autismus. Ein Schock? Nein. Eher befreiend.

    Ganz liebe Grüße, Meike

  6. Schwierig
    Ich stelle mir die Situation sehr schwierig vor, und natürlich ist auch so ein „Vorfall“ auf dem Spielplatz nicht toll. Aber ich kann die andere Mutter gut verstehen. In der Krippengruppe meiner Tochter war bis vor den Ferien auch ein Junge, der sich immer wieder schwächere „ausgesucht“ hat und diese dann gebissen, gehauen, geschubst usw. hat. Auch mich hat er beim Abholen mal einfach ins Knie gebissen, um dann beim nächsten Mal auf meinen Schoß zu klettern. Und natürlich hat er auch seinen Ruf weg. Meine Tochter ist sehr zurückhaltend, wenn es darum geht sich zur Wehr zu setzen und geht eher zu einer Erzieherin oder mir bevor sie sich beispielsweise etwas zurückholt, was ein anderes Kind ihr weggenommen hat. Aber vor einigen Wochen hat sie den Jungen ebenfalls gebissen – und ich konnte ihr nicht mal böse sein, weil ich weiß, dass sie das nicht ohne Grund gemacht hat. Von daher denke ich, dass es wirklich schwierig ist aus dieser Schublade herauszukommen, aber auch viel Arbeit bei dem Kleinen nötig ist, dass er den richtigen Umgang mit anderen lernt.

    1. Für alle schwierig
      Dem möchte ich mich anschließen, denn es ist eben nicht nur für die Eltern des Kindes, das „Aggressionen“ auslebt schwierig, sondern auch für die Eltern der „Opfer“. Was sollen sie tun, wenn ihr Kind aus Angst vor neuen Schmerzzufügungen – ob physisch oder psychisch – nicht mehr in die Kita gehen möchte? Wenn einzig die Urlaubszeiten des Agressors Entlastung bringen, weil die Personaldecke so dünn ist, dass zumindest wöchentliche, häufig auch tägliche Vorfälle nicht vereitelt werden können? Diese Eltern, zu denen leider auch wir gehören, werden zumeist vollkommen allein gelassen, die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den „Täter“ und seine Eltern, die „Opfer“ werden situativ kurz getröstet, bevor sie wieder sich selbst überlassen werden. Hilfestellungen, wie Eltern der „Opfer“ damit umgehen können/sollen, gibt es so gut wie keine. So gut ich also verstehen kann, dass um Verständnis für Kinder mit „Aggressionspotenzial“ geworben wird, möchte ich auch daran erinnern, dass die Eltern der betroffenen Kinder ebenfalls in Sorge um deren Wohlergehen sind. Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind – und dazu gehört eben auch der Wunsch, dass es unversehrt bleibt.

    2. Empathie
      Ich sehe es auch so und verstehe die Mutter vom Spielplatz.
      Meine beiden Kinder sind eher schüchtern. Daher kann ich die Angst vor so „explosiven“ Kindern auch verstehen.

      Wie wird er erzogen? Ich stelle immer wieder fest, dass Kinder, die extrem! „bedürfnisorientiert“ erzogen werden, keine Empathie zeigen und egozentrischer sind als andere.

  7. frage?
    kurze frage. wie viele stunden pro woche gehen sie mit ihm radeln, klettern, wandern, fussball spielen??!!
    eventuell war ihre genkombo einfach super stark für ein junges kind mit mega energie. eventuell kann er ausgepowert niemanden mehr nerven!?! sorry für den vergleich, aber ein junger hund hat manchmal auch überschüssige energie, dann zerfetzt er ihr zuhause auch komplett, wenn er zu wenig herum rennen konnte.
    und je jünger desto eher folgen sie noch der natur! später ja nir noch der wirtschaft, und unterdrückte, gefühlsgeblockte roboter gibts genug!
    lassen sie ihn noch kurz tier sein…….aber in der natur 😉

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