Mein Neugeborenes hatte einen Schlaganfall – Interview mit Nina

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Liebe Nina, Ihr habt eine kleine Tochter, die im September geboren wurde. Erzähl doch mal, wie die Kleine so ist. 

Ja, nach unserem Sohn, der 2010 zur Welt kam, macht nun unsere Tochter seit September unser Glück perfekt. Sie ist ein absoluter Sonnenschein. Schon morgens strahlt sie uns an. Sie ist sehr genügsam, schreit kaum und ist einfach glücklich, wenn wir bei ihr sind und mit ihr kuscheln. Der Mittagsschlaf wird nur in Mamas Arm gemacht, aber das genieße ich sehr!

Nun ist die Geburt etwas anders verlaufen als erhofft…

Unsere Tochter kam – wie unser Sohn – nach einem Geburtsstillstand per Kaiserschnitt zur Welt. Sie wurde sehr schwer geschätzt und als ich sie das erste Mal sah, dachte ich,  dass sie so gesund aussieht. Ich muss dazu sagen, das ich wenige Stunden vor dem Kaiserschnitt ein komisches Gefühl hatte. "Hoffentlich kommt sie gesund zur Welt", sagte ich immer wieder. Nach dem Kaiserschnitt wurde sie erstmal ins Nebenzimmer – als das dort länger dauerte als gedacht, wurden wir unruhig. Die Ärzte erklärten uns dann, dass sie etwas Anpassungsschwierigkeit hätte und auf die Kinderintensivstation verlegt werden müsse. Weder die Ärzte noch wir ahnten zu diesem Zeitpunkt, was noch kommen würde.

In der Schwangerschaft hatte auch nichts auf diesen Verlauf hingedeutet, oder?

Ich hatte eine völlig normale Schwangerschaft. Meine Zuckerwerte waren eine Zeit lang etwas auffällig. Doch das regelte die Natur einige Wochen vor der Geburt alleine, sodass mir Insulin erspart blieb.

Wie ging es nach der Geburt weiter?

Wie schon gesagt wurde die Kleine sofort verlegt. In der Kinderklinik hatte sie dann einen Atemstillstand und Krampfanfälle. Der erste Verdacht lautete auf eine Hirnhautentzündung. Um diesen zu bestätigen wurde eine Lumbalpunktion gemacht. Danach gab es Entwarnung in Bezug auf die Hirnhautentzündung, doch unsere Tochter hatte weiterhin Krampanfälle. Deshalb wurde ein MRT veranlasst. Die Diagnose, die daraufhin folgte, war ein Schock. Die Ärzte sagten, unsere Tochter habe einen Schlaganfall gehabt, Teile ihrer Gehirns (vorallem links) sind dadurch abgestorben. Unsere Tochter war gerade erst drei Tage alt – für uns war das alles unbegreiflich. Eine Woche später gab es noch eine schlechte Nachricht. Durch die Lumbalpunktion hatte unsere Tochter vermutlich nocheinen weiteren Schlaganfall im Rückenmark. 

Schlaganfälle verbinden wir ja häufig mit älteren Menschen. Wisst ihr, wie es dazu kommen konnte? Und wie oft so etwas im Kindesalter vorkommt?

Dass auch Kinder von Schlaganfällen betroffen sind, konnten wir auch erstmal nicht einordnen. In Deutschland gibt es jährlich ca 300 Fälle. Wobei die Dunkelziffer vermutlich viel höher liegt, da die Symptome in der Regel sehr diffus sind. Unser Tochter wurde von Kopf bis Fuß untersucht und man fand keinen Auslöser. Schlussendlich ist es wohl einfach "Schicksal", dass es sie getroffen hat.

Habt ihr denn eine Prognose für eure Tochter? Seid Ihr immer noch in Behandlung?

Eine wirkliche Prognose möchte uns kein Arzt geben. Sichtbare Spuren hat der Rückenmarksinfarkt hinterlassen. Unsere Tochter hat eine asymmetrische Querschnittsymptomatik. Ihr rechter Fuß ist gelähmt, das Bein funktioniert nur sehr eingeschränkt. Außerdem hat sie wohl eine Blasenentleerungsstörung. Wir werden auf lange Sicht nicht drum rum kommen, sie regelmäßig zu kathetern. Wir gehen momentan wöchentlich zur Physiotherapie und einmal im Quartal in ein sozialpädiatrisches Zentrum in der Kinderklinik.

Solche Extremsituationen führen oft zu einem anderen Gefüge in der Familie. Welches Gefühl hast du: Hat euch das alles als Eltern noch näherzusammenrücken lassen?

Für uns als Eltern war und ist es schwierig. Wir gehen ganz unterschiedlich mit der Situation um, was immer wieder zu Spannungen führt. Trotzdem sind wir uns gegenseitig auch große Stützen. Eine besondere Hilfe war auch unser großer Sohn, der mit seiner unvoreingenommen, kindlichen Art so viel bei uns bewirkt hat. Ich werde ihm dafür mein Leben lang dankbar sein!

Gibt es sonst noch Menschen, die euch in der schwierigen Phase besonders zur Seite standen?

Da ich keine Familie mehr habe, war es anfangs sehr schwer. Aber die Familie meines Mannes gibt ihr Bestes. Außerdem habe ich eine tolle Hebamme, die immernoch kommt. Die Nachsorgeschwester, die bis Dezember immer zu uns kam, hat uns auch ganz viele Ängste genommen. Ich bin gerade dabei über Instagram (baby_schlaganfall) eine Community aufzubauen, damit sich viele Eltern austauschen können.

Nun hattet ihr euch das alles vermutlich etwas anders vorgestellt mit dem Leben mit Baby. Was würdet ihr anderen Familien raten, die Ähnliches erleben?

Holt Euch Hilfe!! So einen Schicksalsschlag muss man nicht alleine aushalten. Es gibt Stellen, die einem helfen! Sprecht über ALLE Gefühle. Kein einziges Gefühl ist doof oder nicht angebracht. Und vorallem äußert eure Bedürfnisse bei Freunden und Verwandten. Denn die meinen es nur gut und tun doch oft das Falsche, weil sie es einfach nicht besser wissen. Deshalb: Reden, reden, reden! 

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4 comments

  1. Meine Tochter hatte vor 28 Jahren einen pränatalen Schlaganfall. Sie ist ein Zwillingskind. Bis zum Kaiserschnitt ahnten wir nichts, nur dass die Schwangerschaft für mich gesundheitlich sehr beschwerlich war. Als die Zwillinge auf der Welt waren, wurde mehr auf ihren Bruder der Fokus gesetzt, denn er war der Kleinere, Schwächere. Erst im Laufe der Entwicklung mit dem Jungen als unmittelbaren Vergleich stellten wir fest, dass etwas nicht stimmt. Die Kinderärztin gestand später erst ein, dass sie das schon länger bemerkt hätte. Ich bestand sofort auf die Überweisung in ein pädiatrisches Zentrum. Dort wurde festgestellt, dass sie eine rechtsseitige Hämiparese und einen Schiefhals durch die Beengtheit im Mutterleib hatte. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen, es kamen später epileptische Anfälle hinzu, rechts eine Sehnenverlängerung am Fuß und eine Astrozytom-Operation (Hirntumor am Stammhirn). Durch unentwegte Therapien, bis zum heutigen Tag, haben wir es aber alle mithilfe von Therapeuten und der Familie geschafft, dass sie selbstständig laufen kann und ihre Mittel und Möglichkeiten nutzt, um in einer betreuten Einrichtung zu arbeiten. Vorher absolvierte sie, obwohl bildungsunfähig diagnostiziert, eine Schulbildung bis hin zum qualifizierten Hauptschulabschluss und sogar eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk. Die Ärzte hatten uns seinerzeit nicht viel Hoffnung gemacht und doch nun meistert sie ihren Alltag. Ich habe aber in den begleiteten Rehas oder der Berufsausbildung, Jugendliche mit ihrer Diagnose gesehen, die nicht so nachhaltig oder offensichtlich überhaupt therapiert worden sind und es war ein gewaltiger Unterschied zum Entwicklungsstand unserer Tochter. Ich kann nur jedem raten, sich nicht von Prognosen verunsichern zu lassen und immer einen Schritt nach den anderen zu denken und dann zu gehen. Klappte bei uns etwas nicht, wurde eben neu überlegt und anders herangegangen. Damit sind wir bisher am besten für uns und für sie zurechtgekommen und setzen es so fort. Wichtig vor allem ist, jede Möglichkeit an Hilfe und welche die modernen Therapien bieten, in Anspruch zu nehmen.

  2. Nicht mein Baby sondern ich habe im Wochebett einen Gefäßriss und landete auf der Stroke Unit. Und das in der Coronazeit, ohne Besuch, ohne das das 13 Tage alte Baby mitkommen durfte. Es war die Hölle, trotz Risiko bin ich nach 3 Tagen direkt aus dem Intensivbett nach Hause wo mein Mann mit den 3 kleinen Kindern wartete. Da mein Baby in der Zwischenzeit Fläschchen trinken musste, kämpfe ich jetzt mit einem trinkfaulen Baby. Ich hatte mich so sehr auf Stillen etc gefreut, merke aber das meine Kraft und Nerven schwinden.

  3. Hallo, mir kommt deine
    Hallo, mir kommt deine Geschichte so bekannt vor. Meine zweite Tochter hatte in der Schwangerschaft ebenfalls einen Schlaganfall. Die ersten Stunden nach ihrer Geburt war alles gut, doch dann wurde ihre Sauerstoffsättigung immer schlechter, es folgten Krampfanfälle. Am 3 Lebenstag wurde ein MRT gemacht, bei dem heraus kam, dass ein grosser Teil ihrer linken Hirnhälfte abgestorben ist. Für uns brach eine Welt zusammen, da kein Arzt etwas über die Zukunftsaussichten sagen wollte. Das war im Dezember 2017. Mittlerweile geht es uns den Umständen entsprechend gut und wir meistern jedem Tag Therapien und Fördermaßnahmen.

    1. Kinderschlaganfall
      Auch mein heute 5 jähriger hatte einen vorgeburtlichen Schlaganfall… trotz jeder Diagnose läuft und spricht mein Zwerg heute… es gibt einen ganz tollen Verein “ schaki.ev“ den findet ihr unter google oder auf Facebook „Schlaganfall Kinder und Neugeborene“… wir sind ganz viele Familien dort mit kleinen und auch großen Schlaganfallkindern… der Austausch in dieser Gruppe ist gigantisch, man ist nicht alleine und jeder versteht einem… wir lachen und weinen zusammen und sind eine große Familie…

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