Operationen statt Kuscheln – unsere Tochter kam schwerkrank zur Welt

neele1

Liebe Christine, Euer erstes Kind kam im Juni 2013 zu Welt. Wie war die Schwangerschaft? 

Die Schwangerschaft war sehr schön und völlig komplikationslos. Es gab nie den Verdacht, dass etwas nicht stimmen könnte. Ich war so richtig gerne schwanger. Wir haben uns entschieden, nur die normalen Ulltraschalluntersuchungen zu machen – also keine Nackenfaltenmessung oder ähnliches. Unser Kind sollte in einer Geburtsklinik zur Welt kommen, die keine Neugeborenenintenivstation hatte. Es war also klar, dass das Baby verlegt werden muss, wenn was sein sollte. 

Neele kam am 3.6.2013 reif geboren, zwei Tage über Termin, zur Welt. 

Beschreib mal das Gefühl, das Du deine Tochter zum ersten Mal gesehen hast.

Ich konnte es kaum fassen, dass unser Mädchen nun wirklich da war. Mutter zu sein, war ein großer Traum von mir – und der war nun in Erfüllung gegangen. Ich war einfach nur voller Liebe und Glückshormone. 

Zunächst sah auch alles gut aus – doch einen Tag nach der Geburt bekam sie leichtes Fieber…

Da ich viel Blut verloren hatte, blieben wir lange im Kreißsaal. Erst abends gegen 20 Uhr bezogen wir unser Zimmer. Neele spuckte viel, sie hatte wohl viel Fruchtwasser geschluckt. Das Stillen klappte auch nicht so richtig, Neele schlief lieber. 

Mein Kreislauf machte Probleme und die Krankenschwestern wollten Neele zur Beobachtung mit ins Schwesternzimmer nehmen. Um 5 Uhr morgens kam Neele zu mir zurück, wir kuschelten ganz viel, um 8 Uhr kam mein Mann. 

Um 9 Uhr wurde Neele dann nochmal untersucht und da hieß es dann, sie hätte Temperatur und sie würde nicht gut aussehen. Der Kinderarzt sagte, er wolle Neele ins Kinderkrankenhaus verlegen. Kurz darauf kamen eine Kinderärztin und zwei Sanitäter und holten Neele ab. Mein Mann und ich waren total geschockt. Die Gesundheit unseres Kindes stand aber natürlich im Vordergrund. Ich konnte nicht mit ins Kinderkrankenhaus, weil ich aufgrund des Blutverlustes und der Kreislaufprobleme nicht auf die Beine kam. 

Wie ging es dann weiter?

Wie sich später herausstellte, hatte die Kinderärztin Probleme Neele transportfähig zu bekommen. Als sie endlich stabil war, sind sie in größter Eile nach Hannover ins Krankenhaus, dort kam Neele mit einer Sauerstoffsättigung von 30 % an. Der Plan war, dass mein Mann erst noch ein paar Dinge für mich von zu Hause abholt und dann zu Neele fährt. Als er weg war, kam die Gynäkologin und sagte mir, dass Neele nun in der MHH sei, sie einen Herzfehler habe und operiert werden müsse. Ich solle meinen Mann anrufen, damit er nach Hannover fährt und diverse Unterschriften leistet. Diesen Anruf konnte ich nicht mehr tätigen, so geschockt war ich. Die Ärztin rief meinen Mann dann an, der sofort nach Hannover fuhr. 

Es stellte sich heraus, dass deine Tochter einen schweren Herzfehler hatte. Was genau hatte sie und war das während der Schwangerschaft je ein Thema gewesen?

Nein, das war in der Schwangerschaft nie ein Thema gewesen. Neele hat eine Transposition der großen Arterien. Normalerweise funktioniert der Blutkreislauf wie eine Acht. Bei Neele war es nicht so, ihre Organe wurden deshalb nicht mit Sauerstoff versorgt. Sie hatte das Glück, dass ihr Ductus sich nicht sofort schloss und sie ein Loch im Herzen hatte, so dass doch noch ein bisschen Sauerstoff ankam.

Beschreib mal, wie es Dir/Euch nach dieser Diagnose ging.

Ich bzw. wir  bin/sind in ein tiefes Loch gefallen. Wir haben die Welt nicht verstanden. Wir haben uns ganz oft gefragt, warum es uns trifft. Was wir verbrochen haben, dass das Schicksal uns so trifft. Wir waren in einer absoluten Abwärtsspirale.

Wie verlief die OP dann?

Neele wurde am 7. Lebenstsg am offenen Herzen operiert. Es wurden die großen Arterien und die Herzkranzgefäße getauscht. Da wir nun täglich auf der Intensivstation waren, haben wir genug andere tragische Situationen mitbekommen. Man weiß nie, ob die Kinder überleben. Dafür gibt es keine Garantie. Die Kinder hängen an der Herzlungenmaschine und man weiß nie, wie es ausgeht…

Schlussendlich hat Neele wahnsinnig viel Glück gehabt und auch sehr gekämpft. Es hieß anfangs, das wir von 6 bis 8 Wochen Krankenhausaufenthalt ausgehen sollen. Neele war nach 3 Wochen zu Hause. 

Wie hat sich deine Tochter nach diesen Strapazen erholt? 

Wir waren so froh, nach den 3 Wochen endlich zu Hause sein. Neele bekam im Krankenhaus die Flasche mit abgepumpter Muttermilch und zu Hause haben wir es dank unserer Hebamme tatsächlich geschafft zu stillen. Dafür war im Krankenhaus leider keine Zeit.

Neele musste zu regelmäßigen Kontrollen beim Kardiologen, zum Augenarzt und ins sozialpädiatrische Zentrum.  Schlussendlich war klar, dass sie es alleine schaffen kann, sich ganz normal zu entwickeln. Ihre Augen haben nichts abbekommen und sie trug auch keine Hirnschäden davon.

Wie geht es deiner Tochter heute?

Neele geht es sehr gut, sie muss keine Medikamente nehmen. Sie wird zwar keine Profisportlerin werden, aer sie wird ganz normal ihren Weg gehen dürfen. Sie geht zum Schwimmen und zum Tanzen. Sie ist eine wahre Kämpferin.

Woraus hast du in dieser schweren Zeit Kraft gezogen?

Schwierige Frage. Mein Mann hat abends immer die Großeltern angerufen und hat von den Fortschritten berichtet. Er war so oft mein Sprachrohr, da ich zu viel auch mit mir und meinen Hormonen beschäftigt war. Es blieb kaum Zeit zum Nachdenken. Man war ja die meiste Zeit beim Baby und genoss jede Minute, wenn man es sehen oder auf dem Arm halten konnte. Ich war so dankbar, dass mein Mann mit vor Ort sein konnte und auf mich und unsere Tochter aufpasste. Ich denke, wir konnten uns gegenseitig gut auffangen und unterstützen. 

Znser Freundeskreis und auch unsere Hebamme waren in dieser schweren Zeit immer für uns da. Auch nach Neeles Op und der Zeit im Krankenhaus haben sie zu uns gehalten und uns zugehört. 

Du hast noch ein weiteres Kind bekommen – wie hast du diese Schwangerschaft und Geburt erlebt? 

Wir waren uns lange nicht sicher, ob wir es uns trauen, noch mal ein Kind zu bekommen. Die zweite Schwangerschaft war dann leider auch gar nicht unbeschwert. Wir haben alle für uns wichtigen  Untersuchungen durchgeführt, um diesmal vorab informiert zu sein. Wäre diesmal wieder etwas mit dem Herzchen gewesen, hätten wir uns für eine andere Geburtsklinik entschieden. 

Alles in allem sind wir aber sehr dankbar, zweifache Eltern sein zu dürfen. 

Wenn man in dem Ganzen etwas positives sehen will – was wäre das für dich?

Ich weiß, dass mein Mann und ich alles schaffen können, dass wir alle Probleme gemeinsam meistern können. Wir sind ein super Team. neele2

64179c71d51447afa44167211116c52c

Du magst vielleicht auch


2 comments

  1. eure geschichte berührt mich sehr. es freut mich ganz fest, dass es eurer neele heute gut geht und ihr das glück hattet ein zweites gesundes wunder erleben zu dürfen. wir selber haben im 2011 einen schwer kranken jungen zur welt gebracht. es ist unglaublich wie diese kleinen wunder stark sind und kämpfen. wir wissen wie hart die zeit auf einer intensivstation ist. das auf und ab, die vielen emotionen und rundherum die schicksale all dieser familien. eine solche zeit prägt einem, stärkt aber auch und gibt dem leben eine andere sicht. auch wir dürfen heute zwei wunderbare gesunde kinder haben und sind sehr dankbar dafür!

  2. Tapfere Maus
    Da habt ihr eine tapfere Maus. Es freut mich sehr zu hören, dass ihr diese harte Zeit so gefestigt überstanden habt. Alles Gute für eure kleine Familie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert