Chronische Schmerzen: Unser langer Weg zur Diagnose

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Mein Name ist Astrid, ich bin 41 und ich möchte euch unsere Geschichte erzählen. Unsere Geschichte mit dem und über den Schmerz. Mein Mann Winnie (43) und ich haben drei Kinder: Constantin (11), Anna (9) und Franziska (7).

Weihnachten 2017, Anna war in der 1. Klasse, bemerkten wir, dass irgendwas nicht stimmt. Anna hatte ständig Kopfschmerzen. Zusätzlich taten ihr die Gelenke weh, meistens die Sprunggelenke und die Handgelenke. Der Kinderarzt hat eine Blutuntersuchung veranlasst, die ohne Befund blieb. Er meinte, es seien Wachstumsschmerzen, die sich von alleine wieder geben würden.

Dem war leider nicht so. Es gab Tage, an denen Anna nicht mehr aus dem Bett wollte vor Schmerzen. Längere Spaziergänge oder gar Wanderungen waren nicht mehr möglich. Bereits nach kurzer Strecke schmerzten die Beine so sehr, dass sie nicht mehr laufen wollte.

Also fuhren wir wieder zum Kinderarzt und dieser überwies uns zum Orthopäden – vielleicht wäre ja etwas mit dem Skelett nicht in Ordnung? Es vergingen Wochen, bis wir einen Termin in der Ambulanz der Kinderklinik bekamen. Dort wurde Anna geröntgt und wir fuhren wieder ohne Ergebnis nach Hause – aber mit dem Rat, Anna beim Rheumatologen vorzustellen.

Plötzlich stand der Verdacht auf Leukämie im Raum

Also warteten wir wieder wochenlang auf einen Termin. Der Rheumatologe nahm sehr viel Blut ab, es wurde auch eine Gen-Untersuchung gemacht und der Leukämieverdacht abgeklärt. Es blieb alles ohne Befund.

Mittlerweile hatte Anna oft so starke Schmerzen, dass ich sie immer mal wieder frühzeitig aus der Schule abholen musste. Annas Lehrerin war sehr streng, übte viel Druck aus. Und es war auch ein Kind in der Klasse, das wegen seines Verhaltens einen Schulbegleiter benötigt. Vor diesem Mann hatte Anna irgendwie Angst. Heute wissen wir, dass Druck und Angst die Schmerzen fördern…..

Nun – da wir quasi alle Empfehlungen befolgt und trotzdem kein Ergebnis/ keine Diagnose hatten – erfuhr ich über meiner frühere Hebamme von einer Rheumaklinik in Garmisch- Partenkirchen. Als letzte Möglichkeit bat ich den Kinderarzt um Überweisung dorthin. Er erhoffte sich kein Ergebnis davon – überwies uns aber trotzdem.

Nach 1,5 Jahren Odyssee durch alle Arztpraxen lagen nun also alle Hoffnungen auf der Rheumaklink für Kinder in Garmisch- Partenkirchen. Dass diese Klinik auch spezialisiert ist auf Kinder mit Schmerzerkrankungen, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber es war unser großes Glück. Endlich wurden wir verstanden und ernst genommen.

Es wurde wieder viel Blut abgenommen und eine sehr ausführliche Anamnese erstellt. Es gab plötzlich viele Kinder um uns herum mit denselben bzw. ähnlichen Problemen. Wir führten viele Gespräche und lernten auch Methoden gegen den Schmerz.

Endlich hatten wir eine Diagnose

Und dann gab endlich eine Erklärung für die Schmerzen: Anna hat ein Chronisches Schmerzsyndrom. Der Begriff Chronisches Schmerzsyndrom bzw. chronische Schmerzkrankheit beschreibt einen Schmerz, der seine eigentliche Funktion als Warn- und Leithinweis verliert und einen selbständigen Krankheitswert erhält.Die Zahl der Betroffenen wird in Deutschland auf 8 bis 10 Millionen geschätzt. Es gibt ein sehr gutes Video der Schmerzklinik Datteln zum Verständnis dieser Erkrankung: https://youtu.be/KpJfixYgBrw.

Nach einer Woche fuhren wir wieder aus der Klinik nach Hause. Mit Einlagen für die Füße, der Empfehlung von Physiotherapie und viel neu gewonnenen Wissen. Ebenso durften wir von der Klinik einen Therapieroller ausleihen. So konnten wir wieder Spaziergänge mit unseren 3 Kindern unternehmen. Eine neue wiedergewonnene Freiheit! Die Schmerzstörung war nicht weg – aber für uns besser begreifbar – und wir standen dem ganzen nicht mehr so hilflos gegenüber.

Heute geht es Anna besser, sie ist in der dritten Klasse und hat eine ganz tolle Lehrerin, die voller Elan und Herzblut für ihre Schüler da ist. Sie hat es geschafft, dass Anna wieder gerne zur Schule geht. Auch die Corona-bedingte „Verschnaufpause“ von der Schule in Form von Homeschooling tat meiner Tochter gut. Sie genießt es, viel zu Hause zu sein und Ruhepausen zu bekommen.

Die Erkrankung ist nach wie vor da. Es gibt gute Tage und schlechte Tage. Für mich ist es unglaublich belastend, wenn das Kind so leidet und man kann „nichts“ tun. Und es ist für mich belastend, dass Annas Krankheit so oft abgetan wird, wenn es heißt: „Anna krank? – der fehlt doch nix?? Die läuft doch rum. “

Ich möchte mit unserer Geschichte Familien, die ebenfalls von dieser Krankheit betroffen sind, Mut machen. Nehmt Eure Kinder Ernst und gebt nicht auf, bis Ihr Hilfe gefunden habt.

Foto: Pixabay

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3 comments

  1. Hallo,
    Mir kommt eure Geschichte von unsrer Tochter bekannt vor. Neben Stress vermeiden hat uns eine Analyse des Mikrobioms im Darm geholfen. Mit möglichst zuckerfreier und glutenfreier Ernährung plus entsprechenden Präparaten geht es ihr deutlich besser, da die Entzündungen im Darm zurück gehen.
    Darauf muss man erst mal kommen, kein Kinderarzt hat uns darauf hingewiesen.

    Liebe Grüße

  2. Das kommt mir sehr bekannt vor . Bei mir war es genauso. Als Kind konnte ich nicht rennen weil ich nach eine paar Meter ein stechen in meinen Füßen bekam und nicht weiter laufen konnte. Und noch so einiges . Es hat sehr lange gedauert bis ich eine Diagnose bekam. Heute mit 57Jahren kenne ich meine Diagnose 6nd das erst seit 2Jahren . Das ist sehr traurig

  3. ich finde es immer so toll wenn eltern ihre kinder ernst nehmen und für sie kämpfen. ich litt in meiner jugend auch sehr unter schmerzen. aber mir hat niemand geholfen. das ging so weit das ich durch den kreislauf schmerzen und schlaflosigkeit depressionen bekam. und geholfen hat immer noch niemand. es ist oder sollte selbstverständlich sein das dann die ursache gesucht und den kindern geholfen wird. ich freue mich sehr das die familie bzw das mädchen, passende hilfe bekam, auch wenn es leider 1 1/2 jahre gedauert hat. und jetzt besser damit umgehen kann!

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