Ihr Lieben, gestern machte eine Videoaufnahme im Netz die Runde und ging weltweit viral: Zu sehen war der CEO eines riesigen Softwarekonzerns, der von hinten eine Frau umarmt, die sich die Personalchefin des Konzerns identifizieren lässt. Aufgezeichnet wurde das Video der beiden von der so genannten „Kiss Cam“ bei einem Coldplay-Konzert. Affäre enthüllt bei Coldplay?
Sänger Chris Martin witzelte noch, dass die beiden entweder eine Affäre haben oder einfach schüchtern sind, weil sie sich sofort wegduckten, als sie merkten, dass sie gefilmt werden. Heraus kam: Die beiden sind verheiratet. Aber nicht miteinander.
Affäre enthüllt bei Coldplay Konzert?
Warum ich das hier als Teen-Time-Jugendkolumnistin erwähne? Weil das alles ein wahnsinnig guter Gesprächsanlass sein kann. Denn eure Kinder werden das Video vermutlich auch in ihren Timelines gehabt haben. Über so ein Video lässt sich auf so vielen Ebenen gut über Werte und Moral diskutieren. Über die Mechanismen von Social Media. Über Heimlichtuereien, über mögliche Konsequenzen. Über Häme im Netz.
Über Menschlichkeit, wenn sich plötzlich ebenfalls gehörnte Frauen hinsetzen und solidarische, öffentliche Briefe an die Ehefrau des CEO verfassen: „Hey, ich kann mir gut vorstellen, wie du dich grad fühlst, du hast vermutlich zu Hause gerade etwas für deinen Mann und eure Kinder getan, während er sich da mit seiner Personalchefin einließ…
Lass dich jetzt bitte nicht von Außenstehenden zu Entscheidungen zwingen, du schaust jetzt die nächsten drei Monate erstmal nach DIR, was DU dir Gutes tun kannst, was DU willst, was DIR guttut und erst dann guckst du, wie du mit all dem umgehst, ob du verzeihen kannst und vielleicht wirst du am Ende mit deiner besten Freundin ein Haus kaufen und glücklich bis zum Ende sein, alles wird gut, auch wenn sich jetzt alles erstmal Scheiße anfühlt“ schreibt eine reichweitenstarke Australierin sinngemäß in ihrem Posting zum Fall.
Sarkasmus über privates Schicksal
Andere fallen in den Kommentaren über die beiden Fremdturteltauben her und scheiben sarkastisch: „Coldplay hat seit Jahren keine Single mehr herausgebracht. Letzte Nacht haben sie gleich zwei gemacht.“ Humor auf dem Rücken einer privaten Szene, die uns alle eigentlich gar nichts angeht. Und uns doch alle irgendwie beschäftigt und emotionalisiert, wie sonst ließe sich erklären, dass das über die Grenzen hinweg die Runde macht, dass es sogar in Deutschland ankommt?
Wir können hier unseren Jugendlichen Empathie beibringen und sie fragen, wie sie sich fühlen würden, wenn sie in solch eine Situation gerieten. Wir können sie fragen, warum sie meinen, dass das schlicht weltweit viral geht. Wir können sie nach ihrem eigenen Moralkompass fragen, danach, wie sie reagieren würden, wenn sie in so einem Video ihre Mutter oder ihren Vater entdecken würden oder gar ihre eigene Partnerin oder den eigenen Partner.
Wir können sie fragen, wie sie zu Monogamie stehen und was sie meinen, wo das herkommt. Wir können sie fragen, wie sie sich eigene Beziehungen vorstellen und was eigentlich Verzeihen bedeutet. Wir können ihnen erklären, dass wir nicht vorschnell urteilen sollten, wir können ihnen zeigen, dass auch Erwachsene manchmal wie Kinder reagieren, wenn sie sich „erwischt“ fühlen.
Wir können ihnen sagen, dass sie überlegen sollen, ob sie solche Inhalte teilen, so wie es so viele getan haben. Wir können sie bitten, mal ohne Emotionen draufzuschauen und zu überlegen, was sie dann sehen. Zwei Leute, die sich offensichtlich wohl miteinander fühlen. Wir können ihnen erklären, dass wir die Vorgeschichte nicht kennen, vielleicht haben ja beide grad eine Beziehungspause oder eine Phase der offenen Ehe eingeläutet, wissen wir es?
Wir sind so schnell mit unseren Zeigefingern und dürfen aber auch in solchen Momenten erstmal menschlich bleiben. Und die Beteiligten ihre privaten Dinge klären lassen. Klar, wir können uns auch wahnsinnig über die beiden aufregen, sie bekommen es ja nicht mit, wir können sie innerlich beschimpfen, weil wir uns vielleicht selbst an Verletzungen erinnert fühlen, wir können ihnen sagen, dass niemand fehlerfrei ist, wir können ihnen mitgeben, dass vorschnelle Urteile schwierig sein können, wir haben so viele Möglichkeiten zu reagieren.
Unsere Kinder beobachten uns jedenfalls in unseren Reaktionen. So wie wir sie in ihren beobachten. Wir klopfen Haltungen und Werte ab, die nun mal in jeder Familie anders sind. Was uns eint ist aber, dass wir über solche Videoschnipsel aus dem Netz ins Gespräch kommen können. Und meistens sind diese Gespräche dann echt auch spannend und erkenntnisreich. Habt ihr mit euren Jugendlichen darüber gesprochen?