Jugendkolumne „Teen-Time“ zu Privatsphäre: Mal kurz im Handy mitlesen?

Privatsphäre

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Ihr Lieben, Privatsphäre ist mir wichtig, denn ich weiß noch genau, wie fies sich das in meinem Bauch anfühlte, als ich als Jugendliche aus dem Urlaub wiederkam und meine Freundin besuchte. Ihr Vater machte die Tür auf und faselte etwas von: „Na, wieder Stress mit den Männern?!“

Ich wusste erst gar nicht, was er meinte, doch dann verstand ich: Er hatte die Urlaubs-Postkarte gelesen, die ich exklusiv mit Gefühlsdingen an meine Freundin geschickt hatte. Für mich ging das gar nicht, für mich war das ein Bruch des Briefgeheimnisses.

Wenn die Privatsphäre nicht geachtet wird

Ein ganz ätzendes Gefühl des Vorgeführtwerdens – ja, auch irgendwie der Grenzüberschreitung – stellte sich ein, es ging ihn halt einfach nichts an. Nun hatte er Einblicke in mein Gefühlsleben, die ihm nicht zustanden und ich merke, wie es mich heute noch wütend macht. Gerade, weil er mich damit auch noch konfrontierte.

Vielleicht bin ich also deswegen jemand, dem Privatsphäre absolut heilig ist. Das mag erstmal komisch klingen, weil ich auch hier in dieser Kolumne Gedanken und Gefühle aus meinem Leben offenlege, aber ich steuere dabei selbst, was ich preisgebe und was nicht. Das ist der entscheidende Unterschied.

Tagebücher sind tabu

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Ich habe früher auch viel Tagebuch geschrieben, ich lese noch heute unfassbar gern darin herum und in meinem Zuhause konnte ich mir auch sicher sein, dass niemand heimlich darin rumschnüffelt. Meine Eltern wären niemals auf die Idee gekommen, sich da auf illegalem Wege Zugang zu meinem Gefühlsleben zu verschaffen.

Selbst wenn es – zumindest zu Beginn – nur um Schwärmereien für Pferde oder auch mal einen Sitznachbarn in der Schule ging. Wenn ich etwas davon erzählen oder vorlesen wollte, konnte ich das tun. Aber meins war meins und ich hatte die Entscheidungshoheit.

Mal kurz ins Handy schauen?

Nun lösen heute Handys nicht nur Tagebücher ab, sondern auch Postkarten und viele weiteren Kommunikationsmittel. In jedem dieser technischen Geräte steckt so viel Privates, ja, so viel Seele drin… die Nummer des Crushs genauso wie die Flammen von Snapchat und so weiter und so fort, dass ich finde: Auch hier haben unsere Kinder (und wir auch!) ein Recht auf Privatsphäre.

Nun ist das natürlich so eine Sache bei heranwachsenden Kindern. Sie brauchen Begleitung und Hilfestellungen im Netz, vielleicht auch erstmal festgelegte Medienzeiten oder gar Einschränkungen, damit die angezeigten Inhalte kindgerecht sind. Wie soll das also gehen, dass wir sie da nicht allein lassen und sie trotzdem keine Geheimnisse mit uns teilen müssen?

Grenzen wahren und trotzdem begleiten

Bei uns haben die Kinder mit dem Beginn der weiterführenden Schule ein Handy bekommen, in der Grundschule war das alles also noch kein Thema. Am Anfang hatten wir Family Link installiert, so dass ich die Zeiten steuern und das Runterladen von Apps erstmal genehmigen (oder auch nicht) konnte.

Da wir nicht in ihren Chats und Suchverläufen schnüffeln wollten, haben wir ausgemacht, dass wir freitags immer mal zusammen reinschauen. Das war insofern spannend, als dass wir oft gar nicht erst ins Handy gucken mussten. Sie hatten sich vorher überlegt, was vielleicht komisch gelaufen war („einen Chatpartner haben wir blockiert, weil xy“ etc.) und mir dann erklärt, wie sie damit umgegangen sind.

Das geht so ja aber nur, wenn man wirklich gute Regeln aufstellt und viel Aufklärungsarbeit leistet. „Ihr nehmt nur Freundschaftsanfragen von Menschen an, denen ihr im echten Leben schon mal die Hand geschüttelt habt“ zum Beispiel (für den Anfang). „Und wenn Manuel Neuer anfragt?“ „Dann auch nicht, denn den kennt ihr nicht privat“. Punkt.

Nicht heimlich im Kinderzimmer schnüffeln

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Gleiches gilt für Schränke, Taschen oder Schubladen im Kinderzimmer. Die werden nicht ohne vorherige Absprache durchgewühlt. Vermutet man etwas, kann man es ansprechen und/oder gemeinsam nachschauen.

[Hier gibt es aber natürlich auch Ausnahmen. Wenn Gefahr in Verzug ist, weil das Kind vielleicht grad in einer rebellischen Phase nicht erreichbar oder gar ausgerissen ist, ist es natürlich wichtig, nach Anhaltspunkten zu schauen.

Und wenn man vermutet, dass das Kind grad komplett falsch abbiegt, es exzessiv trinkt, raucht, kifft whatever, ist es natürlich auch nachvollziehbar, wenn Mama oder Papa mal der Putzlappen hinters Regal fällt (solang das nicht die Regel wird).

Kommt dabei etwas raus, kann man in den meisten Fällen aber immer noch versuchen, das Gespräch ab und zu in die Richtung zu lenken, bis das Kind vielleicht irgendwann selbst mit der Wahrheit rausrückt. (Schwer! Bestimmt ne harte Geduldsprobe! Ich glaub trotzdem, dass es sich lohnt, den Respekt zu wahren)]

Die Kinder kommen lassen ohne an ihnen zu ziehen

Gleiches gilt für Schwärmereien. So neugierig wir auch sein mögen, wer da grad das Lächeln ins Gesicht unserer Kinder zaubert – zu offensives Nachfragen kann auch in die Enge drücken. Es ist immer eine Balance aus: Ich lass dir deinen Freiraum, deine Privatsphäre steht dir zu, du darfst mich aber jederzeit alles fragen und mir davon erzählen, wenn dir danach ist.

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass viele Kinder, die nicht erzählen müssen, irgendwann freiwillig das Bedürfnis haben, etwas zu sagen, solang man ganz generell in einem gut gebundenen Verhältnis zueinander steht.

Auch ein: „Oh, ich seh da ein Grinsen… ich freu mich für dich!“ kann ein Gespräch eröffnen. Wir signalisieren: Ich sehe dich. Ich hab dich im Blick. Ich respektiere deine Grenzen, bin aber für dich da. Lieber die Kinder kommen lassen, als an ihnen zu ziehen, kann da ein gutes Motto sein, oder was meint ihr?!

P.S. Noch eine Idee, die sich bei uns als gut, wertschätzend und grenzwahrend bewährt hat. „Ich kenn nicht alle Leute, mit denen du grad abends abhängst/dich triffst, das ist total okay, aber könntest du mir zwei Namen plus deren Nummern kurz aufschreiben und für den Fall der Fälle an die Hinterwand des Kühlschranks hängen, damit ich notfalls jemanden erreichen kann, wenn dein Handy leer ist.“ Das kann man auch mit Passwörtern und Co. so handhaben. Du musst sie mir nicht sagen, aber du kannst sie irgendwo hinterlegen, um im Zweifel reagieren zu können.

Ihr mögt weiterlesen? Hier kommen die bisherigen Kolumnen:

„Teen-Time“ Jugend-Kolumne: Wie umgehen mit Alkohol?

„Teen-Time“ Jugendkolumne zur 1. Liebe: I love you!

Im Zimmer verbarrikadiert: Unsere Jugendkolumne „Teen-Time“ zum Vermissen

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5 comments

  1. So eine Kolumne hätte es geben müssen, als ich Teenager war, die hätte ich
    meiner Mutter vor die Nase geknallt. Sie hat mein sehr intimes Tagebuch gelesen, als ich 13 oder 14‘war, wo einfach alles drin stand.
    Schwärme, Sorgen, Ängste, Gedanken, Gefühle, erste Erfahrungen mit Selbstbefriedigung.
    Sie hat mich damit konfrontiert, sie fände bedenklich, was darin stände, ich solle mich nicht so sehr auf Jungs konzentrieren, dafür sei ich noch viel zu jung, blabla. Sie hat ihr Verhalten damit gerechtfertigt, dass ich schwierig geworden wäre, weil ich ihr nicht mehr alles erzählte, obwohl wir doch „so ein besonderes Verhältnis“ hätten. Toxisch, sie meinte toxisch.
    Seit diesem Tag vertraue ich ihr nicht mehr (ich bin jetzt 33) und ich habe viele viele Jahre kein Tagebuch mehr geschrieben, obwohl ich die therapeutische Wirkung gebraucht hätte.
    Ich werde so etwas meinen Kindern niemals antun. Liebe Mamas, merkt euch das: Tagebücher sind absolut tabu, ihr zerstört damit die Beziehung zu eurem Kind. Für immer.

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