Welcome to reality: Wie ich mir Geburten vorstellte – und wie es wirklich war…

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Ok, lasst uns heute mal über Geburten sprechen. Wie ich jetzt darauf komme? Nein, ich bin nicht schwanger, aber eine Freundin von mir bekommt in Kürze ihr erstes Kind und da fiebere ich natürlich mit. Manchmal fragt meine Freundin mich: „Und? Ist die Geburt wirklich so schlimm? Ich schaff das doch, oder?“ Und ich antworte ihr: „Klar schaffst Du das. Mit links.“

Was soll ich denn auch anderes sagen? Dass eine Geburt schon ein bisschen was von einer Mount Everest Besteigung hat, obwohl man eigentlich ein Sportmuffel ist?

Ich dachte zurück, wie ich mich auf die Geburt meiner Tochter vorbereitet habe. Zuerst einmal habe ich mir sehr viele, sehr überflüssige Gedanken um mein Outfit gemacht. Nachthemd oder Zweiteiler? Knöpfe sollte er haben, ist fürs Stillen praktischer. Irgendwas mit Hello Kitty drauf geht gar nicht, lieber ein klassisches Muster. Ich entschied mich nach langer Recherche für einen hübschen, hellblau-weiß gestreiften Schlafanzug mit längerem Oberteil, der übrigens sauteuer war.

Dann hörte ich, dass kalte Füße für Wehenschwäche sorgen können. Also besorgte ich mir weiße Angora-Söcken, die ebenfalls ein Vermögen kosteten. Ich ging zur Pediküre, um mir die Fußnägel lackieren zu lassen. „Ich möchte ja nicht stundenlang während der Wehen auf meine Nägel gucken und mich ärgern, dass sie ungemacht sind“, dachte ich.

Als Snacks kaufte ich gesunde Müsliriegel, Smoothies und Pfefferminzbonbons für den frischen Atem. Natürlich wusste ich, dass eine Geburt kein Wellness-Urlaub ist, aber in meiner Vorstellung wollte ich da würdevoll durchgehen, keinesfalls hysterisch sein und den attraktiven Oberarzt, der mein Kind auf die Welt holen sollte, beeindrucken. Und selbstverständlich würde mein Kind am erreichneten Termin kommen, alles würde ganz natürlich laufen. Juhu! 

Tja, was soll ich sagen? Die Geburt musste drei Wochen vor Termin eingeleitet werden. Ich war hysterisch, ich trug ein Krankenhausnachthemd (ja die, die hinten offen sind!!!) und nicht meinen schicken Zweiteiler. Die Socken blieben in der Kliniktasche, zu Hause habe ich sie dann aus Versehen zu heiß gewaschen, womit sie Puppengröße hatten.  

Den Müsliriegel und den Smoothie habe ich auf den Krankenhausflur gekotzt (vor Schmerzen) und einen heißen Oberarzt habe ich auch nicht gesehen. Dafür eine rundliche Hebamme, die mich ertragen hat und der ich bis heute sehr dankbar bin. Und vor allem habe ich nicht ein einziges Mal stolz auf meine lackierten Fußnägel geguckt. Ich hatte Schmerzen – und zwar so starke, dass ich es nicht mal gemerkt hätte, wenn mir Blumenkohl aus den Füßen gewachsen wäre.

Und es ging noch weiter. Ich dachte, ich würde frisch strahlend und selbstsicher mein Baby anlegen, es würde trinken und ich würde vor Kraft strotzend nach Hause gehen.

Die Wahrheit: Ich war noch nie so fertig in meinem Leben. Körperlich und geistig. Ich war unsicher und hatte ein Dauerabo bei den wirklich sehr netten Kinderkrankenschwestern, weil ich nie wusste, ob ich das Kind richtig anlege. Zum Auto humpelte ich und kam zu Hause mehrere Tage kaum aus dem Bett. Und geheult habe ich auch ständig, mal vor Glück, mal vor Müdigkeit, mal aus Angst, wie das alles werden soll – diese fiesen Hormome! 

In dieser Zeit habe ich so viel gelernt – über mich, das Baby und vor allem über die Tatsache, dass die Realität oft so anders ist die Vorstellung.

Und trotzdem mache ich meiner Freundin natürlich Mut und habe ihr diese Story nicht erzählt. Denn natürlich wird sie es schaffen. So wie wir alle es geschafft haben. Vielleicht anders, als wir uns es vorgestellt haben. Aber das ist – im Rückblick – doch total egal!baby1

 

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4 comments

  1. Das Tal der Ahnungslosen
    Ein interessantes Thema. Dazu kann wohl jede Mutter ihre Geschichte erzählen, schon weil ja auch jede Geburt ganz individuell verschieden und einzigartig ist. Ich weiß noch, dass ich in der ersten Schwangerschaft neidisch auf die Zwei- und Dritt-Mamas in meinem Geburtsvorbereitungskurs geschaut habe und immer dachte: „Die haben es gut. Sie wissen wenigstens was sie erwartet…“. Nicht das ich mich damit allzu sehr auseinander gesetzt habe. Verrückt machen wollte ich micht ja auch nicht, aber ich hatte natürlich schon etwas Angst und Respekt vor der Geburt.
    In der Schwangerschaft mit dem zweiten Kind wusste ich ja dann, dass die Geburt ein hartes Stück Arbeit werden würde, die zwar auch mit etwas Unbezahlbarem belohnt wird, aber der Weg dahin kann mitunter sehr sehr lang und steinig sein. Da habe ich dann gedacht: „Dieses Tal der Ahnungslosen, in dem man in der ersten Schwangerschaft nocjh steckt, ist schon auch irgendwie ein seliger Ort…“ 🙂
    Letztendlich hatte ich zwei wunderschöne und reibungslose Geburten, die jede für sich ganz unterschiedlich los gingen und verliefen (sehr schmerzhaft war es natürlich trotzdem). Das Gefühl es geschafft zu haben und sein kleines Wunder das erste Mal im Arm zu haben, war aber beide Male unbeschreiblich…
    Ich sage anderen werdenen Erstlings-Mamas immer „Du schaffst das! Und mach Dir nicht allzu viele Gedanken. Es kommt sowieso anders, als Du es Dir im Vorhinein vorgestellt hast.“
    PS: Bei der Pediküre war ich übrigens trotzdem vor beiden Geburten, zum einen, weil man ja selbst kaum noch an die eigenen Füße ankommt und zum anderen, weil ich den Hebammen ja auch keinen schlimmen Anblick bieten wollte… ;o)

  2. Jetzt musste ich so lachen.
    Jetzt musste ich so lachen. Dass mit den warmen Füßen hatte ich auch gelesen (und auch meine kurz nach mir entbindende Freundin damit verrückt gemacht). Ganz dicke Socken hatte ich mir eingepackt (Geburt im Mai). Und dann? Hab‘ ich geschwitzt wie irre und literweise während der Geburt getrunken. Bei meiner zweiten Geburt im M;ärz habe ich die Socken dann getrost Zuhause gelassen. Allerdiungs fand ich die erste Geburt tatsächlich viel weniger schlimm als gedacht. Vor allem die Presswehen. Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Schwester zu mir meinte: Es ist die Hölle, es ist als ob man an 4 Seiten zerrt und dich auseinanderreisst (das sagte sie direkt nach ihrer Geburt). Also habe ich es mir SO schlimm vorgestellt, dass es eigentlich nur besser werden konnte ;-))
    Liebe Grüße
    Jutta

  3. Wer gebärt schon mit links?…
    Wenn mich jemand fragt, dann vergleiche ich meine Geburten tatsächlich mit einer Bergbesteigung.

    Man ist aufgeregt, bereitet sich so gut wie möglich darauf vor, hat die beste Route herausgesucht, hat gemischte Gefühle vorher (Vorfreude, vielleicht auch Respekt/Angst „schaff ich das?“).

    Dann ist man unterwegs, es wird steil, es ist sehr anstrengend, die Füsse tun einem weh, man blickt nach oben – „noch so weit?! Das schaff ich nie?!“.

    Man verflucht sich und die Welt für diese Sch***Idee, irgendwann setzt man sich hin und heult vor Erschöpfung. Dann rafft man sich auf und schafft den Rest.

    Und dann steht man auf dem Gipfel. Dieser Ausblick! Wow! Das habe ich geschafft!! Diese Überwältigung!

    Der Abstieg braucht ebenfalls Kraft und danach wird man einige Zeit brauchen, um sich zu erholen.

    Ich finde, man darf das Kind beim Namen nennen: Geburten sind Arbeit und erfordern Kraft, Ausdauer, Mut und viel Vertrauen.

    Es besteht kein Grund, immer in die Extreme zu gehen und entweder von Horrorerfahrungen zu berichten (Ich/das Kind wären beinahe gestorben) oder es herunter zu spielen (das hat schliesslich noch jede geschafft, schaffst du mit links).

    Meine beiden Geburten sind die bestärkendste Erfahrung, die ich in meinem Leben gemacht habe und ich bin endlos dankbar für diese Erfahrung.

  4. ehrliche Worte, ich
    ehrliche Worte, ich Unterschreibe das zu 100%
    und sind wir ehrlich, selbst wenn uns vorher einer die Wahrheit sagt, wollen wir das nicht hören und bekommen das selbst besser hin, die andere hat sich bestimmt angestellt 😉