Ihr Lieben, so viele von euch schreiben uns, was für einen Wahnsinn sie erleben, weil sie sich auf Betreuungszeiten in der Krippe oder Kita nicht mehr verlassen können. Das System ist einfach viel zu knapp gestrickt derzeit, da kommt kaum noch jemand hinterher. Unsere Leserin schildert die dramatischen Zustände mal aus ihrer Sicht. Sie ist als Erzieherin am Limit und musste deswegen die Reißlinie ziehen… und kündigen.
Du Liebe, als Krippenerzieherin hattest du einen kleinen nervlichen Zusammenbruch, was war los?
Im November 2023 habe ich angefangen, in meiner jetzigen Kita zu arbeiten. Ich hatte mir bewusst eine kleine Einrichtung mit insgesamt 30 Kindern (in meiner Krippengruppe 12) ausgesucht. Leider musste ich feststellen, dass fast das gesamte Jahr über, mit kurzen Unterbrechungen, eigentlich immer Personalmangel herrschte.
Dadurch kam es oft zu Überstunden und der Druck, alles alleine wuppen zu müssen (Entwicklungsgespräche, Eingewöhnungen, Sprachlerntagebuchführung… noch dazu im sozialen Brennpunkt), wurde immer größer. Noch dazu war das Jahr 2024 für mich im Privaten sehr herausfordernd, und da hab ich einfach irgendwann gemerkt: Ich kann nicht mehr.
Wir hatten an dem Tag einen Teamtag, starteten nach einem gemeinsamen Frühstück mit einer „Wie geht es mir“-Runde und als ich an der Reihe war, konnte ich kein Wort mehr rausbringen und bin total zusammengebrochen. Es ging einfach nichts mehr.
Fühltest du dich wie eine Erzieherin am Limit?
Ja, absolut!!! Wie oben schon beschrieben, wurde einfach alles zu viel!

Manchmal musste wegen Stress und Personalmangel sogar die Kita geschlossen bleiben, habt ihr permanent so nah am Limit gearbeitet?
Auch direkt vor der Weihnachtsschließung musste die Kita noch einmal zwei Tage geschlossen werden, weil einfach alle ausgefallen sind. Dadurch, dass wir so wenig Personal hatten, brach immer sofort alles zusammen, wenn mehrere KollegInnen krank waren.
Du warst dann erstmal krankgeschrieben, bist dann zurück und gingst aber direkt wieder auf dem Zahnfleisch…
Ich war eine Woche krankgeschrieben und war dann wieder zurück. Da sich die Gesamtsituation ja nicht geändert hatte, ging es natürlich genauso weiter wie vorher, da ist man sofort wieder am Limit. Ich denke, viele unterschätzen die Arbeit mit Kindern unter 3 einfach auch – psychisch sowie körperlich ist es oft sehr anstrengend.
Die Kinder brauchen so viel Körperkontakt, teilweise trage ich sie in einer Bauchtrage, um meine Hände auch für die anderen frei zu haben. Man hat teilweise mehrere Kinder auf dem Arm oder Schoß und versucht, ihnen irgendwie gerecht zu werden und zusätzlich natürlich auch den Bildungsauftrag zu erfüllen, den wir als pädagogische Fachkräfte haben.
Und das ist ja nicht alles…
Genau. Dazu kommen die Erwartungen und Forderungen der Eltern (es sollen mehr pädagogische Angebote stattfinden, man soll Ausflüge unternehmen usw.), die man aber einfach nicht erfüllen bzw. leisten kann, weil man immer unterbesetzt ist. Es wird auch leider immer weniger auf die Qualität geachtet…
Wenn wir dann mal Unterstützung von der Zeitarbeitsfirma hatten, hätte ich oft wirklich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen können wie wenig pädagogisches Wissen da vorhanden war. Das Gleiche gilt leider auch für viele Quereinsteiger, mit denen ich zusammengearbeitet habe.
Und ich frage mich ganz oft: „Wie kann man nur so wenig Wert auf die Betreuung unserer Kinder legen?“ Wie kann man verantworten, dass einfach jede/r mit einer im Vergleich zur ErzieherInnen-Ausbildung kurzen, ich nenne es jetzt mal überspitzt „Weiterbildung“, auf die Kinder losgelassen wird?“
(Natürlich gibt es hier auch positive Beispiele… ich möchte hier niemanden schlecht reden, das sind nur meine ganz persönlichen Erfahrungen)
Wie kommt es zu so wenig Personal? Werden einfach zu wenige Leute eingestellt oder sind zu viele krank oder woran liegt es?
Wir haben in Deutschland einen sehr großen Fachkräftemangel, das merkt man einfach immer wieder sehr deutlich. Es gab für unsere Einrichtung zwar immer wieder mal Bewerbungen, aber viele haben sich dann doch dagegen entschieden, bei uns anzufangen.
Die Räumlichkeiten sind sehr klein und eng, man hat wenig Ausweichmöglichkeiten (die Küche wird auch gleichzeitig als Essensraum und Kreativraum genutzt) und wir liegen in einem sozialen Berliner Brennpunkt, was die Arbeit mit den Kindern und ihren Familien häufig sehr herausfordernd macht, das ist nicht für jeden etwas.
Und manchmal hat es natürlich auch einfach im Team nicht gepasst, das kommt auch vor und ich denke, das Gehalt spielt unter anderem auch eine Rolle. Dazu kommen dann natürlich noch Ausfälle durch Krankheit, Schwangerschaft usw. Hätten wir nicht immer mal wieder FSJlerInnen oder PraktikantInnen, würde alles komplett zusammenbrechen, denke ich.
In welcher Situation dachtest du zuletzt: Nee, das ist jetzt nicht mehr im Wohle der Kinder – und was war da los?
Diesen Gedanken hatte ich schon immer mal wieder zwischendurch, aber zuletzt so ca. zwei Wochen vor meinem Zusammenbruch, würde ich sagen. Da sind spontan alle KollegInnen ausgefallen plus die Leitung und ich war mit unserer Sozialassistentin alleine. Wir mussten dann beide Gruppen (Elementarbereich und Krippe) zusammenlegen.
Zusätzlich hatte ich noch Eingewöhnung und dazu haben wir im Elementarbereich auch einige sehr herausfordernde Kinder, die eine intensive Betreuung benötigen. Es war ein absolutes Durcheinander und wir haben einfach nur versucht zu verhindern, dass Unfälle passieren.
Von wirklicher pädagogischer Arbeit kann man da nicht mehr sprechen, es ist eher wie eine Aufbewahrung gewesen und ich hab mit meiner Eingewöhnung und den anderen Kleinen dagesessen und gedacht „Was mache ich hier eigentlich?“ Man betreibt nur Schadensbegrenzung.
Klar kann man sagen, das kann im Notfall mal vorkommen und es gehört zum Beruf, dass man auch mal Ausnahmesituationen hat und damit zurechtkommen muss, aber wenn man permanent unter diesen Bedingungen arbeiten muss, kann man irgendwann einfach nicht mehr.
Und dann warten ja zu Hause auch noch deine eigenen drei Kinder auf dich… wie machst du das?
Das ist eine interessante Frage… ich weiß es teilweise selbst nicht. Ich fühle mich fast immer „zerrissen“. Ich habe das Gefühl, auf der Arbeit nicht alles geben zu können und zuhause bei meinen Kindern auch nicht. Das macht mich unglücklich!
Ich bin so ausgelaugt von der Arbeit, dass ich nachmittags total kaputt bin und mich aufraffen muss, noch etwas mit meinen eigenen Kindern zu machen. Noch dazu hat eines meiner Kinder besondere Bedürfnisse, was die Situation auch nicht leichter macht.
Dazu kommen dann die Teamsitzungen, Elternabende, Dokumentation und die spontanen Überstunden… ich bin sehr froh, dass ich das Glück habe, dass mein Mann seine Arbeitszeiten meist so einteilen kann, dass sie mit meinen zusammenpassen und er z.B. unseren Jüngsten von der Schule abholen kann. Dafür fährt er dann zwar leider immer zur Arbeit, wenn ich nach Hause komme, aber anders geht es nicht.
Wie könnte das anders gelöst und angegangen werden in Krippen – für die Kinder, aber auch für euch?

Ich denke, da müsste man bei der Politik anfangen und es müsste vieles im System geändert werden… Es müssten seitens der Länder viel mehr Gelder für die Betreuung und Bildung unserer Kinder bereitgestellt und investiert werden.
Es fängt doch auch schon bei der ErzieherInnenausbildung an… diese müsste viel attraktiver gemacht und auch die Arbeitsbedingungen generell für soziale Berufe verbessert werden.
Ich würde mir wünschen, das jede Einrichtung einen „Notfallplan“ hätte, damit genau festgelegt wird, wie viele Kinder noch betreut werden können, wenn xy Personal wegfällt und nicht jedes Mal Chaos ausbricht und man überlegen muss, wie man das Ganze geregelt bekommt.
Ich würde es wichtig finden, dass wieder mehr auf die Qualität geachtet wird und nicht nur darum, irgendwie möglichst viele Kinder aufnehmen zu können, um viel Geld einzunehmen. Da müsste also auch ein Umdenken der Träger stattfinden.
Natürlich ist es gerade für arbeitende Eltern eine Erleichterung, dass jedes Kind ab dem ersten Geburtstag einen Anspruch auf einen Kitaplatz hat, aber in der Praxis ist das einfach nicht umsetzbar.
Ich würde mir auch mehr Verständnis von Eltern für die pädagogischen Fachkräfte wünschen….
Ich weiß, wie schwierig es teilweise ist, seine Kinder betreut zu bekommen, wenn man selbst arbeiten gehen muss und die Kita aus diversen Gründen schließt oder eine Notbetreuung ausgerufen werden muss. Ich kann den Unmut, gerade wenn es häufiger vorkommt, total verstehen. Aber wir als pädagogische Fachkräfte können dafür nichts!
Wir tun unser Bestes um die Kinder auch unter so schlechten Bedingungen gut zu betreuen, ihnen Sicherheit und Geborgenheit zu geben und sie zu fördern. Wir arbeiten täglich am Limit und das teilweise über Jahre hinweg. Ebenso, was das Bringen von kranken Kindern betrifft…
Ich habe schon so häufig erlebt, dass Eltern mit mir oder KollegInnen diskutiert haben, wenn wir das Kind wegen Fieber, Durchfall oder anderen Krankheitsanzeichen haben abholen lassen… wir pädagogischen Fachkräfte machen das nicht, weil wir keine Lust haben das Kind zu betreuen, sondern weil wir auch eine Sorgepflicht gegenüber den Kindern haben und verhindern möchten, dass sie sich anstecken.
Auch wir pädagogischen Fachkräfte stecken uns regelmäßig bei kranken Kindern an und fallen dann aus, was dann wieder Notbetreuung oder ganze Schließungen nach sich zieht. Am Ende wollen wir doch alle dasselbe: Dass es unseren Kindern gut geht!
Und ich wünsche mir von meinen Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland, dass sie die ganzen Umstände und Arbeitsbedingungen nicht hinnehmen… sprecht mit euren Vorgesetzten, euren Trägern, geht streiken. Je mehr pädagogische Fachkräfte das so nicht mehr mit sich machen lassen desto besser, nur so kann vielleicht man ein Umdenken stattfinden.
Der Beruf muss einfach viel mehr geschätzt und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ich bin mir sicher, es werden sonst im Laufe der Zeit immer mehr qualifizierte Fachkräfte diesem Beruf den Rücken kehren und das System wird völlig zusammenbrechen.
Ich denke, die Liste wäre endlos lang, es gäbe so viel, was geändert und verbessert werden müsste… Solange in der Politik kein Umdenken stattfindet, sehe ich da allerdings kaum Chancen auf Verbesserung.

Du hast jetzt beschlossen, die Reißleine zu ziehen, obwohl du den Job an sich doch so sehr liebst…
Ja, das ist ein Schritt, der mir nicht leichtgefallen ist, aber ich habe Ende letzten Jahres meine Kündigung eingereicht und werde in ein paar Wochen aufhören, als Erzieherin zu arbeiten. Ich liebe diesen Job eigentlich…
Die Entwicklung der Kinder begleiten und fördern zu dürfen, für sie da zu sein und sie zu unterstützen ist so schön. Dieses Vertrauen, das sie einem entgegenbringen ehrt mich einfach jedes Mal von Neuem. Man kann so viel von ihnen lernen und sie erinnern mich einfach immer wieder daran, was wirklich wichtig ist im Leben!
Und so sehr ich das alles vermissen werde, musste ich für meine Gesundheit und vor allem für meine Familie die Reißleine ziehen. Ich habe 2009 meine Erzieherinnenausbildung beendet und seitdem werden die Bedingungen einfach immer schlechter.
Ich weiß, dass auch ein Einrichtungswechsel wahrscheinlich keine großen Veränderungen mit sich bringen würde, da es fast überall so aussieht. Ich bin einfach nicht mehr bereit, das Versagen des Senats auszubaden, mich respektlos von Eltern behandeln lassen zu müssen und auf wichtige Zeit mit meiner Familie zu verzichten.
Schon immer fasziniert mich das Thema Familie, Schwangerschaft und Geburt und daher habe ich mich dazu entschieden, eine Ausbildung zur Doula zu machen. Ich werde also trotzdem weiterhin mit Familien und Kindern arbeiten, nur in einem anderen Rahmen 🙂 So kann ich mir Zeiten für meine Familie besser einteilen, die Wertschätzung ist eine ganz andere und mein Herz brennt dafür.
Wir werden sehen, was die Zukunft so alles bringt, aber ich denke, in den Erzieherinnenberuf, vor allem in Kitas, werde ich nicht mehr zurückkehren.
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Erzieherinnen in Not
Im Rahmen meiner pädagogischen Fortbildungspraxis veranstalte ich meine Grundlagenseminare („Verhaltensauffällige Kinder“ / „Grenzen setzen in sozialen Institutionen“) in Kindertagesstätten, Schulen, an Jugendämter, Schulämter und Kinder- und Jugendpsychatrien.
Je weniger die Eltern ihre Kinder an Grenzen sättigen (erziehen), je mehr müssen die Kinder in den Einrichtungen fragen: „Wie weit kann ich gehen und wo ist meine Grenze“ und dort über Tische und Bänke springen. Die Kinder kommen zunehmend unterversorgt an Grenzen (Halt und Orientierung) in die Einrichtungen. Das Kinderschutzkonzept hat zu einer großen Verunsicherungen der Pädagogen und zu einer aktuell nicht einschätzbaren landesweiten Kindeswohlgefährtung geführt. In jeder zweiten Kindertagesstätte ist Gefahr in Verzug. Die Kinder kommen immer entgrenzter und grenzüberschreitender in die Kita und man nimmt den Erziehern jegliche Handlungsmöglichkeit das Kind freundlich, wertschätzend an Raum zu begrenzen. Immer mehr Träger sprechen sich dafür aus, das die Kinder nicht mehr angefasst werden dürfen. Ein Kind, welches nicht auf die Worte seiner Erzieherin hört, reagiert auch nicht, wenn ein anderes Kind (ein jüngers oder schwächeres Kind) sagt: Du tust mir weh“. Alles, was aktuell in den Bildungsplänen steht, ist nicht nur falsch, sondern schwächt den Erzieher an der Wurzel. Gleichzeitig bleibt das Kind unterversorgt in der Entgrenzung und man verweigert dem Kind sein Geburtsrecht auf Erziehung – Liebe, Halt und Orientierung.
In den Bildungsplänen ist die Rede von Erziehungspartnerschaft. Als Menschen stehen wir alle auf einer Ebene, in unserer Fachlichkeit aber nicht. Es steht, dass die Eltern die Experten für ihr Kind sind, aber die Aufgabe des Erziehers ist es, unsichere Eltern zur Erziehung zu beraten. Fachkräftemangel: Zunehmend entgrenzte Kinder, die nicht mehr erzogen werden dürfen, grenzüberschreitende Eltern, Träger, welche nicht hinter den Erziehern stehen, eine falsch verstandene Partizipation und die bedürfnisorientierte Erziehung verursachen unser gesellschaftliches Problem. Wie mir immer wieder aus den Kitas berichtet wird, verabschieden sich die Kinder morgens nicht mit Grußworten bei den Eltern: „Tschüss Papa, bis später“, sondern der Vater stellt sind in die Gruppentür und lässt sich von dem Kind in den Flur schubsen und sich manchmal noch in den Bauch treten.
Die Fackkräfte Kindertagesstätten und Schulen beklagen zunehmende Grenzüberschreitungen sowohl von den Kindern als auch von den Eltern. Es mangele zunehmend an Respekt und Wertschätzung!
Unsere Kinder werden von morgens bis Abends von ihren Eltern verbal zugetextet und mit Fragen überfordert: Etienne, möchtest du heute an den Rhein, an die Mosel oder an den Main fahren? Wann soll ich dich abholen oder soll dich lieber der Opa abholen und was möchtest du heute essen? Was können wir noch für dich tun, damit es dir besser geht? Wohin sollen wir in Urlaub fahren, Möchtest du noch ein Geschwisterchen und welches Auto sollen wir kaufen. Die Eltern gehen über die Grenzen des Kindes und geben jegliche Verantwortung und überfordern ihr Kind. Erziehung kann nur geschehen, wenn wir auf unterschiedlichen Ebenen stehen (ein Kind zu mir hochziehen). Mit der falsch verstandenen Partizipation und Bedürfnisorientierung gehen über die Grenzen des Kindes und geben jegliche Verantwortung ab und überfordern ihr Kind. Erziehung kann nur geschehen, wenn wir auf unterschiedlichen Ebenen stehen (ein Kind zu mir hochziehen). Das was unsere Kinder heute dringend wieder lernen müssen, ist ihr eigendes Bedürfnis zum Wohle einer Gruppe einmal hintenanzustellen. Das Bedürfnis des Kindes steht im Mittelpunkt und das Kind lernt heute nicht mehr, sein eigenes Bedürfnis einmal zurückzunehmen zum Wohle einer Schulklasse. Wir erziehen kleine Egoisten und gefährten damit langfristig unsere Demokratrie.
Es schadet Etienne, wenn er immer glücklich ist. Kinder benötigen Krisen, um stark zu werden (unter der Käseglocke wird ein Kind nicht stark).
Ein Kind, welches am Morgen die Grenzen der Eltern überschreitet, geht mit herabgesetzter Hemmschwelle in die Welt und macht es an anderer Stelle wieder. Hält man auf dieses im kleinen gelebten Verhalten eine große Lupe, ist das im kleinen gelebte das, was im großen den Zuwachs an gesellschaftlicher Gewalt erklärt. Wenn ich mich an meine Grundschulzeit erinnere, so war es das schlimmste, wenn wir eine Bananenschale auf den Schulhof geworfen haben oder die Tafel so schludrig gewischt haben, das im Anschluss noch Streifen zu sehen waren, schreiben heute immer mehr Schulen in die Hausordnung, dass die Kinder keine Waffen und keine spitzen Gegenstände mitbringen dürfen. Dazu sage ich immer: Genau das, was Sie in Ihre Hausordnung schreiben, holen Sie sich an Grenzüberschreitungen rein. Um Grenzen zu überschreiten, muß ein Kind die Hausordnung genau kennen. Jedes Kind weiß, wer ist Direktor und wer Praktikant, bei wem springe ich über Tische und Bänke und bei wem nicht. Wenn Erziehung neben allem was wir vorleben im wesentlichen Grenzen setzen ist, muß es einen Raum geben, wo Grenzen gesetzt und gesucht werden (wertschätzend, leise, die Persönlichkeit des Kindes unversehrt lassen – du als Mensch bist ok, aber dein Verhalten an dieser Stelle nicht). Wir haben es in der Hand, ob wir die Arbeit bei der Bananenschale (bei den Krümmel, welche auf dem Tisch liegen bleiben machen, oder wie mir immer mehr Lehrer berichten, wir uns schlagen und bespucken lassen. Unsere Kinder heute, müssen sehr weit gehen, um eine Grenze, welche ihnen Halt und Orientierung gibt, zu erfahren. Vor vielen Jahren hatte ein Erzieher oder Lehrer eine geschenkte Autorität. Damals ging man davon aus, dieser Mensch ist Erzieher oder Lehrer und wird es irgendwie richten. Heute werden whatsapp Gruppen gebildet und noch bevor die Kita oder Schule beginnt, wird festgestellt, was mich diesen Menschen nicht in Ordnung ist.
Während meiner Grundschulzeit waren meine Brote in Butterbrotpapier eingepackt und diese schmeckten oftmals nach Tintenkiller, Spitzer und dem Leder meiner Tasche. Heute sind die modernen Brotdosen eines oftmals 30 cm x 25 cm groß und die Lebensmittel werden mit unterschiedlichen Formen ausgestochen. An dieser Stelle sage ich immer: Je größer die Brotdose, je wahrscheinlicher ist es, dass die Mutter am Mittag fragt: Hat mein Kind etwas gegessen.
Es gibt aktuell deutschlandweit keine freien Plätze in der Jugendhilfe. Auf eine freie Platz Meldung erfolgen unzählige Anfragen und ich erlebe die Tendenz, das die Jugendhilfeeinrichtungen, welche aktuell die Wahl haben, sich nicht diejenigen Kinder ins Haus holen, welche am unterversorgtesten oder verhaltensauffälligsten sind. Die Schicht in unserer Gesellschaft, wo es an Hilfen für gerade diese Kinder und Jugendliche fehlt, wird immer dicker und es bleiben zunehmend mehr Jugendliche unterversorgt, welche wie kleine langsam tickende Bomben irgendwann ausbrechen müssen und nach Halt und Orientierung schreien (Zuwachs an Gewalt).
Unsere Jugendämter gehen dazu über, sich Betten in den Ämtern aufzustellen, die Psychatrien, die Heilpädagogischen Zentren, die Sozialpädagogischen Einrichtungen sind randvoll. Die Kinderzentren in NRW haben Wartezeiten bis zu zwei Jahren. Die Herausgabe an Medikamenten nimmt zu. In jeder Kindertagesstätte ist die Rede davon, dass sie vor einigen Jahren ein oder zwei auffällige Kinder hatten – es heute im Gegenteil gerade umgekehrt seie. An dieser Stelle müssen wir uns die Frage stellen, wie kann es denn sein – heute, das trotz der modernsten sozialpsychologischen oder sozialpädagogischen Interventionsmöglichkeiten, unsere Kinder heute, so verhaltensauffällig oder unterversorgt sind, wie zu keiner Zeit zuvor.
Ich behaupte als Erklärungsansatz, der Raum, welche Kinder heute haben, ist auf das krankmachende angewachsen. Unsere Kinder heute müssen sehr weit gehen, um eine Grenze zu erhalten (den Lehrer schlagen) und packt man alle Eltern in einen Sack, geht es immer darum, mit gutem Gefühl Grenzen zu setzen (leise, wertschätzend, die Persönlichkeit eines Kindes unversehrt lassen – du als Mensch in deiner Persönlichkeit bist ok, dein Verhalten an dieser Stelle nicht – weg mit der Beschimpferei, das Bedürfnis Grenzen zu erfahren ist ein übergeordnetes Grundbedürfnis), in dem Wissen, dass wir mit jeder gesetzen Grenze in diesem Sinne, dem Kind ein Stück Halt, Orientierung und Sicherheit geben und das das, wovor die Eltern die größte Angst haben, die gute Beziehung zum Kind zu verlieren, die Beziehung genau an dieser Stelle wächst (Bindungsstörung).
Marion Milbradt, Hachenburg
Danke Lisa und Katharina, dass ihr den Themen eine Chance gebt gesehen zu werden. Es muss sich so dringend einiges ändern. Der Personalschlüssel im Osten könnte jetzt endlich angepasst werden, doch vergebens. Jedoch würde damit schon einiges ausgebessert werden. Ein Kind hat standartgemäß auf einer Garderobenbank so viel Platz, wie die kurze Seite eines A4 Blattes lang ist. Weil, reicht ja, hat mal ein studierter Kopf gesagt … die Räume sind eng, die Gärten viel zu klein. Materialien dürfen nur von ausgewählten Firmen gekauft werden, dass diese aber den finanziellen Rahmen eines Trägers sprengen…. egal. Viele Erzieher bezahlen Spielzeug, Bastelmaterial etc. aus eigener Tasche, denn sonst könnten sie nichts neues mit den Kindern machen… Fragt man die Träger was da los ist kommt nur, kein Geld, wir können auch nicht hexen. Eltern die sich belesen und gute Ratschläge völlig falsch interpretieren. Eltern die denken, dass die Kinder schon alles in der Kita lernen würden, anstatt sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. Wieso mache ich mir Kinder, wenn ich sie nur in die Kita abschiebe? Von 7 bis 17 Uhr. „Was Sie haben keine Zeit meinem Kind das Schleifebinden beizubringen?“ „NEIN! Ich bin alleine mit 15 Kindern.“ Wie die Dame im Artikel sagt, und für die eigenen ist am Ende keine Kraft mehr da. Wo soll das hin führen? Und es gibt noch viele, viele weitere Themen, die die Missstände aufzeigen würden. Doch das würde hier den Rahmen sprengen…
Das sehe ich absolut genauso!
natürlich muss jede Familie für sich selbst entscheiden, welches betreuungsmodell für sie in Frage kommt. Für die Kinder gibt es meiner Meinung nach jedoch nichts besseres, wenn es möglich ist, dass sie in den ersten 3 jahren von der Familie betreut werden. In den ersten drei Jahren brauchen Kinder nicht in erster Linie Bildung sondern Bindung. Unter den oft sehr schlechten Rahmenbedingungen mit Personalmangel, wechselnden Erziehern usw. erst Recht. Mein Mann hat einige Jahre im Kita Bereich gearbeitet und interessanterweise gibt es gerade viele Erzieher, die sagen, dass sie ihre Kinder nicht unter diesen Bedingungen betreuen lassen wollen. Das spricht ja für sich. Wir selbst haben es mit unseren Kindern auch so gemacht und keine einzige Sekunde bereut!
Meine Meinung:Es ist kein Verbrechen, wenn Mütter/ VÄTER/ SORGEBERECHTIGTE ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause betreuen möchten. Das ist die Bildung die Kinder in dieser Zeit brauchen: Die Führsorge und Nähe der Mutter/ Vater / Sorgeberechtigten. Diese haben ein Recht auf Unterstützung.
Es ist ein Verbrechen an den Kindern, ErzieherInnen und den Eltern dieses System unter diesen Bedingungen weiterlaufen zu lassen und auch noch zu behaupten dies wäre Bildungsarbeit.
Da gebe ich dir absolut Recht!
Wer die Möglichkeit hat, sein Kind bis 3 Jahre zu Hause zu betreuen, sollte sich glücklich schätzen. Ich finde es schade, dass heutzutage Beruf und Karriere wichtiger sind, als die Zeit mit den eigenen Kindern.
Ich schätze den Beruf einer Erzieherin und bedanke mich regelmäßig im Kindergarten für die gute Betreuung!!!
Allerdings muss ich auch sagen, dass die Personalengpässe teilweise hausgemacht sind. Es gibt mind. 50% des Personals, dass regelmäßig entweder krankfeiert, oder die Krankschreibung von 6 Wochen ausnutzt, auch wenn es nur ein „Schnüpfchen“ ist. Öffentlicher Dienst. Was soll mir schon passieren… Dann Reha, Kuren…die alle 2 Jahre vom Träger bezahlt werden. Also, mein Mitleid hält sich tatsächlich in Grenzen. Ich arbeite in der Privatwirtschaft, da muss man seine Arbeit nachholen, wenn man krank war. Da überlegt man es sich zweimal, ob ich die Krankentage ausreizt.
Tatsächlich hat sich im Osten das Blättchen gewendet. Seit einem Jahr ist ein extremer Geburtenrückgang zu verzeichnen, Kita‘s werden geschlossen, Erzieher entlassen. In ein paar Jahren wird dieser Trend sicher auch in den westlichen Bundesländern Einzug finden.
Es gibt so unfassbar viele private Träger in denen Erzieher arbeiten, da zahlt dir niemand etwas. Ich weiß ja nicht wie das im Westen ist, aber hier im Osten kriechst du auf dem Zahnfleisch. Zumal der Personalschlüssel hier noch bedeutend schlechter ist. Bist du als Erzieher nicht da, bleibt der ganze Bürokratiescheiß ebenso liegen. Ich finde es eine Frechheit zu sagen, dass sich da das Mitleid in Grenzen hält. Solange Sie nicht selbst in dem Beruf gearbeitet haben, ist es wohl nur schwer möglich, sich ein Urteil darüber zu bilden. Teilweise gibt es Einrichtungen an denen ein Erzieher 18 bis 20 Kindergartenkinder alleine betreut. Die Lautstärke befindet sich oft weit über 80db, jeden Tag! Den Toilettengang drückt man sich so lange weg, bis es wirklich nicht mehr geht, denn die Kids sind dann ja alleine. Passiert etwas, bist du dran. Hilfe? vergebens. Von wem denn? Ist ja niemand da. Und das sind nur einige Punkte, welche verdeutlichen, dass es kein Zuckerschlecken ist! Es ist immer wieder erschreckend wie wenig Respekt und Wertschätzung Erzieher für ihre Arbeit bekommen.
Wie schade und gleichzeitig so verständlich, dass eine weitere Erzieherin, die den Job noch mit Herzblut gemacht hat, das sinkende Schiff verlässt. Dasselbe erlebe ich täglich in meiner Arbeit bei einem freien Kitaträger. Die Rahmenbedingungen des Berufes machen viele engagierte Pädagogen einfach krank und wir kommen ohne ein Umdenken in der Politik schlicht nicht mehr weiter. Aber Kinder haben leider keine Lobby.
Ziemlich zynisch zu behaupten, dass das Problem mit so einem Vorschlag a la zurück in die 50er gelöst wäre.
Ich wünsche der Autorin alles Gute für die Zukunft und dass es für sie und ihre Familie die richtige Entscheidung war, sich umzuorientieren.
Die Lösung kann nur darin liegen, dass kleine Kinder unter drei Jahren zu den Müttern gehören und nicht anders !Dann soll man ihnen die Mittel, die für Krippen ausgegeben werden, auszahlen und natürlich Jobgarantie.In der vielgeschmähten DDR gab es die.
Und während die Mütter in trauter Glückseligkeit Haus und Kind hüten, nehmen Sie wieder einen Speer in die Hand und erlegen eigenhändig ein Mammut, einzig durch Ihre geballten Manneskraft. Damit entspräche dann Ihr Lebensstil auch gänzlich dem Stand Ihrer Weltanschauung.
Ich hoffe mal inständig, dass Sie auch etwas ausgefeiltere Beiträge präsentieren können, als eine Rückkehr in die staubige Vergangenheit. Die anderen „Vorzüge“ des Staatsapparats der „viel geschmähten DDR“ muss man an dieser Stelle (hoffentlich ) nicht auffrischen.?
Hallo Jahn, in der vielgeschmähten DDR ist die überwiegende Mehrheit der Kinder unter drei Jahren in einer Kinderkrippe betreut worden.
Habe heute früh einen Zeitungsartikel gelesen, dass es in Magdeburg zu wenig Kleinkinder und deshalb unbesetzte Krippen- und Kindergartenplätze gibt. Deshalb gaben 7 der 20 Träger an in ihren Kitas die Plätze und damit verbunden auch das Personal reduzieren zu müssen. Mehr als der gesetzliche Mindestpersonalschlüssel wird nicht bezahlt. Es gibt also genügend Personal, um endlich die Arbeitsbedingungen zu verbessern, aber von Seiten der Stadt und des Landes und Bunds wird dies nicht ausreichend finanziert. Es ist ein Dilemma. Im „Osten“ Deutschlands werden Erzieherstellen abgebaut, die im Westen oftmals händeringend gesucht werden.
Solange es aber keine ausreichende Finanzierung gibt, diw eine sehr guten Fachkraft-Kind-Relation garantiert. Bleiben Kitas, dass was sie oft nur noch sind Verwahranstalten mit Mitarbeitern die ihren eigenen und den gesetzlich verankerten Erziehungs-, Förder- und Bildungsauftrag nicht nachkommen können und daran zerbrechen.
Ich (studierte Pädagogin) bin schon 2016 aus dem Kitasektor geflohen. Fühle also mit jeden der es auch macht.
Was ein absoluter Blödsinn ist. Jetzt wäre die perfekte Zeit, endlich den Personalschlüssel zu verbessern, aber unsere Kinder sind es leider nicht Wert, dass man in sie investiert. Traurig aber wahr. Ich selbst studiere jetzt Nebenberuflich, immer samstags. Und habe damit noch weniger Zeit für meine Familie. Und warum? Ich will ebenfalls raus. Ich bin es Leid mir die Respektlosigkeit von Eltern und Kindern zu geben, unfähige Kollegen zu unterstützen und vor allem Leitungen oben sitzen zu haben, die lediglich ein Mamagement Studium haben, aber keine Ahnung von dem Beruf des Erziehers haben. Oder anderweitig pädagogische Erfahrung aufweisen, aber ihre Denkweisen mit dem Daumen durchdrücken. In meinem Bekanntenkreis habe ich mittlerweile 8 Erzieher die bereits aufgehört haben, sich umorientieren oder überlegen es zu tun. Ich kann es verstehen.
Ich kann es verstehen!
Seit 2006 arbeite ich selbständig als Erzieherin und organisierte Familien Animation für Veranstaltungen aller Art. Mit http://www.nicoles-kinderparty.de habe ich meinen Traum aus selbstbestimmter Arbeit gefunden!
Liebe Grüße Nicole Winkelmann aus Werne an der Lippe NRW
Es gibt eine Aus- bzw Weiterbildung beim Geochachen? Fand ich jetzt etwas merkwürdig.