Vereinbarkeit geht nur gemeinsam: Fördert endlich die Männer!

Vereinbarkeit

Foto: pixabay

Ihr Lieben, Nicole Beste-Fopma ist DIE Ansprechperson in Sachen Vereinbarkeit in Deutschland. Sie ist Autorin, Moderatorin, Journalistin, Herausgerberin des LOB Magazins, Trainerin und Coach. Nun sagt sie, wir müssten vor allem die Männer fördern in Sachen Vereinbarkeit. Hier kommt ihr Gastbeitrag. Seht ihr das ähnlich?

„Noch immer ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in erster Linie Frauensache. Egal ob als Mutter, die Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit verkmüpft oder als pflegende Angehörige mit Beruf und Care-Arbeit. Es sind die Frauen, die noch immer den Großteil der Sorgearbeit übernehmen und es sind meist die Frauen, die ihre Arbeitszeit dafür reduzieren.

Jährlich stecken Unternehmen und Politik hunderte von Millionen in die Förderung von Frauen. Mit unzähligen Maßnahmen versuchen sie seit Jahren, in erster Linie Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Es werden Familienservices engagiert, die bei der Suche nach der perfekten Kinderbetreuung helfen.

Es werden Betriebskitas eröffnet. Mitarbeitende zu Elternpaten – also eigentlich Mütterpaten – ausgebildet. Frauen-/Mütternetzwerke gegründet und vieles mehr. Die Politik hat die Partnermonate beim Elterngeld eingeführt. Ein Gesetz erlassen, das auch Kindern unter drei Jahren einen Kitaplatz garantiert. Und sie arbeitet daran, mehr Betreuungsplätze für Kinder zu schaffen.

Noch 136 Jahre bis zur Gleichstellung

Vereinbarkeit
Nicole Beste-Fopma. Foto: Jennifer Fey

Ja, Förderprogramme haben Frauen weit gebracht: Immer mehr Frauen sind heute erwerbstätig. Immer mehr Frauen schaffen es in Führungspositionen. Einer aktuellen Untersuchung zufolge haben Frauen die gleichen Karrierechancen wie Männer – wenn sie in Vollzeit arbeiten. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass es die gläserne Decke nicht mehr gibt.

Vorurteile gegenüber Frauen und Macht und insbesondere gegenüber erwerbstätigen Müttern gibt es noch zuhauf und noch immer soll es bis zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau 136 Jahre dauern. Solange wir die Förderung aber ausschließlich auf die Frauen konzentrieren, werden wir es auch in 136 Jahren nicht zur Gleichstellung geschafft haben.

Denn ja, wir brauchen beide. Aber das heißt nicht oder nicht nur, dass Männer Frauen fördern und unterstützen sollten. Das heißt auch, dass Männer darin gefördert und unterstützt werden sollten, damit sie ihren Teil der Familienarbeit machen können.

Männer in die Kinderbetreuung und Altenpflege!

Während Frauen heute theoretisch wie praktisch ihr Lebensmodell relativ frei wählen können, ist der Lebensweg eines Mannes festgelegt: Ausbildung, Geld verdienen – vorzugsweise in Vollzeit – Rente. Care-Arbeit ist für den Mann nicht vorgesehen. Weder privat, noch beruflich. Männern wird Pflege und Kinderbetreuung nicht zugetraut. Zumindest wenn man sich die Zahlen dazu anschaut.

Sämtliche Care-Berufe sind zu fast 90 Prozent von Frauen dominiert. In der Krankenpflege liegt der Anteil der weiblichen Pflegekräfte bei 83 Prozent. In den Kindergärten gibt es gerade mal 7,1 Prozent männliche Betreuende und in den Grundschulen sieht es auch nicht viel anders aus. Hier sind es 12 Prozent und zahlreiche Grundschulen haben nicht eine einzige männliche Lehrkraft.

Viel zu starres Rollenverständnis

Die Ursache dafür liegt in unserem starren Rollenverständnis. Wenn wir wollen, dass Männer privat Care-Arbeit übernehmen, muss diese für sie genauso selbstverständlich werden, wie für Frauen. Wir müssen Wege finden, die diese Berufe auch für Männer attraktiv machen. Selbstverständlich müssen die Berufe auch besser bezahlt werden, aber das ist noch nicht alles. Auch über eine Quote könnte nachgedacht werden. Norwegen zeigt, wie das geht. Hier müssen 20 Prozent der Betreuenden in den Kitas Männer sein.

Die äußerst charmanten Nebeneffekte von mehr Männern in der Pflege und der Betreuung von Kindern:

1.) Je mehr Männer in einem Beruf arbeiten, desto besser wird dieser bezahlt. Untersuchungen zeigen, dass mehr Männer in frauendominierten Berufen diese Tätigkeiten aufwerten. In der Konsequenz werden die Berufe besser bezahlt. Ärgerlich. Aber letztendlich nutzt es den Frauen.

2.) Je mehr Männer Care-Arbeit übernehmen, desto selbstverständlicher wird es – auch privat – und desto mehr Zeit haben Frauen. Zeit für sich, für die Weiterbildung, zum Netzwerken, zum Karriere machen.

Der gläserne Notausgang – schickt die Männer nach Hause!

Es wäre jetzt ein Einfaches, zu sagen, dass die Männer doch einfach Arbeitszeiten reduzieren sollten, länger in Elternzeit gehen und die von den Unternehmen angebotenen familienbewussten Maßnahmen annehmen sollten. Aber ganz so einfach ist das nicht. Viele Väter stoßen bei ihren Arbeitgebenden an den „Gläsernen Notausgang“ – das Pendant zur „Gläsernen Decke“ für Frauen.

Noch sind familienbewusste Maßnahmen in Unternehmen inoffiziell den Frauen und Müttern vorbehalten. So zumindest das Empfinden vieler Männer, wie 2016 die Befragung Digitalisierung – Chancen und Herausforderung für die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Berufg des BMFSFJ ergab.

Vereinbarkeit

Damals fühlten sich noch 83 Prozent der Väter vom Unternehmen nicht in ihrem Vatersein unterstützt. Erst mit der Corona-Krise erkannten die Unternehmen, dass auch Väter vor der Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen. In der Prognosstudie „Neue Chancen für die Vereinbarkeit“ haben 78 Prozent der Unternehmen der Aussage (eher) zugestimmt, dass in der Krise deutlich wurde, wie wichtig es ist, dass sich Väter an der Kinderbetreuung beteiligen, damit nicht nur Mütter ihre Arbeitszeiten reduzieren.

Elternschaft als Diskriminierungsgrund

Elternschaft ist, wie die Initiative #proparents deutlich gezeigt hat, ein Diskriminierungsgrund. Zwar sind es in erster Linie die Mütter, die diskriminiert werden, aber auch Vätern ist eine Diskriminierung aufgrund ihrer Vaterschaft nicht unbekannt. Noch immer befürchten Väter Nachteile für ihre Karriere, wenn sie ihre Arbeitszeiten reduzieren.

Es ist also nicht verwunderlich, dass noch immer nur knapp sieben Prozent der Männer in Teilzeit arbeiten. Bedenkt man, dass das Bild des „Familienernährers“ noch fest in vielen Köpfen verankert ist und Männer in aller Regel noch immer mehr verdienen als Frauen. Das gleiche gilt für eine längere Elternzeit. Noch nehmen die meisten jungen Väter nur zwei Monate Elternzeit. Vätern muss daher eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werden, ohne dass sie berufliche Konsequenzen befürchten müssen.

1.) Je mehr Väter familienbewusste Angebote in Anspruch nehmen, desto mehr werden auch sie zu einem den Frauen gleichgestellten „Risikofaktor“. Das heißt: Bewirbt sich ein junger Mann, kann dieser – wie eine junge Frau auch – für längere Zeit ausfallen, wenn sich Nachwuchs ankündigt.

2.) Reduzieren auch Männer ihre Arbeitszeiten, wird Teilzeit zur Norm statt zum Hindernis. Spätestens wenn mehr Männer in Teilzeit arbeiten, wird auch eine Karriere in Teilzeit möglich sein.

3.) Erst wenn die Männer ihren Teil der Care-Arbeit übernehmen (können), können die Frauen all die Möglichkeiten ergreifen, die ihnen durch die Förderprogramme geboten wurden.

Vereinbarkeit? Wir müssen umdenken!

Als Gesellschaft müssen wir umdenken. Aber auch die Politik und die Wirtschaft müssen umdenken. Weg von der Frauenförderung. Frauen bedürfen keiner Förderung, sie sind gut so wie sie sind. Wir sollten uns in den nächsten Jahren deshalb auf die Männerförderung konzentrieren. Denn auch sie sind gut so wie sie sind, aber können noch viel zu selten so sein, wie sie sein wollen. Die zweite Trendstudie des Väternetzwerks conpadres hat deutlich gezeigt:

  • Die Mehrheit der zukünftigen Väter und Mütter würden für bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ihren Arbeitgebenden (eher) wechseln.
  • 30 Prozent der Väter halten eine Wochenarbeitszeit von 24 bis 32 Stunden für sinnvoll, um Beruf und Familie optimal vereinbaren zu können.
  • 78 Prozent der Männer mit Kinderwunsch wollen die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeiten flexibel einzuteilen.

Jetzt müssen wir sie nur noch lassen. Denn Männerförderung ist Frauenförderung!“

56d922612ed64e9bac0c67292e04300b

Du magst vielleicht auch


7 comments

  1. Mein Mann und ich waren während der Corona-Zeit bei dem gleichen öffentlichen Arbeitgeber in der gleichen Position angestellt. Es gab besondere Hilfen für Angestellte mit Kindern (soweit toll), aber nur für die weiblichen! Als ich bei der Gleichstellungsstelle nachfragte wie das denn sein könnte, erhielt ich als Antwort, dass es eben mehrheitlich die Frauen wären, die jetzt aufgrund von Kindern Nachteile hätten und man diese besonders unterstützen wolle. Na, was meint ihr wer von uns sinnvollerweise beruflich kürzer getreten ist?!

  2. Hallo, ein schöner Artikel mit sehr guten Gedanken! Ja, wenn auch Männer Elternzeit nehmen, dann fällt das „Risiko Frau im gebärfähigen Alter“ tatsächlich weg. In unserem Team sind die Väter auch sehr engagiert im Familienleben, da kommt auch gar keiner auf die Idee ein Meeting auf den späten Nachmittag zu legen oder gar an langen Tagen auf den Abend. Wobei ich sagen muss, bei uns ist es Normalität, dass es lange Tage bis nach 18:00 Uhr gibt, dafür gibt es aber auch kurze Tage. Und wer nicht 3 mal die Woche lang arbeiten möchte, der muss per se Teilzeit arbeiten. Das machen bei uns übrigens auch viele (noch) kinderlose KollegInnen oder auch etliche mit großen erwachsenen Kindern, so ist es bei uns recht normal, dass die wichtigsten Dinge am Vormittag besprochen werden. Spätestens seit Corona hat sich der „Präsentismus“ deutlich abgebaut, als ob vielen erst wieder aufgefallen ist, wie nett Freizeit doch ist!

  3. Ja, ja, ja!!!!
    Meine Worte seit vielen Jahren.
    Solange Männer in Firmen und der Gesellschaft noch komisch angeschaut werden, wenn sie in Teilzeit arbeiten möchten oder länger Elternzeit übernehmen möchten, solange sind Frauen in diesen Bereichen nicht gleichberechtigt.
    Und ja – das lösen wir nicht durch Förderungen bei den Frauen. Wir schaffen den täglichen Spagat sehr gut mit Haus, Familie und Job. Und genau den gleichen Spagat sollten Männer tun dürfen.

  4. Vereinbarkeit geht auch alleinerziehend. Ich kann doch nicht sagen: nein mache ich alles nicht bin doch alleinerziehend!?
    Und für die Arbeit in der Pflege oder mit Kindern muss man geeignet sein! Ich habe viele tolle männliche Kollegen aber deswegen kann man nicht einfach Jemanden zu diesen Berufen zwingen.

    1. P.S.
      Und oft genug schauen gerade die Frauen darauf ob der Mann gut verdient ( und sie versorgt sind). Bzw sind es in großer Zahl die Frauen, die sich NICHT vorstellen können auf die ( deutlich überwiegende) Elternzeit zu verzichten. Das bitte auch ehrlich dazu sagen. Das sind Muster die bei den Frauen verankert sind und fleißigam Leben erhalten werden, da hilft es garnicht nur die Männer zu erziehen. Die Frauen sollten tatsächlich gleichberechtigt leben ( bezahlen beim Date, selbst Reparaturen im Haus/ Auto erledigen, nicht die Hilflose die beschützt werden will geben…) dann kann man diese Forderung an Andere stellen ( und ernst nehmen).

    2. Darum geht es ja nicht. Aber umgekehrt gibt es vielleicht Männer, die gerne diese Berufe ergreifen würden, es aber nicht tun, weil man damit aus ihrer Sicht keine Familie mit dem Gehalt ernähren kann. Ich kenne zwei Männer, die deswegen statt Erzieher dann doch in die Industrie gegangen sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert