Mental Load gerecht teilen: „Du diese Arbeitspakete, ich jene“

Mental Load gerecht teilen

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Ihr Lieben, am 29.2. war Equal Care Day, den haben wir zum Anlass genommen, unsere Leserin Hanna mal zu bitten, uns ein paar Tipps mitzugeben, wie sie und ihr Mann ihren Mental Load gerecht teilen, denn sie haben schlichtweg ganze Aufgabenpakete und damit komplette Zuständigkeiten verteilt. Da können wir uns vielleicht noch was abgucken für unseren eigenen Alltag!

Du Liebe, du schreibst: „Wir haben uns den Mental Load tatsächlich komplett in Bereiche geteilt und jeder ist für seine Bereiche verantwortlich.“ Habt ihr das von Anfang an so gehandhabt oder euch irgendwann zusammen an einen Tisch gesetzt?

Tatsächlich haben wir von Anfang an in unserer nun fast 20jährigen Beziehung (sieben Jahre als Paar, dann vier Jahre als Ehepaar und schließlich sind wir seit sieben Jahren Eltern von insgesamt drei tollen Kindern) Standpunkte ausgetauscht, miteinander Dinge ausgehandelt und über ALLES miteinander gesprochen.

Während ich momentan in Teilzeit Lohnarbeit leiste und mehr der anfallenden Care-Arbeit übernehme, ist mein Mann in Vollzeit in der Lohnarbeit und übernimmt einen kleineren Teil der Care-Arbeit. Intuitiv haben wir so auch den anfallenden Mental Load aufgeteilt. Jeder von uns hat anteilig etwas übernommen und abgearbeitet. Dies alles jedoch ohne eine feste Struktur, ohne ein System.

Mit der Zeit haben wir festgestellt, dass uns auf diese Weise manchmal Dinge durchrutschen und wir dadurch in Stress geraten. Wir hatten beide den Wunsch, das zu verbessern und haben uns dann an einem kinderfreien Vormittag zusammengesetzt und alles notiert, was uns zum Thema Mental Load einfällt und unter den Nägeln brennt.

Hattet ihr Vorbilder, die das ähnlich aufteilen in der Familie oder wie kamt ihr drauf, ganze Pakete zu verteilen?

Vorbilder hatten wir in diesem Sinne nicht. Höchstens darin, wie man gleichberechtigt Elternschaft leben kann. In diesem Zusammenhang haben wir uns viel mit Mental Load beschäftigt. Ich finde es so wichtig, dass aktuell der Mental Load des care-arbeitenden Elternteils sichtbar gemacht wird und dass darüber so viel gesprochen wird. Gleichzeitig darf dabei der Mental Load des erwerbsarbeitenden Elternteils nicht aus dem Blickfeld geraten. Beide Teile sind gleichwertig und müssen beide auch gesehen werden.

Mit dem gemeinsamen Wunsch nach einer Verbesserung unserer Situation und dem Aufschreiben aller uns betreffenden Bereiche, ist uns klar geworden, wie viel da eigentlich zusammenkommt. Es ist uns förmlich ins Gesicht gesprungen, dass es zutiefst ungerecht wäre, wenn ein Elternteil all dies alleine stemmen müsste – jedenfalls in unserer Situation, wo wir uns als (Eltern-)paar begreifen und wir ja ganz offensichtlich die Möglichkeit haben, die Dinge gerecht aufzuteilen. Für uns war demnach sofort klar, dass wir diesen Berg an Mental Load in irgendeiner Form gerecht aufteilen müssen.

Mental Load gerecht teilen: Wie habt ihr die Bereiche bei euch zu Hause dann aufgeteilt?

Das bisschen Haushalt
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Herauskristallisiert hat sich für uns, dass uns aktuell vier große Bereiche mental beschäftigen.

1. Kinder
2. Haus und Auto
3. Finanzen
4. Haushalt und Familienleben

Diese vier großen Themen haben wir dann weiter aufgedröselt in kleinere Kategorien. Für den Punkt Kinder sind das zum Beispiel die Kategorien: Organisation von Kindergarten und Schule; Verantwortung für Anschaffung und Instandhaltung von Kleidung & Verbrauchsmaterialien für Schule und Kiga; Arzttermine; Hobbies; … Für das Thema Finanzen sind das zum Beispiel die Kategorien: Haushaltskasse; Steuern; Versicherungen; Sparkonten; Wertpapiere; Bezahlung von Hobbies etc., …

Dann haben wir uns dafür entschieden, dass jeder von uns die Hauptverantwortung für zwei Bereiche übernehmen wird. Diese Entscheidung haben wir nach unseren Vorlieben und Talenten getroffen. So habe ich mich für die Punkte Kinder, Haushalt und Familienleben entschieden, während mein Mann die Punkte Finanzen, Haus und Auto übernommen hat.

Gleichzeitig haben wir abgemacht, dass Hauptverantwortung nicht heißt, dass man alles, was unter diesen Punkt fällt, dann auch alleine erledigen wird. Hauptverantwortung bedeutet für uns, dass jeder in seinen beiden Punkten den Großteil der gedanklichen Arbeit – sprich des Mental Loads – erledigt und an den jeweils anderen klare To Dos weitergibt.

Während ich zum Beispiel freitags den Essensplan für die komplette kommende Woche mache und den Einkaufszettel dazu schreibe, geht mein Mann dann samstags einkaufen und arbeitet meine Listen ab. Während mein Mann zum Beispiel die Steuererklärung übernimmt, lasse ich ihm lediglich auf Zuruf die entsprechenden Unterlagen meiner Erwerbstätigkeit zukommen und er kümmert sich um das Einholen und Beisammenhalten sämtlicher anderer wichtiger Dokumente.

Kommt es auch in Frage, dass ihr die Bereiche irgendwann mal tauscht?

Ja, auf jeden Fall. Unser Leben als Familie ist immer im Wandel… sobald alle Kinder dem Kindergartenalter entwachsen sind und sicher in der Welt der Schule angekommen sind, möchte ich meine Stunden der Erwerbstätigkeit erhöhen, gleichzeitig wird mein Mann dann mehr Care-Arbeit übernehmen. Spätestens dann planen wir auch eine Anpassung der Mental Load-Verteilung.

Unsere letzte Anpassung der Verteilung war in der Vorweihnachtszeit und wir haben einzelne Unterkategorien an den jeweils anderen abgegeben. So ist mein Mann nun für die Planung und Durchführung sämtlicher Arzttermine der Kinder – inklusive Organisation der Betreuung der Geschwisterkinder zuständig (und das sind bei drei Kindern eine Menge).

Ich habe dafür die Buchführung über sämtliche Haushaltsausgaben, die Überweisungen sämtlicher Rechnungen und die Kommunikation mit einer Bank übernommen. Ich bin gerade sehr dankbar, dass ich die Kategorie Arztbesuche nicht leisten muss, da diese für mich eine enorme psychische Herausforderung darstellen.

Und habt ihr dann feste Termine, an denen ihr euch austauscht und schaut, ob der Aufwand noch halbwegs in der Balance ist?

Ja genau, sonntags ist unser Austauschtag. Nach dem Mittagessen dürfen die Kinder fernsehen und wir setzen uns zusammen und daten den anderen ab. Jeder erzählt aus seinen Bereichen, was in der vergangenen Woche wichtig war und was in der kommenden Woche anstehen wird.

Gemeinsam gehen wir unser Konto durch, überprüfen, welche Ausgaben verbucht wurden und welche finanziellen Belastungen anstehen werden. Abschließend tauschen wir uns darüber aus, wie es uns mit der aktuellen Aufteilung geht, ob sich jeder von uns gesehen fühlt, ob es ein Ungleichgewicht gibt und ob es Änderungsbedarfe gibt.

Im Schnitt investieren wir 20 bis 30 Minuten in diese Gespräche. Sollten wir den Sonntag zum Beispiel für Ausflüge oder Großfamilienzeit nutzen, verabreden wir uns fest für einen anderen Zeitpunkt. Häufig entwickeln sich aus unseren Gesprächen und dem Austausch über unsere Zuständigkeiten intensive Gespräche über Themen, die uns bewegen und uns gerade gedanklich beschäftigen.

Hat sich eure Beziehung dadurch also zum Guten verändert?

Uns geht es sehr gut damit und wir sind sehr dankbar, dass wir uns selbstständig eine Grundlage erarbeitet haben, die uns das Gefühl gibt, dass wir den riesigen Berg an Verpflichtungen und Verantwortungen gemeinsam gleichberechtigt wuppen. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass uns unsere Herangehensweise noch enger zusammenwachsen lassen hat.

Unser Vertrauen ineinander ist noch tiefer geworden. Vor allem das Sichtbarmachen des gesamten Mental Load hat uns gezeigt, wie viel jeder von uns investiert, damit es uns als Paar und Familie gutgeht. Wir beide verspüren deutlich weniger das Gefühl, „mehr“ zu machen als der andere – welches sich zuvor manchmal eingeschlichen hatte. Wir sind jetzt gerade sehr glücklich wie es ist. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass man nicht alleine verantwortlich ist und dass wir unser gemeinschaftliches Leben zusammen gestalten.

Was ist der wichtigste Tipp, den ihr für dieses System mitgeben könnt?

Ganz klar: Eine offene, ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe ist die Grundlage. Keiner sollte sich scheuen, Themen, die den Mental Load betreffen, anzusprechen und offenzulegen. Jeder Anteil am Mental Load ist gleichwertig und muss entsprechend gut verteilt werden. Apropos „verteilt“: Bei der Verteilung des Mental Load macht es Sinn, diese nach Wünschen und Stärken aufzuteilen.

Es kann so viel Druck nehmen, wenn man Dinge abgeben kann, die einem besonders viel abverlangen.
Wir finden es beide darüber hinaus superwichtig, gemeinsame Ziele zu verfolgen und nicht müde zu werden, immer und immer wieder zu reflektieren und offen zu sein, Aufgaben abzugeben, neu zu priorisieren und Veränderungen zuzulassen.

Uns beiden liegt es am Herzen, darauf hinzuweisen, dass es auch Kehrseiten unseres Systems gibt.
So erfordert es eine große Bereitschaft, auch ein Stückweit Kontrolle abzugeben und sich in gewisser Weise abhängig voneinander zu machen. Wenn einer von uns ausfällt, muss der Mental Load ja trotzdem weiter abgearbeitet werden. Dann kann es schwer fallen, etwas zu übernehmen, was man sonst nie tut und was einem vielleicht schwerfällt.

Tritt ein solcher Fall ein, priorisieren wir neu und schauen, was dann vielleicht warten kann. Gleichzeitig schrauben wir beide unsere Ansprüche herunter und fahren dann auf Notfalllinie. Hilfreich sind dafür auch unsere Sonntagsgespräche, die uns immer am Mental Load des anderen teilhaben lassen.

Wir sind fest davon überzeugt, dass es sich immer lohnt, in eine für sich als Paar und Familie funktionierende Methode zu suchen und zu investieren. Es macht sehr zufrieden, die Früchte der eigenen Arbeit zu ernten.

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6 comments

  1. Ich denke die wichtigste Sache ist, dass ganze Bereiche verteilt werden.

    Bei uns ist das zB er macht Essenplanung, Lebensmitteleinkauf und Kochen.
    Alles was Richtung Drogerie geht, mache ich hingegen.

    Das ist bei uns so stellt geteilt, dass wir uns um den jeweils anderen Bereich überhaupt keine Gedanken mehr machen. Er hat keine Ahnung was wir wie mit welchem Waschmittel waschen, ich könnte viele unserer Gerichte weder einkaufen noch kochen, weil ich mich damit bitte beschäftigt habe.
    Und das ist gut so und entlastet sehr!

  2. Ich muss echt lachen, dass man den modernen Begriff des mental load bemüht um letztlich genau die gleiche Arbeitsteilung wie seit Jahrhunderten üblich zu leben.
    Vielleicht hat es sich einfach bewährt.
    Wir machen es genauso aber geben uns nicht linksliberal aufgeklärt sondern arbeiten halt so vor uns hin.

  3. Hmm, ich musste ja schon schmunzeln , dass der Mann Haus und Finanzen und die Frau Kinder und Haushalt macht …ist keine bahnbrechende neue Verteilung .
    1x im Jahr Steuererklärung versus 3 Kinder unter 7 jeden Tag .
    Naja.
    Aber gut, wenn’s für alle Beteiligten passt und man vor allem drüber redet , ist es ja ok .

    1. Das habe ich auch spontan gedacht. 🙂
      Die Aufteilung Frau macht Teilzeit, Kinder und Familie, Mann Vollzeit, Finanzen und Auto ist jetzt eher nicht so ungewöhnlich….

      Gut gefällt mir die sonntags Besprechung und das daraus auch Änderungen resultieren (z.B. die Kinderarzt Termine, dass der Mann übernimmt),

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