Brennpunktschule: „Wenn wir so respektlos mit unseren Eltern reden wie mit unseren Lehrern, gibt’s auf die Fresse!“

Lehrerin

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Ihr Lieben, wenn wir wirklich verstehen wollen, was in deutschen Klassenzimmern schief läuft, müssen wir denen zuhören, die mittendrin sind. Mit ihrem Buch Leaks aus dem Lehrerzimmer. Mein Jahr als Lehrerin an der Grundschule des Grauens hat sich Lehrerin Katha Strofe (so nennt sie sich als Pseudonym) den Frust von der Seele geschrieben. Sie erklärt auch in voller Ehrlichkeit, was im derzeitigen Homeschooling schiefläuft – und was sich im deutschen Bildungssystem dringend ändern müsste.

LEAKS AUS DEM LEHRERZIMMER Cover
Leaks aus dem Lehrerzimmer. Mein Jahr als Lehrerin an der Grundschule des Grauens

Liebe Katha Strofe, Sie sind Lehrerin in Berlin und haben bereits an einer Oberschule mit Wachschutz gearbeitet. Warum war der nötig?

 Der Wachschutz war nötig, weil es an der Schule viele Gewaltvorfälle gab, an denen auch immer wieder schulfremde Personen (vor allem Freunde von Schülern) beteiligt waren, die sich Zugang zum bis dato unbewachten Gebäude verschafft haben. In diesem Zusammenhang ist auch ein Lehrer verletzt worden, was dann endgültig zur Entscheidung für die Security führte. 

Sie sind dann an eine Grundschule gewechselt und dachten, bereits mit allen Wassern gewaschen zu sein. Was erwartete Sie jedoch dort?

 Mich erwartete dort vor allem: Das blanke Chaos. Während meine vorherige Schule sich wenigstens noch um Struktur sowie klare Regeln und Konsequenzen bemüht hat, scheint man an der Grundschule mehr oder weniger aufgegeben zu haben.

Das Schlimmste daran: Zwar kann man der Schulleitung dafür durchaus Vorwürfe machen, aber letztlich ist es in Anbetracht der Gemengelage an dieser Grundschule meiner Meinung nach kaum mehr möglich, unter diesen Umständen einen geordneten Schulalltag – oder auch bloß einen geordneten Schultag – hinzubekommen.

Wie können wir uns diese Situation vorstellen?

In jeder Klasse sitzen 28 Kids. Viele von ihnen stammen aus „bildungsfernen Schichten“, haben nie gelernt, wie wichtig Schule für sie ist. Hinzu kommen zahlreiche Flüchtlingskinder, die kaum Deutsch sprechen und dem Unterricht daher nur schwer folgen können.

Auch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gibt es viele, von der Diagnose „Leserechtschreibschwäche“ bis hin zu „geistiger Entwicklung“. Und dann sind da auch noch die Kinder aus Milieus, in denen ein gesetzestreues Leben als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt wird. Die Kleinen haben sich bereits in der Grundschule den Habitus ihrer großen Brüder abgeschaut und ignorieren Regeln, sind aggressiv und sehen ihre Zukunft in der Kriminalität.

Wie zeigt sich das im Unterricht?

Viele der eben erwähnten Kinder fangen aus Langeweile, Desinteresse oder Überforderung heraus an, den Unterricht zu stören. Oder auch bloß, weil sie in der Schule aufmüpfig sein dürfen, ohne dafür sofort körperliche Gewalt zu erfahren. Denn zu Hause lernen sie „Autorität“ viel zu häufig nur in Verbindung mit Schlägen kennen. Wenn wir Lehrer dann versuchen, Konflikte stattdessen verbal zu lösen, werden wir nicht ernstgenommen.

Was hat das mit Ihnen als Lehrkraft gemacht?

Dieses permanente Scheitern war für mich nur sehr schwer auszuhalten. Ich scheiterte in pädagogischen Gesprächen und ich scheiterte im Unterricht – weil ich ja nie die ganze Klasse (oder auch nur die halbe) ins Boot holen konnte. Für die einen war mein Unterricht zu schwer, für die anderen zu leicht.

Jaja, ich weiß, dafür gibt es ja die „Differenzierung“ des eigenen Unterrichts, also die Stoffaufbereitung auf verschiedenen Niveaustufen. Aber ganz ehrlich, wer kann es schaffen, jede einzelne Unterrichtsstunde zeitgleich auf leistungsstarke und leistungsschwache Kids, Kinder mit Behinderungen, Kinder ohne Sprachkenntnisse, Verhaltensauffällige und konsequente Leistungverweigerer zuzuschneiden?  

Haben Sie Ihre Berufswahl schon mal bereut?

Meine Antwort erstaunt mich selbst, aber sie lautet wirklich „Nein“. Vielleicht, weil mich gerade durch die schlechten Erfahrungen der Ehrgeiz gepackt hat, es besser zu machen. Und außerdem mag ich Kinder und junge Menschen einfach sehr, sehr gerne – das hat mir auch die „Grundschule des Grauens“ nicht abgewöhnt!

Sie schreiben Ihr Buch unter Pseudonym – warum genau? Wovor fürchten Sie sich?

Man unterschreibt als Lehrer genauso eine Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag wie in der freien Wirtschaft. Ich fürchte also tatsächlich, dass ich durch meine „Leaks aus dem Lehrerzimmer“ meinen Job verlieren könnte. Außerdem möchte ich auch verhindern, dass ich an Schulen nicht mehr angestellt werde, weil meine Vorgesetzten und Kollegen Angst bekommen könnten, sie würden von mir bloß als „Stoff fürs nächste Buch“ genutzt werden.

Sie schreiben von „Hilflosigkeit und Wut über die miserablen Zustände an dieser (Ein-) Bildungseinrichtung“ – was genau läuft schief?

Ich habe ja schon einiges beschrieben, das schief bzw. gar nicht läuft. Aber nur der Schule die Schuld dafür zu geben, greift zu kurz. Wie so oft fängt der Fisch vom Kopf an zu stinken und das ist nun mal die Bildungspolitik. Schulen, die in sozial schwachen Einzugsgebieten liegen, dürften in meinen Augen nicht noch zusätzlich die Mammutaufgaben „Inklusion“ und „Willkommensunterricht“ für geflüchtete Kids stemmen müssen.

Lehrer wurden von politischer Seite immer mehr zur eierlegenden Wollmilchsau erklärt. Übrigens ohne dafür entsprechend ausgebildet zu werden. An den Unis unterrichten nicht wenige Dozenten Lehramtsstudenten, ohne selbst jemals als Lehrer gearbeitet zu haben. Ich verstehe eh nicht, warum das Lehramtsstudium keine „duale Ausbildung“ ist. Man erlernt den Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Eltern oder wie man junge Menschen für die Schule begeistert nicht in einem Hörsaal, sondern in einer Schule.

Sie schreiben auch darüber, wie gering die Wertschätzung der SchülerInnen gegenüber ihren LehrerInnen ist…

Wie schon beschrieben, nehmen uns viele Kids nicht als Autorität wahr und gehen buchstäblich über Tische und Bänke. Daheim sitzen die Kinder häufig nur vor der Glotze, kommen nur selten vor die Tür. Ihre angestaute Energie lassen sie dann im Klassenzimmer raus und wetteifern ehrgeizig um den schulinternen Ruf als „schlimmste Klasse der Schule“.

Nennen Sie doch gern mal ein Beispiel.

Kurz vor meinen ersten Ferien an der Schule wurde ich einmal sehr überrascht davon, dass die Kleinen sich gar nicht auf die Ferien freuten: „Ferien is voll langweilig!“, wurde mir von der ganzen Klasse mitgeteilt und augenzwinkernd hinzugefügt: „In den Ferien kann man zum Beispiel keine Lehrer ärgern!“ „Dann ärgert doch mal zur Abwechslung eure Eltern“, schlug ich ebenso augenzwinkernd vor. „Bist du verrückt?! Wenn wir so respektlos mit unseren Eltern reden wie mit unseren Lehrern, gibt’s auf die Fresse!“, bekam ich zur Antwort. Die Kinder schnallen also, wie respektlos ihr Verhalten uns gegenüber ist. Ich weiß nicht, ob ich das beruhigend oder erst recht beunruhigend finden soll…

Nun sitzen wir in Deutschland seit einem Jahr immer wieder im Homeschooling, wo sehen Sie hier die größten Probleme?

Beim Homeschooling fallen mir so viele Probleme ein, dass ich eigentlich ein ganzes weiteres Buch darüber schreiben könnte. Ich versuche mich kurz zu fassen: Ich persönlich denke, die größten Schwierigkeiten beim Homeschooling sind für die Schüler fehlende Freunde, fehlende Selbständigkeit (kein Vorwurf, Tatsache), fehlende Tagesstruktur, fehlende technische Infrastruktur und fehlende Kenntnisse über den Umgang mit Technik. Wir Lehrer haben etliche Schulungen und Weiterbildung zu Lernseiten, Softwareprogrammen etc. bekommen – die Schüler bräuchten diese Weiterbildungen ebenso dringend. Nur, weil sie der Genration „digital native“ angehören, haben sie mit der Muttermilch trotzdem nicht die Bedienung von Microsoft Office aufgesogen…

Leaken Sie doch mal Ihre krassesten Erfahrungen aus dieser Zeit….

Für mich war es besonders schmerzhaft, dass viele Schüler an meiner jetzigen Schule durch den Distanzunterricht das Probehalbjahr nicht geschafft haben. Und dabei hat es besonders die leistungsstarken Schüler getroffen. Sie waren ehrgeizig und perfektionistisch – und haben daher häufig zwei Stunden lang ein Arbeitsblatt bearbeitet, für das sie im Präsenzunterricht nur zwanzig Minuten gehabt hätten.

Sie wollten auf Nummer sicher gehen und haben mehrfach ihre Arbeiten kontrolliert, korrigiert, zum Thema nochmal im Internet recherchiert, wieder etwas korrigiert. Dadurch sind sie irgendwann nicht mehr hinterhergekommen und haben angesichts des sich aufgetürmten Bergs an Hausarbeiten einfach kapituliert. Sich totgestellt, auf Mails oder Anrufe nicht reagiert. Nur noch auf dem Bett gelegen und an die Decke gestarrt. Leider habe ich all das erst hinterher erfahren, als bereits klar war, dass sie die Probezeit nicht bestanden haben…

Wie kommen wir raus aus der Misere? Aus der Chancen(un)gleichheit?

Ich komme mir mit einer Antwort darauf ziemlich unkreativ vor, weil ich im Endeffekt nur reproduzieren kann, was zahlreiche Menschen bereits vor mir festgestellt haben: Wir brauchen (zumindest in „Problemvierteln“) viel kleinere Klassen, damit Kinder individueller gefördert werden können.

Ich würde auch befürworten, dass wir bei der Inklusion etwas zurückrudern und Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wieder Förderschulen besuchen. Die Inklusion ist ein toller Gedanke! Aber derzeit sitzen Kinder in Regelschulen, die kaum ihren eigenen Namen schreiben oder längere Zeit stillsitzen können. Sie haben keine Chance im Unterricht mitzumachen und finden nur schwer Freunde. Wem ist damit geholfen?

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13 comments

  1. Liebe Katha Strophe,
    das Buch werde ich auf jeden Fall lesen! Was für ein spannendes Thema. Hoffentlich schaffst Du die Belastung und kommst da irgendwie durch. Ich wünsche Dir dass es irgendwann besser/ leichter wird ❤
    Die Situation mit einer solchen heterogenen Schülerschaft stelle ich mir extrem kräftezehrend vor. Kein Wunder wenn die Lehrer*innen im Burnout landen.
    An unserer Wald(rand)schule mit sehr bildungsnahen Eltern ist die Welt auch nicht besser/ rosarot.
    Ich denke die Haltung der Eltern ist ein wichtiger Aspekt was Schule und Bildung angeht.
    An unserer Schule gibt es einen Drittklässer und Klassensprecher der seine Lehrerin „Du alte F***e“ nennt und dafür von den Mitschülern für seine Lässigkeit gefeiert wird. Die Mutter hat promoviert und ist mächtig stolz auf Ihr selbstbewusstes Kind. Yay!
    Meine Tochter kommt nach Hause und fragt mich was das Wort bedeutet…
    Der hochbegabte verhaltensgestörte Mitschüler schlägert gerne, was seitens seiner Eltern zu entschuldigen ist, da ein Einserschüler von den Lehrer*innen sehr respektiert ist, was das regelmäßig Fehlverhalten wieder ausgleicht.
    Ich würde gerne 10 helikopternde Rasenmäherelternpaare mit doppeltem Doktortitel, die mit Nagelschere und Lupe die 2 Jahre vorab antizipierten, möglichen Probleme ihrer Superkinder prophylaktisch zurechtstutzen, gegen 10 „normale“ Elternpaare mit Migrationshintergrund oder schwierigem sozialen Hintergrund tauschen.
    Die Psychologin meiner Kleinen sagte nur zu diesem Thema: „Manche Kinder müssen durch die Grundschulzeit einfach nur durch…“
    Leider ist das Zeitfenster der Lehrer etwas länger. Es gibt so viele tolle Lehrer da draußen! Hoffentlich behalten einige ihre Energie und Freude am Beruf!
    Allen Betroffenen eine gute Schulzeit ☺

  2. Hallo, ich kann alle Gründe gut nachvollziehen. Aber das hier wieder auf der Inklusion herum gehackt und das ist sehr schade. Wie wäre es das gesamte Schulsystem zu überdenken? Kleine Klassen, mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter an Schulen würde allen Kindern zu Gute kommen. Inklusion- das sind nicht nur die Behinderten Kinder, sondern auch die schlecht Deutsch sprechenden und emotional gestörten Kinder. Aber so sind die Kinder mit einer Körperbehinderung nicht nur beim Kindergeburtstag sondern auch in der Schule unerwünscht. Danach Werkstatt und nicht an die Uni. Inklusion ist rechtlich verankert und muss aber bei jedem einzelnen Anfangen. Es gibt diesbezüglich noch viel zu tun. Mutter eines Kindes mit Körperbehinderung.

    1. Ich glaube die Autorin spricht eher davon das Kinder mit ausgeprägte geistigen Einschränkungen im normalen Schulbetrieb meist untergehen. Kinder mit körperlichen Behinderungen gehören natürlich an eine reguläre Schule, sie haben aber auch die Fähigkeiten Schulstoff zu bewältigen und Anschluss an die Klasse zu gewinnen.
      Man sollte sich jedes Kind ansehen und dann das beste für das Kind entscheiden, ob nun reguläre oder Förderschule.
      Förderschulen sind gerade für Kinder mit starken geistigen Einschränkungen und hohem pflegerischen Aufwand Gold wert, sie können dort individuell gefödert werden, und sind nicht dauerhaft komplett überfordert.
      Die komplette Abschaffung von Förderschulen wäre ein großer Rückschritt für uns als Gesellschaft, denn auch Kinder mit schwersten körperlichen und oder geistigen Einschränkungen haben ein Recht auf Bildung dass sie auch individuell fördert und nicht nur verwahrt/ mit durchzieht.

  3. Ich denke man könnte gegen diese Zustände durchaus etwas unternehmen, wenn man als Schule denn wirklich wollte.
    Beispielsweise hat man wenn ein Kind im Unterricht öffentlich mitteilt, dass es zu Hause von den Eltern „auf die Fresse bekommt“, einen hinreichenden Anfangsverdacht bezüglich einer vorliegenden Kindesmisshandlung.

    An Stelle der Lehrerin würde ich in derartigen Fällen konsequent Strafanzeigen gegen die Eltern erstatten und das Jugendamt informieren. Ziel sollte ggf. eine amtliche Entnahme der Kinder aus diesen Umfeldern sein.

    Der positive Nebeneffekt wäre auch, dass in diesem Fall der Rechtsstaat plötzlich nicht mehr als „stumpfes Schwert“ empfunden wird.

    1. Hallo Flo,
      bitte denken Sie nicht, dass von der beschriebenen Schule nicht täglich mehrere besorgte Meldungen beim Jugendamt gemacht werden… Problematisch sind hierbei mehrere Aspekte:
      Erstens ist das Jugendamt derart überlastet, dass meistens über Monate hinweg nichts passiert, sofern nicht absolute Gefahr im Verzug gesehen wird. Und auch dann findet eine Inobhutnahme durch das Amt nur in raren Ausnahmefällen statt.
      Zweitens wollen viele Kinder ihre Aussagen vor Jugendamtmitarbeitern oder gar der Polizei nicht wiederholen. Sie möchten ihre Eltern naturgemäß schützen und haben große Angst, ihre Familie in Schwierigkeiten zu bringen – oder von ihren Eltern für ihre Aussagen bestraft zu werden.

      Und ja, theoretisch gäbe es als Ansprechpartner auch noch die zuständigen Schulsozialarbeiter – aber die sind pro Kopf für bis zu 10.000 Schüler zuständig (zumindest in Berlin), wodurch sie de facto für KEINEN Schüler zuständig sein können…

  4. Liebe Susanne, ich habe jetzt 10 Jahre optimistisch inklusive Grundschularbeit hinter mir. Und bin traurig, dass ich jetzt eher K. und Katha Strophe zustimmen muss. Wir brauchen die passende personelle, räumliche und auch materielle Ausstattung. Dann gerne. Denn Differenzierung kann ich und liebe ich. Aber mein Eindruck ist, dass das Bildungssystem unter dem Deckmantel Inklusion sich und uns Lehrkräfte kaputt spart.
    Ich wünsche allen Lehrkräften und deinem Kind eine gute und freudvolle Schulzeit!

  5. Hoffentlich gibt es Lehrer die Inklusion nicht als zusätzliche Arbeit, sondern als Chance und nutzen für alle sehen!

    Eine Mutter mit einem behinderten Kind

    1. Aber Inklusion IST zusätzliche Arbeit. Behinderte Kinder, Kinder die nicht gut Deutsch können, verhaltensauffällige Kinder brauchen vor allem eins: mehr Zeit. Einen besseren Betreuungsschlüssel. Dass was ihnen an Förderschulen geboten wird. Meines Wissens ist der Betreuungsschüssel dort etwa 1:6. Ich habe in meiner 7. Klasse 26 Schüler und Schülerinnen. Davon haben 4 eine Lernbehinderung (einer davon geistige Behinderung mit IQ unter 80 auf dem Stand eines Zweitklässlers), 3 Kinder aus dem Flüchtlingsheim mit kaum Deutschkenntnissen, und der Rest ist ja auch bunt gemischt. Von fast Gymnasium bis zu nur Vieren und Fünfen auf dem Zeugnis. Meistens stehe ich allein vor der Klasse, weil die Sonderpädagogin vertretungsunterricht hat. Tür zu und dann kann ich sehen, wie ich klar komme. Traurig ist das, die Kinder bleiben auf der Strecke. Wenn DAS Inklusion made in Deutschland ist, dann bin ich auch gegen Inklusion. Und rette mich lieber auf das Gymnasium.

    2. Hallo Susanne,
      ich sehe Inklusion durchaus als Chance und bin bei dem Grundgedanken der Inklusion auch zu 100% an Bord! Es gibt allerdings Schulen, an denen so viele „Baustellen“ bestehen, dass dort das Inklusionskonzept meiner Meinung nach nicht umgesetzt werden kann. Und wenn Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und/oder einer Behinderung aufgrund dessen dann nur ihre Zeit „absitzen“ müssen und überhaupt nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse gefördert werden können, schadet ihnen das. Ich plädiere daher für die Aussetzung der Inklusion an Brennpunktschulen wie derjenigen, die ich hier beschrieben habe… Ich hoffe, es ist kein falscher Eindruck von mir bei Ihnen entstanden.
      Beste Grüße
      Katha Strofe

    3. Liebe Susanne,

      in meiner (2.) Klasse sind ein gehörloser Junge und ein Mädchen mit spastischen Lähmungen. Das ist eine Chance und toll! Ich schaffe das gut, obwohl die beiden sehr viel zusätzliche Zeit benötigen.

      Aber: Ich bin in einer winzigen Dorfgrundschule, in meiner Klasse sind 16(!) Kinder, alle können perfekt Deutsch und benehmen sich prima. Das ist ja nicht der Normalfall!
      Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie das in einer 25-30 Kinder starken Klasse funktionieren soll! Und schon gar nicht, wenn die nicht-behinderten Kinder auch mal noch Aufmerksamkeit bekommen sollen?!

      Insofern bitte ich dich, nicht jeden, der Inklusion für ein bestimmtes Kind ablehnt als Behinderten-feindlich abzustempeln! Es ist-zum Wohl aller Kinder-einfach nicht immer sinnvoll.

    4. Liebe Susanne, du bist persönlich betroffen und siehst es aus deiner subjektiven Perspektive. Trotzdem ist es so, dass Lehrer in so vielen Städten zu volle Klassen, um jedem gerecht zu werden. Auch die ganz engagierten Lehrer japsen nach Luft. Die Inklusion könnte in allen Schulen funktionieren, wenn es weniger Kinder pro Klasse gäbe, mehr Beihilfe und jegliches Equipment passen würde. Und wenn in einer Problemschule zusätzlich Inklusion dazugekommen ist, ist das weder für die Kinder noch für die Lehrer zumutbar. Das Schulen zum Problemfall werden, liegt auf jeden Fall an den Politikern, die nicht sehen, dass sie vor Jahrzehnten Parallelgesellschaften entwickeln ließ und nun die spürbaren Folgen die Strafe für deren Nichtstun sind. Eine Durchmischung hätte überall statt finden müssen, egal ob arm oder adäquat verdienend, ob Kinder mit Einwanderungsgeschichte oder sogenannten Biodeutschen. Und es wurde und wird immer noch zu stark an der Bildung gespart, also Gelder fließen in unwichtige Projekte. Man kann Eltern nie dazubringen, gute, gesellschaftliche Erziehungsberechtigte zu sein. Aber mit mehr Sachverstand und einer Umstrukturierung des Bildungssystems etc., wären viel mehr geholfen. Auch den Kindern, die inkludiert werden sollen/müssen/wollen.

  6. Vielen lieben Dank für die ehrlichen und offenen Worte zum Schulalltag! Meine Kinder gehen beide auf eine Grundschule zwischen zwei Welten, auf der einen Seite ein Stadtviertel mit Eigentumswohnungen, Stadthäusern und der In- Amüsiermeile der Großstadt, in der wir leben, auf der anderen Seite Plattenbauten. Auf DAZ Klassen wird bewusst verzichtet, da man dann bei 4 Klassen eher nur eine Deutsch- Klasse hätte. Das ist ehrlich gesagt aber gar kein so großes Problem. Viel schwieriger war z. B. die Situation in der 1. Klasse meiner Tochter, die von einer sehr jungen Lehrerin (es ist ihre erste eigene Klasse) übernommen wurde. Darin 1 Kind mit bekanntem Inklusionsstatus und Schulbegleiter, der allerdings auch nicht verhindern konnte, dass das Kind über Tische und Bänke ging, laut im Unterricht sang usw… dazu ein weiteres Kind, was sich dem Kind anschloss, aber dazu noch regelmäßig die Schulsachen der anderen 21 Kinder herunter warf. Dann wie gesagt etliche verschiedene Muttersprachen, wodurch etliche Jungs auf das verbale Lösen von Streitereien verzichtet haben und nur noch prügelten. Am Vormittag in der Schule wurde recht zügig reagiert, es kamen sämtliche pädagogische Kräfte zum Einsatz, es half jedoch nichts und die beiden Kinder mussten vom Unterricht ausgeschlossen werden. Am Nachmittag wurde die Hortnerin auch w/ den kontaktbeschränkenden Corona- Maßnahmen ziemlich alleine gelassen. Die Jungs prügelten also munter weiter, bekamen dadurch sämtliche Aufmerksamkeit und die Mädchen kippten hinten runter. Vor allem die stilleren. Ich kann das menschlich völlig nachvollziehen, institutionell nicht. Denn bei meinem Sohn bekam man es auch hin aus der heterogenen Kinderscharr eine tolle Klasse zu formen. Es hätte im Hort einfach auch weiteres pädagogisches Personal gebraucht. Ich habe dann nochmal explizit die Schulsozialarbeiterin angesprochen, die hat sich jetzt auch eingeschaltet. Die junge Ursprungshortnerin ist dauerkrank, jetzt haben erfahrene Hortnerinnen die Klasse übernommen. Aus meinen Augen hätte es so weit nicht kommen dürfen. Es hätte von Anfang an auch nach der Unterrichtszeit Arbeit von der Schlsozialarbeiterin gebraucht. Mir tut die junge Hortnerin sehr leid, sie war wirklich nett und engagiert aber eben völlig überfordert. Ich bin gespannt, wie es weiter geht mit der Klasse. Bei meinem Sohn bin ich Elternsprecherin und habe die Unterschiede in seiner Klasse im Homeschooling sehr nah mitbekommen, weil mich viele Eltern kontaktiert haben. Denen mit russischen Hintergrund war es zu wenig Stoff und Struktur, vielen Deutschen zu viel, ein paar fanden es gut, wie es lief und ein paar waren völlig weg. Aber jetzt hat man alle wieder gut vereint. Also wie gesagt, 2 Klassen an ein und derselben Schule, die Umgebung gleich, aber die Umsetzung völlig unterschiedlich. Und ja Inklusion ist wichtig, aber muss dann auch personell entsprechend passend begleitet werden, sonst ist es vorprogrammiertes Scheitern vor allem für die Kinder.

    1. Ja, das ist es, was ich mit meiner Schilderung der Zustände sagen wollte. Inklusion ist ein guter Ansatz, aber er muss eben auch gut begleitet sein. Man darf die Pädagogen damit nicht alleine lassen. Denn auch die Kinder, die keinen I- Status haben, bedeuten Arbeit. Das ist mit einer Lehrkraft oder Horterzieherin auf über 20 Kinder nicht getan. Das ist nur Einsparung, die zu Lasten aller Kinder geht!

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