Brief an meine 13jährige Tochter mitten in der Pubertät

pubertaet mama tochter

Hey, meine liebe Große,

nervt es dich eigentlich, dass du gerade in einer Lebensphase steckst, die viele von außen als kompliziert abstempeln? Huiuiui, 13 bist du jetzt, ein richtiges Pubertier. Wie doof das klingt: Pubertier. Wie ein Tier eben. Nicht wie ein Mensch im Wachstum. Einer, dem das ganze verheißungsvolle Leben noch bevorsteht. Wie spannend ist das denn!

Du hast es in der Hand, du kannst dein Leben noch gestalten. Alles ist möglich! Die großen Weggabelungen und Entscheidungen kommen erst noch. Noch liegt dir die Welt zu Füßen. Alle Freiheiten, alle Möglichkeiten, eine Wundertüte.

„Wow, bist du groß geworden“, sagen sie, wenn sie dich sehen und schieben fast alle noch ein „Oh je, jetzt kling ich schon wie ne alte Tante“ nach. Und ja, du hast einen riesigen Wachstumsschub hinter dir, die Bilder vom letzten Jahr zeigen noch ein Kind, heut bist du ein Teenie, eine Heranwachsende, eine junge Frau mit eigenem Willen und eigenen Vorstellungen vom Leben.

Noch vier Zentimeter dann hast du mich größentechnisch überholt. Deine Schuhgröße ist schon drei Nummern größer als meine, ich trage gerade deine Winterstiefel aus dem letzten Jahr auf. Da warst du 12 (sehr gemütlich!).

Du kommst jetzt mit zu Elternabenden, sitzt mit deinen MitschülerInnen giggelnd in der letzten Reihe. Boah, dieses Lachen, dieses Albernsein, dieses Austesten, dieses in den Freunden-Aufgehen, weil die Eltern ja eh peinlich sind.

Ich kann mich noch so gut zurückerinnern und schau da so gern hin, weil ich sehe, wie eingebettet du da bist. Was hast du für ein Glück mit deiner Klasse und deinen Freunden!

 
 
 

 
 
 
 
 

 
 

 
 
 

 
 

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Zusammen lasst ihr euch das Programm für den Schüleraustausch erklären und du entscheidest dann selbst, ob du dir das mit einer Gastfamilie vorstellen kannst, ob du in ein fremdes Land mit fremder Sprache gehst – oder nicht. Es liegt in deiner Hand. Und da liegt es gut, denn du weißt sehr genau, was du willst.

Wenn ich in mein altes Tagebuch aus der Zeit schaue, dann geht es um meinen Reitstall, darum, dass mein Lieblingspferd lahmt. Und klar, auch darum, dass ich Basti liebe, aber Frauke den jetzt hast. War das alles aufregend. Und schmerzhaft. Und beflügelnd. Und neu.

Grad erst sprachen wir darüber, wo du dein Schülerpraktikum machen könntest und wir haben überlegt, was spannend sein könnte und was gar nicht in Frage kommt. Wir sind da nicht immer einer Meinung. Das ist toll, weil wir so ins Gespräch kommen. Weil du mir Seiten zeigst, die neu für mich sind. Zwei Menschen, unterschiedliche Prioritäten.

In deiner Deutscharbeit neulich ging es um sexistische Werbung und du hast ein feministisches Pamphlet vorgelegt. Wie unfair das ist mit der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen. Der (männliche) Lehrer schrieb beschwichtigend daneben, dass das stimme, es im Lehrerberuf aber gerecht zugehe. Immerhin. Ich konnte mir ein inneres Grinsen nicht verkneifen.

Gestern wolltest du nach der siebten Stunde lieber mit dem Bus fahren, als abgeholt zu werden, obwohl der Bus so ungünstig fährt, dass du eine Stunde später nach Hause kommst als sonst. Und du musstest ja noch lernen für die Klausur im Diff-Kurs. Und trotzdem: Die Umwelt. Die ist wichtiger.

 

 
 
 

 
 
 
 
 

 
 

 
 
 

 
 

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Die Pubertät, eine komplizierte Phase. Ja, klar! Du wirst vom Kind zur Erwachsenen. Es ist ein Vorpreschen, Zurückkommen, ein Zweispalt manchmal – aber eben auch einer, der viel Energie freisetzt. Auch gute! Das Buch „Alle Dinge, die ich mit 13 wissen muss“ hast du längst aussortiert. Überhaupt aussortieren: Das liebst du. Du hast schon als Baby immerzu die einen Steine in die andere Kiste getan und wieder zurück. Sortieren.

Dein Zimmer ist heute das schönste im ganzen Haus, weil du – im Gegensatz zu mir – so ein Gestaltungstalent hast. Und wirklich Geschmack. Du magst es aufgeräumt. Und gemütlich. Übertreibst aber nicht. Wenn du dir etwas wünschst, dann ist das gut durchdacht, dann brauchst du es wirklich, Überfluss ist nichts für dich.

Deine Struktur macht dich verlässlich, deine Koffer packst du allein, seit du drei bist (kein Witz), du schreibst vor Urlauben Listen mit den nötigen Dingen, die ich dann abhaken kann, weil einfach nichts fehlt. Du backst Brownies oder Torte, wenn ich die Brüder zum Training fahre. Einfach, weil dir danach ist. Du lässt dich begeisterten, wenn es um Action geht. Und vor Verantwortung scheust du dich nicht.

 
 
 

 
 
 
 
 

 
 

 
 
 

 
 

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Wenn ich dich zusammen mit deiner einjährigen Cousine sehe, läuft mir das Herz über. Ungelogen, ich glaube, wir könnten euch beide allein für eine Woche in den Urlaub schicken, ihr würdet das rocken. Du bist die Einzige, die die Kleine neben ihren Eltern hundertprozentig akzeptiert. Tut sie sich weh, schmiegt sie sich an dein Bein, will bei dir auf den Arm. Du tröstest. Sie weiß das.

Ich glaube, diese Liebe zwischen euch beiden ist unzerstörbar, ich glaube, die hält bis an euer Lebensende. Dieser Draht, diese Faszination für die jeweils andere. Die Babytränen, wenn du wieder gehst.

Warum ich das alles erzähle? Weil ich anderen Eltern Mut machen will. Natürlich ist die Pubertät voller Stimmungsschwankungen, voller Tage ohne Reden und dann wieder mit ununterbrochenem Redefluss. Voller Fragezeichen. Hinterfragen. In-Frage-stellen.

 
 
 

 
 
 
 
 

 
 

 
 
 

 
 

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Aber es ist auch mal schön, sich auf die wunderbaren Seiten dieser Phase zu konzentrieren.

Wenn da ein Athlet auf dem Zehn-Meter-Brett steht – kurz vor dem Sprung. Beängstigend, klar. Aber auch voller Mut und Verve und Adrenalin. Wo wird er landen, wie sanft wird er aufkommen, wie geht es von dort aus weiter?

Wenn die Skipperin die Segel spannt und aufbricht zur See mit einem guten Kompass an der Hand und trotzdem abhängig von den Winden, die sie umgeben.

Wenn aus der Raupe ein Schmetterling wird, der bunt ist – und zu fliegen beginnt…

Ich bin so dankbar und glücklich, das alles begleiten zu dürfen.

Deine Mama

 

P.S. Zieh dir bitte trotzdem morgen die warme Jacke an, du frierst dir doch den Axxx ab in dem dünnen Ding…

 

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2 comments

  1. Hallo,ich bin 16 und hatte
    Hallo,ich bin 16 und hatte Tränen in den Augen als ich das gelesen habe,weil es endlich mal jemand ernst nimmt und uns nicht nur als Pupertierende ansieht die nur eine phase durchmachen und das Thema pubertät sowieso nicht so ernst genommen werden muss.Aber warum ist das erwachsen werden eigentlich so negativ,ich hab es bissher als sehr schön empfunden und bin sehr glücklich.Klar ist nicht alles immer einfach und es ist als Eltern sicher schwer loszulassen aber heißt das jetzt das über die Jugend nur geschumpfenwerden sollte und man sie nicht ernst nehmen braucht.Ich finde Nein.

  2. Liebe Lisa,

    Liebe Lisa,
    Hach, was für ein wunderbarer Brief! Ich bekomme direkt Lust mal Einweg Tag mit deiner tollen Tochter zu verbringen.
    Meine Tochter ist noch 10 Jahre von dieser Zeit entfernt aber ich wünsche uns beiden schon jetzt dass ich sie genau so innig sehen kann wie du deine heute! Vielen Dank!

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