„Mein Bruder war drogensüchtig, da nahmen wir seine Tochter auf“ – Gastbeitrag von Cindy

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„Ich bin Cindy, 35 Jahre alt. Mein Mann Benjamin ist 37 und unsere Kinder heissen Cedrik (18) Lara Belana (14) und Samantha (6).  Wir leben in einer großen Wohnung in Berlin und hier herrscht immer ein gemütliches Chaos. Ich möchte Euch heute unsere Familien-Geschichte erzählen.

Meinen Sohn bekam ich mit 16 Jahren, es war Liebe auf den ersten Blick – die Beziehung zu seinem Vater hielt aber nicht. Mit 19 bin ich nach Berlin gezogen, lernte dort den Vater meiner mittleren Tochter kennen und lieben. Diese Beziehung hielt 7 Jahre, dann trennten wir uns.

Und so war ich alleinerziehend mit zwei Kindern. Bis ich Benjamin kennen lernte. Erst wollte ich keine neue Beziehung, ich hatte Angst, wieder verletzt zu werden. Doch er ließ nicht locker.

Meine Kinder mochten Benjamin von Beginn an, Cedrik stellte ihm nach 3 Monaten ein Ultimatum: „Wenn Du jetzt bleibst, bleibst du für immer. Wenn Du Dir nicht sicher bist, dann musst Du jetzt gehen.“  Unglaubliche Worte für einen 10-Jährigen.

Benjamin nahm meinen Sohn in den Arm und sagte: „Ich bleibe für immer, versprochen!“

Seitdem sind wir eine sehr glückliche Familie – und Benjamin und ich wünschten uns ein gemeinsames Kind. Leider klappte es nicht.  Wir beschlossen, keine aufwendigen Test zu machen und fanden uns einfach damit ab, schließlich hatten wir ja schon zwei tolle Kinder.

Zur gleichen Zeit wurde die Freundin meines Bruders schwanger. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, nur soviel: Die beiden hatten Probleme mit Drogen und Alkohol….

Ich war frustiert, denn beide wollten das Kind gar nicht wirklich – während wir uns nach einem Kind sehnten.

Als das Baby geboren wurde, halfen und unterstützen wir sie, so gut wir konnten. Aber mein Bruder und seine Freundin bauten einfach keine Bindung zu dem Baby auf, das Jugendamt schaltete sich ein. Die Kleine musste ins Krankenhaus, denn sie hatte durch den Drogenkonsum ihrer Mutter Entzugserscheinungen und leider wurde auch das FAS-Syndrom (Fetales Alkoholsyndrom) festgestellt.

Wir boten an, die Kleine zu uns zu nehmen, bis die leiblichen Eltern dazu fähig sein würden. Aber mein Bruder und seine Freundin wollten das nicht.

Doch ganz plötzlich stand eines Tages doch die Kindsmutter mit der Kleinen (gerade mal sechs Monate alt) vor unserer Tür. Sie sagte: „Willst Du sie noch haben? Dann nimm sie, sonst kommt sie zu Pflegeeltern.“

Für mich war sofort alles klar. Natürlich würden wir dieses Mädchen bei uns aufnehmen. Ich rief meinen Mann an und sagte, er solle Windeln und Babynahrung mitbringen. Auch er freute sich sofort riesig.

Wie unsere großen Kinder auf den unerwarteten Zuwachs reagierten? Wir haben ihnen die ganze Situation erklärt und beide waren sofort damit einverstanden, dass die kleine Sam bei uns bleibt.

Es folgte eine schwere Zeit. Denn das Jugendamt wollte, dass Sam zu einer für sie wohl schon vorher ausgesuchten Pflegefamilie kommt. Es hieß außerdem, wir könnten mit Sams Besonderheiten (also den Folgen des Alkohol-und Drogenkonsums der Mutter) nicht gut genug umgehem. Glücklicherweise widerlegte das das Familiengericht und wir bekamen das alleinige Sorgerecht für Sam.

Vor drei Jahren hat sich mein Bruder, Sams Vater, das Leben genommen. Er fehlt mir sehr, denn ich habe ihn sehr geliebt – auch, wenn wir viele Differenzen hatten.

Sams leibliche Mutter hat einen neuen Partner, alle paar Monate meldet sie sich per Mail und fragt nach, wie es Sam geht.

Samantha kennt ihre Geschichte, sie weiß wer und wo ihre leiblichen Eltern sind. Natürlich immer nur soweit, wie es altersgerecht und unserer Meinung nach für Sie ok ist. Sie ist ein tapferes Mädchen und geht damit sehr gut um. Uns war es wichtig, dass wir sie nie anlügen. Und wenn sie ihre leibliche Mutter sehen möchte, würden wir ihren Wunsch unterstützen.

Samantha erzählt jedem, dass sie uns als ihre Eltern ausgesucht hat und dass das was Besonders sei – schließlich könnten das nicht alle Kinder.

Ja, bei uns ist immer was los. Wir sind keine 0815-Familie, aber wir halten zusammen und für mich ist meine Familie genauso perfekt.

Mein größter Dank gilt meinem Mann. Ohne ihn wäre das alles nicht möglich. Es ist nicht selbstverständlich, wie er alle Kinder annimmt. Ich liebe ihn dafür unendlich.“

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9 comments

  1. Wow! was für eine Geschichte.
    Wow! was für eine Geschichte.
    Total fesselnd.
    Ich finde es toll, wenn Männer Kinder so liebevoll annehmen, obwohl sie nicht deren eigene sind!
    Hut ab 🙂

  2. Ein tolles Team
    Erstmal ein dickes Lob an euren Daddy, das er einen guten Vater für alle Kids abgibt. Und es ist schön zu hören, das auch ein Teenager Schwangerschaft und Alleinerziehend, später in eine glückliche Beziehung und Familie münden kann. Das gibt sicher viele jungen und einsamen Müttern Hoffnung. Noch eine Frage, vielleicht weiß es ja jemand, darf das Jugendamt den ein Kind in eine Pfelgefamilie geben, wenn die leiblichen Eltern (die noch sorgeberechtigt sind) das Kind selbst an einen direkten Verwandten geben wollte. Ich dachte, Familie geht immer vor.
    Alles Liebe für eure Zukunft
    Mama DoppeltePortion

  3. Ein toller Beitrag
    Eine bewegende Geschichte und toll geschrieben. Euch weiterhin viel Kraft und Freude, bei allem, was noch kommt.

    An Stadtlandmama an dieser Stelle ein großes Dankeschön. Euer Blog ist der einzige, den ich regelmäßig lese. Die Beiträge sind so vielfältig und ausnahmslos sehr gut geschrieben, was sicher an eurer Auswahl liegt. Viele Grüße!


  4. Gänsehaut beim Lesen!
    Oh ja, Dankbarkeit ist so wichtig…
    Und außerdem: richtig schön geschrieben!

  5. Eine tolle Geschichte, und
    Eine tolle Geschichte, und wie ich finde die absolut richtige Entscheidung der Familie. Leider musste es auch in diesem Fall erst vor Gericht gehen, da wünsche ich mir mehr Flexibilität vom Jugendamt.

  6. eine tolle Geschichte
    Vielen Dank für den Einblick in deine Familiengeschichte.
    Toll, dass ihr der kleinen Sam die Möglichkeit gegeben habt, in der Familie groß zu werden

  7. Eine tolle Geschichte…
    … die zeigt das das Leben oft anders spielt als man es gerne hätte! Mir kamen die Tränen beim lesen! Ich wünsche der Familie alles gute für die Zukunft