Update von Sam: So geht es dem Mädchen mit dem FAS-Syndrom

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Liebe Cindy, liebe Sam, Eure Geschichte hat unsere Leser stark berührt. Sam ist eigentlich die Tochter von Cindy Bruder. Er und die Kindesmutter konnten sich aufgrund einer Drogensucht und anderen Problemen nicht um das Kind kümmern, so dass Ihr Sam mit sechs Monaten bei Euch aufgenommen habt. Jetzt wird Sam bald 9 Jahre alt – wie geht es Euch?

Sam: Mir geht es gut. Wir haben Anfang des Jahres eine Katze bekommen. Sie heisst Maja und ist eine Perserkatze. Seitdem sie da ist, geht es mir viel besser. Wenn ich traurig bin, kommt Maja immer zu mir und tröstet mich.Wenn ich wütend bin, dann kommt Maja und streicht mir immer wieder ihren Schwanz ins Gesicht und meckert, damit ich aufhöre.

Cindy: Ja, das stimmt alles. Sam hat aufgrund des FAS immer wieder Wutausbrüche. Diese sind in den letzten Jahren heftiger und häufiger geworden. Maja hilft Sam, sich nach Wutausbrüchen schneller zu beruhigen.

FAS – Fetales Alkoholsydrom. Sam hat es, weil die Kindesmutter in der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. Außer den Wutausbrüchen – wie äußert es sich sonst noch?

Cindy: Sam fehlt das natürliche Empathie-Gefühl. Das, was wir Empathie nennen, haben wir ihr beigebracht. Das heißt: Für Sam ist erstmal nur Sam wichtig. Dann kommt die Katze – und dann wir. Das heißt nicht, dass sie uns nicht liebt. Es ist nicht einfach zu beschreiben. Ein Beispiel: Ich habe eine Autoimmunkrankheit und manchmal will mein Körper nicht so, wie ich es will. Wir waren einkaufen, meine Beine haben aufgrund der Krankheit nachgegeben und ich bin hingefallen. Sam dreht sich um und sagt: „Ach, bist du hingefallen? Ich geh schon mal nach Hause.“ Für Aussenstehende ist das sehr komisch, aber für mich normal. Sam versteht nicht, das ich vielleicht Hilfe brauche. 

Ausserdem ist es für sie sehr wichtig, dass ihr Alltag nach einem bestimmten Plan abläuft. Kommt es anders als erwartet, wird sie sehr wütend und kann diese Wut schwer kontrollieren. Sie merkt natürlich auch, dass ich gesundheitlich angeschlagen bin. Das macht Sam große Angst und diese Angst wandelt sich manchmal auch in Wut.

Aber Sam geht seit 3 Jahren zur Therapie und sie mag ihre Therapeutin sehr gerne. Sie wird auch dieses Jahr stationär für ein paar Wochen in eine Klinik gehen. Am Anfang habe ich gedacht, ich bin eine schlechte Mutter, wenn ich nicht alles alleine schaffe. Ich gehe zur gleichen Zeit auch in eine Klinik gehen, somit wird uns beiden geholfen. Sam weiß, dass es nur darum geht, dass sie besser mit ihrer Wut umgehen kann. Ich bin so froh, dass sie einverstanden ist, das macht es mir/uns auch viel leichter. 

Wie ist er Kontakt zur Kindsmutter heute?

Sam: Sie spielt in meiner Welt keine Rolle. Sie interessiert mich nicht.

Cindy: Tja, damit ist wohl alles gesagt. Sie meldet sich ca. 1 Mal im Jahr und fragt wie es uns geht – mehr nicht. Aber das ist ok. Sam und sie hatten nie eine Bindung zueinander. Vielleicht wird sich das später ändern. Sollte es das, werden wir Sam natürlich unterstützen.

Dein Bruder hat sich leider das Leben genommen – weiß Sam über ihre leiblichen Eltern bescheid und wie geht sie damit um?

Cindy: Ja, sie weiss darüber Bescheid. Wir haben ihr immer alle Fragen kindgerecht erklärt und sie hat ein Baby -Album, in dem ihre leiblichen Eltern und ein paar Geschwister mit Fotos zu sehen sind. Die restlichen Geschwister haben ich mit Namen und Geburtsdatum eingeschrieben, damit sie irgendwann alle finden kann. 

Sam: Ich kenne meinen Bruder L. , wir haben uns schon getroffen. Meine anderen Geschwister kenne ich noch nicht, aber ich möchte sie irgendwann alle zusammen treffen. Ich weiss, dass mein Papa im Himmel ist, weil er sehr krank war. Wir haben einen Engel für ihn hier stehen und machen oft eine Kerze an. Ich hab ihn sehr lieb und sage ihm oft gute Nacht. Ich hab also Glück, weil ich 2 Papas habe und viele Geschwister.

Cindy, Du hast ja noch zwei ältere Kinder – wie geht es ihnen und wie ist die Bindung zwischen den Geschwistern?

Sam: Gut, ich hab meine Geschwister sehr lieb. 

Cindy: Ja die beiden Großen sind zwar schon um einiges älter (21 und bald 18), aber sie haben trotzdem eine enge Beziehung zueinander. 

Unser Sohn ist  letztes Jahr ausgezogen, er baut sich gerade eine eigene Firma auf, die bald 18-Jährige wohnt noch zu Hause, sie leidet unter Depressionen und macht deshalb erst später eine Ausbildung zur Sozialassistentin. Denn die Gesundheit geht immer vor!

Für Euch war es damals gar keine Frage, dass Ihr Sam aufnehmt. Gab es damals von außen Unverständnis?

Cindy: Nein, kein einziges Mal. Jeder hat sich gefreut und jeder der davon erfährt, bewundert uns. Obwohl wir das als total normal ansehen, denn Sam gehört ja einfach zur Familie. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn sie in die „falsche“ Pflegefamilie gekommen wäre. Wir haben Pflege damals sofort ausgeschlossen, weil wir wollten, dass sie mit allem, also auch rechtlich gesehen, unsere Tochter ist. 

Wie bereichert Sam Euer Leben?

Cindy: Auf jeden Fall ist hier immer was los! Sam bringt uns oft an Grenzen, aber auch im positiven Sinne. Sie ist auch ein Sonnenschein und hat so viele tolle Ideen, was man alles machen kann. Sie freut sich über die kleinen Dinge im Leben, liebt die Natur und ist einfach zufrieden und glücklich.Und sie ist so intelligent, es ist manchmal erschreckend, woher sie so viele Dinge weiß und uns damit auch noch etwas bei bringt!

Rückblickend – was waren die schönsten und die anstrengendsten Momente mit Sam?

Cindy: Die schönsten Momente sind, wenn wir mit Sam in der Natur sind. Ich fahre jedes Jahr mit meinen Töchtern in ein Frauencamp in Brandenburg und Sam ist dort wie ausgewechselt. Sie ist so entspannt und ausgeglichen.Auch sonst versuche ich mit Sam viel am Wasser zu sein, denn das tut ihr und mir gut. Ich freue mich jeden Mal zu sehen, wie sie den Blumen „Guten Morgen“ sagt und den ganzen Tag einfach unbeschwert ist. Diese Tage im Jahr sind so wertvoll und ich tanke viel Kraft.

Anstrengend ist jeder Wutausbruch. Manchmal sind es mehrere am Tag, dann wieder nur 1 Mal in der Woche. Man weiß nie, was der Tag bringt. Ich gebe zu, manchmal bin total gelassen und lasse sie einfach machen, aber oft schaffe ich es nicht, ruhig und gelassen zu sein und dann brüllen wir uns einfach nur an. Aber danach ist dann auch erst mal wieder gut und wir umarmen uns und versuchen, es beim nächsten Mal besser hinzubekommen. 

Du hast zwei leibliche Kinder und ein angenommenes – spürst du da noch irgendeinen Unterschied?

Cindy: Nein, es gibt für mich keinerlei Unterschiede. Ich liebe Sam von Herzen und würde mein Leben für sie geben, genau wie bei meinen anderen Kindern. Mir war es schon immer egal, ob ich leibliche Kinder oder adoptierte Kinder haben werde. Ich wollte nur immer schon mindestens 3 Kinder. 

Was wünscht Du dir für Sams Zukunft?

Cindy: Ich wünsche mir, dass Sam alles schafft, was sie sich vorstellt. Sie ist so stark, kreativ und lässt sich kaum was gefallen. Ich denke, sie kann alles erreichen! 

Als sie noch kleiner war, hab ich mir Berichte über FAS-Kinder angeschaut und ich hatte große Angst, das sie irgendwann in einem Heim landet. Heute weiß ich, dass alles gut wird und dass wir noch viel Zeit haben, mit ihr an unseren Problemen zu arbeiten.

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