Meine Tochter, das Straßenkind: Eine Mutter erzählt, wie ihre Tochter abrutschte

Straßenkind

Ihr Lieben, neulich haben wir einen Artikel auf unserer Facebook-Seite geteilt, in dem eine Mutter erzählt, wie ihr Sohn in die Drogenszene abrutschte und zum Straßenkind wurde. Daraufhin hat sich Olga bei uns gemeldet und hat für und ihre Geschichte aufgeschrieben. Denn Olgas Tochter Maja lebt auch immer wieder auf der Straße, hat ein Drogen- und Alkoholproblem. Wir danken dir sehr für dein Vertrauen, liebe Olga. Alles Liebe für dich und deine Familie!

Unsere Tochter Maja war früher ein sehr lebenslustiges, aufgeschlossenes und fröhliches Kind. Trotz meiner frühen Schwangerschaft mit 16 Jahren wuchs Maja behütet bei mir und ihren Großeltern auf. Ich schloss meine Schule ab und beendete meine Ausbildung. Zu ihrem leiblichen Vater hatte sie nie Kontakt, weil er keinen Kontakt wünschte. Maja hatte immer viele Freunde und hatte auch nie Schwierigkeiten neue Freundschaften zu schließen. Ja, ich würde sagen, Maja hatte alles in allem eine relativ normale, glückliche Kindheit.

Als ich meine bis ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, zogen wir bei meinen Eltern aus und in eine eigene Wohnung. Etwas später zog mein neuer Partner dazu, der Maja nach unserer Hochzeit adoptierte. Als Maja in die Schule kam, hatte sie Probleme, sich den Lehrern unter zu ordnen. Es kam zu den ersten Konflikten. Auf Anraten der Schule gingen wir zu einem Schulpsychologen. Der sagte, Maja sei ein völlig normales Kind ohne psychische Auffälligkeiten.

Es gab nie Probleme mit Noten, Maja war gut in der Schule, aber in der dritten Klasse wurden die Schwierigkeiten mit der Lehrerin größer und wir entschieden, Maja auf eine Privatschule mit freierem Lernen zu schicken. Die Umstellung auf die neue Schule tat Maja sehr gut, sie fand sich schnell zurecht und auch im neuen Klassenverband hatte sie schnell Anschluss. Bis zur siebten Klasse lief alles wunderbar, Maja war glücklich. Dann kam eine Lehrerin, mit der es überhaupt nicht klappte.

Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, also haben wir uns mit der Schulleitung zusammengesetzt, aber irgendwie gab es keine richtige Lösung, die alle zufrieden stelle. Als sich am Schuljahresende herausstellte, dass diese Lehrerin die neue Klassenlehrerin werden sollte, versuchten wir, dass Maja die Klasse wechseln kann. Als dies nicht möglich war, nahmen wir Maja von der Schule und fanden schnell eine neue Schule, auf der Maja wieder happy war.

Bis Ende 2019 war alles harmonisch. Wir lebten inzwischen in einem schönen Haus, sie hatte einen kleinen Bruder, der genau zehn Jahre jünger ist. Maja hat sich ganz normal entwickelt und kam dann in die Pubertät. Ich als Mutter hatte nie Angst davor, ich dachte, wir kriegen schon alles hin.

Maja verschwindet das erste Mal

Ende 2019 haben wir Maja abends noch zu einer Jugend-Disko gebracht. Verabredet war, dass sie und eine Freundin um 21.45 Uhr gemeinsam zu uns fahren und dann bei uns schlafen wollten. Um 21.45 Uhr war jedoch keiner da. Wir riefen bei ihrer Freundin Sonja (Name geändert) an, dort waren die Mädchen aber auch nicht. Wir sind alle Wege abgelaufen, haben sie überall gesucht, aber nicht gefunden. Voller Angst verständigten wir die Polizei und gaben eine Vermisstenmeldung auf.

Am nächsten Tag stand Maja am späten Nachmittag auf einmal im Wohnzimmer und erklärte uns ganz cool, sie habe bei einem Kumpel geschlafen, der Akku ihres Handys sei aber leer gewesen. Ihre Freundin Sonja erzählte die gleiche Geschichte. Wir haben ihr erklärt, was für Sorgen wir um sie hatten und sie versprach, dass so was nicht mehr vorkommen würde. Konsequenzen gab es keine, wir waren einfach so erleichtert, dass sie wohlbehalten zurück ist.

Bis ins Frühjahr hinein erwischte uns die volle Pubertät mit Zickereien und Türen schlagen und natürlich dem Vorwurf, kein Erwachsener verstehe je Teenager. Bis zum ersten Lockdown ging es mit diesem normalen Teenager-Verhalten weiter. Im Lockdown ging Maja oft alleine spazieren. Sie war natürlich von der Rolle -bisher war sie ständig mit ihren Freundinnen unterwegs und hatte Hobbys – und auf einmal ging nichts mehr. Ich dachte mir bei diesen Spaziergängen nichts, ich war eher froh, dass sie mal rauskam und nicht nur in der Bude hockte.

Mitte des Jahres 2020 war Maja dann sehr eng mit Eva (Name geändert) befreundet. Wir kannten die Eltern, Eva war wirklich nett. Die Mädchen gingen viel spazieren und übernachteten bei uns oder bei Eva. Im Mai kam Maja mal wieder von Eva nach Hause, fragte aber direkt, ob sie wieder dort schlafen könne. Wir hatten am nächsten Morgen einen Termin und so sagte ich, dass das diesmal nicht klappt. Auf mein Verbot hin veränderte sich Maja komplett. Sie beschimpfte mich so heftig, sagte Dinge zu mir, die man eigentlich nicht sagt.

In diesem Moment war ich so perplex, dass es mir schwer fiel ruhig und besonnen zu reagieren und so schrie ich einfach zurück. Natürlich war das falsch und als sie aus dem Haus stürmte, tat es mir auch schon leid, sie angeschrien zu haben. An diesem Abend kam Maja nicht nach Hause, von Evas Eltern wusste ich, dass sie dort war. Ich dachte mir, ich lasse sie dort einfach mal runterkommen, um am nächsten Tag in Ruhe über unseren Streit zu reden zu können.

Maja ist fünf Wochen vermisst

In dieser Nacht aber kam der Anruf von Evas Mutter, dass die Mädchen nachts abgehauen waren. Wir haben sie überall gesucht, aber Maja und Eva blieben für fünf Wochen verschwunden. In der Zeit waren wir natürlich bei der Polizei, haben sie als vermisst gemeldet und haben auch mit dem Jugendamt gesprochen, um uns Hilfe zu holen. Nach fünf Wochen kam der Anruf einer Polizeistelle knapp 100 km entfernt von uns, dass unsere Töchter mit anderen jugendlichen Obdachlosen aufgegriffen wurden und wir sie abholen dürfen.

Der Polizist gab uns noch den freundlichen Ratschlag, ein Auto zu nehmen, dass hinten keine Türen hat, da akute Fluchtgefahr bei den Mädchen bestehe. Als wir auf der Polizeistelle ankamen, waren wir geschockt. Unsere Tochter war wie ein wildes Tier, wir durften sie nicht anfassen, nicht ansprechen. Es war schrecklich.

Gemeinsam mit dem Beamten beschlossen wir, einen Rettungswagen (RTW) zu rufen und die beiden erstmal in eine psychiatrische Einrichtung zu bringen. Während der Zeit des Wartens auf den RTW saßen wir in einem Raum der Polizeibehörde, unsere Tochter tobte in der einer Zelle und ihre Freundin in der anderen. Vor der Polizeiwache waren andere Jugendliche, die uns anschrien und die Mädels zur Rebellion animierten. Wir saßen drinnen und warten absolut überfordert mit der Situation. Als der RTW endlich eintraf und die Mädels unter großen Problemen einpackte, fuhren wir die ersten Meter mit Polizeischutz vom Hof – warteten draußen ja die „neuen Freunde“ meiner Tochter…

In der psychiatrischen Klinik wurden die Mädchen untersucht und nachdem keine Eigen- und/oder Fremdgefährdung festgestellt wurde, sollten sie entlassen werden. Das Problem aber war, dass die Mädels überhaupt nicht mit nach Hause wollten. Sie sagten: „Sobald wir da sind, hauen wir wieder ab.“ Da war uns Eltern klar, dass es keinen Sinn macht, die beiden Mädchen mit nach Hause zu nehmen.

So wurde das Jugendamt informiert, es kam ein sehr netter Mann und erklärte uns, dass er die beiden in eine ION (Inobhutnahme) mitnehmen würde – natürlich getrennt voneinander. Nun war unser Kind also in einer ION und alle versuchten mit ihr zu reden – das Jugendamt tat sein Bestes, die Psychologen versuchten es und auch wir sprachen viel mit ihr. Aber es brachte nicht wirklich viel – die Einzigen, die wussten, was mit ihr war, war ihre Clique.

Es geht um Drogen und Alkohol

Die Clique… Nach und nach erfuhren wir, dass es sich bei der Gruppe um etwa 30 Jugendliche handelte, die meisten stammten laut Polizei aus problematischen Familienverhältnissen. Diese Clique war für die Jugendlichen Familienersatz, dort wurden Alkohol und Drogen konsumiert und unsere Tochter fühlte sich dieser Gruppe komplett zugehörig.

Während der ION haute unsere Tochter immer wieder ab, galt immer wieder als vermisst. Im Jugendamt erklärte man uns nach Woche sieben in der ION, wir sollten einen Antrag auf geschlossene Unterbringung stellen, da eine normale Wohngruppe Maja nicht nehmen würde, weil sie sich an keine Regeln hält. Die Zeit in einer ION sei zudem begrenzt, weil Maja einem Kind den Platz wegnimmt, das vor seinen Eltern geschützt werden muss und eben nicht nur aus einer Laune heraus nicht mehr zu Hause leben will. Zum Psychologen ging Maja ganze 2 mal in der Zeit – dort kamen sie aber auch nicht weiter, weil man Maja nur helfen könne, wenn sie sich auch helfen lassen wolle.

In der Zwischenzeit drängte uns das Jugendamt zu handeln, da wir als Eltern in der Pflicht sind etwas zu tun. Also entschlossen wir uns nach einiger Überlegung und des Ausbleibens einer Alternative einen Antrag auf geschlossene Unterbringung zu stellen. Dank unseres Anwaltes hatten wir innerhalt von zwei Wochen einen Termin bei Gericht.

Fünf Tage vor dem Gerichtstermin waren wir beim Jugendamt und erfuhren, dass auch eine geschlossene Unterbringung Maja nicht nehmen müsse, da sie ja nicht so schlimm sei. Hieß übersetzt: Sie hänge nicht an der Nadel und schien auf der Straße recht gut klar zu kommen. Wir Eltern waren schockiert. Wir wollten, dass Maja einfach mal an einem Ort ist, um dort mit ihr zu arbeiten und zu schauen, wo das Problem liegt.

Drei Tage vor dem Gerichtstermin stand unsere Tochter vor unserer Tür. Sie war völlig verwahrlost, dreckig, stank und war sehr kaputt. Sie kam rein und war wie ausgewechselt. Man konnte mit ihr reden, sie sogar berühren. Sie hat viel geweint und so haben wir ihr angeboten, zu Hause zu bleiben. Den Termin bei Gericht haben wir abgesagt, eine Gerichtshelferin kam um mit unserer Tochter zu sprechen. Maja war offen und redete normal. Wir waren sicher, dass es jetzt wieder gut werden würde.

Erstmal sah es wirklich so aus. Maja ging zur Schule, lebte wieder bei uns. Im März 2021 gab es dann den nächsten großen Knall. Wir hatten Majas lang ersehnten Wunsch erfüllt und ihr einen Hund gekauft. Im Nachhinein war es eine Schnapsidee, aber damals erschien es uns eine gute Idee, Maja etwas zum Liebhaben und kuscheln zu schenken, jemanden, mit dem sie laufen kann und dem sie erzählen kann, was sie bedrückt.

Meine Tochter wird zum Straßenkind

Im März wurde Maja wieder reizbarer, war wieder mehr in sich gekehrt. Den in meinen Augen schlechten Umgang hatte sie zu der Zeit weitestgehend abgelegt (das ließ sie mich glauben), die paar Kids, mit denen Maja Kontakt hatte, gingen bei uns ein und aus. Wir haben den Jugendlichen unsere Türen geöffnet, haben einigen helfen können, einige haben uns dreist beklaut…

An einem Sonntag im März wollten meine Eltern und meine Oma zum Kaffee und Kuchen vorbeikommen. Am Abend vorher hatte ein Freund von Maja bei uns übernachtet und hatte unser letztes Ladekabel mitgehen lassen. Als wir das bemerkten, waren die zwei schon außer Haus. Also rief mein Mann bei Maja an und sagte, ihr Kumpel sollte das Ladekabel sofort zurückbringen und dass es eine absolute Frechheit sei.

Ein paar Stunden später – meine Eltern und meine Oma waren schon da – kamen Maja, ihr Kumpel und sechs andere junge Männer und haben die ganze Straße zusammengebrüllt. Leider hat sich mein Mann auf eine Diskussion eingelassen wobei, was nur nach hinten losgehen konnte. Bis ich dazwischen ging, wussten wohl auch schon die Nachbarn drei Straßen weiter, was bei uns los war.

Während des ganzen Streits stand unsere Tochter nur daneben, sie hat nichts gesagt – auch nicht, als die jungen Männer (alle zwischen 17 und 23 Jahren) uns Prügel androhten und meinem Mann die schlimmsten Sachen an den Kopf warfen. Es war so unfassbar traurig für uns, denn früher hatten Maja und mein Mann so ein inniges Verhältnis – und nun stand sie da und sagte nichts.

Irgendwann zogen sie alle davon, Maja blieb seit diesem Abend für drei Wochen verschwunden. Natürlich gaben wir wieder eine Vermisstenanzeige auf und ich nahm wieder Kontakt mit dem Jugendamt auf. Maja tauchte erst wieder auf, als die bei einer Hausdurchsuchung des Anführers der Clique aufgegriffen wurde. Wieder ging es zum Jugendamt und wieder war das gleiche Spiel.

Maja sagte, sie wollte nicht heim – und ich war tatsächlich etwas erleichtert, dass Maja in die ION gehen konnte. Je mehr ich über ihre Clique – oder wie sie es nannte: ihre wahre Familie – herausfand, umso mehr fürchtete ich mich vor diesen Jugendlichen und auch ein Stück weit vor meiner Tochter. Ich hatte einfach jedes Vertrauen zu ihr verloren und diese Erkenntnis schmerzte mich sehr.

Wir sind uns fremd geworden

Natürlich war auch diesmal die ION völlig sinnlos, da sie sich zu keinem Gespräch bereit erklärte und mehr als vermisst gemeldet wurde als dass sie dort anwesend war. Wir hatten manchmal mit Maja Gespräche beim Jugendamt. Es war erschreckend, wie sie sich dort verhielt. Ich konnte es teilweise sogar nachvollziehen, für Maja war es ja so, dass man über ihren Kopf Entscheidungen traf.

Aber alle Angebote, mitzuentscheiden lehnte sie kategorisch ab. Also wurde von uns Eltern eine Entscheidung erwartet, was natürlich zu einer noch größeren Entfremdung mit unserer Tochter führte. Nach zehn Wochen ION nahmen wir sie schließlich wieder daheim auf – und alle hatten damit Bauchschmerzen.

Wir entschlossen uns zu einer Multisystemischen Familientherapie, kurz MST. Bei dieser Therapie geht es darum mit den einzelnen Familienmitgliedern einen Plan zu entwickeln, wie es zu laufen hat. Bei uns sah das so aus:

Das Problem: Das Kind muss in die Schule – Es steht aber nicht auf

Maja hätte um 6:45 aufstehen sollen. Das klappte aber nicht. Also weckte ich sie ab 05:30 Uhr immer wieder, bis sie wach war. Je schneller es bis 06:45 Uhr klappte, desto später durfte ich sie wecken.

Einmal die Woche kam Frau Müller (Name geändert) von der MST und wir besprachen Fortschritte und Rückschläge. Das Ganze ist eine sehr kreative Arbeit und hat mir sehr viel Spaß gemacht und auch Maja begriff mit der Zeit und nach etlichen Rückschlägen, wie es läuft. Natürlich ging es nicht nur um das Aufstehen, sondern auch die Themen Drogen, Alkohol, nach Hause kommen. Da das Ganze über uns Eltern lief, lies Maja es über sich ergehen und zog nach einigem Murren und Knurren irgendwann etwas mit. Diese kleinen Erfolge waren wirklich gut und bitter nötig.  

Die MST ging bis Februar 2022 und wir kamen zu einem positiven Ende. In der Zeit der MST war sie nur dreimal als vermisst gemeldet, jeweils immer nur für eine Nacht. Sie trank nur am Wochenende Alkohol und Cannabis konsumierte sie nur selten. Die Schule besuchte sie regelmäßig, Maja war trotz des vielen Stresses und des verpassten Unterrichts eine gute Schülerin.

Ende April 2022 – Maja war inzwischen fast 17 – hatte Maja ihren ersten richtigen Freund . Als sie uns Justus (Name geändert) vorstellte, hatte ich vom ersten Moment an ein ungutes Gefühl. Anfang Mai waren meine Eltern bei uns zu Besuch und ich hatte Maja vorher gesagt, dass ich keine anderen Leute im Haus haben möchte. Denn nach wie vor gingen auch immer noch einige Kids aus der Clique bei uns ein und aus.

An diesem Tag wollte ich nur Familie um mich und ich wollte auch einfach mal wieder einen Tag, an dem ich nicht Geldbeutel und Schlüssel verstecken muss. An dem Abend vor dem Treffen mit meinen Eltern gab es mit Maja schon eine Diskussion epischen Ausmaßes, weil ich nicht wollte, dass ihr Freund bei uns schläft. Nach ewigem Hin und Her ließ ich mich dann doch dazu überreden. Die Bedingung: Justus geht am nächsten Morgen um 9:00 Uhr. Um 10:00 Uhr am nächsten Morgen war er natürlich immer noch da und ich war einfach nur noch genervt. Irgendwann meinte Maja dann: Wenn er gehen muss, würde sie auch gehen.

Kein Kontakt für acht Monate

Ich erklärte ihr, was wir ausgemacht hatten und blieb stur bei meiner Meinung. Sie verstand mich nicht und ich verstand nicht, warum es so schwer war, sich einfach mal an Verabredungen zu halten. Wir stritten und Maja ging mit ihrem Freund weg. Als sie an dem Abend nicht nach Hause kam, gab ich keine Vermisstenanzeige auf. Ich hatte es satt, dass Maja jedes Mal, wenn sie nicht bekommt, was sie will, wegläuft. Ich sah uns in einer Endlosschleife gefangen und ich hatte keine Lust und keine Kraft mehr.

Zwei Wochen später war sie wieder da und wir stellten folgende Regeln auf:

1. Wir wollten nicht mehr dauernd Besucher über Nacht. Zwei Mal die Woche wären ok, mehr aber nicht

2. Auf Familienausflügen oder Festen kommen keine Freunde mehr mit

3. Maja sollte ihre Schule fertigmachen.

Wir fanden diese Regeln nachvollziehbar, Maja nicht. Sie akzeptierte keine und verließ uns mit einem Koffer. Justus hatte zu dem Zeitpunkt eine eigene Wohnung, dort wollte sie einziehen. Was sie dann auch tat. Wie sahen Maja erst im Januar 2023 wieder, fast acht Monate später.

Ich hoffe, Maja lässt sich irgendwann helfen

Im Januar beendete Maja nämlich ihre Beziehung zu Justus und suchte zu Hause Schutz. In der Zwischenzeit hatte sie ihren Ausbildungsplatz verloren. Und ich merkte: Wir sind uns fremd geworden.

Seit Januar kommt sie immer wieder mal nach Hause, aber sie hat keinen eigenen Schlüssel mehr. Wir wissen, dass Maja ein Alkoholproblem hat und sind uns ziemlich sicher, dass sie Cannabis und Oxycodon konsumiert. Einmal die Woche mache ich einen Lebensmitteleinkauf für sie, ansonsten bekommt sie kein Geld von uns. Es ist hart, aber ich möchte keine ihrer Süchte mitfinanzieren.

Ich sage ihr immer wieder, dass wir ihr helfen wollen. Sie sagt dann, wir könnten ihr nicht helfen, nur ihre „wahre Familie“ könne ihr helfen.

Wenn ich an ihre Zukunft denke, habe ich trotz allem immer noch Hoffnung. Ich hoffe, Maja erkennt, wo ihre Wurzeln sind. Dadurch, dass sie immer wieder nach Hause kommt, hoffe ich, dass sie irgendwann wieder ganz den Weg zu uns findet und die Hilfe annimmt, die sie braucht und verdient.

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10 comments

  1. Das alte Rein-Raus-Spiel endet wirklich nur dann, wenn klar kommuniziert wird, dass es die letzte Chance ist. Sie ist mittlerweile erwachsen und muss während dessen euer Vertrauen in sie hart erarbeiten (Entzug, Psychotherapie, Jobsuche etc.).
    Verspielt sie auch diese Chance, darf es kein danach geben.
    Es gibt große Kinder, die das Wort Verbindlichkeit nicht kennen. Heute wollen sie den Job kündigen, morgen wollen sie diese Aussage zurücknehmen, und das immer wieder. Als Vermieterin habe ich leider Erfahrung damit. Die Kündigungsfrist beginnt nach der mündlichen/schriftlichen Ankündigung der Vertragskündigung zu laufen, aber eine Woche später steht die Person wieder bei mir auf der Matte, um die Ankündigung zurückzunehmen. Die Beziehung mit dem Freund habe leider nicht gehalten. Ja OK, kann mal passieren, ich bin ja nicht so. Aber paar Monate später wieder dasselbe Spielchen, diesmal natürlich mit Rausschmiss.

    Wie soll ein Jugendlicher, der nur sieht, was die Eltern alles kaufen und machen, wissen, was Freiheit wirklich bedeutet? Es muss klar kommuniziert werden, dass man alles tun und haben kann, vorausgesetzt, man bezahlt auch den Preis dafür.

  2. Liebe Olga,
    vielen Dank, dass du deine Geschichte hier erzählt hast. Wenn ein Kind aus einem stabilen liebevollen Zuhause wie eurem so abstürzt, kann es wirklich jede Familie treffen. Das finde ich ausgesprochen erschreckend!
    Ich wünsche Euch von Herzen alles gute und ein Happy End.

    1. Mich als Mutter hat der Artikel auch betroffen gemacht.
      Aber ich finde, dass es für einen Teenager schon ein Päckchen ist, ohne den leiblichen Vater aufzuwachsen und dann noch ein Geschwisterchen aus der zweiten Beziehung akzeptieren zu müssen, das dann im Vergleich. beide Elternteile hat.
      Dazu noch die Schulwechsel…
      Dass Patchwork immer häufiger wird, heisst nicht, dass es den Kindern gut tut.
      Das Mädchen hat ja offenbar ihren Freundeskreis als wahre Familie bezeichnet.
      Ich denke , hier wurden ein paar Informationen ausgelassen, die wichtig gewesen wären.

      1. Ohne leiblichen Vater aufwachsen, das soll der Grund sein? Wie viele Kinder müssen viele schwierige Dinge durchleben, man glaubt doch ehrlich nicht, dass man sagen kann, das ist der Grund? Warum sollte es per se Till sein, mit dem Vater aufzuwachen. Es gibt viele unfähige Vater, schlechte Ehen, Vater, die nur bei der Arbeit sind, usw.
        Das Leben hat viele Herausforderungen, manche Kinder haben kranke Eltern, alleinerziehende Elternteile, behinderte Geschwister, leben in Armut, sind selbst chronisch krank…da müssten ja 90% der Kinder psychisch krank oder drogensüchtig werden.
        Die Frage ist eher, wie gehe ich mit Herausforderungen um, spätestens als Erwachsener erlebt man Krisen, sel es Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Todesfall,…

        Jetzt die Schuld bei der Mutter/ dem Stiefvater zu suchen…vielleicht war der Stiefvater sogar liebevoller als der leibliche?

  3. Faszinierend, wie Sie die Situation aufgrund des kurzen Artikels vollkommen einschätzen können, Silvia, und auch noch in der Lage sind, so kompetente Ratschläge zu geben. Hut ab!

    1. Denselben Gedanken hatte ich auch. Zumal ich erst kürzlich in einem Artikel eine ziemlich gegensätzliche Aussage von Silvia gelesen habe, ich zitiere: „Ihr Unverständnis darüber, daß man sein Kind IMMER bedingungslos liebt / lieben kann, macht Sie so abstoßend. Bei Ihnen “verdient“ nur Liebe wer sich an Ihre Anweisungen hält???“ Hmmm… Also zwar „IMMER“, aber nicht wenn das Kind so abrutscht.

    2. Interessan ist, dass Silvia alles weiß und sich überall auskennt…und meistens sehr wertend.
      Sehr schade für den Blog und die Menschen, die sich öffnen und von sich erzählen.

  4. Vielen lieben Dank für die ausführliche Erzählung. Ich wünsche dir und deiner Familie alle Kraft, die ihr braucht.
    Alles Gute für deine Zukunft.
    Viele Grüße Conny

  5. Eine sehr sehr bewegende Geschichte! Der Weg, den die Kinder gehen kann man einfach nicht zu 100% beeinflussen. Wie Silvia meint, keine Hilfe geben, nicht daheim aufnehmen usw. um die restliche Familie zu schützen,
    ich denke das ist einfacher gesagt als getan! Die Mutter gibt ihr bestmögliches und ist schon auf dem Weg loszulassen und sich zu schützen. Ich wünsche der Familie viel Kraft und hoffentlich nimmt diese Geschichte irgendwann doch mal ein gutes Ende, für alle Familienmitglieder…

  6. Das zeigt, dass Eltern machtlos sind wenn es um die Wahl der Freunde und des Partners geht. Hier hilft nur, und das klingt jetzt furchtbar, komplett die Hilfe einstellen und auch nicht mehr zu Hause lassen. Jede Hilfe verlängert nur die Sucht und wird als Bestätigung des neuen Lebens aufgefasst. Und natürlich war Maya gewohnt das alles nach ihren Wünschen ging und die Eltern alles aus dem Weg räumen für sie. Dann sucht man sich entsprechend “ starke“ Freunde ohne zu hinterfragen. Ich hoffe, die Eltern können loslassen und die restliche Familie schützen. Maya muss erst ganz unten ankommen ehe sie vielleicht ( das dauert aber und ist sehr selten ) selbst WIRKLICH begreift das sie etwas ändern will.

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