Interview mit Simone: So gebe ich Pflegekindern ein neues zu Hause

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Liebe Simone, Ihr seid eine bunt-gemischte Familie. Wer gehört denn alles dazu? 
 
Das stimmt. Wir haben zwei leibliche Kinder, einen Jungen (14 Jahre alt) und ein Mädchen (11 Jahre alt) ist. Außerdem haben wir derzeit zwei Pflegekinder. Ach ja. und dann sind da noch 2 Katzen und ein Hamster. Mein Mann ist von Beruf Feuerwehrmann, ich bin Einzelhandelskauffrau. Da uns immer wichtig war, dass jemand zu Hause bei den Kindern ist, habe ich so lange aufgehört zu arbeiten, bis die Kinder alt genug waren, nach der Schule alleine zu Hause zu bleiben. 
 
Wie kam es dazu, Ihr Pflegekinder aufgenommen habt? 
 
Ich war mit meiner damals 5-jährigen Tochter im Schwimmkurs und erfuhr über eine andere Mutter von der Aufgabe als Bereitschaftspflegemutter. Ich fand das sehr interessant und sprach meinen Mann darauf an. Er fand die Idee auch nicht schlecht. Ich rief also beim Jugendamt an und vereinbarte einen Termin zu einem Infogespräch. Wir wurden dort über die Tätigkeit der Bereitschaftspflegeeltern aufgeklärt und man bat uns, nochmal ganz genau darüber nach zudenken. Das haben wir getan und uns dann dafür entschieden. 
 
Was genau sind Bereitschaftspflegeeltern?
 
Bereitschaftspflegeeltern nehmen Kinder auf, die vom Jugendamt in Obhut genommen werden. Da kann morgens das Telefon klingeln und man muss sofort los, um das Kind abzuholen. Das können neugeborene Säuglinge sein, aber auch Klein- oder Schulkinder. Jedes kleine Mäuschen hat sein Päckchen zu tragen und man weiß absolut nicht, was man da für ein Überraschungsei aufnimmt.
Wir arbeiten eng mit dem Jugendamt zusammen, haben Besuchskontakte mit den leiblichen Eltern und nehmen an Schulungen teil. Wenn für das Kind eine Perspektive gefunden wird – es also zu Eltern zurück kehren darf oder es in eine Langzeitpflegefamilie kommt -geht es in die Anbahnung. Diese kann mehrere Wochen dauern. In dieser Zeit wird das Kind Schritt für Schritt an die andere Familie gewöhnt.
 
Kannst Du uns was über Eure Pflegekinder erzählen?
 
Unsere Pflegetochter T. kam direkt aus dem Krankenhaus nach der Entbindung zu uns. Sie war ein kleines Häuflein Elend, wog gerade mal 2300 g und war nur 47 cm groß. Sie hatte einen leichten Drogenentzug hinter sich, litt unter Koliken und war sehr anstrengend.Sie sollte, wenn sie fit genug ist, mit der leiblichen Mutter in ein Mutter-Kind-Heim ziehen. Sie war elf Monate bei uns, dann mussten wir uns trennen und T. zog zu ihrer Mutter. 
Nach vier Wochen kam der Anruf, ob wir bereit wären, T. wieder bei uns aufzunehmen. Natürlich sagten wir ja. Und so zog sie woeder bei uns ein. Es war wunderbar zu sehen, wie T. sich freute – sie erkannte uns sofort und war überglücklich. Da dachte ich das erste Mal darüber nach, T. in Langzeitpflege aufzunehmen. Wir sprachen viel darüber, bezogen auch die leiblichen Kinder mit ein – dann beschlossen wir, T. bei uns aufzunehmen. Das Jugendamt stimmte zu. T. ist jetzt vier Jahre alt, geht in den Kindergarten und ist ein sehr aufgewecktes Mädchen.
Mit T. 's Mutter hatte ich von Beginn an ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe sie immer als die Mutter respektiert und mittlerweile kann sie mich auch als Mama ihrer Tochter annehmen. Einen leiblichen Vater gibt es leider nicht. 
 
Und dann lebt zur Zeit lebt noch ein 5 Monate alte kleiner Junge bei uns. Er kam mit 2 Wochen zu uns und wird – wenn alles gut geht –  mit seinem Vater in ein Vater-Kind-Heim ziehen. Er ist der kleinste Bruder unseres ersten Pflegekindes (zu dem wir immer noch Kontakt haben). Dieser kleine Zwerg ist uns sehr ans Herz gewachsen und wir mögen noch gar nicht daran denken, das er vielleicht bald gehen muß.
 
In welchem Zustand kommen die Kinder zu Euch? 
 
In der Regel sind die Kinder verwahrlost und ängstlich. Oft kommt es vor, dass sie nichts mitbringen – außer der Kleidung, die sie gerade am Körper tragen. Wir geben ihnen Liebe, Geborgenheit, Nähe und Zuverlässigkeit.
 
Mit welchen Gefühlen trennst Du Dich von den Pflegekindern?
 
Wenn die Kleinen wieder gehen müssen, was mitunter ja erst nach vielen Monaten passieren kann, ist es für uns alle sehr hart. Danach machen wir erstmal eine kleine Pause, sortieren uns, machen ein Wochenende zu zweit oder genießen die Zeit und die Ruhe mit unseren Kindern. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich danach psychologische Hilfe in Anspruch nehmen musste, da ich das Ganze nicht so gut verarbeiten konnte. Zum Glück unterstützt das Jugendamt uns da mit Hilfsangeboten.
 
Wie reagieren Eure Kinder auf die Pflegegeschwister?
 
Unsere beiden Großen gehen sehr gut mit dem Thema Pflegekinder um.Wir beziehen sie in alle Aufgaben mit ein und machen auch mal Tage ohne Pflegekinder.
Unser 14 Jähriger geht langsam aber sicher seinen eigenen Weg, aber unsere 11-jährige Tochter unterstützt uns sehr. Sie ist ja sehr früh mit diesem Thema konfrontiert worden und in diese Situation hinein gewachsen.Beide Großen sind immer sehr traurig, wenn mal wieder eine Pflege zu Ende geht.
Wenn es doch mal zu Eifersüchteleien kommt, ist es die gesunde Eifersucht wie sie unter Geschwistern vorkommt. 
 
Hattest Du auch schon mal Sorge um ein Kind, das Euch verlassen hat? 
 
Ja  das hatte ich. Bei unserer kleinen T. war das so, die ja dann wieder zu uns kam. Und auch jetzt, wenn der Kleine gehen muss. Bisher hat mich mein Gefühl nicht betrogen. 
 
Wann ist es besonders hart und wann besonders schön?
 
Die letzten Wochen waren sehr hart, da unser Kleinster seit acht Wochen dauerkrank ist. Er weint viel und schläft kaum. Weder Tags noch Nachts. Das sind die Schattenseiten. Dafür geht mir das Herz auf, wenn er mich anstrahlt, mich mit seinen kleinen Ärmchen packt.
 
Meine kleine große T. schafft es seit einigen Wochen endlich ganz alleine in ihrem Zimmer zu schlafen. Bis zu ihrem Geburtstag war das noch ganz anders und sie schlief jede Nacht in unserem Bett. Wenn ich sehe wie stolz sie darauf ist, dass sie das jetzt schafft, dann könnte ich vor Rührung weinen. Wir  lieben dieses Kind wie unsere eigenen und würden alles für sie tun. 
 
Welche Vorrausetzungen gibt es eigentlich, wenn man Pflegemutter sein möchte?
 
Man braucht ein großes einwandfreies Führungszeugnis und vom Arzt ein Attest, dass man gesund und in der Lage ist ein Pflegekind aufzunehmen. Ansonsten gibt es keine großen Voraussetzungen. Von Vorteil ist es, wenn man schon selbst Kinder hat. Man sollte ein Pflegekind nicht nutzen, um einen unerfüllten Kinderwunsch zu kompensieren. Man darf nicht vergessen, dass die Kinder, auch wenn sie in Langzeitpflege in einer Familie sind, trotzdem jederzeit wieder aus der Familie herausgenommen werden können und zurück zu den Eltern geführt werden. Ansonsten ist es egal, ob man verheiratet ist, Single ist oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
 
Ich persönliche finde es sehr wichtig, dass man ein intaktes Familienleben hat und sich aufeinander verlassen kann. Man sollte im Hintergrund noch Menschen haben, die einen unterstützen, auf die man zurück greifen kann, wenn man selbst vielleicht mal ausfällt. 
 
Und welche Rechte und Pflichten hat man als Pflegeeltern? 
 
Zum einen das Anhörungsrecht – das bedeutet, dass der Richter unsere Fragen und Meinungen zu Kenntnis nehmen muss. Außerdem dürfen Pflegeeltern alle alltäglichen Sachen regeln. Ist das Kind längere Zeit in der Pflegefamilie , kann man einen Antrag auf Verbleib beim Familiengericht stellen.Und es gibt Anspruch auf Pflege- und Kindergeld. Dieses ist nach Alter des Kindes gestaffelt.
Als Pflichten gibt es: Besuchskontakte zur leiblichen Familie, eine enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt (man wird zu einer gläsernen Familie), das Kind zu Therapien begleiten und natürlich ihm ein stabiles, liebevolles Umfeld bieten. 
 
Was wünscht Du Dir für die Pflegekinder?
 
Ganz einfach: Dass sie glücklich groß werden können. 
 
 
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9 comments

  1. So schön, auch von andern
    So schön, auch von andern Pflegefamilien zu lesen! Mein Herz schlägt ja für die Kurzzeitipflege! Eines unserer Kurzzeitpflegekinder blieb letztendlich bei uns. An Pflegefamilien herrscht so eine große Not! Aber es ist tatsächlich eine wahnsinnig schwere Aufgabe, die viel mehr unterstützt werden sollte…

  2. Toll!
    Unser Baby-/Kinderzimmer steht und wir warten auf unseren erstes BPK. Es ist eine unheimlich spannende und aufregende Zeit. Wir freuen uns auf unsere Aufgabe, mit allen Höhen und Tiefen. Da wir das Amt gewechselt haben, machen wir zu Beginn eine BP und danach gehen wir in die DP. Ich finde es erschreckend, wie unterschiedlich die Ämter scheinbar ihre PE vorbereiten. Ich bin so glücklich, dass wir nun ein Amt an unserer Seite haben, dass ein Konzept hat, dass stimmig ist!

  3. Bloglovin
    Sehr interessant zu lesen, danke für die Einblicke! PflegeEltern zu sein stelle ich mir für die ganze Familie unheimlich anstrengend vor, bezogen auf die unweigerlichen Trennungen. Schwierig ist das sicher gerade für die leiblichen Geschwisterkinder.

    In anderer Sache: bei bloglovin‘ steht immer noch „Man sollte ein Pflegekind nutzen, um einen unerfüllten Kinderwunsch zu kompensieren.“. Könnt ihr das korrigieren?
    Überhaupt sind mir schon mehrfach Rechtschreib- und Satzzeichenfehler aufgefallen, die in mir leider das Gefühl hinterlassen, dass die Beiträge ohne Korrekturlesen hochgeladen werden. Da werdet ihr nach meinem Gefühl eurem eigenen Anspruch nicht gerecht, das ist echt schade! Und das meine ich nicht böse, im Gegenteil. Euer Blog kommt professionell rüber, da fehlt es einfach am finish! Vielleicht hilft euch mein Input (nicht als Kritik verstehen bitte).
    LG

    1. Bezüglich der sehr häufigen
      Bezüglich der sehr häufigen Textfehler muss ich mich an dieser Stelle anschließen… gerade bei einem Blog von Journalistinnen sollten die Texte sorgfältiger Korrektur gelesen werden.

  4. Tolles interview
    Wirklich ein spannendes Thema. Etwas mir allerdings immer als Frage im Kopf herumschwirrt – wie macht man das als berufstätige? Gerade wenn man ganz flexibel und spontan reagieren muss und bei neugeborenen ja auch rund um die Uhr verfügbar sein muss. Welcher Arbeitgeber stellt einen denn so kurzfristig und dauerhaft frei? Oder geht so etwas nur, wenn man sowieso zu hause ist?

    1. Simone ist..
      …derzeit nicht in ihrem eigentlichen Beruf tätig, sondern arbeitet als Pflegemutter. Wir geben die Frage aber nochmal an sie weiter!

    2. In der Bereitschaftspflege
      In der Bereitschaftspflege darf man nicht berufstätig sein, da man vielen Terminen nachkommen muss. Das ist mit Job auch gar nicht möglich. Aber man bekommt eine Aufwandsentschädigung dafür. In der Langzeitpflege darf man Elterzeit nehmen und ansonsten geht es ja irgendwann auch in den Kindergarten oder Krippe.

  5. Tippfehler?
    Ich glaube, es soll heißen: Man sollte KEIN Pflegekind Nutzen, um seinen persönlichen Kinderwunsch zu kompensieren.

  6. Liebe Simone,

    Liebe Simone,

    ich finde es immer wieder wunderbar, dass es Familien wie euch gibt. Die Kindern ein Stück sorglose Kindheit schaffen.

    Auch ist es bewundernswert als Bereitschaftspflegefamilie engagiert zu sein. Für mich persönlich kommt nur die Dauerpflegefamilie in Frage.
    Seit dem Juni 2017 durchlaufe ich das Verfahren der Eignungsprüfung einer Pflegemutter und ich muss sagen die letzten Wochen/Monate waren sehr aufregend, sowohl für mich als auch für meine Tochter (6 J.).

    Aber Anfang 2018 habe ich mein Abschlußgespräch und danach kann es für uns jeder Zeit ernst werden.

    Ich freue mich schon sehr wenn ein Kind in unsere kleine Familie kommt, sowohl auf die anstrengenden Zeiten, wie auch die schönen Momente.