Gastbeitrag von Arzu: So erlebte ich den Putsch-Versuch in der Türkei

putsch

Ihr Lieben, vor einer Woche schockten uns alle die Bilder aus der Türkei. Soldaten, Kampfjets, verzweifelte Menschen. Gestern dann die Schießerei in München mit vielen Toten. Plötzlich war der Horror nicht mehr weit weg, sondern bei uns hier in Deutschland. Ob Nizza, Paris, München, Aleppo – wo immer Menschen auf andere Menschen schießen – diese Geschehnisse sind nicht nach einem Tag wieder vorbei. Sie verändern die Menschen, prägen ihr weiteres Leben. So wie unsere Leserin Arzu. Sie war mitten drin im Putschversuch und erzählt hier, wie sie diese Horror-Nacht erlebt hat….Danke für Dein Vertrauen, liebe Arzu. Wir denken fest an Dich und an alle, die solche schrecklichen Tage miterleben mussten…

15.07.2016 Es war ein Freitag. Es war der Tag, an den wir auf einem Boot im Marmara Meer, gleich unter der Brücke, unser 150. Firmajubiläum feierten. Das Foto oben zeigt uns nur wenige Stunden vor den schlimmen Ereignissen. 

Gegen 21.30 Uhr bekamen die ersten von uns Telefonanrufe von ihren Familien. Auf der Brücke würden Soldaten mit Panzern stehen. Wir konnten die Brücke ja direkt sehen – nur bis dahin hatte niemand bewusst auf die Brücke geschaut. 

Und ja, irgendwas war seltsam auf der Brücke. Freitagabends ist normalerweise immer Stau, weil ganz Istanbul auf die Europäische Seite fährt, um dort zu feiern. 

An diesem Tag war die Brücke leer. Nur Soldaten standen darauf. 

Wir wollten an Land, aber uns wurde gesagt, wir müssten warten. Irgendwann ließen sie uns anlegen, wir verließen das Boot in Begleitung der Polizei. 

Panisch rannten wir zu den Autos – wir wollten nur noch weg. Zum Glück schossen die Soldaten nicht. 

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Putschversuch – dieses Wort hatte bisher keine richtige Bedeutung. Freunde erzählten öfter von dem Militärputsch in den 80er Jahren – das war bisher immer weit für mich weg.  

Wie geht es mir jetzt? Ich habe meine Lebensfreude verloren. Ich zucke automatisch zusammen, wenn es irgendwo laut wird. Ich habe Angst. Ich will in Frieden leben. 

In der Türkei leben viele Flüchtlinge, die ihre Heimat aus Angst verlassen haben. Jetzt kann ich sie verstehen. 

Auch ich spiele ab und zu mit dem Gedanken, die Türkei zu verlassen – aufgrund des verhängten Ausnahmezustands habe ich dazu aber keine Möglichkeit mehr…

Anmerkung von uns: Zu Arzus Sicherheit haben wir die Geschichter auf dem Foto unkenntlich gemacht…

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