Nach jahrelangem Kinderwunsch: So kunterbunt ist Lines Familie heute

Kinderwunsch

Foto: Pixabay

Ihr Lieben, heute gibt es eine wunderbare Mutmach-Geschichte. Jahrelang hatten Line und ihr Mann einen unerfüllten Kinderwunsch und sind durch einige emotionale und körperliche Tiefen gegangen. Wie sind dann doch noch eine ganz tolle Familie wurden, erzählt sie hier im Interview.

Liebe Line, Dein Mann und du habt einen langen Kinderwunsch hinter euch. Kannst du erzählen, wie euer Kinderwunsch-Weg aussah?

Mein Mann und ich hatten relativ schnelle einen gemeinsamen Kinderwunsch, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass mein Mann 12 Jahre älter als ich ist und auch nicht erst mit 50 Papa werden wollte. 

Daher haben wir bereits nach 2 Jahren Beziehung beschlossen, nicht mehr zu verhüten. Ich bin ein absoluter Planungsmensch und hatte mir dann schon genau errechnet, wann das Kind kommen würde, wie wir das mit Elternzeit usw. machen würden. Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich spätesten nach 3 Monaten schwanger sein werde. 

Was aber dann nicht der Fall war…

Leider nicht. Nachdem es drei Monate nicht geklappt hatte, fingen wir an den Zeitpunkt mit Ovulationstests zu optimieren und nach 5 Monaten bin ich dann schon zu meinem Frauenarzt und habe das Thema angesprochen. Er hat mich standardmäßig untersucht und konnte aber auch nicht mehr machen, als mich nochmal über den richtigen Zeitpunkt usw aufzuklären. Er hat mir aber den Hinweis gegeben, meinen Mann auch zum Urologen zu schicken und ein einfaches Spermiogramm machen zu lassen.  Das hat mein Mann bzw. zu dem Zeitpunkt noch mein Freund dann kurze Zeit später getan.

Mit welchem Ergebnis?

Als er den Termin für die Untersuchung hatte, war ich gerade beruflich viele tausend Kilometer entfernt auf Geschäftsreise mit 7 Stunden Zeitverschiebung. Und so kam es, dass nachts mein Telefon geklingelt hat und am anderen Ende mein Mann bitterlich geweint und mir erklärt hat, dass wir nie Kinder bekommen können, da er komplett unfruchtbar ist. 

Leider war sein damaliger Urologe auch nicht gerade einfühlsam und hat ihm diese Info ohne jegliche Hintergrundinfomation an den Kopf geknallt und ihm nur einen Zettel mitgegeben auf dem „Diagnose: Azoospermie“ stand.

Was hat diese Diagnose mit euch gemacht?

Man kann sich nicht vorstellen, wie wir uns in dem Moment gefühlt haben: so weit von einander entfernt, tottraurig und völlig hilflos. 

Ich habe mich noch in dieser Nacht in die Recherchen gestürzt und aus China angefangen, Termine bei Kinderwunschspezialisten in Hamburg, München, Münster und Erlangen auszumachen. 

Direkt nach meiner Rückkehr haben wir dann auch schon die ersten Termine wahrgenommen und sind zu richtigen Spezialisten auf dem Gebiet „Azoospermie“ geworden. Nach vielen unterschiedlichen Urologen-Terminen und Besuchen in diversen Kinderwunschkliniken haben wir uns für eine TESE (das ist eine OP, bei der versucht wird, Spermien direkt aus dem Hodengewebe zu gewinnen) in Hamburg entscheiden. Leider war diese dann auch negativ und somit der letzte Funken Hoffnung auf ein genetisch gemeinsames Kind erloschen.

Wie ging es dann weiter?

Mit Hilfe von einer Therapeutin haben wir uns dann gemeinsam für den Weg der Samenspende entschieden. Zuerst haben wir einen Spender einer dänischen Samenbank ausgewählt und hatten 5 Inseminationsversuche. Leider alle ohne eine Schwangerschaft.

Nach den 5 Versuchen haben wir dann noch 3 ICSIs gemacht (immer mit der dänischen Samenbank aber zwischendurch mit Spenderwechsel und auch Kinderwunschklinikwechsel). Aber auch die Versuche waren alle negativ. Ich war nicht schwanger, aber dafür waren wir pleite, denn leider wird in Deutschland kein Cent von der Krankenkasse übernommen, wenn man auf Spendersamen angewiesen ist.

Somit mussten wir eine Zwangspause einlegen, die rückblickend gesehen sehr gut war. Ich war nämlich in dem absoluten Kinderwunsch-Tunnel und habe an nichts Anderes mehr gedacht. Ich habe nur noch von Eisprung zu Eisprung zwischen Hoffnung und Enttäuschung gelebt.

Ihr habt euch dann entschieden, ein Pflegekind aufzunehmen. Wie kam es zu der Entscheidung? 

Wie ich schon erwähnt habe, mussten wir bei unseren Kinderwunschbehandlungen eine Zwangspause einlegen. Für mich, aber auch für meinen Mann war es nicht möglich, diese Zeit einfach nur als Pause zu nutzen. Zu groß war unser Wunsch nach einem Kind. Deshalb haben wir uns mit anderen Möglichkeiten er Familienplanung beschäftigt.

Wir waren beim Jugendamt zum Beratungsgespräch bezüglich Adoption und waren bei Vorträgen von Vereinen für Auslandsadoption. Grundsätzlich konnten wir uns sehr gut vorstellen, ein Kind aufzunehmen, das nicht unser leibliches war. 

Mir hat dieser Gedanke sogar sehr geholfen unser Schicksal anzunehmen und ich habe mir gedacht, dass dies vielleicht der „Grund“ sei, warum es bei uns so nicht klappt – wir sollten einen Kind, dem es nicht so gut geht, ein Zuhause schenken.

Doch so einfach war das alles auch nicht, oder?

Nein, da es bei der Inlandsadoption so viele Bewerber auf ein Kind gibt, sind die Chancen nicht sehr hoch und auch mein „Helfer“ Gedanke konnte hier nicht so getriggert werden – ein Adoptionskind findet in Deutschland auf jeden Fall wundervolle Eltern. Deshalb ist dieser Weg relativ schnell für uns ausgeschieden.

Dazu kam, dass wir beim Jugendamt zu jedem Zeitpunkt offen kommuniziert haben, dass wir eventuell zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit einer Kinderwunschbehandlung starten möchten, auch wenn wir schon ein Adoptivkind hätten. Bei unserem Jugendamt hat man allerdings erwartet, dass der eigene Kinderwunsch komplett abgeschlossen ist, bevor man sich in den Adoptionsbewerber Prozess begibt.

Wir sind von Anfang an offen mit unserem Kinderwunsch umgegangen und haben vielen Leuten davon erzählt und so kam es, dass wir auf einem Nachbarschaftsfest mit einer Bereitschaftspflegemama ins Gespräch gekommen sind, die uns mehr über Pflegschaft erzählt hat. Dieses Gespräch hat uns so viele neue Seiten aufgezeigt und auch Ängste genommen, sodass wir uns direkt am nächsten Tag in das Thema gestürzt und Termine bei freien Trägern vereinbart haben, die uns gemeinsam mit dem Jugendamt über das Thema aufgeklärt haben und letztendlich uns auch als Pflegeeltern geprüft haben.

Und wann kam dann euer Sohn zu euch

Der Anerkennungszeitraum hat bei uns so ca. 4 Monate gedauert. In der Zeit hatten wir uns auf ein Aufnahmealter zwischen 1 und 2 Jahren festgelegt und für uns war besonders wichtig, dass es Kontakt zur Herkunftsfamilie gibt, das Gerichtsverfahren schon abgeschlossen ist und die die Rückführungsoption zu den leiblichen Eltern so gut es geht als „unmöglich“ eingestuft wird.

3 Wochen nach unserer Anerkennung, kurz vor Weihnachten, kam dann DER Anruf. Es gibt einen kleinen Jungen im Alter von 1,5 Jahren, der sehr gut zu uns passen würde. Wegen der Feiertage hat sich es dann noch etwas hingezogen, bis das Jugendamt mit dem freien Träger und dem Vormund zu einem Gespräch zu uns nach Hause kam. Da haben sich alle Parteien noch einmal vergewissert, dass es wirklich passt und wir haben die Geschichte unseres Sohns erfahren. Für uns war nach dem Gespräch sofort klar, wir möchten den nächsten Schritt gehen – die leibliche Mama kennenlernen. 

Wie war dieses Kennenlernen?

Ich hatte große Angst vor dem Gespräch. Wie werde ich mich angemessen verhalten können, wenn da jemand vor mir sitzt, der sich nicht gut um sein eigenes Kind gekümmert hat? Jemand, der aber schwanger werden konnte, etwas was bei mir einfach nicht klappt und dieses Glück nicht zu schätzen wusste? Das Gespräch lief aber ganz anders als von uns erwartet. 

Wir hatten beide einfach nur Mitleid und großes Mitgefühl. Vor uns saß ein Mädchen – keine Frau, die selber doch noch so viel Hilfe brauchte, aber in ihrer Familie nicht bekam. Seit mehreren Generationen gibt es in der Familie schon große Schwierigkeiten und unser Sohn ist nicht das erste Kind, das innerhalb der Familie in Obhut genommen worden ist.

Am liebsten hätte ich sie in Arm genommen und auch noch bei uns aufgenommen. Wir haben der Mama Fotos von unserem Zuhause und unseren Tieren gezeigt. Wir hatten das Gefühl, dass es für alle Seiten passt. 

Sie hat noch in dem Gespräch gesagt, dass sie es sich sehr wünscht, dass der Kleine zu uns kommt und das, obwohl sie der Inobhutnahme vorher nicht freiwillig zugestimmt hatte.

Wann habt ihr euren Sohn dann gesehen?

Eine Wiche später. Es war Liebe auf den ersten Blick von allen Seiten. Wir hatten dann eine relativ lange Anbahnungszeit, in der er zwischen uns und der Bereitschaftspflege gependelt ist. 3 Monate nach dem Anruf ist er dann eingezogen. 

Mittlerweile wohnt er seit fast 5 Jahren bei uns. Es gibt sehr wenig Kontakt zur leiblichen Mutter, aber er kennt sie und die Zusammenarbeit mit ihr ist immer im Sinne des Kindes. Sie hat zum Beispiel jetzt kurz vor der Einschulung einer Namensänderung zu unserem Nachnamen zugestimmt, da es sich unser Sohn sehr gewünscht hat.

Vor drei Jahren kam dann ein weiteres Kind in eure Familie…

Nachdem sich unser Sohn gut eingelebt hatte und wir einen guten Alltag für uns alle gefunden haben, kam die Frage nach einem zweiten Kind auf. Wir fragten uns: Was wollen wir machen? Wollen wir uns nochmal auf ein Pflegekind einlassen oder nochmal in die Kinderwunschklinik?

Mein Mann und ich hatten beide einen großen Wunsch, eine Schwangerschaft zu erleben und deshalb haben wir uns darauf geeinigt, noch einmal in eine Kinderwunschklinik zu gehen. Wir haben eine ganz Neue ausgewählt und wollten dort von vorne, mit neuem Spender und neuen Arzt starten. Wir hatten uns von Anfang an auf drei Versuche geeinigt und gesagt, dass wenn diese nicht klappen, dann wollten wir das Kapitel ein für alle Mal für uns beenden.

In einer Silvesternacht mit ein bisschen zu viel Wein auf dem Sofa haben mein Mann und ich dann gescherzt, dass ich, wenn er zeugungsfähig wäre, wahrscheinlich beim ersten Mal schon schwanger geworden wäre und es doch so toll wäre, wenn wir auf die Kinderwunschklinik verzichten könnten und er die Insemination bei uns zuhause im Schlafzimmer selber machen würde. Ganz natürlich, ohne Spritzen, ohne grelles Licht und tausend Blutabnahmen. Wir haben mehr aus Scherz als im Erst im Internet nach Möglichkeiten an Sperma zu kommen gesucht und dann auch dem vielen Wein geschuldet, ein paar private Spender direkt angeschrieben. 

Und einer der Spender hat sich gemeldet.

Genau, schon am nächsten Morgen haben wir von einem Spender eine lange, sehr stimmige Antwort bekommen. Mit so etwas hätten wir nie gerechnet und es hat uns zum Nachdenken gebracht. 

Was wäre, wenn es doch nicht nur ein Scherz ist? Kann vor allem mein Mann sich vorstellen, den Spender vorher persönlich zu treffen? Wäre es nicht sogar toll, wenn wir den Spender kennen und wissen, wen unser Kind irgendwann mal kontaktieren kann?

Wir konnten all diese Fragen für uns positiv beantworten und so kam es, dass wir den Spender in einem Cafe getroffen haben. Es passte für uns alle. Er wollte „nur“ spenden und keinerlei Anspruch haben, war aber bereit, für das Kind ab einem bestimmten Alter kontaktiert werden zu können. 

Wie lief das dann ab?

Von da an haben wir uns zum Eisprung in einem Hotel getroffen. Er war zuerst im Zimmer, hat seine Spende im Bad abgestellt und danach hatten mein Mann und ich Zweisamkeit in dem Hotelzimmer und konnten eine für uns passende Insemination durchführen. Ich war direkt beim ersten Versuch schwanger. Wir waren alle überglücklich.

Bei dem ersten Frauenarzt-Termin dann der große Schock, es gab keinen Herzschlag und das, obwohl ich schon bei 8+2 war. Wir haben noch zwei Wochen gewartet, aber es tat sich nichts mehr. Es folgte eine Ausschabung. Die Trauer war groß, wir waren bis dahin ja fest davon überzeugt gewesen, dass schwanger werden unser Problem ist und nicht schwanger bleiben oder sein. 

Habt ihr es nochmal versucht?

Ja, schnell haben wir einen zweiten Versuch gestartet, wieder war ich sofort schwanger. In der 6 Woche haben wir einen Herzschlag gesehen. In der 8 Woche bekam ich plötzlich hohes Fieber und der Herzschlag hörte auf. Wieder folgte eine Ausschabung.

Wir hatten vorher gesagt: 3 Versuche! Also versuchten wir es nochmal und es klappte wieder. Ich hatte die ganze Schwangerschaft über große Angst, aber wir wurden genau am ET für all das Warten, Bangen und Hoffen mit einer gesunden, wundervollen Tochter belohnt. 

Sprecht ihr offen vor den Kindern über den leiblichen Vater?

Ja, definitiv. Wir erzählen mal wieder die Geschichte. Da unsere beiden Kinder eine besondere Herkunftsgeschichte haben und wir auch Kontakt zu anderen Pflegefamilien haben oder anderen Familienmodellen, ist eine ganz normale Frage von unserem Sohn an andere Kinder: „Warst du bei deiner Mama im Bauch oder hast du sie selber ausgesucht“. 

Das bekommt unsere Tochter ja auch mit und hat das mit dem Spender bisher noch nie hinterfragt – sie war bei mir im Bauch, aber dazu brauchten wir Hilfe von einem sehr netten anderen Mann.

Wie gehen die beiden Geschwister miteinander um? 

Sie streiten und lieben sich. Sie sind großer Bruder und kleine Schwester. Ich sehe keinen Unterschied zu anderen Familien. Wir machen aber auch keinen. 

Was bedeutet Familie für dich? 

Familie ist für mich ein Verbund aus Menschen – Erwachsenen und Kindern, die sich bedingungslos lieben, die für einander da sind sich gegenseitig Respekt zeigen. Dabei ist es völlig egal, ob sie genetisch miteinander verbunden sind, ob es mehr oder weniger als 2 Erwachse in dem Verbund gibt und ob sich alle ähnlich sehen oder nicht. Aber eines ist klar, ich habe die beste Familie und die tollten Kinder auf dieser Welt.

c5e75b57578440b98d5eb3bcd1cbc691

Du magst vielleicht auch


4 comments

  1. „Warst du bei deiner Mama im Bauch oder hast du sie selbst ausgesucht?“ bei dem Satz kamen mir spontan die Tränen. Soo schön!
    Alles, alles Gute für euch!

    1. Das Familie eigentlich ein Verbund von Menschen ist, kann ich total bestätigen. Wir haben haben einen wilden Mehrgenerationenhaushalt in mehreren Wohnungen des selben Hauses. Eine „Tante“, die überhaupt keine rechtliche Verwandschaft hat, eine „Schwestercousine“ (eigentlich nur Cousine), geschiedene Männer (Papa, Exonkel), und der beste Freund des Sohnes direkt nebenan.
      Es muss halt nicht immer die Blutsverwandschaft sein, die einen im Leben prägt und füreinander einsteht.

      1. Wow,wie toll bei meiner Arbeitskollegin ist es auch so ..Die haben 3 Mehrfamilienhäuser mit jeweils 6 Parteien dort wohnen von Cousine mit Mann und Baby,Tante, Beste Freundin der Mutter mit Kind,Bruder mit Familie usw. und als der Opa verstorben ist zog die BF von der Oma zu ihr in die Whg.da sie auch Witwe ist und keine Kinder hat.Sie hat ihr Haus vermietet und mit dem Geld reisen die 2 Omis (beide 75) durch Europa….dafür wohnt sie mietfrei mit der Christl zusammen.Leider schätzt das meine Kollegin nicht so arg, sie ist noch jung ( 23 ) und ist eher genervt das immer Trubel ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert