Solomama: Ich wollte unbedingt ein Kind – auch ohne Partner

Solomama

Ihr Kinderwunsch war so groß, dass sie als Single Mutter wurde: Hanna Schiller

Ihr Lieben, wir hören ja immer ganz genau hin, wenn es um neue Wege und Modell geht und so wurden wir in einer Dokumentation im Fernsehen hellhörig, als es um Solomütter ging. Also um Frauen, die sich auch ohne Partner ein Kind wünschen. Ist das in Deutschland überhaupt möglich? Und wenn ja, wie?

Wir haben hier im Blog schon mal ausführlich über Tomma berichtet, die sich ebenfalls als Single ein Kind wünscht. Und heute erzählt uns Hanna nicht nur von ihrem eigenen Weg, sondern hat auch noch die wichtigsten Adressem, Websites und AnsprechpartnerInnen zum Thema Kinderwunsch als Single für uns parat.

Liebe Hanna, du sagst, als Frau mit Kinderwunsch über 30 hast du in Deutschland die Arschkarte gezogen. Wie genau meinst du das?

Im Grunde ist es sogar eine doppelte Arschkarte. Aus Sicht vieler Männer, möchte man als Ü-30-Frau sofort ein Kind, weil sich unser biologisches Zeitfenster bald schließt. Ist auch nicht ganz verkehrt, obwohl es natürlich nicht auf jede Frau zutrifft, dass sie Kinder haben möchte oder zumindest nicht direkt mit 30. Aber ich weiß aus meinem eigenen männlichen Freundeskreis, dass sie lieber Frauen bis Ende 20 daten, in der Vorstellung, dass diese keine so hohen Erwartungen an die Partnerschaft haben und ihren Kinderwunsch nicht zeitnah umsetzen möchten.

Die andere Seite der Arschkarte ist unsere Biologie, die ziemlich gemein werden kann. Ab Mitte 30 geht‘s bergab mit der weiblichen Fruchtbarkeit, die Chancen auf ein eigenes gesundes Kind sinken rapide. Dadurch mischt sich das Gefühl bei vielen Frauen ein, von etwas getrieben zu werden, das sie selbst nicht in der Hand haben. Neben unserem beruflichen Vorankommen, unserer Selbstverwirklichung müssen wir uns also parallel um die Frage der Familienplanung kümmern und diese koordinieren. Eine Konsequenz: Dating wird zum Panik-Dating. Und selbst in der Partnerschaft kommt es nicht immer gut beim Gegenüber an, wenn man Druck ausübt, weil der Kinderwunsch so stark ist.

Du hattest deinen Traummann bereits gefunden, du wolltest ein Kind, warum klappte es mit der Familienplanung nicht?

Unsere Vorstellungen von einem gemeinsamen Leben, von Freiheit und von Familie waren am Ende zu unterschiedlich. Der größte Knackpunkt war, dass er keine Kinder wollte, ich aber schon. Und da ist es schwierig, einen guten Kompromiss zu finden, denn ein bisschen schwanger sein und ein bisschen Kind haben geht nicht.

In letzter Instanz blieb die Trennung von meinem Partner und gleichzeitig die Trennung von meiner Wunschvorstellung von Familie. Eine unglaublich schmerzhafte Phase, die man mit einem langen Trauerprozess vergleichen kann.

Du warst dann allein. Hast du auch mal überlegt, einfach einem Mann ein Kind „anzudrehen“?

Ich habe sogar darüber nachgedacht, die Pille mal zu „vergessen“, als ich noch mit meinem Partner zusammen war. Am Ende konnte ich es dann nicht vor mir verantworten, jemanden so zu hintergehen. Deswegen kam für mich auch niemals ein One-Night-Stand in Frage, um ein Kind zu bekommen.

Neben den gesundheitlichen Überlegungen – nur weil jemand gepflegt aussieht, ist er ja nicht automatisch kerngesund – kamen mir auch andere Bedenken in die Quere: Was sage ich meinem künftigen Kind, wie es entstanden ist? Wie geht‘s dem Mann damit, wenn er ungewollt Vater wird?… Das passte nicht zu mir und nicht zu meinem Empfinden von Fairness.

Damit will ich übrigens nicht sagen, dass Kinder nicht durch einen One-Night-Stand oder eine Affäre entstehen dürfen. Es besteht ja auch hier die Chance, dass die Verhütung mal nicht wie gewünscht klappt, und sich Frauen trotzdem für das Kind entscheiden, ohne es geplant zu haben, wie es Sandra bei euch geschildert hat. Das zeugt auch von viel Stärke.

Du hast dich dann entschieden, Solomama zu werden. Welche Überlegungen gingen dem voraus?

Eine der wichtigsten Punkte für mich war, dass ich mich psychisch absolut stabil fühlen wollte. In der schwierigen Kinderwunsch-Ja-Nein-Phase mit meinem damaligen Partner, habe ich schon gemerkt, dass ich emotional ziemlich unausgeglichen, schon fast depressiv bin. Deswegen lag es mir extrem am Herzen, dass ich mich erstmal wieder in die richtige Spur lenke, was mithilfe vieler Gespräche mit einem Therapeuten wirklich gut geklappt hat. Was ich keinesfalls wollte: ein Kind bekommen, das unerfüllte Bedürfnisse von mir stillen muss, das also schon von Anfang an einen Auftrag zu erfüllen hat. Das wäre nicht gesund gewesen, für keinen von uns.

Der nächste Schritt, der aber bereits parallel stattfand, war die Schaffung meiner finanziellen Komfort-Zone. Ich war schon immer ein sparsamer Typ, habe aber etwa ein Jahr vor meiner Kinderwunschbehandlung angefangen, monatliche Beträge zurückzulegen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, wofür genau – die Idee mit der Samenspende war da noch nicht so präsent – aber ich war mir sicher: irgendwann werde ich es brauchen. Somit hatte ich ein gutes finanzielles Polster, als es irgendwann mit den Behandlungen losging.

Über Menschen, die mich unterstützen, habe ich mir zu Beginn meiner Kinderwunsch-Reise noch keine detaillierten Gedanken gemacht. Was mir wichtig war, zumindest eine Person zu haben, der ich mich anvertrauen kann und bei der ich mich auch in schwierigeren Phasen ausheulen darf. Zu viele Menschen zu involvieren hätte mich möglicherweise stärker unter Druck gesetzt. Die Entscheidung, diesen Weg alleine zu gehen, die stand bei mir ja irgendwann fest. Und da wäre niemand eine Hilfe gewesen, der diesen sehr persönlichen Weg in Frage gestellt hätte.

An wen können sich Singlefrauen mit Kinderwunsch wenden?

Jetzt wäre ich natürlich blöd, wenn ich nicht auf meinen Blog www.solomamapluseins.de  hinweisen würde, den ich ja genau deswegen ins Leben gerufen habe, weil ich gemerkt habe, dass es einen unglaublichen Bedarf für das Thema Solomutterschaft gibt – oder zumindest dafür, dass man, selbstverständlich, auch als Alleinstehende einen Kinderwunsch haben kann. Der ist ja nicht zwangsläufig an eine Beziehung gekoppelt.

Natürlich ist nicht jede Frau, die auf meiner Seite landet, überzeugt von dem Weg, nicht jede möchte alleine Mutter werden oder sich an einem Co-Parenting-Modell versuchen – für letzteres kann ich übrigens den Blog Planning Mathilda von Jennifer wärmstens empfehlen.

Viele gelangen auf meinen Blog, weil sie nach Orientierung suchen, in einer Lebenskrise stecken, da ihr Partner keine Kinder möchte – davon handelt auch meine Podcast-Folge zum einseitigen Kinderwunsch – und weil sie nicht wissen, wie sie die Erfüllung ihres Kinderwunsches angehen können, da es in Deutschland leider noch viele Tücken gibt.

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Hanna ist glücklich als Solomama.

Ihr hattet in eurem Interview mit dem Reproduktionsmediziner Dr. Puchta schon auf die Schwierigkeit der Behandlungen von Singlefrauen in Deutschland hingewiesen und darauf, dass viele Ärzte Angst vor einer Strafverfolgung haben, wenn sie Singlefrauen ­– teilweise sogar lesbische Paare – mit Spendersamen behandeln. Das macht die ganze Situation auch nicht einfacher für Betroffene. Zumal die Handlungsempfehlung der Bundesärztekammer, die Ärzten nahelegt, Singlefrauen und lesbische Paare von Fertilitätsbehandlungen auszuschließen, aus dem Jahr 2006 stammt und nicht mehr zeitgemäß ist.

Deswegen gab es 2018 eine Anpassung dieser Musterrichtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion in der jedes Bundesland, eigentlich sogar jeder Reproduktionsmediziner bzw. Gynäkologe seine eigene Regelung bezüglich der Kinderwunschbehandlung von Singles daraus ableiten kann und darf.

So öffnen sich in Deutschland erfreulicherweise immer mehr Kinderwunschkliniken und Praxen für Singlefrauen, was den Weg zum eigenen Wunschkind, der mit vielen finanziellen, emotionalen und logistischen Herausforderungen gepflastert ist, zumindest ein Stück weit erleichtert, wenn die weite Anreise ins Ausland wegfällt.

Es kann ein Schlag ins Gesicht sein, wenn man merkt, dass man, nur weil man alleinstehend ist, nicht unterstützt, teilweise gar nicht richtig ernst genommen wird. Kommentare – auch von Ärzten, denen man sich anvertraut – wie „Sie finden schon noch jemanden“ oder „Ein Kind braucht Vater und Mutter“ verunsichern, werfen Frauen teilweise monatelang in ihrer Kinderwunschplanung zurück. Das, in Kombination mit eigenen Ängsten, Sorgen und Bedenken, kann dazu führen, dass man die Erfüllung des eigenen Kinderwunsches immer später in Angriff nimmt. Und es irgendwann zu spät ist.

Wenn man in einer solchen Situation feststeckt, kann man sich vertrauensvoll an einen Kinderwunsch-Coach wenden. Es gibt spezielle Coaches, die sich auf Singlefrauen und lesbische Paare bzw. auf Samenspendenbehandlungen spezialisiert haben.

Für Berlin ist z.B. Kathrin Steinke (*) langjährige Expertin auf diesem Gebiet, mit der ich auch bereits einige Vorträge halten durfte. Wer sich von einer anderen Solomutter beraten lassen möchte, der kann sich an Katharina Horn wenden, die ebenfalls als Single über eine Samenspende Mutter geworden ist und deswegen die Bedürfnisse und Fragen der Frauen sehr genau kennt.

Weitere regionale Kinderwunsch-Coaches können über das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD) gefunden werden. Eine zusätzliche Möglichkeit ist unsere private Facebook-Gruppe für Singles mit Kinderwunsch und (werdende) Solomütter (), in der bereits über 520 Mitglieder sind. Hier tauschen wir uns über alles aus, was die Thematik der Solomutterschaft, die Planung aber auch die Bedenken betrifft.

Darüber hinaus gründe ich gerade mit einer weiteren Solomutter – Katrin von Solomamaherz – ein Portal, das sich speziell an den Bedürfnissen von Frauen orientiert, die alleinstehend sind oder dessen Partner keine gemeinsamen Kinder möchte. Hier geht’s zu unserem gemeinsamen Solomama-Baby: www.solomamawege.de

Wer sich für den Blickwinkel von erwachsenen Spenderkindern interessiert, dem empfehle ich das Portal des Vereins Spenderkinder. Die Mitglieder stammen im Regelfall nicht aus Solomütter-Familien, wurden erst spät über ihre Herkunft aufgeklärt und haben per Zufall davon erfahren. Deswegen kann man die Situation vieler Mitglieder nicht eins zu eins auf die Solomutterschaft übertragen, wo die Aufklärung über die Entstehung des Spenderkindes von Anfang an dazugehört.

Man kann aber viel darüber erfahren, wie sich die erwachsenen Spenderkinder eine Aufklärung wünschen, und das kann Solomüttern im Umgang mit ihren Kindern genauso helfen wie Paaren.

Wie genau hast du dann den genetischen Vater für dein Kind ausgesucht?

Nachdem mich die optisch ansprechendsten Spender nicht überzeugt haben, weil in deren familiären Umfeld viele Krankheiten vorkamen, die auch bei uns in der Familie liegen, habe ich mich letztendlich für einen Spender entschieden, der mich sehr an meine Schwester als Baby erinnert hat. Dadurch wollte ich die Chance erhöhen, dass mein Kind auch mir etwas ähnelt.

Das mit den optischen Kriterien war übrigens auch bei Vera so, die bei euch schon vor einer Weile von ihren Weg zur Solomutterschaft durch Samenspende berichtet hat.

Außerdem hat mein Spender eine sehr optimistische Lebenseinstellung, ist ein sportlicher Typ, der gerne unter Leuten ist – alles Dinge, die ich nicht so ausgeprägt habe – und er hat eine sehr angenehme Sprechstimme. Da habe ich die Hoffnung, dass einige solcher Anteile auch bei meinem Sohn gelandet sind. Sieht bisher ganz gut aus 🙂

Der Brief an sein künftiges Kind hat mir ebenfalls sehr gefallen, weil er dort betont hat, dass er es wichtig findet, dass seine biologischen Nachkommen später Kontakt zu ihm aufnehmen können. Und obwohl jedes Kind, das in Deutschland durch eine Samenspende gezeugt wurde, ein Anrecht auf die Auskunft seiner genetischen Herkunft hat, war diese Aussage der letzte Stups, den ich gebraucht habe, um genau diesen Spender zu wählen.

Dass die Auswahl eines Samenspenders eine sehr individuelle und persönliche Angelegenheit und nicht immer ganz einfach ist, hat euch Regenbogen-Mama Nele ja auch bereits erzählt.

Wie klappt das mit dem Schwangerwerden rein praktisch und: Hat es sofort geklappt?

Ich war total überzeugt davon, dass der erste Versuch mit einer Intrauterinen Insemination (IUI) klappt, weil ich zu dem Zeitpunkt „erst“ 35 war und keine bekannten Fertilitätsprobleme hatte. Bei dieser Befruchtungsmethode wird gewaschener Samen mithilfe eines flexiblen Katheters – ja, klingt etwas ungeil – in die Gebärmutter eingeführt. Das hat mit Intimität also nicht wirklich viel zu tun.

Nach dieser ersten Behandlung habe ich direkt Brustziehen bekommen, mir war latent schlecht und ich hatte viele bedeutungsvolle Träume – bis meine Periode kam.

Danach alles wieder von vorne, zweifeln, sich selbst hinterfragen, ob der Weg wirklich der richtige ist – und zu dem Schluss kommen: ja!

Wenige Wochen später dann der zweite Versuch. Dieses Mal in Berlin – vorher wusste ich nicht, dass es dort möglich ist – und nicht in Kopenhagen, dafür mit Medikamenten, um den Eisprung besser zu timen und die bestmöglichen Bedingungen für eine erfolgreiche Schwangerschaft schaffen. Der zweite Versuch war dann auch gleich ein Volltreffer.

Wer hat dir während deiner Schwangerschaft, der Geburt und in ersten Lebensjahren deines Sohnes Halt gegeben?

In vielen Situationen haben mir meine Familie und enge Freunde Halt und Sicherheit gegeben. Mit ihnen konnte ich auch Sorgen und Ängste in der Schwangerschaft teilen, aber genauso schöne Momente.

Meine Schwester war die Tage vor und während der ziemlich anstrengenden Geburt dabei, die letztendlich in einem Notkaiserschnitt endete. Die erste Zeit danach war ich bei meinen Eltern auf dem Land und wurde bekocht und verwöhnt. Auch als ich wieder zu Hause war, ganz alleine mit meinem Sohn, waren sie meine emotionale Stütze.

Nach und nach hat sich mein Freundes- und Bekanntenkreis erweitert – auch durch Babykurse, obwohl ich mir geschworen haben, sowas nie mitzumachen –, sodass ich irgendwann immer mehr Mütter, Väter und andere tolle Menschen kennengelernt habe, mit denen ich mich gegenseitig austauschen konnte.

Auch heute ist es nach wie vor meine größte Kraftquelle, mit Familie und neugewonnenen (Solomutter-)Freundinnen zu reden.

Was sind die häufigsten Vorurteile, denen du im Alltag als Solomama begegnest und wie gehst du damit um?

In meinem Alltag begegnen mir keine Vorurteile, dass ich diesen Weg gegangen bin. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich nicht jedem auf die Nase binde, wie unsere Familie entstanden ist. Vielleicht bekomme ich aber auch einige Dinge nicht mit, die geredet werden.

Ich hatte bisher nur ein einziges negatives persönliches Erlebnis. Eine Bekannte hat einer älteren Dame, die gerade mit ihrem Enkel spielte, völlig unvermittelt gesagt, wie ich meinen Sohn bekommen habe. Während meine Bekannte es aus Begeisterung über diesen Weg ansprach, war es mir sichtlich unangenehm, weil ich das Thema – trotz meiner Öffentlichkeitsarbeit – nicht gegenüber jedem thematisiere. Die Großmutter war ziemlich schockiert, dass ich meinen Sohn ohne Vater aufwachsen lasse, weil „er dann bei einer Helikopter-Mutter aufwächst.“ Ich fand diese Konfrontation äußerst unangenehm, besonders, da mein Sohn auch dabei war.

Dann gibt es noch ganz klassische Vorurteile, die, meines Erachtens, nicht durch eingehende Reflexion zustande kommen: Du bist egoistisch, du kannst ohnehin keinen Mann halten, dein armes Kind…Solche anonymen Kommentare liest man eher, als dass man sie hört, es geht also auch viel ums „Dampf ablassen“ als um eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Thematik.

Hast du manchmal ein schlechtes Gewissen, dass dein Kind ohne Vater aufwächst? Darf dein Kind ihn irgendwann kennenlernen?

Dass mein Sohn aktuell keinen Papa hat, macht mir kein schlechtes Gewissen. Ein Vater ist ja keine Garantie dafür, dass man ein glückliches Kind großzieht, und letztendlich ist das ein Wunsch, den ich habe: dass mein Kind glücklich ist.

Wenn er möchte, darf er seinen biologischen Vater mit 18 Jahren kennenlernen. Und es ist für mich auch nicht ausgeschlossen, dass ich irgendwann wieder jemandem begegnen werde, der als Vater-Figur meines Sohnes eine Rolle spielt.

Viel wichtiger als einen präsenten Vater zu haben finde ich, dass mein Sohn Menschen in seinem Umfeld an, die ihn lieben und respektieren, die für ihn Partei ergreifen, die an seiner Seite sind, wenn er Unterstützung braucht. Hierzu zählen sowohl meine Familie und Freund*innen, als auch ein guter Freund, der als eine wichtige männliche Bezugsperson fungiert.

Du bist ja sogar nach Dänemark gefahren, um ein Halbgeschwisterchen deines Kindes zu treffen, das durch eine Samenspende desselben Mannes entstand…

Ja, das war mir sehr wichtig, weil ich möchte, dass mein Sohn so viel über seine genetische Herkunft erfahren kann, wie es unter den gegebenen Umständen möglich ist. Wir haben auch eine gemeinsame Gruppe mit allen Mamas, die denselben Spender gewählt haben, in der wir uns sporadisch austauschen. Mein Sohn hat inzwischen 6 Halbgeschwister, von denen wir bis jetzt drei persönlich kennen. Zwei Halbgeschwister leben sogar in Deutschland, nicht weit entfernt von uns.

Wir alle möchten zwar letztendlich unsere Kinder darüber entscheiden lassen, ob irgendwann ein engerer Kontakt gewünscht ist, aber hierfür haben wir Mütter bereits eine gute Grundlage geschaffen. Sobald unsere Kinder gegenseitiges Interesse aneinander haben, müssen wir also nicht erst anfangen zu suchen, ob es weitere genetische Verwandte gibt; wir können uns einfach treffen.

Wie klappt das heute mit dir und deinem Sohn? Was hat dich im Positiven wie im Negativen überrascht?

Mein Sohn und ich sind ein gut eingespieltes Team. Er kann mich wunderbar einschätzen und meine Stimmung deuten. Ich hingegen merke, wo ich mich noch verbessern kann als Mama, wo manchmal auch meine Grenzen sind. Wenn ich beispielsweise nicht genügend Energie und Kraft tanken konnte, weil ich viel gearbeitet habe und auch danach einiges an Aufgaben anfällt, bin ich eben nicht immer die super relaxte Mama, die ich gerne wäre.

Im Negativen überrascht hat mich das, was eigentlich klar war, mir aber trotzdem einiges abverlangt: dass man unglaublich viele ätzende organisatorische Dinge komplett alleine erledigen muss. Mich fordert insbesondere Unvorhergesehenes, wenn ich z.B. spontan auf einen Elternabend gehen soll – natürlich vorher das Kind wegorganisieren muss – oder wenn etwas im Haushalt kaputtgeht – vor Kurzem die Spülung der Toilette, wo man nicht mal eben ein paar Tage mit der Reparatur warten kann.

Das sind fast alles Sachen, die ich ohne Kind auch hätte und die mir genauso wenig Spaß gebracht hätten. Aber mit Kind muss man sich andere Zeiträume dafür schaffen, wodurch andere Dinge, zum Beispiel Schlaf, durchaus zu kurz kommen.

Ich kann – muss aber eben auch – alle Entscheidungen alleine treffen und somit auch niemandem die Schuld dafür in die Schuhe schieben, wenn es mal nicht so rund läuft. Das sehe ich tatsächlich als Vorteil an, weil ich mich dadurch ganz anders mit mir selbst auseinandersetzen muss und mich weiterentwickeln kann.

Was ich ebenfalls sehr angenehm finde ist, dass wir Konflikte nur unter uns haben. Es gibt nicht noch eine dritte Person, die eine weitere Meinung hat, mit dessen Launen man sich befassen muss, die Beachtung und emotionales Betüddeltwerden einfordert. Auch gibt es keine Eifersüchteleien von einem Partner, weil ich Zeit mit meinem Sohn verbringe. Dadurch ist der Stresspegel deutlich niedriger, als er in einer konfliktbeladenen Partnerschaft bzw. Situation wäre. Auch Einmischung in die Erziehung von Seiten der Schwiegereltern-Fraktion entfällt komplett.

Nervt es dich eigentlich, wenn du mit dem Begriff „Alleinerziehende“ in einen Topf geworfen wirst, weil du diese Entscheidung ja bewusst getroffen hast?

Fakt ist: Ich bin ja alleinerziehend und komplett alleinverantwortlich. Deswegen nervt mich dieser Begriff nicht per se. Ich persönlich empfinde es auch nicht als Makel, wenn jemand alleinerziehend ist, sondern als eine Familienform, die eben etwas anders ist, als die gern zitierte Kernfamilie.

Es nervt mich aber, wenn man als Alleinerziehende für Vorurteile herhalten muss, die für mich viel gravierender sind, als mögliche Vorurteile darüber, dass ich den Weg bewusst alleine gegangen bin. Ich denke da an Assoziationen wie Mitleid, selbst Schuld, da muss wieder der Staat unterstützen, die arme überforderte Alleinerziehende, bestimmt hat sie psychische Probleme, konnte wohl keinen Mann halten

Im Grunde ist die Solomutterschaft, also die ganz bewusste Mutterschaft durch eine Samenspende, eine Unterkategorie von „alleinerziehend“. Deswegen ist es eher so, dass ich zwar alleinerziehend bin und eben auch Solomutter, dass aber Alleinerziehende, die es z.B. durch eine Trennung werden, nicht gleichzeitig Solomütter sind.

Diese Unterscheidung fehlt mir persönlich in der Definition und Kommunikation mit Behörden, wo man sich erstmal nackig machen muss, wie das Kind entstanden ist, was echt entwürdigend sein kann.

Und da nervt es dann, wenn ich sage, ich bin alleinerziehend, ABER etwas anders, als man es kennt, da das einen Rattenschwanz an Erklärungen und Nachweisen nach sich ziehen kann. Da würde ich mir eine Differenzierung der verschiedenen Formen von Alleinerziehenden wünschen.

Würdest du alles nochmal genauso wieder tun?

Ja, würde ich! Das Beste an dieser Entscheidung war, dass ich mich nicht den Wünschen meines Partners angeglichen und auf eine Familie verzichtet habe, sondern dass ich diesen Weg bewusst gewählt habe.

Mein gelebtes Familienmodell ist das, was am besten zu mir passt. Früher dachte ich, Familie gibt es in einer vorgegebenen Form, und heute weiß ich: Familie ist für mich Wärme, Liebe, Respekt und das wichtigste Fundament für einen Menschen, damit er stark und gesund aufwachsen und gedeihen kann.

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5 comments

  1. Danke für diesen tollen Artikel 🙂 Ich bin gerade auf einem ähnlichen Weg und es hilft mir sehr, diesen positiven Erfahrungsbericht zu lesen!

  2. Finde ich völlig in Ordnung, wenn es so wie bei dir läuft, dass dein Sohn seinen genetischen Vater einmal kennenlernen kann und ihr sogar mit den Halbgeschwistern in Kontakt seid. Da spricht dann meiner Meinung nach nichts dagegen.
    Schlimm finde ich persönlich nur anonyme Samen- und auch Eizellspenden, da ich denke, dass es für die meisten Menschen essentiell wichtig ist, ihre genetische Herkunft zu kennen. Dies einem Kind bewusst vorzuenthalten fände ich nicht fair.

    1. Es gibt Umfragen die belegen, dass den genetischen Hintergrund zu kennen bei weitem nicht der Mehrheit der Spendenkinder wichtig ist, nur etwa 10%. Aber da man nicht weiß ob das Kind in die 10% fallen wird, ist es auf jeden Fall sicherer die Option frei zu halten.

  3. Heutzutage gibt es eine große Diskussion, ob es nicht egoistisch wäre, ein Kind in diese Welt zu setzen. Ich finde nicht, denn es ist das Natürlichste der Welt, dass es passiert. Und dass Frauen diesen Wunsch, dieses innere Gefühl dafür haben. Auch Mütter, die das „Rufen“ erst nicht gespürt haben, sagen oft im Nachhinein, dass es die beste Entscheidung in ihrem Leben gewesen sei. Ich rede hier vom Positiven und der Freiwilligkeit, nicht von den Mädchen und Frauen, die leider Schlimmes erleben mussten und zur Geburt gezwungen wurden.
    Daher habe ich mit jeder Frau ein Mitgefühl und für diese Verständnis, wenn sie ihrem inneren Ruf nachkommen. Ich selbst kann nur schwer schwanger werden, hatte Jahre gebraucht bis meine kleine Tochter endlich in meinen Armen lag. Und immer noch einen Wunsch, der bittersüß schmerzhaft ist, noch ein weiteres Kind zu bekommen. Es ist da etwas in so vielen Frauen, was niemand diesen absprechen sollte und darf.

  4. Ich finde es toll, dass du mutig und selbstbestimmt entschieden hast ein Kind zu bekommen. Es gibt so viele verschiedene Arten von Familie, und das Wichtigste ist, wie du schon sagst, dass Kinder geliebt und behütet aufwachsen, egal in welcher Konstellation!

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