Interview mit Nele über ihr Leben als Regenbogen-Mama und die Suche nach einem Samenspender

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Liebe Nele, erzähl doch erstmal, wer alles zu Deiner Familie gehört. 

Zu meiner Familie gehören meine Frau und ich, sowie unsere zwei Söhne. Für meine Frau und mich war schon relativ früh in unserer Beziehung klar, dass wir eine Familie mit Kind/ern haben wollten. Aber wie das Leben so ist, kamen erst einmal viele Dinge dazwischen, die noch von uns erledigt werden mussten – erstmal standen Beruf und Karriere an. 

Haben die Kinder den gleichen Vater? Kannst Du die Geschichte dazu erzählen?

Einen Spender aus dem Freundes – bzw. Bekanntenkreis haben wir für uns relativ schnell ausgeschlossen, weil wir darin ein großes Problempotenzial sahen und auch heute noch sehen. Wir hatten z. B. Bedenken, dass ein bekannter Spender vielleicht entgegen vorheriger Absprachen später „Vatergefühle“ entwickeln und Ansprüche geltend machen würde, oder sich sogar gegen eine Stiefkindadoption aussprechen würde. Wir entschieden uns letztendlich für eine Klinik in Dänemark, die uns empfohlen wurde. Wir informierten uns auf der Klinik Homepage und nahmen schließlich den ersten Kontakt via Skype auf. Wir waren angenehm überrascht, wie unkompliziert und persönlich sich der Kontakt gestaltete.

Die Spenderauswahl hat uns zu Anfang extrem gefordert – um nicht zu sagen überfordert!  Nach welchen Kriterien sollten wir einen Spender aussuchen? Beruf, Größe, Augenfarbe, Gewicht, Blutgruppe? Auf Anraten unserer Gynäkologin bewerteten wir die Spender zunächst nach rein medizinischen Fakten, wie z.B. die Blutgruppenverträglichkeit zwischen Mutter und Spender. Das Angebot hatte sich nach dieser Vorauswahl auf ca. 30% minimiert! Das war ein guter Anfang! Nach langem Hin und Her konnten wir uns auf einen Spender einigen und starteten immer sehr kurzfristig zur Klinik. Denn das hieß für uns, erst einmal die Eisprungmessungen (mit einem Fertilitätsmonitor) in den frühen Morgenstunden und dann entweder „Hopp“ wieder ins Bett oder „Top“ auf nach Dänemark.  Nach einigen erfolglosen Inseminationen war meine Frau schließlich und endlich schwanger! Yippee!

Wir haben uns nach der Geburt unseres ersten Sohnes sehr schnell dafür entschieden, dass wir ein zweites Kind haben wollten. Da in der Klinik die Möglichkeit angeboten wurde, ein Depot von einem Spender (Kryokonservierung) anzulegen, haben wir uns entschieden, vom Spender unseres ersten Sohnes ein solches Depot einrichten zu lassen. Leider sollte es noch viele Monate und viele Fehlversuche dauern, bis wir endlich in diesem Jahr, am Geburtstag unseres ersten Sohnes, unser zweites Kind glücklich in die Arme schließen durften. 

Deine Frau hat die Kinder ausgetragen und geboren – Du bist die Co-Mama. Was genau bedeutet das? Welche Rechte und welche Pflichten hast Du?

Nachdem unser erster Sohn im Januar 2014 geboren wurde und meine Frau und ich in einer Lebenspartnerschaft lebten, habe ich mich unmittelbar mit einem Rechtsanwalt und Notar (Familienrecht) in Verbindung gesetzt, um eine Stiefkindadoption zu erwirken, da ich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Rechte bzgl. „unseres“ Sohnes hatte!  Das äußerte sich sehr schnell nach seiner Geburt darin, als meine Frau kurze Zeit nach der Entbindung wieder ins Krankenhaus musste und ich unseren Sohn betreuen wollte. Ich musste mir Urlaub nehmen, da ich keinen Anspruch auf Freistellung hatte, weil ich in keinem rechtlichen Verhältnis zu unserem Sohn stand.

Nach einer Wartezeit von ca. 8 Wochen nach der Geburt, konnte der Antrag auf Stiefkindadoption beim Familiengericht eingereicht werden. Das Verfahren zog sich bis zum Juni des Jahres hin, nachdem das Jugendamt ein Gutachten abgegeben, uns zu Hause besucht und das Familiengericht die Adoption ausgesprochen hatte. Ich wurde abschließend in die Geburtsurkunde als „Vater“ unseres Sohnes eingetragen!

Eine vollständige rechtliche Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehepaare hat auch die „Ehe für alle“ in unserer Familie nicht bewirkt.

In einer traditionellen Ehe, bestehend aus Frau und Mann, wird der Mann bei der Geburt eines Kindes automatisch als rechtlicher Vater anerkannt, unabhängig davon, ob er auch der biologische Vater des Kindes ist. Ich, als nicht gebärende Mutter in unserer Ehe, bin nicht automatisch die rechtliche Mutter.

Rechtlich gesehen bin ich Stiefmutter und unser zweiter Sohn mein Stiefkind, nicht miteinander verwandt, sondern verschwägert. Gerade erbrechtlich haben Stiefkinder keinen Anspruch an den verstorbenen Stiefelternteil, auch nicht auf Waisenrente,  wenn nicht vorher eine Stiefkindadoption erfolgt ist.
Lediglich bei alltäglichen, familiären Fragen darf ich im Einvernehmen mit meiner Frau (als alleinige Sorgeberechtigte) mitentscheiden, z.B. in welchem Sportverein unser Kind angemeldet wird. Die Schulauswahl hingegen trifft aber tatsächlich nur der sorgeberechtigte Elternteil, also nur meine Frau.
Obwohl wir noch im vergangenen Jahr unsere Lebenspartnerschaft in eine Ehe gewandelt haben, hat sich also an der Situation bzgl. des rechtlichen Status zwischen mir und unserem zweiten Sohn nichts geändert. D. h. wir werden in den nächsten Tagen wieder einen Rechtsanwalt/Notar aufsuchen müssen, um eine Stiefkindadoption zu erwirken.

Euer erstes Kind ist nun 4 Jahre alt. Sicherlich merkt er, dass nicht alle Kinder zwei Mamas haben. Wie erklärt Ihr ihm das?

Reden, reden und nochmals reden! Wir besprechen mit unserem ältestem Sohn die verschiedenen Familienkonstellationen in unserem sozialen Umfeld, wie traditionelle Familien, Regenbogenfamilien, Einelternfamilien und Patchwork-Familien.  Aktueller Gesprächsanlass war bei uns zu Hause gerade die Trennung eines Elternpaares (Mutter und Vater) von einem Kind seiner Kita-Gruppe. Diese Situation hat unseren Sohn sehr beschäftigt. Er stellte uns viele Fragen, besonders im Hinblick auf die zukünftige Familiensituation seines Freundes, die wir mit ihm eingehend besprochen haben.
Für uns ist es besonders wichtig, neben ganz viel Liebe, Wärme  und offener Zuneigung, die Fragen unseres Sohnes ernst zu nehmen und (altersgerecht) zu beantworten. Hinzu kommt sicherlich auch, dass wir ganz offen mit unserem Familienleben umgehen, d.h. unser gemeinsames soziales Umfeld, wie unsere Familien, Freunde, Nachbarschaft, Arbeitskollegen, Kita usw., ist unser (Familien-) Leben bekannt und wir lassen sie daran in gegebenem Maße teilhaben.

Damit leben wir unseren Kindern und unserem Umfeld unsere Lebensweise offen vor. Natürlich wirft unsere Familienkonstellation bei anderen Mitmenschen und gerade auch bei Kindern Fragen auf, die wir versuchen zu (er-)klären. Das bedeutet zwar viel Aufklärungsarbeit für uns, aber wir sind uns sicher, dass den Kindern in ihren Familien Toleranz vorgelebt und vermittelt wird. Für die Entwicklung der Kinder ist unserer Meinung nach, nicht die Struktur (also ob Vater, Mutter, Kind oder Mutter, Mutter und Kind usw.) der Familie maßgebend, sondern die Qualität der innerfamiliären Beziehungen. 

Wir versuchen unsere Kinder auf verschiedene Weise zu stärken (z.B. indem wir selbst als Vorbild unserer Lebensweise und –form offen und vor allem selbstbewusst vertreten), so dass diese für eventuelle Diskriminierungsversuche gewappnet sind und adäquat reagieren können. Wir besprechen Verhaltensregeln, um sie gut auf schwierige Situationen vorzubereiten. Wir haben uns z.B. die Kita unseres Sohnes gezielt so ausgewählt, dass negative Erfahrungen in der Einrichtung eher unwahrscheinlich sind. Falls es doch in der Einrichtung Fragen oder auch Probleme mit unserer Lebensweise gibt, suchen wir das offene Gespräch bzw. wenden sich die Erzieher direkt an uns. Das funktioniert ganz prima.

Habt Ihr jemals blöde Erfahrungen wegen Eurer Familienkonstellation gemacht?

Nein, bisher haben wir keine negativen Erfahrungen bzgl. unserer Familienkonstellation gemacht.  Es gibt selbstverständlich auch in unserem Umfeld Menschen, die unsere Lebensform nicht 100%-ig akzeptieren, aber das verlange ich auch nicht. Ich wünsche mir aber ausdrücklich Respekt und Toleranz und keine Diskriminierungen -auch keine verbalen- gegenüber meiner Familie!
Ein wichtiger Aspekt ist auch unser unmittelbares Umfeld, nämlich unsere Nachbarschaft, dort wo sich unser tägliches Leben abspielt. Wir haben unsere Nachbarn sowohl zur Feier unserer Lebenspartnerschaft, als auch nach den Geburten unserer Söhne eingeladen, um sie daran teilhaben zu lassen. Dadurch haben sie sich ein Bild machen können, dass sich unsere Familie nicht wesentlich von anderen Familien unterscheidet.  

Diese gut funktionierende Nachbarschaft zieht ihre Kreise, damit meine ich, immer mehr Menschen kennen Menschen, wie unsere Familie. Sie bekommen Einblicke, setzen sich mit den Gegebenheiten auseinander und finden es völlig normal. 

Was würdet Ihr anderen gleichgeschlechtigen Paaren raten, die überlegen, Kinder zu bekommen?

Anderen Paaren pauschal einen Rat für oder gegen Kinder zu geben, halte ich für schwierig.  Ich kann nur für uns sagen: es ist mit Abstand das Schönste was unserem Leben widerfahren ist! 

Wie habt Ihr entscheiden, wer von Euch schwanger wird?

Diese Frage stellte sich bei uns nicht, da ich selbst auf Grund einer Hysterektomie keine Kinder austragen kann.

Wie hast Du die Schwangerschaften erlebt?

Erst einmal empfand ich pure Freude und wollte am liebsten gleich allen erzählen, dass wir ein Kind bekommen! Danach folgte auch Angst und Sorge, ob alles gutgehen würde. Wir haben uns in vielen Gesprächen darauf verständigt, dass wir die ersten 3 Monate abwarten wollten, bevor wir anderen von der Schwangerschaft erzählen. Diese Monate waren für jede von uns absolut anstrengend und intensiv. Die erste Schwangerschaft war im Nachhinein betrachtet für uns beide vielleicht noch aufregender, weil alles neu und unbekannt  war.
Für mich waren beide Schwangerschaften aber auch mit einer gewissen Traurigkeit verbunden, da ich die Gefühle des Schwanger-seins nie selbst erleben würde.

Mit welchen Gefühlen hast Du nicht gerechnet, bevor Du Mutter wurdest?

Diese augenblickliche, uneingeschränkte und unendliche Liebe zu unseren Söhnen, die sich unmittelbar nach deren Geburt einstellte, als ich sie im Arm hielt! Und Dankbarkeit und Demut, weil wir zwei gesunde Kinder haben!

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Foto: unsplash

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