18. Geburtstag: „Ich hätte nie gedacht, wie emotional mich das als Mutter macht“

18. Geburtstag

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Ihr Lieben, durch unsere Teen-Time-Kolumne erreichen uns grad viele, zum Teil auch persönliche Fragen. Auch unsere Leserin Mirjam hat sich bei mir gemeldet und gefragt, ob mich der 18. Geburtstag meiner Großen ähnlich emotionalisiert oder mitnimmt.

Ich antwortete, dass ich den Schulabschluss und den Fakt, dass jetzt nur noch zwei von drei Kindern morgens geweckt und zum Frühstück gerufen werden müssen grad deutlich stärker berührt, weil sich der Rhythmus des Alltags dadurch so sichtbar ändert und ich jetzt auch einfach wieder fast immer am Vormittag ein Kind zu Hause hab, während ich im Homeoffice arbeite.

Ich fragte dann aber sofort, ob sie – wenn sie das mit dem nahenden 18. Geburtstag grad so bewegt – nicht selbst einen Gastbeitrag dazu verfassen könnte. Und sie hat JA gesagt <3 Hier kommt ihr berührender Bericht.

Der 18. Geburtstag: Ein Haufen bunter Gefühle

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Die 10 hat mich fasziniert, weil sie mir klar machte, dass ich schon ein ganzes Jahrzehnt Mutter war. Bei der 14 war mir etwas mulmig, weil ich mich erinnerte, dass das der Moment war, in dem ich mich selber mehr nach außen orientierte. Die 18 beim Erstgeborenen ist ein Haufen bunter Gefühle – vergleichbar mit dem unsortierten Berg Wäsche, der mich auf dem Boden des Teenie-Zimmers erwartet. Und bei dem es sinnvoll ist, ihn genauer anzusehen und zu sortieren, damit die hellen Teile keinen Grauschleier bekommen.

Es ist ein wenig wie das Ende der Kita- oder Grundschulzeit. Wie ein Hosenknopf, der auf Spannung steht. So sehr, dass das Knopfloch weit gedehnt ist, der Stoff drumherum in Falten gezerrt, der Knopf mit einer Seite in den Bauch drückt und einzelne Knopffäden gerissen sind. Ende Juli wird er um 0 Uhr aufplatzen und somit Platz machen, um tiiiiiief bis in den Bauch einzuatmen und eigenständig beim Ausatmen viele der Dinge loszulassen, die uns in den letzten 18 Jahren begleitet haben.

Für mich bedeutet das, darauf zu vertrauen, dass ihm der Reiz genommen ist, rückwärts die Halfpipe runterzufahren, weil er bereits die Erfahrung gemacht hat, dass so ein Kieferbruch mit Folgekrankheit sich ein dreiviertel Jahr hinziehen kann und sehr beeinträchtigt.

Drogen
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Dass er hoffentlich weiß, dass es wichtig ist, die Straße auf Autos zu checken, obwohl man mit Freunden unterwegs ist und die Aufmerksamkeit mehr auf der Coolness liegt, weil der Schutzengel, der bis auf Blechschaden an Fahrrad und Auto dafür gesorgt hat, dass aus dem Zusammenstoß ohne Helm lediglich eine Wunde am Kinn resultiert, nicht immer Zeit hat.

Und dass auch beim nächsten Mal, wenn er auf leeren Magen zu viel Alkohol trinkt und keine Reaktionen mehr zeigt, Leute in seiner Nähe sind, die den Rettungswagen rufen.

In der Hoffnung, dass ihn kein zu starker Testosteronschub im irgendwann eigenen Auto ereilt, der größere Folgen hat als das schon Erlebte.

Meine bisherige Erfüllung verläuft langsam im Sande

Darüber hinaus verläuft meine bisherige Erfüllung langsam im Sande. Seit ich 11 Jahre alt bin, liegt mein Fokus darauf, Kinder zu bekommen. Meine Vorstellung von Schulabschluss – Ausbildung – Schwangerwerden habe ich nie aus den Augen verloren und mit ein wenig Verzögerung umsetzen können.

Dieses Kind hat mir meinen absoluten Traum erfüllt: Es hat mich zur Mutter gemacht – mit Leib und Seele. Schwangerschaft und Geburt waren ein Segen. Ich ging nach acht Wochen wieder Teilzeit arbeiten und meine Eltern kümmerten sich in dieser Zeit. Ich stillte trotzdem sechs Monate voll und genoss jede freie Minute mit dem Kind. Ich war erfüllt, zufrieden und angekommen.

Ich erinnere mich an ein sehr unwohles Gefühl, als er ca. 1,5 Jahre alt war, weil ich mal einen Satz lauter und energischer aussprach als es sonst nötig war. Es wurde von anderen auch immer wieder erstaunt festgestellt, dass ich seine Reaktionen in vielen Situationen voraussagen konnte. Homöopathie schlug enorm gut an, weil ich seine Eigenschaften, Vorlieben und Charakterzüge besser benennen und beschreiben konnte als meine eigenen.

Bevor knapp drei Jahre später sein Bruder zur Welt kam, versetzte er mit einem apathischen Krampf die ganze Familie in einen riesigen Schock. Wir entschieden uns entgegen der ärztlichen Empfehlung gegen Epilepsie-Medikamente. Ich staune noch heute, wie gefestigt ich in dieser Entscheidung war, obwohl ich über drei Jahre lang auf die Bestätigung warten musste, dass es der richtige Weg war.

Getrennt erziehend seit Kleinkindjahren

Dann wurde es unruhiger. Es folgte die Trennung, als das erste Kind vier Jahre alt war und das zweite Kind 16 Monate. Wir arrangierten uns gut. Natürlich war es trotz riesiger Unterstützung von Familie und Freunden anstrengend, aber ich war erfüllt und zufrieden. Der eng gesteckte Alltag sorgte dafür, dass ich fokussiert war. Der Tag hatte Struktur und um 20 Uhr lagen beide Kinder mit Einschlafbegleitung im Bett.

Wenn ich mal wegwollte, fand ich einen Babysitter in der Familie. Meine Freizeitgestaltung war auch vor den Kindern nicht so, dass es nicht mit einer Elternschaft vereinbar gewesen wäre. Wir haben viel zuhause zusammen gesessen statt abends raus oder in die Disco zu gehen, Ausflüge in kinderfreundliche Umgebungen gemacht, Besuche bei Familien, kreativ sein und in schönen Läden bummeln, backen, kochen, mal ne Städtereise oder ein Wellness-Wochenende, Urlaube in Holland … Auch zweisame Städtereisen mit meinem Freund waren möglich.

Corona war dann für mich weitestgehend erholsam. Wir konnten im ersten Lockdown vier Monate lang in unserem zweiten Zuhause sein. Ich musste nicht überlegen, was richtig und falsch war. Und wir wuchsen nochmal anders zusammen und die ersten Abnabelungsschritte verschoben sich nach hinten bzw. fanden nur sehr langsam statt.

Erziehung und Begleitung, auch wenn sie abwesend waren

Danach ging es rasant. Abends um 20 Uhr verrichteter Dinge abschalten zu können (und sei es beim Spülen, wo ich mich einfach nur auf meine Sachen konzentrieren konnte), war Geschichte. Auch wenn sie in ihren Zimmern waren, hörte ich Stimmen, wollte ich die Handys einkassieren, überlegte ich, wieviel Eigenverantwortung sinnvoll ist, diskutierte ich ewig über Handy-Abgabe-Zeiten – teilweise so lange, bis auch für mich Bettzeit war und mein Kopf noch nicht wirklich zur Ruhe kommen konnte.

Alternativ machte ich mir Gedanken darüber, wie lange Ausgehzeiten angebracht sind, wie stark es mich beeinflussen kann, dass ICH nicht zur Ruhe komme, solang nicht alle zuhause sind … wie sehr ich das schulische Geschehen kontrollieren und beeinflussen möchte und was da wohl notwendig ist, wo es im Teeniealter sinnvoll ist, teilweise eigenverantwortlich handeln zu lassen und wo es klare Regeln gibt (gemeinsames Essen, Familienzeit, eigenes Geld verdienen, Bildschirmzeit).

Jetzt wird mein erstes Kind volljährig

Bei all diesen Gedanken habe ich nie die gesetzlichen Vorgaben als Voraussetzung genommen. Bei der 18 jetzt ist es irgendwie anders. Es wird sich im Grunde nichts ändern – außer das Gefühl. Diese Befreiung durch den aufspringenden Knopf ist in vielen Dingen auf beiden Seiten da. Aber auch die Wehmut, dass 80 % unserer gemeinsamen Zeit bereits hinter uns liegt, die mich so sehr erfüllt hat und die mein Lebenssinn war.

Mit dem Teeniealter der Kinder öffnet sich für mich ein riesiger Pool an Möglichkeiten, die ich tagtäglich nutzen könnte, denn es interessieren mich eine Menge Dinge. Im Grunde ist es voll mein Ding, mein Nest zu pflegen und gelegentlich auszufliegen. Aber ich brauche es nur in Maßen zur Zufriedenheit.

Momentan ist es so, dass ich z.B. fünf Stunden zuhause bin, keiner was von mir braucht und auch auf Nachfrage keiner Hunger hat und Essenszubereitung genau dann sinnvoll wäre, wenn ich die Wohnung verlasse. Sie verhungern nicht, aber es würde mir Spaß machen, es zuzubereiten, nur möchte ich weder mein Verlassen verschieben, noch zwischendurch nach Hause kommen, um eben etwas vorzubereiten. Denn es ist nicht so, dass ich nichts mit mir anzufangen wüsste, aber meine Kinder haben für mich nach wie vor höchste Priorität und unsere gemeinsame Zeit ist begrenzt.

Das Verhalten von Kind 1 ist in 90 % ein Spiegel meines Verhaltens, was die Bindung fester macht, aber auch den Wunsch energischer, dass er hoffentlich den Vorteil eines männlichen Gehirns hat, was seinen Kopf – trotz 1 Millionen mehr Einflüsse – in klarere Linien bringt als meinen und es ihm einfacher macht 😉 Mit der 18 wird es vermutlich noch strukturloser, es werden noch weniger Kontakte stattfinden. Das ist auch alles sinnvoll und gut so. Ich bin mir sicher, dass ich/wir ne Menge mitgeben konnten, was eine gute Basis ist.

Große Dankbarkeit, wenn ich ihn anschaue

Wenn ich ihn anschaue, bin ich unglaublich dankbar für alles, was wir gemeinsam erlebt haben. Dafür, dass ich in der intensiven Zeit meine Kinder in den absoluten Vordergrund gestellt habe, indem ich z.B. nur Arbeitsstellen mit wenig Verantwortung angenommen habe und mit wenig Geld und ganz viel Liebe diesen Wert vorleben konnte.

Ich bewundere seine Fähigkeit, seine Gefühle zu benennen und zu kommunizieren. Seine Empfänglichkeit für achtsame Entspannungsmethoden (auch wenn die Bereitschaft, sie anzuwenden gerade nur wenige Slots hat), empfinde ich als sehr wertvoll. Ich spüre die Zuversicht, dass er in seiner bisher sicheren Umgebung so viele Erfahrungen gemacht hat, dass der Verstand sich im richtigen Moment über das Lustgefühl legt, auch wenn ich ihm in anderen Momenten mehr Vertrauen in Herz und Bauch wünsche.

Ich freue mich darüber, dass er in einigen Bereichen genaue Vorstellungen hat und bereit ist, anderen die Augen zu öffnen. Ich wünsche mir, dass ich/wir weiterhin bedingungslos als sicherer Hafen fungiere/n und dass durch den abfallenden Druck sein Gefühl, mich zufriedenstellen zu wollen sich in ein zwangfreies Gefühl von wohliger Gemeinschaft verwandelt.

Ich hätte trotzdem niemals geglaubt, dass ein Prozess, den ich nie in Frage gestellt habe und den ich als absolut natürlich, gesund und wertvoll finde, mich so im Erleben und Verarbeiten herausfordert.

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3 comments

  1. Mich schüttelt es bei diesem Text .
    Das Kind als Heilsbringer .
    Den Wunsch der Mutter erfüllt.
    Das Spiegelbild.
    Was für eine Bürde für das Kind.
    Interessant ist , dass die Mutter das auch so erkennt und es trotzdem so gemacht hat. Kann ich null nachvollziehen.
    Wünsche trotzdem beiden alles Gute für die Zukunft .

  2. Ich habe mit Erstaunen und Verwunderung diesen Artikel gelesen
    Ich kann die Gefühlslage der Autorin persönlich überhaupt nicht nachempfinden, fand ihre Ausführungen aber durchaus nachvollziehbar, vor dem Hintergrund ihres Verständnisses der Mutterrolle und ihrer Art Familie zu gestalten, umso mehr.
    Meine Kinder sind 21 und 20 und mich hat weder der 18.Geburstag noch dir zunehmende Selbständigkeit wehmütig gemacht.
    Ich habe aber auch nie meine Kinder priorisiert oder mein Leben danach ausgerichtet
    Für mich war die Zeit mit Ihnen weder intensiv noch vermisse ich diese.
    Ich bin froh dass sie erwachsen sind und ich die Verantwortung los bin.
    Es war aber sehr interessant eine komplett andere Sichtweise kennenzulernen.

  3. Muss gerade auch ein wenig schmunzeln. Die ersten Male als Mutter werden wohl für immer ganz besonders emotional bleiben. Ganz gleich ob es sich dabei um die ersten Schritte, den Kindergarten- und Schulstart, die erste Reise alleine oder eben die nahende Volljährigkeit handelt.
    Jetzt, wo ich bereits das zweite volljährige Kind habe (und das Dritte nicht mehr weit davon entfernt ist) kann ich sagen, auch hier wird man als Mutter relaxter. Es ist wie mit der 2./3. Einschulung. Irgendwann kennt man es dann.;)
    Und wenn ich auf die ältere Generation in meiner Umgebung blicke, wird das wohl auch so weitergehen mit den emotionalen Elternmomenten: das erste Enkelkind lässt einen noch ausflippen und in „es war doch erst gestern, als ich DICH zur Welt brachte“ Erinnerungen schwelgen. Beim zweiten/dritten/vierten Enkel ist man schon entspannt…😅

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