Alle schimpfen und flüchten aus Berlin: Aber mein Stadtkind und ich: NIEMALS!

stadtkind

Hey Lisa, na, wie geht’s dem Land, deinen Kids, den Ziegen, der Katze…

Ich muss mich jetzt mal empören. Weil ich seit Anfang des Jahres in meinem Viertel hier in Berlin-Prenzlauer-Berg eine böse Unruhe um mich herum verspüre. Überall um mich herum, wollen sie weg! Bauen Häuser in Pankow oder in anderen Stadtrand-Gegenden, kaufen alte Häuser in der Uckermark oder beschließen, dass die Kleinstadt ihrer Kindheit, wie bei dir, Lischen, auch ganz schön war…

Ja, bin ich bald alleine hier in meinem Etagenhaus oder was? Der Ex-Stern-Chefredakteur Tyll Schönemann hatte die Schnauze voll und zog polternd weg, bereits im Januar…

Und eine Mama aus meinen Schwangerschaftskurs sagte neulich auf dem Spielplatz: „Wir ziehen nach Wiesbaden. Das ist eine Entscheidung für unsere Tochter.“

„Ahhhhh“, dachte ich nur. Na, gut wenn sie meinen. 

Die Argumente gegen unsere Heimatstadt-Berlin sind immer die Gleichen: 

  • Berlin tut immer nur so und ist es gar nicht.
  • Berlin ist sooo dreckig. Glasscherben, Hundehaufen, nicht zu vergessen überall Baustellen, einfach eklig, das Straßenbild…
  • „Zu viele Arschlöcher, links und rechts“, schimpft der Ex-Stern-Chef Schönemann. Und die Straßenzeitungsverkäufer in der Bahn nerven ihn auch…
  • Andere schimpfen über die Größe, die langen Anfahrten (von Pankow nach Charlottenburg eine Stunde ohne Stau!), das Flughafen-Desaster, die Unplanbarkeit…

Die Autorin Sandra Wickert wiederum verteidigt auf Café Babel UNSERE Stadt. Sie sei tolerant und weltoffen, mit Ponys in U-Bahnen und ohne Dresscode zum Feiern. 

Ehrlich, Lisa, ich bin mittlerweile so hier angekommen und will hier nicht mehr weg. Wenn ich um in eine Kölner Disko zu kommen, keine Sneakers anhaben dürfte, wäre ich schon raus und wenn mir vorstelle, dass mein Sohn nur unter Leuten aufwachsen würde, deren Eltern nie oder keine Lust haben, mal auch andere Länder zu bereisen (und davon gibt es genug!), sorry, da steige ich aus! 

Ich habe Chinesisch studiert, meine Schwester Islamwissenschaften und meine Mutter arbeitet für eine afrikanische Botschaft. Ich BRAUCHE Multikulti um mich herum und habe keine Lust, mir auf jedem Gemeindefest anzuhören, dass sie in China ja Hunde essen…

Im Grunde bin ich echt froh, dass es in Deutschland, eine Stadt wie Berlin gibt, in der alles so chaotisch, durcheinander und quer läuft. In der Hundert Sprachen und Kulturen zu einem riesigen Mischmasch aufeinanderknallen. Ich profitiere davon. Und Maxime wird es auf jeden Fall auch. 

Haus ohne Großstadt? Nee, danke. Uns geht’s hier bestens!

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9 comments

  1. Kiez
    Jeder hat so seinen eigenen Kiez, der ihm gefällt. Ich persönlich konnte schon in den 90ern dem Prenzlberg nix abgewinnen, sorry. Da bin ich stockalte Westberlinerin; mein Runway ist der Kudamm und der Tauenzien, ggf. auch die Schlossstraße. „Jeder nach seiner Maxime“ heißt es beim Alten Fritz, und das ist doch soweit auch oke. – Wir haben seit bald 20 Jahren unser Domizil in Zehlendorf, hier sind die Kids im Grünen groß geworden, es ist nur eine Viertelstunde mit dem Auto zum Kudamm und 20 Minuten zum Gendarmenmarkt – was will man mehr? Und das beste: Anfang der 90er hatte Berlin so geile Betreuungsmöglichkeiten in den Kitas – da träumt man heute von (soweit ich weiß, auch im Osten inzwischen!). Und ich rede nicht von den esoterischen Eikitas und Kinderläden mit den Müslis in Jesusschlappen und irgendwelchen hardcore-Interviews über die elterlichen politischen, ökologischen oder sonst ideologischen Ansichten, die man/frau in die Eikita/den Kinderladen usw. einzubringen habe…..

    Auch knapp außerhalb des S-Bahn-Ringes lässt es sich leben. ^^

  2. Stadt – Land – Stadtrand
    Darf ich … darf ich als Mann? Hier schreiben?

    Mich interessiert dieses Thema, denn ich bin mitten drin. Ich bin Berliner. Hier geboren. Jetzt bin ich keiner mehr. Meine Frau liebt das Land. Meine beste Freundin die Stadt. Ich habe also beide Meinungen stets im Ohr.

    Ich habe es getan. Ich bin raus gezogen. Ganz raus. Nach Brandenburg. Ich will mein Berlin nicht aufgeben, aber das Umland auch nicht. Für mich heißt die Wahrheit Speckgürtel. Klar, ich kann nicht direkt aus der Haustür in die Szenecafes fallen. Aber ich arbeite in der Stadt und gehe so oder so jeden Tag in F-hain oder Prenzlberg essen. Wenn ich Freunde sehen will, dann am Abend nach der Arbeit. Mit den Kindern wechseln wir uns einfach ab. Es gibt so viele Lebensmodelle. Man kann Wochen und Monate diskutieren, sogar streiten. Ich glaube die Frage ist eigentlich ganz leicht zu beantworten:

    Geh an Deinen Lieblingsort, organisiere Dir Dein Lieblingsgetränk mit, nimm Dir Zeit, öffne Dein Herz. Dann stell Dir ernsthaft die Frage: „Welche Momente sind mir die liebsten Momente?“

    Lautet die Antwort in Cafes, Bars, Bio-Läden und Co. abzuhängen, dann bleib in der Stadt. Denn Du wirst es viel zu wenig auf dem Land ausleben können. Es wird Dir fehlen, denn der Weg ist für die Häufigkeit zu weit.

    Lautet die Antwort in Schloßparks spazieren, Picknick im Grünen, Sonne am See, Ruhe im Wald, Ausblick über das Feld, Sonnenuntergang auf dem Berg, Lagerfeuer im Herbst, Familienfeiern im Garten … dann zieh aufs Land. Du wirst es in der Stadt nicht ausreichend finden. Damit es wirklich schön ist, mußt Du zu weit fahren.

    Die Antwort ist nicht ganz so schwarz und weiß, wie ich es hier dargestellt habe. Ist eine Antwort nie. Aber es ist ein Anhaltspunkt.

    Der Standrand ist für mich der Ort für Leute, die keine klare Antwort finden. Gerne alles haben, aber nicht entscheiden wollen/können. Beide Welten sind irgendwie nah dran und doch weit weg. Für beides muß man sich Zeit nehmen. Man muß irgendwie reisen (Auto, Bus, Fahrrad) und kann es nicht einfach vor der Tür finden. Für mich wäre es keine Lösung. Denn das ist für mich der Reiz. Ich stehe morgens auf und gehe bei Nebel einfach 50m an den See. Oder ich stehe morgens auf und gehe einfach mitten in der Großstadt runter in ein tolles Cafe.

    So, ich lass die Damenwelt jetzt wieder unter sich.

    Es grüßt ein Berliner, der jetzt Brandenburger ist.

  3. Stadtrand ist super!
    Das mit dem Stadtrand kann ich nur bestätigen. Wir wohnen in Berlin am nördlichen Rand und brauchen ca. 20 Minuten bis zum KuDamm ( beispielsweise). Die Kinder können hier auf der Straße noch Fahrrad fahren und wenn sie den heimischen Garten verlassen, gibt es weitere Grünflächen zum Spielen sowie viel Wald drumherum.Trotzdem geniessen sie alle Annehmlichkeiten der Stadt, machen mit der Schule viele Ausflüge zu Sehenswüdigkeiten, in Theater und Oper. Ich könnte mir niemals vorstellen auf dem Land zu wohnen, weit weg von einer großen Stadt, aber hier fühle ich mich pudelwohl…..
    Kristin

  4. Stadt-Mama
    Also München wird zwar oft als großes Dorf bezeichnet, aber ich finde, es ist die gemütlichste und schönste Großstadt Deutschlands und ich liebe es so sehr, eine Stadt-Mama zu sein. Daran werde ich auch nix ändern!

  5. Gefällt mir
    Ich find’s super, dass du bereits Gesagtes noch mal überdenken und revidieren kannst! Hut ab, das schafft nicht jede(r).
    Auch wir waren vor der Kinderzeit ein junges, doppelt gut verdienendes Pärchen im angesagtesten Viertel einer Großstadt.
    Heute sind wir die typische deutsche Familie am Rande der großen Stadt im Häuschen, haben aber weder unseren Intellekt noch unsere Fähigkeit kritisch zu denken oder uns für andere(s) zu begeistern verloren, sondern genießen einfach mehr Platz, mehr Grün, mehr Auslauf, weniger Autos. Insofern trifft mich die Pauschalierung.
    Aber dann treffen wir uns ja doch in der Mitte. Ende gut, alles gut.

  6. An Katja!
    Liebe Katja,

    ja, was den engen Horizont angeht, muss ich wohl etwas zurückrudern… Ich glaube, es war einfach meine Wut über diesen Ex-Stern-Chef, die mich geritten hat, der sich über den armen Straßenzeitungsverkäufer in der Bahn lustig macht… Irgendwie wollte ich da zurückschlagen…
    Richtig ist, dass es tatsächlich dafür keine Regel gibt, wo wer wohnt und wie er die Welt sieht. Punktum!

  7. Am Rand der Großstadt
    Ein Kompromiss zwischen Euren beiden Extremen ist der Stadtrand. Man kann allen Nachteilen der Großstadt im Alltag aus dem Weg gehen und trotzdem bei Lust und Laune die Vorteile der Stadt genießen. Mein absoluter Favorit, an dem ich mich seit bald einem Jahr täglich erfreue.

  8. Musst du ja auch nicht
    Niemand wird gezwungen, weg zu ziehen (es sei denn, die Mieten steigen ins Unermessliche…). Du kannst ja auch in Berlin wohnen bleiben solange es euch dort gut gefällt.
    Aber Dörfler, Kleinstädter oder Andere-Städter-als-Berliner direkt gleichzusetzen mit Engstirnigkeit, einem zu engen Horizont, Reiseunlust oder der Unfähigkeit/dem Unwillen, sich mit dem Rest der Welt auseinanderzusetzen zeugt schon von einer gewissen Arroganz…

  9. Du hast recht! Ich glaube
    Du hast recht! Ich glaube aber auch, dass viele aus ihren Bezirken vertrieben werden. Ich wohne in Pankow, hier geboren, aufgewachsen und jetzt versuche ich meine Kinder hier groß zu bekommen. Viele Familien die ich persönlich kenne mußten mit ihren Kindern einfach nur umziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten konnten. Es wird, besonders in Pankow immer teurer. Es ziehen alteingesessenen, liebgewonnene Menschen weg und Neureiche(Verzeihung) dazu.
    Alles wird teurer. Jetzt auch noch das Schulessen. Mein bzw. Unser Einkommen aber nicht. Ich möchte hier nicht weg!!!
    Es ist nicht fair, das wir den Platz frei machen müssen, nur weil wir nicht 8000€ im Monat verdienen.
    Kg Katarina