Erfüllte Beziehung: Wie können wir auch nach Jahren glücklich bleiben?

Erfüllte Beziehung

Ihr Lieben, eine Beziehung am Laufen zu halten, in der beide glücklich sind, erfordert auch Arbeit, davon sind Tanja und Christian Roos überzeugt. Die beiden haben vier gemeinsame Kinder und coachen Paare, die sich eine erfüllte Beziehung (zurück)wünschen, nun haben sie das Buch Das Ich im Du geschrieben. Wie sie das selbst schaffen und welche Fragen sich Paare gegenseitig stellen sollten.

Ihr Lieben, „Du hast dein Beziehungsglück selbst in der Hand“ ist der Untertitel eures Beziehungsratgebers, ich gebe zu, als Journalistin, die wirklich viel auch mit Alleinerziehenden zu tun hat, mit Trennungen und Familiengeschichten, triggert mich das ein bisschen, weil ich da auch mit rauslese, dass die Beteiligten es dann auch einfach selbst schuld sind, wenn die Beziehung scheitert – weil sie ihr Beziehungsglück halt nicht rechtzeitig in die Hand genommen haben. Meint ihr das so?

Natürlich meinen wir das nicht so. Du hast auf keinen Fall Einfluss (Schuld) für ALLES, was dir in deinem Leben passiert. Wir haben diesem Standpunkt sogar ein eigenes Kapitel im Buch gewidmet, das wir mit „Toxische Positivität und die Grenzen von Glaubenssätzen“ bezeichnet haben, um klarzustellen, dass wir das Leben eben gerade nicht kontrollieren können.

Und doch liegt es immer bei dir, wie du auf die Ereignisse antwortest (VerANTWORTung statt Schuld). Letztlich gibt dir dieser Satz wieder die Power zurück. Statt ewig im „Leiden“ über bestimmte Erfahrungen hängen zu bleiben, kannst du durch Bewusstseinsarbeit deine Sichtweise ändern, dich besser abgrenzen, einen liebevolleren Umgang mit dir selbst lernen und damit mit allen anderen. Das geht jedoch auch nicht von heute auf morgen. sondern bedarf Zeit und Geduld.

Meine Mama ist mit 44 Jahren innerhalb von drei Monaten an Leukämie gestorben, mein Papa hat sich sieben Jahre später das Leben genommen … lange Zeit hatte ich dadurch auch dysfunktionale Beziehungsmuster, welche ich durch unsere Arbeit nach und nach transformieren konnte und so heute ein sehr erfülltes Leben mit neuen Antworten für mich lebe. Es bringt dich zurück in die Selbstverantwortung, in den Fahrersitz.

Du wirst wieder zur Regisseurin in deinem Leben und bist nicht mehr (nur) Spielball der Umstände. Natürlich gehören zwei dazu, wenn eine Beziehung scheitert aber eine davon bist eben du. Deinen Teil daran zu erkennen kann sehr powervoll und befreiend sein. Wir arbeiten auch mit sehr vielen Alleinerziehenden in unseren Coaching-Programmen und haben viele alleinerziehende Lesende die uns genau das schreiben, dass die neue Sichtweise auf Ereignisse ihnen Kraft und Mut geschenkt hat. Auf vieles in deinem Leben hast du keinen Einfluss, auf vieles aber sehr wohl.

Dieser SZ-Artikel anbei schildert auch gut den Kern unserer Arbeit: Wenn Liebe nicht mehr reicht. Und natürlich am besten unser Buch selbst lesen. J  

Wir selbst haben einen „Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir“ geschrieben, ihr schreibt nun über „Das Ich im Du“, was hat es damit auf sich?  

„Mehr ich in all dem Wir“ ist ein so wichtiges Element für alle, die viel Care-Arbeit leisten, weil auch wir in unserer Arbeit feststellen, wie wenig Wertschätzung wir gesellschaftlich und so oft auch persönlich für Care-Arbeit haben. Gerade auch im Vergleich zur Erwerbsarbeit und das ist natürlich Teil des Patriarchats, das es zu transformieren gilt. Persönliche und gesellschaftliche Konditionierungen stehen dieser Wertschätzung oft im Weg.

„Das ich im Du“ bedeutet für uns, dass du dich im anderen erkennen kannst. Nicht nur im Partner, sondern letztlich in allen Menschen. Für unsere persönliche Entwicklung brauchen wir Beziehungen, wir sind Beziehungswesen! Dass der andere dir ein Spiegel sein kann und neben all dem Schönen auch deine Verletzungen etc … für dich sichtbar machen kann.

Dadurch wird es möglich, dir deiner eigenen Landkarte, deinem Glaubenssystem und Beziehungsmuster gewahr zu werden und diese gegebenenfalls zu ändern. Wir Menschen gleichen uns in unseren Ängsten und Sehnsüchten oft mehr als uns bewusst ist. Den anderen auch als Spiegel zu begreifen ermöglicht augenöffnende Erkenntnisse, Empathie und gegenseitiges Verständnis und ist somit die Grundlage für Nähe und eine produktive, wertschätzende Kommunikation miteinander.

Mit eurem Buch möchtet ihr zeigen, wie eine erfüllte Beziehung aussehen kann, das haben schon andere vor euch versucht, zu erklären, was macht euer Buch so speziell? 

Wir haben es als Paar geschrieben mit sehr vielen eigenen Anekdoten und verletzlichen und ehrlichen Geschichten. Unsere Leser:innen melden zurück, wie hilfreich das ist und wie sehr sie sich in vielem wiederfinden. Wir haben als Paar vor allem in den ersten sieben Jahren selbst sehr viel gestritten, haben vier gemeinsame Kinder und vieles erlebt, das wird im ganzen Buch spürbar und damit lebendig.

Wir erklären nicht nur, wie eine erfüllte Partnerschaft (theoretisch) gelingen kann, sondern vor allem auch wie eine erfüllte, lebendige und gleichberechtigte Partnerschaft in modernen Zeiten funktionieren kann. Neben unserer persönlichen Erfahrung fließt natürlich auch das Wissen aus Hunderten Gesprächen mit unseren Klientinnen und Klienten ein.

Wie viel Einfluss hat unsere Kindheit auf unsere Beziehungsmuster?

Sehr großen! In den ersten sieben Lebensjahren ist unser Gehirn auf „record“ „aufnehmen + lernen“ programmiert. Wir unterscheiden nicht zwischen gut und schlecht. Funktional und dysfunktional. Wir wollen überleben und unser ganzes System agiert so, wie es dafür erforderlich ist.

Mit einem alkoholkranken Papa haben meine Schwester und ich als Kinder auch immer irgendwie funktioniert, damit es für meine Eltern nicht noch schwieriger wird. Auf meine eigenen Bedürfnisse zu hören und vom damit verbundenen Perfektionismus Abstand zu gewinnen hat einige Jahre an Arbeit gebraucht. Wir können aber auch über unsere Kindheit eine neue Brille aufsetzen, die uns sehr viel dienlicher ist als die bisherige.

Ihr habt dieses Buch als Paar geschrieben, wie kamt ihr auf die Idee und: Gab es auch mal Auseinandersetzungen zwischen euch im Entstehungsprozess?

Erfüllte Beziehung

Wir arbeiten schon seit 2015 zusammen. Chris hat davor als Maschinenbauingenieur promoviert und bei einem Automobilkonzern gearbeitet, ich habe mit 24 mein ersten Unternehmen NECTAR & PULSE gegründet. Um Gleichberechtigung so zu leben, wie wir uns das wünschten, hat Chris mit der Geburt des zweiten Kindes gekündigt und ist bei mir eingestiegen.

Coaching hat uns damals schon immer sehr geholfen, unsere Konflikte im Kern zu klären und deshalb haben wir parallel eine 2jährige Coaching-Ausbildung gemacht. In der Corona-Zeit haben wir unser Coaching-Business gegründet, weil wir endlich das ganze Wissen auch anderen zugänglich machen wollten. Ziemlich kurz nach Launch ist der Ullstein Verlag auf uns zugekommen, ob wir Interesse hätten, ein Buch über all das zu schreiben. Nach einiger Bedenkzeit (ich war gerade schwanger mit dem 4. Kind) haben wir uns entschlossen, es zu schreiben. Zwei Jahre und 400 Seiten später liegt es jetzt vor uns. Ein Wunder.

Klar haben wir auch diskutiert und vor allem am Beginn (konstruktive) Streit-Gespräche über den „richtigen“ Weg, die „richtige“ Struktur und die „treffendsten“ Formulierungen geführt. Irgendwann, nach einem intensiven Gespräch, ist aber der Knoten geplatzt, wir haben die komplette Struktur nochmal umgeworfen und ab da ist es „geflowed“. Wenn wir heute Passagen lesen, wissen wir nicht mehr, wer sie geschrieben hat. Ein Ergebnis purer Co-Kreation. 

Wie lang seid ihr selbst schon ein Paar und wie lautet eure Beziehungsglück-Formel?

2011 haben wir uns in München kennen und lieben gelernt. Das war nur ein halbes Jahr nach dem Suizid meines Papas und so ist viel zusammengekommen. Hals über Kopf verliebt und zu Tode betrübt. Wir haben uns dadurch sehr schnell sehr echt kennengelernt mit allen Hochs und Tiefs und seelischen Abgründen.

Formel: Eigenverantwortung, Kommunikation, Gleichberechtigung, Sex + dass wir uns mit vollen Schalen begegnen. Sprich, dass jeder bereit ist, die eigene Straßenseite zu kehren und der andere nichts kompensieren muss. Dass wir beide an der Beziehung arbeiten und immer wieder überprüfen, was wir gerade brauchen und dies auch aussprechen.

Wann kriselte es zuletzt bei euch und wie habt ihr das gelöst?

Kriseln würde ich das nicht nennen. Wir hatten vor allem in den ersten sieben Jahren immer mal wieder heftige Streits. Obwohl wir uns so sehr lieben. Durch Coaching und Geduld konnten wir diese aber dann immer im Kern lösen und dadurch ist unsere Beziehungsqualität immer besser geworden. Natürlich hat jedes der vier Kinder und jede berufliche Neuentscheidung erstmal alles auf den Kopf gestellt.

Wir hatten immer wenig Unterstützung, keine Großeltern, keine Au-Pairs, wenig Babysitter-Support. Wir mussten durch die gleichberechtigte Aufteilung auch immer mal wieder finanziell verzichten. Der finanzielle Verzicht war nicht immer einfach, weil wir dadurch einfach weniger Sicherheit hatten, aber gleichzeitig war es der größte Invest in unsere Beziehung und Familie. Vieles an dieser Reise war sehr herausfordernd und aber rückblickend sind wir an all dem immer wieder gewachsen.

Wie erklärt ihr euch, dass sich so viele Elternpaare trennen oder scheiden lassen?

Erfüllte Beziehung

Letztlich finden wir es wichtig, generell Scheidung und Trennung nicht so negativ zu sehen, sondern auch als Wachstumschance und natürliche Weiterentwicklung zu begreifen. Die Beziehungsqualität ist dabei grundsätzlich wichtiger als die Dauer einer Beziehung. Dass wir mehrere Partner in einem Leben haben, darf genauso natürlich sein, wie der Wunsch, das Leben mit einem Partner verbringen zu wollen.

Die Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem machen es zudem schwierig, Beziehungen zu priorisieren, weil es für viele auch einfach erforderlich ist, dass beide nahezu Fulltime arbeiten. Wie viele Paare kennen wir, wo beide Teilzeit arbeiten (können), um sich mehr Zeit für Beziehungen zu ermöglichen?

Abgesehen davon gibt es immer noch eine Hürde, sich bei dem Thema Beziehung Hilfe zu holen, weil man sich schämt oder es sich einfach nicht leisten kann. Denn Paartherapie wird ja nicht von der Kasse gezahlt. Bei Männern ist wie so oft die Hürde besonders hoch, sich Hilfe zu holen. Auch sowas wie das Ehegatten-Splitting steht mehr Gleichberechtigung im Weg.

Beziehung bedeutet Arbeit. Im Beruf ist uns klar, dass wir für Erfolg etwas tun müssen. In der Beziehung glauben wir, es müsste von allein gehen. Viele Paare geben zu früh auf und wir erleben immer wieder, dass egal was passiert ist: wenn BEIDE es wollen, sich lieben, dann gibt es meist auch eine Lösung. Wir haben in unserer Praxis einige Paare die sich erst getrennt haben und dann wieder zueinandergefunden haben. Die emotionale und finanzielle Unabhängigkeit ist enorm wichtig, damit beide sich frei wählen können.

Ab wann beginnt die Beziehungsarbeit und welche Grundsteine können wir da möglichst schon zu Anfang unserer Beziehung legen? 

Letztlich nach der Verliebtheits-Phase also ca. nach drei Monaten … Viele finden es hilfreich, sich gleich am Anfang darüber klar zu werden, ob man ähnliche Werte und Ziele teilt. Wo beide herkommen und ob beide bereit sind, sich auch mit ihrer Geschichte und Vergangenheit auseinanderzusetzen um eine kraftvolle Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Und wenn hier jetzt auch Paar mitlesen, die seit 15-20 Jahren zusammen sind und nie wirklich gelernt haben, über Beziehungsthemen zu sprechen. Was ratet ihr ihnen?

Langsam anfangen. Unser Buch gemeinsam lesen und sich darüber austauschen. Das haben tatsächlich einige Paare, die wir kennen so gemacht. Vielleicht auch in Form eines Zwie-Gesprächs oder Kartenspiels mit wertvollen Fragen sich langsam annähern und neugierig erfragen, wo wer steht. Oder aber auch sich gegenseitig Briefe schreiben und Gedanken mitteilen, falls das leichter ist. Häufig ist es einem ja wichtiger, dass sich etwas in der Beziehung ändert … da hilft es, auf den anderen ohne Vorwurf zuzugehen und Weiterentwicklung schmackhaft zu machen.

Was möchtet ihr zu guter Letzt noch allen Paaren mit auf den Weg geben, die grad eine Durststrecke erleben?

Das Leben läuft nie linear, sondern immer mit Höhen und Tiefen. Nach jedem Tief folgt wieder ein Hoch. Wenn es zeitlich und finanziell geht: externe Hilfe holen – ein neutraler, 3. Blick von außen kann so hilfreich sein. Auf sich achten und schauen, was einem grad guttut.

Und wie immer bei unserer Arbeit irgendwann in die Selbstverantwortung gehen: Was will mir das gerade zeigen, wo habe ich noch dysfunktionale Glaubenssätze? Wo grenze ich mich nicht ab? Wo misstraue ich? Seit wann haben wir diese Durststrecke? Was ist passiert? Liebe ich meinen Partner noch? Worin bestätigt mich diese Durststrecke? Was tue ich um dieser Liebe Ausdruck zu verleihen? Etc … also die eigene Liebes-Landkarte verstehen lernen. Eine powervolle Frage für Paare ist auch immer: „Was kriegst du nicht von mir, sodass ich von dir nicht bekomme, was ich möchte?“

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5 comments

  1. Ein Instagram Pärchen aus Berlin, das auf der Coaching Welle surft…
    Wer‘s mag.

    Fachlich gibt es wirklich fundiertere Bücher auf dem Markt.

  2. Huhu

    Ist es Zufall oder gewollt, dass es in euren Artikeln meist um Großfamilien (ab 3 Kindern) geht? 🙂 Fällt mir nur seit langem auf. Ist wirklich nicht böse gemeint 🙂

    Mir fehlen einfach mehr Geschichten über Kleinfamilien, Alleinerziehende und ihr Leben.
    Liebe Grüße Marlene

      1. Tatsächlich ist das nicht so. Wir haben allein 207 Treffer auf der Seiten, wenn man im Alleinerziehende im Suchfeld eingibt, 297 Treffer bei Alleinerziehend. immerhin 55 bei Einzelkind.

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