Nur zu Besuch: Früher Verlust eines Kindes, Fehlgeburt oder stille Geburt

Früher Verlust eines Kindes

Ihr Lieben, es ist fast exakt zwei Jahre her, seit Marga ihre Tochter verloren hat, seitdem ist viel passiert in ihrem Leben, unter anderem hat sie das Buch: Nur zu Besuch: Früher Verlust eines Kindes, Fehlgeburt oder stille Geburt geschrieben, in dem es darum geht, wie Eltern das unfassbar Traurige gemeinsam bewältigen können.

Ich hab Marga Bielesch auf dem Attachment Parenting Kongress persönlich kennengelernt und weiß, dass das Thema bei ihr in guten Händen ist. Eigentlich ist sie Paartherapeutin und führt eine therapeutische Praxis für Sprache, Bindung & Beziehung in Weimar. Wir durften ihr für diesen Beitrag einige wichtige Fragen stellen.

Liebe Marga, ich bin sehr froh, dass es dein Buch gibt, denn man hört es immer wieder, dass Paare so unterschiedlich trauern, dass sie sich irgendwann aus den Augen verlieren. Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen empfiehlst du also für die erste Zeit nach einem Schicksalsschlag?

Früher Verlust eines Kindes
Nur zu Besuch: Früher Verlust eines Kindes, Fehlgeburt oder stille Geburt

Die Erfahrung, ein Kind zu verlieren, ist ein einschneidendes Ereignis im Leben und gleichzeitig das Traurigste, was Eltern widerfahren kann. Es ist gar nicht so einfach, einen Trauerweg zu gehen, wenn man zuvor noch nie mit solch einer emotionalen Belastung konfrontiert war. Der Verlust des eigenen Kindes ist von einer ganz anderen Dimension und unsagbar schwer. Und weil dieser Verlust so schwer und der Weg so dunkel ist, zerbrechen daran manche Beziehungen.

Trauer macht sprachlos, hilflos und ohnmächtig, was zu Missverständnissen in der Partnerschaft führen kann, insbesondere in einer Zeit, in der beide Elternteile äußerst verletzlich und empfindsam sind. Das ist eine immense Herausforderung.

Wie meistern wir diese?

Nicht nur in den ersten Tagen nach einem Verlust, sondern generell dürfen trauernde Eltern ihren ganz persönlichen Weg finden, um ihren Verlust zu verarbeiten. Es ist wichtig, dass sie den Trauerschmerz zulassen, damit er irgendwann heilen kann. Trauern bedeutet, über den Verlust zu sprechen, zu weinen, Erinnerungen zu schaffen und die eigenen Gefühle zuzulassen.

Das Männer und Frauen unterschiedlich sind ist kein Geheimnis und es liegt in der Natur der Sache, dass sie auch beim Thema Trauer auf unterschiedliche Strategien zurückgreifen. Frauen fällt es oft leichter, über ihre Gefühle mit anderen zu sprechen, während Männer in dieser Hinsicht häufig Schwierigkeiten haben. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, in denen Partner*innen auf unterschiedliche Strategien zurückgreifen, wie zum Beispiel beim Thema Arbeiten gehen. Sich dies gegenseitig zu erlauben, ist aus meiner Sicht das Wertvollste, was Eltern für ihre Beziehung tun können. Wenn jeder seinen eigenen Trauerweg gehen darf und sich die Wege immer wieder kreuzen, dann können Paare die Krise gemeinsam bewältigen.

Nun gibt es ja auch ganz unterschiedliche Trauertypen, die eine Person möchte ins Handeln kommen, die andere braucht viel Platz zum Fühlen, andere möchten vor allem durch Fakten verstehen… hilft es vielleicht sogar, das einfach schon mal zu wissen? Um nicht insgeheim zu denken: Der oder die trauert ja gar nicht! Denn trauern tun ja alle… nur eben auf unterschiedliche Weisen…

Absolut, beide Elternteile trauern um ihr Kind, auch wenn es möglicherweise bei einem der beiden offensichtlicher ist. Es ist zudem sehr verletzend, dem anderen zu unterstellen, dass er oder sie weniger oder überhaupt nicht trauert. Dieser Vorwurf kann zu tiefen Verletzungen führen, worüber Paare stolpern werden.

Eins deiner Buchkapitel heißt „Die Welt steht still“. Auch deine Welt stand vor einiger Zeit still, magst du etwas darüber erzählen?

Nicht nur meine Welt stand still, sondern auch die meines Mannes und unserer gemeinsamen Kinder. Es fühlte sich an wie ein Albtraum, aus dem wir nicht aufwachen konnten. Zu erleben, dass unsere Welt stillstand, während die reale Welt sich scheinbar unbeeindruckt weiterdrehte, war besonders schwer auszuhalten.

Als Familie sind wir einen tiefschwarzen, aber auch heilsamen Trauerweg gegangen, und heute können wir sagen, dass wir das gut gemacht haben.

War dein eigenes Erleben, dein früher Verlust eines Kindes, auch der Schlüssel zu deinem Buch? Dachtest du da: Mensch, genau das hätte ich in dem Moment gebraucht?

Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich anderen Eltern Mut machen und sie bestärken möchte. Eine solche Krise zu bewältigen ist schwer, aber möglich. Ich habe dieses Buch aber auch noch aus einem weiteren Grund geschrieben: Ich wollte meinem Kind einen sichtbaren Platz in dieser Welt schenken. Denn wie viele andere Eltern habe auch ich die Angst, dass mein Kind in Vergessenheit gerät.

Ist es ein Unterschied, ob das eigene Kind kurz vor oder kurz nach der Geburt stirbt?

Es ist generell tieftraurig, wenn ein Kind stirbt, egal zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft oder danach.

Wie können wir als Angehörige oder Freunde am besten reagieren, wenn wir das Kind, um das getrauert wird, gar nicht selbst kennenlernen konnten?

Wenn trauernde Eltern es zulassen, ist es wichtig, für sie da zu sein, ihnen zuzuhören, über das verstorbene Kind zu sprechen und Hilfe anzubieten. Es ist entscheidend, auf sie zuzugehen und nicht einen Schritt zurückzugehen. Die Auswahl der richtigen Worte spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Worte, die trauernden Eltern nicht guttun, sind beispielsweise Aussagen wie „Das war doch noch kein richtiges Kind“ oder „Ihr habt doch schon Kinder“. Worte, die trauernden Eltern hingegen helfen können, sind etwa „Ich bin für euch da“ oder „Kann ich euch unterstützen?“.

Was habt ihr es als Paar durch das Tal geschafft?

Wir haben es uns gegenseitig erlaubt, dass jeder seinen individuellen Trauerweg gehen darf, während wir aber auch gemeinsame Trauerrituale entwickelt haben. Gespräche miteinander haben uns geholfen und gleichzeitig haben uns auch Momente des Schweigens gestärkt.

Wichtig war, die Bedürfnisse des anderen im Blick zu behalten, ohne dabei die eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren.

Früher Verlust eines Kindes

Wenn das eigene Kind stirbt, kommt es auch mal zu Schuldgefühlen, wie lässt es sich damit umgehen?

Schuldgefühle können sich entweder nach innen oder nach außen richten und erfüllen dabei eine bestimmte Funktion. Einerseits können sie als unbewusster Versuch gesehen werden, mit Ohnmachtsgefühlen umzugehen und andrerseits, um die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen. Gleichzeitig helfen sie dabei, eine Verbindung zum verstorbenen Kind in einer Welt aufrechtzuerhalten, die aus den Fugen geraten ist.

Schuldgefühle müssen angeschaut werden. Wenn sie nicht angesprochen und verarbeitet werden, können sie Trauer stagnieren lassen. Es ist entscheidend, allen Gefühlen Raum zu geben und sie anzuerkennen, da sie alle Teil des Trauerprozesses sind und ihren Platz benötigen.

In dem Moment des Abschieds stirbt ja nicht nur dein Kind, es stirbt auch eine Zukunftsvision. Wie lässt es sich mit der Trauer weiterleben, wie können Betroffene ihre Resilienz stärken und aktivieren?

Resilienz zeigt sich besonders in Krisensituationen und ist trainierbar. Sie bedeutet, die Krise anzunehmen, aktiv damit umzugehen, Trauergefühle zuzulassen, über den Verlust zu sprechen, Selbstfürsorge zu praktizieren und Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu übernehmen. Resiliente Menschen pflegen Beziehungen zu anderen und holen sich Hilfe, wenn sie alleine nicht weiterkommen.

a4a7ba75c5874fe29018b2c26b650cc6

Du magst vielleicht auch


2 comments

  1. Hallo Lisa,
    das Buch über die „Sternenkinder“ ist sehr wichtig für alle Betroffenen, in der heutigen Zeit ist das Thema kein Tabu mehr und es wird offen damit umgegangen.
    Das ist gut so, sonst tragen alle die verdrängte Trauer ihr Leben lang mit sich herum.
    Meine Mutter hat 1940 geheiratet und das erste Kinde ist nach einem halben Jahr verstorben, es hatte einen Herzfehler, damals konnte man das nicht operieren.
    Sie hat danach noch zehn Kinder bekommen sogar Zwillinge waren dabei.
    in einem ihrer Briefe las ich später, das sie immer mitgerechnet hat wie alt denn nun das erste „Kleine“ geworden wäre.
    Heute ist es problemlos möglich auch Sternenkinder in das Familienstammbuch mit Namen eintragen zu lassen, so haben sie einen Platz in der Familie auch wenn es keine Geburtsurkunde oder Sterbeurkunde oder eine Grabstelle gibt.
    Danke für das Buch.
    LG Conny

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert