Gastbeitrag von Nahla: Wie erziehe ich, wenn die eigene Kindheit schwierig war und das Elternvorbild fehlt?

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Ihr Lieben, als uns Nahla ein bisschen von ihrer Geschichte erzählte, da fragten wie sie: Wie ist es denn als Mutter, wenn die eigene Kindheit schwierig war und quasi das Elternvorbild fehlt? Welchen Weg wählt man dann? Rastet man auch schnell aus und findet die Eltern in sich wieder oder ist man extra bemüht, alles besser zu machen? Und das hier ist ihre Antwort.

Ich bin Mutter von zwei wunderbaren Kindern. Es sind beide Wunschkinder gewesen, denn ich wollte und brauchte eine heile Familie, denn ich selbst hatte die nie.

Meine Kindheit endete sehr früh. Ich war neun Jahre alt, als ich meine Schwester erziehen musste und den ganzen Haushalt schmeißen, da meine Mutter wieder Vaters Hand gespürt hatte. Der Alkohol war schuld daran. Das lernte ich sehr früh.

Ich merkte die brenzligen Situationen als Kind schon, wenn mein Vater die Haustür nachts nicht auf bekam, weil er zu viel getrunken hatte. Dann gab es Stress. Irgendwann flohen wir in ein Frauenhaus.

Meine Mutter gab mit „Tipps“: „Nimm das Make-up, wenn du groß bist, das deckt super die blauen Flecken ab.“

Als wir von zu Hause weg waren, war meine Mutter endlich frei und doch eingesperrt, denn sie hatte ja drei Kinder alleine zu versorgen. Ich half ihr, wo ich konnte. Dann kam meine Pubertät und ich merkte immer mehr, dass das Verhältnis zu ihr sehr schwierig wurde. Ich zog mit 15 von Zuhause aus – mit Zustimmung des Jungendamtes. Damals war ich frisch verliebt und ich wusste nicht wohin, also kroch ich zu ihm ins Bett. Da war es warm und ich hatte die Geborgenheit. Mit ihm wollte ich alt werden.

Fünf Jahre später kam unsere Tochter auf die Welt. Der Anfang war hart. Wie erziehe ich ein Kind? Darf ich es schlagen, wie es meine Eltern bei mir gemacht haben?

Als sie zwei Jahre alt war rutschte mir die Hand aus. Ich weinte danach mit ihr, denn mir wurde bewusst was ich da gerade gemacht hatte. So etwas wollte ich nicht. Es war das erste und letzte Mal, dass das passierte.

Aber ich hatte meine „Ticks“ vom Elternhaus mitgenommen. Ich kann zum Beispiel immer noch keinen leeren Kühlschrank sehen, denn das macht mir Angst. Angst, die ich als Kind erfahren musste. Ich möchte, dass meine Kinder so etwas nie erleben.

Drei Jahre später kam unser Sohn auf die Welt. Ich wusste, ich werde ihm alles geben was mir gefehlt hat. Auch unser Mädchen bekommt vieles, was sie sich wünscht. Sie spielt seit einem Jahr Geige, weil sie das wollte, macht Ballett, darf Reiten am Wochenende. All das, was mir fehlte.

Zu meinen Eltern habe ich keinen Kontakt mehr. Sie mögen meinen „Erziehungsstil“ nicht.

Als mein Sohn einen Trotz Anfall bekam und Opa sich da einmischte, war mir klar, das geht so nicht. Der kleine Mann hatte riesen Angst vor Opa. Und Opa gefiel das. Mein Vater sah den Fehler nicht ein, denn nur so kann man ja Kinder erziehen. Durch Angst.

Das war und ist nicht meine Welt.

Ich habe eine wunderbare Schwiegermutter, die die Kinder über alles liebt, mit ihr klappt es gut. Und ich selbst weiß: Ich kann es besser, als ich es erleben musste.

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4 comments

  1. Dein Beitrag könnte von mir sein…
    …. denn hier war es ziemlich original genauso, wie Du schreibst, liebe Nahla. Allerdings teilweise durch psychische Krankheiten verursacht vermutlich – aber dafür mit dem Unterschied, dass ich es alles immer versucht habe, so aufzufangen, dass es versteckt bleibt und eben somit kein Jugendamt und niemand etwas mitbekommen hat. Bis heute, außer ich spreche darüber. Es hat lange gedauert, das alles aufzuarbeiten. Und durch die Kinder wurde vieles glasklar, wie ich es mir wünsche und wie nicht. Und die Kinder zu schützen. Auch hier war eine liebevolle Schwiegermutter hilfreich. Lieben Gruß, Lena

  2. Ich habe einen Kloß im Hals
    Ich habe einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen! Ich finde es unheimlich mutig darüber zu schreiben und fantastisch, dass du alles besser machst/machen willst

  3. Hut ab vor so viel Mut
    Liebe Nahla, dein Gastbeitrag hat mich sehr berührt. Wenn man selbst aus einem schönen und liebevollen Zuhause kommt denkt man (Zumindestens bei mir ist es so) gar nicht groß über den Erziehungsstil nach. Denn meine Eltern haben es bei meinen Geschwistern und mir ja gut gemacht. Sicher das ein oder andere Element wird ausgetauscht, denn meine Kinder wachsen ja nicht in den Neunzigern auf. Und Lebensstil und pädagogische Erkenntnise haben sich ja doch stark geändert, aber die Basis bleibt. Geborgenheit, Sicherheit, Liebe und der Wille seinen Kinder alles zu ermöglichen. Besonders beeindruckt hat mich das du zum einem trotz schwieriger Vorbilder eine selbstständig handelnde Frau geworden bist die für Ihre Kinder da ist. Und zum andren das du den Mut hättest dich von deinen Eltern zulösen um deine Kinder zuschützen, was sicher kein leichter Schritt war, denn Eltern bleiben nunmal Eltern auch wenn Sie nie gut darin waren. Alles Gute für dich und deine Familie.

  4. Ich kann das alles sehr gut
    Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen. Meine Kindheit bestand auch mehr aus Peitsche als aus Zuckerbrot. Auch ich hätte gerne eine entspanntere, ruhigere Kindheit gehabt, ganz klar! Aber letztendlich hat es auch den Menschen aus mir gemacht, der ich bin. Und das bedeutet auch, dass ich vieles anders (ob das jetzt auch besser ist, wird die Zeit zeigen) mache als meine Eltern. Den Kreislauf zu durchbrechen ist nicht leicht. Ich bin stolz auf meine eigene kleine Familie, dass wir es schaffen einen anderen Weg einzuschlagen.
    Auch wenn ich guten Kontakt zu meinen Eltern habe und mit den Dingen von früher abgeschlossen habe, so kann man es doch nie ganz abschütteln. Es ist Teil von einem.