Nach der Trennung von meinem Mann verliebte ich mich in eine Frau

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Heute möchte ich von mir erzählen, von einem Schritt, der mein Leben grundlegend verändert hat. Ich habe schon zwei Interviews hier gegeben, damals ging es aber um meinen Sohn Paul, der an einer seltenen Form von Essstörung leidet.  Heute aber soll es um mich gehen. Ich schreibe das auf, um meine Gefühle zu ordnen und vielleicht macht es dem ein oder anderen Mut, ebenfalls eine Veränderung zu wagen.

Ich war zwölf Jahre mit einem Mann zusammen. Er ist ein guter Mann und trotzdem war ich in dieser Ehe unglücklich. Es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an. Wir haben zwei Kinder, für unsere beiden Jungs werden ich diesem Mann immer dankbar sein. Lange wollte ich den Kindern keine Trennung zumuten, aber die Frage, ob es das nun war, ob mein Leben nun für immer so bleiben soll, kam immer öfter in mir hoch.

Die Trennung musste sein, tat aber so weh

Mein Mann und ich haben nie gestritten, wir haben aber auch kaum miteinander geredet. Tiefgründig miteinander zu sprechen, den anderen wirklich nah an sich heran zu lassen, das war nicht möglich. Wir lebten nur nebeneinander her. Als ich irgendwann so nicht mehr leben wollte und mich zur Trennung durchrang, hatte ich das Gefühl, alles zu verlieren. Ein Gefühl, das ich sehr gut aus meiner Kindheit kenne…

Meine Eltern haben sich nämlich ebenfalls getrennt. Wie sehr mich diese Trennung mein Leben lang geprägt hat, ist mir erst spät bewusst geworden. Der Verlust meines Vaters war das schmerzhafteste Gefühl, das ich je empfunden habe. Das ist auch der Grund, warum ich mich heute so aufopferungsvoll um ihn kümmere. Viele Menschen können das nur schwer nachvollziehen, denn mein Vater ist schwierig, eigen, manchmal auch kaltherzig und emotionslos.

Er hatte eine schwere Kindheit, hat nie Liebe und Geborgenheit erfahren dürfen. Ich wollte ihm immer nur gefallen und seine Aufmerksamkeit haben. Doch eigentlich prallte das alles immer an ihm ab. Bis heute fühle ich mich innerlich zerrissen, sehne mich nach Ankommen und Geliebtwerden, flüchte vor emotionalem Schmerz, bin oft rastlos und leer. Ich konnte lange nicht über meine Gefühle reden, schämte mich dafür Gefühle zu zeigen, machte viel mit mir selbst aus -dabei wirke ich oft wie mein Vater, das ist wohl ein Selbstschutz, den ich mir über Jahre aufgebaut habe. Auf zwischenmenschlicher Ebene hat mir das oft das Leben sehr schwer gemacht.

Plötzlich war mein Vater ein Pflegefall

Kurz vor Weihnachten 2020 hatte mein Vater einen Schlaganfall, seitdem ist er ein Pflegefall. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich musste ihn also pflegen, meinen normalen Job machen, zwei Kinder erziehen, eine gute Ehefrau sein. Ich funktionierte nur noch. Einige Monate ging das gut, doch ich nahm rapide ab, schlief kaum noch und merkte, dass ich mich selbst komplett verlor.

Und dann kam Claudi in mein Leben, eine ehemalige Arbeitskollegin. Sie hat mich von Beginn an fasziniert. Sie war so präsent, brachte andere Menschen zum lachen. Wir freundeten uns an und mit ihr konnte ich endlich all das besprechen, was mich belastete. Wir haben ähnliches erlebt und sie verstand mich wie keiner zuvor. Wir unternahmen auch Dinge miteinander und zeigte mir wieder, wie schön das Leben sein kann. Sie strahlte so viel Ehrlichkeit aus, gab mir Aufmerksamkeit, sie gab mir das Gefühl, angekommen zu sein.

Meine neue Liebe war eine Frau

Ich empfand Gefühle ihr gegenüber, die ich nicht deuten konnte, die mich quälten. Gefühle, die ich nicht kannte. Ich hatte mich in sie verliebt und hatte so tiefe, innige Gefühle wie noch nie für jemanden zuvor.

Claudi war das letzte Puzzleteil, damit ich mir endlich die Trennung zutraute. Sie half mir, mein Leben neu zu ordnen. Ich sprach mit meinem Mann, fand schnell eine Wohnung in der Nähe. Es war sehr hart, denn mein Mann war natürlich verletzt. In unserem Umkreis stieß ich auf viel Unverständnis, dass ich mein Glück über das meiner Kinder und meines Mannes stelle. Wie ich meinen Kindern die heile Welt nehmen könne und nun auch noch mit einer Frau zusammen sein könne, hieß es….

Nun ist ein halbes Jahr rum und mein Noch-Mann und ich haben einen guten Weg gefunden. Wir gehen respektvoll miteinander um, wir teilen uns die Kinder im Wechselmodell, was bisher gut funktioniert. Ich bin unheimlich stolz auf unsere Kinder, sie machen das großartig. 

Wie es mit Claudi weiterging? Immer wieder prallten zwei emotionale Welten aufeinander, ich musste mich auf mein neues Leben einstellen und gleichzeitig auf Claudi – sie ist eine unglaublich warmherzige Frau, die aber natürlich auch geprägt von ihren früheren Beziehungen ist. Ich selbst tat mich sehr schwer, meine Gefühle zuzulassen, aus Angst, wieder verletzt zu werden. Ich habe vieles falsch gemacht, ich habe Claudi oft das Gefühl gegeben, kein Teil vom Ganzen zu sein.

Manchmal kam mein Leben mir vor wie eine Mauer, die ich einfach nicht überwinden konnte. Ich musste die Gefühlslage meiner Kinder auffangen, die Enttäuschung und Wut von meinem Mann, mich selbst neu finden und Claudis Gefühlslage erkennen und dabei habe ich wirklich mit aller Kraft versucht, allen gerecht zu werden. Ich wollte Claudi eine gute Partnerin sein, doch ich bin gescheitert. Sie lehrte mich, über Gefühle zureden und Emotionen zu zeigen…Doch ich verletzte sie, wir verletzten uns.

Auch diese Liebe hielt nicht

Die letzten Monate waren ein Auf und Ab, wir waren immer ehrlich zueinander, ich habe ihr oft gesagt dass ich Zeit brauche. Doch nun ist es vorbei, wir haben es nicht geschafft.

Claudi war mein Engel, der mir geschickt wurde, als ich am Abgrund stand und hat mich davor bewahrt in ein Loch zu fallen. Sie reichte mir ihre Hand, sie hat mir gezeigt, was ich brauche, um mich selbst zu lieben. Sie hat versucht, mich festzuhalten, immer und immer wieder habe ich sie weggestoßen, bis sie mich nicht mehr halten konnte. Claudi hat mich eine Weile begleitet und nun musste sie weiterziehen lassen, so weh es auch tut.

Nun stehe ich wieder an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich das Gefühl habe, alles zu verlieren. Doch ich weiß, dass ich meinen Weg alleine finden muss, dass ich lernen muss, mich zu lieben. Erst dann werde ich in der Lage sein, mit meinem Vater Frieden zu schließen. Und dann wird auch der Weg auftauchen, der Sinn ergibt. Denn alles im Leben ergibt irgendwann Sinn. Darauf vertraue ich fest.

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5 comments

  1. Oh mein Gott, dass klingt so sehr nach meiner eigenen Geschichte, dass ich mich am liebsten direkt mit der Autorin austauschen möchte. Auch ich habe den Start in ein neues Leben mit einer Frau nicht geschafft, es tut immer noch weh und ich fühle mich in keinem Leben „richtig“.

  2. Ich finde, sie hat das gut geschrieben und auch gemacht. Ich sehe mich selber in dieser Geschichte, obwohl ich ein Mann bin. Ich denke, Vorwürfe sind hier komplett fehl am Platz. Beziehungen kommen und gehen. Gehen sie, ist das kein Scheitern, im Gegenteil. Es ist ein Abschnitt, und man muss loslassen, was sehr schwierig ist.

    1. Marcel
      Hat nichts mit Vorwürfen zu tun. Nicht das ominöse Schicksal lässt Beziehungen scheitern sondern die Beteiligten Menschen. Und wenn ich nicht hinterfragen sondern immer nur wegschiebe, ändert sich nichts. Und wenn Erwachsene nicht die Verantwortung für sich selbst tragen können ( Voraussetzung dafür ist ich kenne mich, bin selbstreflektiert), wer soll es denn dann für sie tun? Wer ist denn für ihr Leben und ihre Bedürfnisse zuständig? Von allein kommt das nicht auch nicht von irgendwelchen Schicksalsmächten.

  3. Das Problem sind hier nicht die Anderen, sondern die Autorin hat nie gelernt für sich selbst zu sorgen. Deine Zufriedenheit, Stabilität, inneres Wohlbefinden kann nur von Dir selbst kommen, dafür bist Du zuständig. Das kann Dir vollständig niemand anderer geben! Solange Du nicht weißt wer Du bist, emotional für Dich sorgen lernst, weiß das auch kein Anderer. Du musst lernen auch nein zu sagen, deine Bedürfnisse zu sehen und respektieren. Sonst machen das die Anderen auch nicht. Partner, Freunde stützen dich, helfen über schwierige Zeiten hinweg, aber man nicht vollständig immer dieses fehlende Selbst(wert)gefühl ausgleichen. Das zerstört jeden Partner. Ein schönes Beispiel ist dein Vater, ja du erkennst woher seine Art kommt, aber das rechtfertigt nicht das du das hinnehmen musst. Du darfst ihn darauf ansprechen, er kann daraus lernen und etwas ändern oder auch nicht, und du musst diese Pflege nicht stemmen. Vergiss die vollständige Aufopferung und lerne wer DU bist, dann hält auch eine Partnerschaft. An eurer Sprachlosigkeit hat nicht nur dein Ex- Mann “ Schuld“ du warst dabei eine Beziehung sind immer mindestens 2!

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