Midlife Crisis: „Ich hab solche Lebenssehnsucht“

Midlife Crisis

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Ihr Lieben, ich hätte nie damit gerrechnet, wie viele sich in meinem Sinnkrise-Text zum Thema Midlife Crisis neulich wiedererkennen würden. Und es tut so gut, zu hören, dass solche wackeligen Phasen ganz normal sind, dass ganz viele Frauen sich irgendwann Gedanken machen, was da wohl noch so auf sie wartet im Leben.

Auch unsere Leserin, die gern anonym bleiben möchte, hat sich abgholt gefühlt von unseren Worten und erzählt uns hier ihre eigene Geschichte und gibt Einblicke in ihre Gefühlslage. Tausend Dank für dein Vertrauen, du Liebe!

Von Umbruchphasen, Sinnkrisen und Midlife Crisis

„Ich gehöre zu denjenigen, die Lisa ermutigt hat, über die „Midlife crisis“ – wie sie es ausdrückt – zu schreiben. Warum?! Weil ich das Gefühl habe, selber mittendrin zu stecken! Und das Umfeld in dem ich mich in meinem Alltag bewege, hat dafür null Verständnis.

Die Frauen um mich herum freuen sich einfach über die Freiheiten, die sich durch das Älterwerden der Kids wieder ergeben und über die Kompetenz, die einem durch das Älterwerden im Job zugesprochen wird. Heute erst hat eine Bekannte mir gesagt, sie habe das Gefühl, jetzt sei die Zeit ihres Lebens.

Sinnkrise: Ich habe mich selbst verloren

Ich hingegen hadere mit dem kompletten Ist-Zustand und hinterfrage alles, was bisher als gesetzt erschien; habe das Gefühl, dass ich jeglichen Kontakt zu mir selbst verloren habe. Für welche Werte stehe ich überhaupt und wofür will ich mich wirklich einsetzen?

Bis vor kurzem dachte ich noch, dass die größte Herausforderung für unsere Familie in den nächsten Jahren die Pubertät der Kinder sein würde. Doch aktuell habe ich das Gefühl, dass meine Midlife-Crisis die wirklich größte Herausforderung für mich und mein Umfeld darstellt.

„Eigentlich würde ich grad gern fast alles verändern“

„Ich will auch wieder einen Job machen, der mir Freude macht und nicht nur organisatorisch ins Familienleben passt – Sport, der richtig gute Laune macht und nicht nur gut für den Beckenboden oder gegen den Speckbauch ist. Freundschaften pflegen, die mit dem Rest der Family nichts zu tun haben…!“ Das Zitat in Lisas Text stammt von mir.

Und das alles ist wahr und ich empfinde es so. Allerdings ist es nur ein Teil der Wahrheit. Der wohl gesellschaftlich eher anerkannte und leicht umsetzbar erscheinende Teil der Wahrheit. In Wirklichkeit spielen so viele Fragen mehr mit hinein. Im wahren Leben weine ich heimliche Tränen, wenn ich Kölsche Musik höre, wo ich doch jetzt in Bayern lebe.

Wo anfangen? Ich stelle grad so vieles in Frage

Ich vermisse meine Freundinnen aus der Schulzeit, weil sie diejenigen sind, zu denen ich trotz seltenem Kontakt und unterschiedlichen Lebensphasen eine sehr enge Verbindung spüre. Ich hadere mit dem Schulsystem hier, habe aber Angst davor, wieder nach NRW zurückzukehren, wo dann eben auch meine Eltern mit ihren Ansprüchen warten, zu denen ich das Verhältnis als toxisch beschreiben würde.

Ich frage mich, ob das von uns gelebte Familienmodell von Eltern, die alleine mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, meines ist… habe ich in jüngeren Jahren das Leben in WGs doch als so bereichernd empfunden.

Wohnort, Partnerschaft, Auszeiten: Alles wackelt

Möchte ich weiterhin auf dem Land leben, wo ich in den Jugendjahren meiner Kinder vorrangig als Chauffeurin fungieren werde und auch selbst für jegliches kulturelle Angebot Auto fahren muss? Ich frage mich, ob es ein Fehler war, meinem Mann lebenslange Treue zu schwören, wo ich nun schon seit so vielen Jahren die Schmetterlinge vermisse.

Ich liebe meine anstrengenden, gefühlsstarken Kinder (Grüße von ganzem Herzen gehen raus an Nora Imlau!). Ich möchte meine Kinder auf gar keinen Fall missen und weiß, dass ich heute sehr unglücklich wäre, hätte mein sehr ausgeprägter Kinderwunsch sich nicht erfüllt.

„Ich würde gern einfach mal wieder nur auf mich schauen“

Aber ich wünsche mir auf der anderen Seite auch unbedingt Auszeiten von den Kids und meinem Partner. Ich sehne mich so sehr nach Entspannungszeiten, in denen ich keine anderen Bedürfnisse befriedigen, keine Gefühle co-regulieren muss, sondern nur auf mich schauen darf.

Seit zwölf Jahren habe ich keine berufliche Weiterbildung gemacht, weil der Fokus diesbezüglich immer auf meinen Mann als Hauptverdiener gerichtet war. Ich war im Zweifelsfall immer für die Kinder und alle Themen drumherum da. Warum?!

Fehlende Vorbilder, Hadern mit dem Körper

Vermutlich, weil beide Herkunftsfamilien uns dieses Familienmodell vorgelebt haben, es für mich an anderen Rollenvorbildern gefehlt hat und das Gehältergefälle sein Übriges dazugetan hat. Auch nachdem ich schon gemerkt hatte, dass die Erfüllung, die ich mir von der Mutterschaft versprochen hatte, für mich damit nicht einhergegangen ist.

Ich hadere mit meinem Körper. Der nicht nur optisch, sondern auch in seiner Funktionsweise nie mehr wie vor den Geburten geworden ist.

Verknallt: Auf der Suche nach Inspiration alte Gefühle wachkitzeln

Und als wären das nicht schon genug Themen, stolpere ich auf der Suche nach Inspiration wie ich wieder mehr zu mir finde, über Social Media über einen Mann. Einen Mann, der mich erstmal tatsächlich dazu inspiriert hat, wieder mehr daran zu denken, was mir früher richtig Freude gemacht hat.

Der bei näherer Betrachtung dann aber auch Gefühle in mir wachgerufen hat, von denen ich dachte, dass ich sie gar nicht mehr empfinden könnte. Und nun bin ich wie ein verknallter Teenager mit Gefühlen für jemanden, den ich im realen Leben nicht mal kenne. Was für eine Farce!

Große Veränderungen mit der Familie umsetzen?

Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Doch vor diesem Hintergrund erscheint mir das Umsetzen großer gemeinsamer Veränderungen mit meiner Familie irgendwie falsch.

Vielleicht muss ich mich aktuell also doch darauf beschränken, die gesellschaftlich anerkannten Themen anzugehen, mir einen erfüllenden Job und einen freudebringenden Sport suchen und wieder mehr Zeit in die eigenen Freundschaften zu investieren.“ Das wäre zumindest mal ein Anfang. Aber ob das reicht?!

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12 comments

  1. Tja, vielleicht wäre es ja Zeit für ein gesellschaftliches Umdenken: Heiraten schon mal gar nicht, keine gemeinsame Wohnung, keinerlei Verantwortung gegenüber irgendjemand anderem mehr, Kinder können jederzeit nach Belieben in „Verwahrstellen“ abgegeben werden.
    Dann wären doch alles für jede/n so, wie sie/er es sich gestalten mag…….nur noch „Lust“ und keine „Pflichten“. Aber ob die Menschen dann zufriedener wären – ich wage es zu bezweifeln.

  2. Zumindest das Problem mit Beckenboden und Spaß lässt sich lösen, da gibt es mittlerweile für verschiedene Vorlieben tolle Angebote. Vom Gefühl her bin ich noch sehr weit entfernt von der Midlife-Crisis, obwohl es vom Alter her nicht mehr lange dauert. Ich war schon viele Jahre auf der Sinnsuche und langsam fühlt es sich so an als wäre ich angekommen. Ich bin gespannt.

  3. Was ein toller, offener Text! Vielen Dank dafür, er hat mich richtig gut abgeholt.
    Auch ich bin 40, mein Kind ist knapp 6 und ich genieße es, mehr Zeit für mich zu haben. Ich habe 12kg abgenommen und fühle mich endlich wieder wohl in meinem Körper. Mein Mann gibt sich Mühe, aber öfter habe ich das Gefühl in einer WG zu leben als in einer Beziehung. Und ich habe mich verliebt. So richtig mit allem drum und dran, langen Gesprächen und ja, miteinander geschlafen haben wir auch. Ist das nun „nur“ Midlife Crisis? Oder sind mein bisher als gut und richtig laufendes Leben eben nur 85% und ich hoffe auf 100%? Ich weiß gerade gar nichts mehr… Es ist eine verwirrende Zeit.

  4. Ich hatte auch sehr viel Streß zwischen 40 und 50, da wünscht man sich oft ein anderes Leben. Mit dem Alter kommt die Zufriedenheit zurück. Auf einmal sieht man wie zerbrechlich alles ist. Etliche Freundinnen sind schon gestorben oder schwer krank. man fängt an das ganz normale Leben zu genießen, die Abwesenheit von Unglück als Glück zu empfinden. Die Suche nach ständigen Hochs ist Gott sei dank vorbei. So geht es zumindest mir und meinen verbliebenen Freundinnen. Vielleicht klingt das alles nach wenig, aber es ist viel mehr als viele Menschen haben. Ich bin übrigens Anfang 60. Zufriedenheit ist auch eine Entscheidung.

    1. Ich schließe mich an, ich bin auch sehr begeistert von Gittes Kommentar. Es steckt sehr viel Weisheit und Lebensklugheit drin.

      Und an die Verfasserin dieses Texts:
      Vielleicht kannst du dir die Möglichkeit schaffen, ein paar Tage oder eine Woche allein zu verreisen – um mal ein wenig Abstand zum Alltag zu bekommen und in dich hineinzuspüren. Du könntest dann versuchen, ob du bereits durch ein paar kleine Maßnahmen eine Veränderung deines Wohlbefindens und deiner Zufriedenheit verspürst.
      Irgendwie klingt dein Text für mich auch so, als ob dir Austausch unter Freundinnen oder Gleichgesinnten fehlt. Gespräche und Treffen mit netten Leuten in der gleichen Lebensphase können sehr nährend und bereichernd sein und viel zu einer guten persönlichen Balance beitragen.
      Wenn kleinere Maßnahmen zu keiner Veränderung führen, würde ich an deiner Stelle evtl. mal ein psychologisches Gespräch in einer psychosozialen Beratungsstelle wahrnehmen (gibt es in praktisch jeder Stadt). In deinem Text klingt Unzufriedenheit in Bezug auf recht viele Themen und Aspekte an. Möglicherweise ist da professionelle Unterstützung sinnvoll und hilfreich.
      Alles Gute für dich!

  5. Schwierig, zeigt allerdings auch, wo das eigentliche Thema liegt. Die Einzige die Dein Leben gestaltet/ gestalten kann bist Du selbst. Also wo war/ ist DEINE Eigenverantwortung/ Selbstfürsorge? Hier stehen “ Ausreden“: die Gesellschaft, Familie, Kinder, Dorfgemeinschaft… Den nötigen Antrieb für Veränderungen musst Du aus/ in Dir finden das kann Niemand Andere/r für Dich erledigen. Und wer hat die Entscheidungen getroffen mit denen Du so haderst? ( Du selbst bzw mit) Im Grunde bist Du unzufrieden mit Deiner eigenen Lebensgestaltung. Ich wünsche Dir eine geduldige liebende Familie, die Du hoffentlich nicht verlieren wirst!

  6. Mir ging es ähnlich. Zwischen 39 und 41 Jahren hatte ich das Gefühl, mein Leben ist vorbei. Ich hab Kinder bekommen, ein Haus gekauft und geheiratet…und war zehn Jahre Hausfrau. Was sollte da noch Schönes kommen. Durch meinen ganzen Frust sah ich das Leben und Glück gar nicht mehr, was täglich bei mir war. Ich bin einmal durch mich selbst hindurch und genieße jetzt die schönste Zeit meines Lebens, weil ich sehe, was ich habe und für mich wieder Kleinigkeiten gefunden habe, die mich erfüllen. Diese Sinnkrisen dürfen sein, man wächst daraus und durchlebt als Frau, anders als Männer, viele Lebensphasen, die mit der Pubertät beginnen.

  7. Vielen Dank für den Text! Ich kann es so gut nachfühlen. Ich bin zwar mit meinem Wohnort zufrieden und beruflich läuft es richtig gut. Mein Partner und ich schenken uns gegenseitig regelmäßige Auszeiten, das sind alle paar Wochen ein freies WE, zwischendrin mal einen Tag oder Abende für Ausgehen und Sport. Das kann ich allen nur empfehlen, dass man auch mal einen WE-Trip für sich allein planen und sich drauf freuen kann. Vielleicht kannst du das mit deinem Mann auch einführen und dann fährst du deine Freundinnen in Kölle besuchen oder du fährst jeweils mit einer in ein Wellness Hotel in der Mitte eurer Wohnorte.

    Diese ständige Verantwortung für Kind, Job und Haus stresst mich allerdings auch und ich denke manchmal wehmütig an meine Studienjahre zurück. Immer in WGs, nur für mich selbst verantwortlich sein, mal in diese Stadt, dann in diese, für Erasmus in ein neues Land, alles kein Problem. Da fühle ich mich schon etwas festgeklebt jetzt.

    Und zu allem habe ich mich in einen Kollegen verknallt! Es ist nichts gelaufen und das hab ich auch nicht vor, aber ich fühle mich wie ein Teenager. Auch ich vermisse die Schmetterlinge so sehr. Falls hier jemand einen klugen Rat hat, wäre ich dankbar!

    LG an alle und Kopf hoch an die Autorin, du bist nicht allein.

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