Interview mit Peggy: Mein Sohn ist fünf Jahre alt und hat eine Essstörung

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Liebe Peggy, Dein Sohn Paul ist fünf Jahre alt und leidet an einer seltenen psychosomatisch hochselektiven Essstörung gefolgt von einer haptischen Wahrnehmungsstörung. Was genau bedeutet das? 

Paul hat von Anfang kein Brei gegessen oder Interesse am Essen gezeigt. Deshalb habe ich ihn ein Jahr voll gestillt und ein weiteres Jahre zusätzlich gestillt. Er zeigte schon früh Abneigung gegen weiche Konsistenzen, er wollte sie weder anfassen noch probieren noch riechen. Heute ist es so, dass er nur ein paar Brotsorten, Pudding, Äpfel und Bananen isst. 

Mein zweiter Sohn war da ganz anders. Er war ein guter Esser, war interessiert, matschte rum. Leider guckt sich der Kleine jetzt das Essverhalten seines Bruder ab, so dass jede Esssituation bei uns belastet ist. 

Ich könnte mir vorstellen, dass man als Eltern zuerst denkt, dass das Kind halt ein heikler Esser ist. Wann wurde Dir bewusst, dass das Verhalten Deines Sohnes "mehr" ist?

Paul war immer irgendwie anders und ich hatte sehr schnell im Gefühl, dass das nicht "normal" ist. Bei jeder U-Untersuchungen habe ich es abgesprochen, aber es wurde immer verharmlost. Die Ärzte sagten, dass sei nur eine Phase und ich müsse konsequenter sein. Heute weiß ich, dass man für eine genauere Beobachtung kämpfen muss. Ich habe also durchgesetzt, dass ein Blutbild gemacht wurde, dass er organisch untersucht wird und auch, dass er einen Integrations Status bekommt. 

Was habt Ihr anfangs probiert, um Paul an anderes Essen zu gewöhnen und wie war seine Reaktion darauf? 

Wir haben Paul nie zum Essen gezwungen oder ihm einfach Essen reingeschoben.Wir haben aber probiert, ihn abzulenken. Es gab also schon Fernsehen beim Essen, wir haben es spielerisch versucht, wir haben Motive aus Essen gelegt, ihn beim Zubereiten einbezogen – es interessierte ihn alles nicht. Wenn wir ihn gebeten haben, zu probieren, hat er gebrüllt und sich gewehrt. Heute kommt er einfach nicht mehr an den Tisch, weint und wenn man es ausreizen würde, würde er das Essen erbrechen. 

Wie wurde in der Kita auf das Problem reagiert?

Anfangs wurde immer wieder probiert, ihm was auf den Teller zu tun, – aber er duldete ja nicht mal den Teller vor sich.  Inzwischen sucht er sich Brotkanten aus dem Korb und ab und isst er mal Apfelmus.

Du hast erzählt, dass Paul mittlerweile Ausgrenzung dadurch erfährt. Wie sieht diese aus? 

Ja, es gibt nur wenige Freunde, die hinter uns stehen und die wissen, was los ist. Unsere Familie ist zweigeteilt. Die ältere Generation meint, wir hätten ihn wohl verwöhnt und etwas falsch gemacht. Ich bin es leid, mich ständig rechtfertigen zu müssen. Ich kann auch nicht mehr hören, dass nur eine Phase sei. Bei Paul ist es schon immer so – es ist nicht nur eine Phase. 

Auch von Gleichaltrigen gibt es Kommentare. Paul wird geärgert, weil er ein anderes Lunchpaket bekommt, wenn ein Ausflug ansteht. Außerdem ist er in der Koch AG, da gab es viele Hänseleien, warum er überhaupt dabei ist. Durch seine Ernärhung fehlt ihm auch oft Energie und Kraft, um bei bestimmten Spielen mitzumachen, was natürlich zu einer Ausgrenzung führt. Genau, wie er zum Beispiel nicht mitmalen kann, wenn Fingerfarben verwendet werden – die kann er nicht anfassen. 

Es ist also so, dass die einseitige Ernährung bereits gesundheitliche Auswirkungen hat?

Ja, es fehlt ihm eben an Kraft und Energie. Er bekommt deshalb Vitamin B12; Vitamin B, Eisen und auch etwas Stuhlaufweichendes, sonst könnte er nicht auf die Toilette gehen. 

Nun hast du Hoffnung, dass eine Therapie Hilfe bringen könnte. Was ist das für eine Therapie?

Die Klinik Notube in Graz/Österreich ist spezialisiert auf Frühkindliche Essstörung und Sondenentwöhnung. Es nennt sich auch Esslernschule. Spielessen sind dreimal täglich ein wichtiger Bestandteil dieser Therapie. Seit 35 Jahren wird nach dem "selbst erfunden" "Grazer Modell" therapiert – mit hoher Erfolgsquote

Diese Therapie ist sehr teuer, oder? 

Die Therapiekosten belaufen sich auf 8640€ für 2 Wochen, dazu kommen Unterbringung in der Hauptsaison, Flüge und Verpflegung. Leider zahlt die Krankenkasse dafür nicht, da der therapeutische Nutzen dieser Esslernschule noch nicht vom Bundesausschuss bewertet wurde. 

Wie können unsere Leser Euch helfen?

In dem sie uns helfen, diese Störung bekannt zu machen. Ich würde gerne einen Verein gründen, um anderen Betroffenen zu helfen. Wenn hier jemand mitliest, der ebenfalls Betroffen ist, könnte gerne ein Austausch stattfinden. Man muss wirklich unterscheiden zwischen dieser frühkindlichen Störung und einem einfach mäkeligem Essverhalten. 

Und ich würde mich sehr freuen, wenn Leser uns mit einer Spende unterstützen würden, damit wir mit Paul in die Grazer Esslernschule gehen können. Ich setze große Hoffnung in diese Therapie, damit ihm geholfen werden kann. HIER gibt es alle Infos zu der Spendenmöglichkeit und die Gofundme- Kampagne. 

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8 comments

  1. Esstörung
    Hallo,
    mein Sohn hat Down Syndrom. Bei Kindern mit Down Syndrom, wie auch bei Menschen mit Autismusspektrumsstörung kommen Essstörungen häufiger vor.
    Bei meinem Sohn war Stillen und Brei kein Problem. Aber alles Stückige hat er abgewehrt. Wir sind seit er 1 Jahr alt ist in logopädischer Behandlung deswegen. Wir haben rausgefunden, dass er Wahrnehmungsstörungen im Mund und Händen hat, die im Mutterleib aus einem Keimblatt entstehen. Deshalb hat man immer an beiden Stellen gleichzeitig eine Wahrnehmungsstörung. Bei uns war auch Essen in die Hand nehmen lange ein Problem.
    Er macht gerade große Fortschritte und kann jetzt kleingeschnittene, weichen Nahrung essen z.B. Nudeln mit Bolognese Soße. Brot ist für ihn das schwierigste.
    Das Therapiezentrum Even in Baiersbronn arbeitet u.a. auch an Essstörungen. Und da kann man mit Rezepten über Logo, Ergo und Physio vom Arzt verschrieben hin und man muss nur die Unterkunft zahlen. Ich war allerdings noch nicht selbst dort. Auch in München und im SPZ Maulbronn arbeiten sie zumindest mit behinderten Kindern an Essstörungen auf Rezept.
    Von dort habe ich bisher auch nur gehört.

  2. Essstörung meines Sohnes
    Hallo, ich hätte auch großes Interesse an dieser FB Gruppe. Mein Sohn hat auch eine sensorische Essstörung.
    Lieben Dank euch!
    Julia

  3. Kontakt
    Hallo Peggy,

    ich weiß nicht, ob du schon in der Facebookgruppe in der sich mittlerweile über 250 Betroffene zusammengefunden haben und sich regelmäsig austauschen.

    Ich bin die Gründerin dieser Gruppe da mein Sohn ebenfalls seit Geburt mit dieser Essstörung lebt.

    Ich habe großes Interesse mich mit dir bezüglich einer evtl. Vereinsgründung mal aus zu tauschen. Wie kann ich dich denn erreichen?

    Liebe Grüße
    Carina

  4. Essstörung bei 5 jährigem Sohn
    Liebe Peggy,
    Du sprichst mir aus der Seele. Mein Sohn ist auch 5 Jahre alt und leidet unter nahezu der gleichen Ess- und Sensorik-Störung, die Du beschreibst. Ich wäre interessiert an einem Austausch oder auch daran, Mitglied in Deinem Verein zu werden.
    Wie können wir in Kontakt treten? Schreibst Du mich an?
    Herzliche Grüße
    Ivonne (aus dem Norden Deutschlands)

    1. Essstörung Paul
      Hallo Ivonne, gerne können wir über Email Esslernschulegraz@web.de weiter kommunizieren.
      Seit dem ich den Weg in die Öffentlichkeit gewagt habe und es mir unheimlich viel Kraft kostet, habe ich sehr viele Nachrichten von Betroffenen Familien erhalten die mir die Kraft geben weiter zu machen, nicht alleine zu sein und da kam mir der Gedanke ein Verein zu gründen, um sich auszutauschen um anderen Familien Unterstützung zu bieten die aus finanziellen Mitteln nicht die Mühe aufbringen können eine Therapie zu machen. Über diese frühkindliche Essstörung aufmerksam machen, ich denke viele wissen garnicht das es ein Namen dafür gibt. Ein umdenken der Krankenkassen will ich erreichen, das betroffen Kindern schneller geholfen werden können.
      Ich arbeite grad an einer Website um irgendwie alles mit dieses Thema unter einem Hut zu bekommen, zu informieren, Betroffene vielleicht in einem Forum zusammen zu bringen um sich austauschen, Tipps zu geben ect.
      Gerne kannst du mir deine Leidensgeschichte mal mitteilen, was habt ihr alles schon probiert, ist dein Sohn in Behandlung, wie äußert sich bei ihm die Krankheit? Vielleicht auch ein paar Eckdaten zu eurer Person, Familiensituation ect. Lg Peggy

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