Gastbeitrag von Susanne: Wenn der Start ins Leben eines Kindes anders verläuft als erhofft

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Ich gehöre zu den Mamas, die man während der Schwangerschaft als Risikoschwangere bezeichnete: Ich war 40 und schwanger mit dem 2. Kind. In der Praxis bedeutete das engmaschigere Kontrollen und Besuche im Perinatalzentrum. Dort wurden Untersuchungen gemacht, die ich in höchster Auflösung und auf einem riesigen Flatscreen verfolgen konnte. Ein Arzt sagte: Na, da ist ja alles super in Ordnung mit dem Baby. Herzlichen Glückwunsch!“

Mich beruhigte das damals und ich konnte mich weiter mit meiner „Hypnobirthing-CD“ und viel Entspannung auf die Geburt vorbereiten. Diesmal sollte es eine perfekte Geburt werden. Und tatsächlich – es ging terminrecht los und lief komplikationslos. 

Die erste Nacht verbrachte ich noch im Krankenhaus, aber ich wollte schnell nach Hause und meine Babymoon-Zeit im eigenen Bett verbringen. Zu Hause fiel mir bald auf, daß unser Sohn nicht mehr richtig trank und sich übergeben musste. „Ach, der muss sich bestimmt noch an alles gewöhnen und vielleicht ist ihm noch schlecht von der Geburt", wollte uns eine gute Freundin beruhigen.

Doch unsere Hebamme bestätigte meine Bedenken und riet uns: „Fahrt noch mal in die Klinik! Lieber einmal mehr geguckt als einmal zu wenig!“ Bis heute sind wir ihr so unendlich dankbar, denn sobald wir wieder in der Klinik angekommen waren, sah ich nur noch in ernste, sorgenvolle Gesichter von Ärzten und Schwestern. Unser Kind bekam Infusionen in den Kopf, es wurden Ultraschalluntersuchungen gemacht und ich hörte irritierende Sätze wie„wir nehmen ihn zur Beobachtung mit auf unsere Intensivstation“.

Es dauerte dann weitere 7 Stunden bis unser tapferer kleiner Indianer zur Überfahrt in eine spezialisierte Kinderklinik vorbereitet wurde. Während der Oberarzt uns mitteilte, dass er die Fahrt im RTW begleiten würde, fuhr auch schon unser komplett verkabeltes Baby im Inkubator an uns vorbei. Wir Eltern mussten im Auto hinterher fahren. Bis heute weiß ich nicht, wie wir das geschafft haben – ich kann mich tatsächlich an keine Details dieser Fahrt erinnern. Ich stand wohl unter Schock. 

In der Kinderklinik ging der Albtraum direkt weiter, da uns die diensthabende Nachtärztin sofort über die Operations- und Narkoseunterlagen aufklärte. OP? Mein Kind gehörte doch eigentlich mit mir in mein frischbezogenes Bett mit dem hübschen neuen Stillkissen. Doch unser gerade mal 48 Stunden altes Baby litt unter Morbus Hirschsprung, einer sehr seltene Fehlbildung des Dickdarms und befand sich bereits auf dem Weg zu einer lebenserhaltenden Notoperation. Als er das überstanden hatte, mussten wir weitere drei Wochen in der Klinik bleiben – und in den nächsten sechs Monaten standen weitere zwei OPs an. 

Wie habe ich mich in dieser Zeit gefühlt? Der anfängliche Schock wich schnell Gefühlen der extremen Traurigkeit, Wut und auch Scham über diese Situation.

Ich empfand mich selbst am Anfang als extrem hilflos in der Situation, da ich auf nichts vorbereitet war. Ich wusste weder wie eine Kinderintensivstation aussieht, noch wie die Abläufe dort sind. Ich wusste nichts über die Routinen dort und was dort im Alltag abläuft. Alles machte mir erstmal Angst. 

Ich habe während der drei Klinik-Aufenthalte viele Mütter kennengelernt, und jede hätte sich psychosoziale Unterstützung gewünscht – doch die wird nicht in jeder Klinik angeboten. Jede Mutter hat in ihrer Situation andere Fragen, die individuell geklärt werden müssen. Wer sorgt sich um das Geschwisterkind zu Hause? Wo kann ich kliniknah schlafen, wenn eine Unterbringung im Klinikzimmer nicht möglich ist? Mütter, die noch nie gestillt haben, weil es das erste Kind ist, benötigen Einweisung beim Abpumpen der Milch. Das kann das medizinisch hochgeschulte Personal auf einer Neonatalen Intensivstation nicht auch noch bieten. Eltern fühlen sich deshalb oft alleine und die Gefühlswelt der Mütter und ebenso der Väter ist tief erschüttert.

In dieser Zeit benötigt es viel Zuspruch und Hilfestellung von außen. Den Eltern ist es gerade nämlich nicht möglich, das tiefe Grundbedürfnis von Nähe, Kuscheln und intensiver Babymoonzeit zu genießen. Wir fragten uns: Wie kann ich diese Zeit trotz aller widrigen Umstände bindungsorientiert nutzen? Wie kann ich Nähe herstellen? Was tut mir selbst gut? Wer oder was bietet Hilfe, gibt Kraft, was reduziert den Klinikstress?

Jedes 100. Baby wird mit einem Herzfehler geboren und wir haben in Deutschland mit einer Frühgeborenenrate von etwa 8,6% (vor der 37. Schwangerschaftswoche) eine der höchsten in Europa. Von allen Frühgeborenen werden 10% vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren. Es gibt also viele Babys, die  einen „intensiven“ Start ins Leben haben und es gibt viele Eltern, die in dieser Zeit Hilfe brauchen. 

Mir ist es wichtig, für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir haben eine wunderbare medizinische Versorgung in Deutschland,  aber jeder weiß, dass es einen Pflegenotstand gibt. Die Ärzte, Schwestern und Pfleger leisten so viel für die Babys, aber sie haben oft keine Zeit mehr, sich auch noch um die Eltern zu kümmern. Ich kämpfe aber dafür. dass ein Klinikaufenthalt nicht zwingend traumatisch für die Eltern wird, wenn das Kind einen schwierigen Start ins Leben hat. 

Ich selbst arbeite ein Coach und hatte in der Zeit ein gutes Netzwerk an Kollegen, die mir weitergeholfen haben und mir Kraft gegeben haben. Und ich hatte Unterstützung von meiner Familie. Und trotzdem hatte ich viele verzweifelte Stunden, in denen ich sehr einsam am Klinikbett gesessen habe. Ich weiß, dass es vielen vielen anderen Eltern genauso geht. Und deshalb habe ich ein mutmachendes kompaktes Buch geschrieben, das genau diesen Eltern für diese intensive Zeit Tipps gibt. Ich habe schon viele Rückmeldungen von Eltern und Elternvereinen bekommen, denen es sehr geholfen hat und dafür bin ich sehr sehr dankbar!

—-Mehr Infos zu der Autorin und zu dem Buch unter:  www.susannebuerger.combuerger cover rz

 

 

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5 comments

  1. Wir stecken gerade in einer
    Wir stecken gerade in einer ähnlichen Situation. Unsere im Bauch gesunde Tochter liegt seit 2 Wochen auf der Intensivstation. Sie hatte 2 Infarkte und unser Leben ist mit einem Mal ein völlig anderes.

    1. Alles Gute!
      Liebe Nina, alles Liebe und viel Kraft! Für alles was bei Euch kommt wünsche ich viele helfende Hände! Herzlichst, Susanne Bürger

    1. Erklärung
      Liebe Jennifer, nein, es handelt sich hierbei nicht um Werbung. Es ist kein Geld geflossen, es gibt keinen Deal. Das Buch am Schluss ist lediglich ein Hinweis darauf, dass die Autorin sich noch mehr mit der Materie beschäftigt hat, über die sie hier gerade schreibt, das macht das Geschriebene ja nochmal glaubhafter, weil es zeigt, dass sie sich wirklich auskennt. Außerdem sehen wir es als Service- Aspekt für alle, die gern mehr zum Thema wissen möchten. Ganz viele liebe Grüße!

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