#Mamawowarstdu: Warum gibt es von Müttern kaum Fotos?

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Ihr Lieben, euch ist das bestimmt auch schon mal aufgefallen: Wenn ihr durchs Familienalbum blättert oder durch euren Handyspeicher scrollt, dann sind da Bilder von all euren Lieben, aber jemand fehlt: Ihr selbst nämlich. Da kann man sich schon mal fragen: Mamawowarstdu?

Wir selbst mögen die meiste Zeit mit den Kindern verbringen (in den meisten Familien ist das noch immer die Mutter), aber wir kommen auf den wenigsten Fotos vor. Weil wir natürlich eher das Außergewöhnliche knipsen als das Alltägliche. Eher den Fahrradausflug als das Suppe rühren, eher den Papa, der mal frei hat und mitkommt, als die Mama, die eh jeden Tag da ist und Care-Arbeit leistet. Natalie Stanczak von Sandsack Fotografie (ihr kennt sie vielleicht auch von Faces of Moms) möchte das ändern.

Als Fotografin und Mutter setzt sie sich für mehr Sichtbarkeit von Müttern* und Sorgepersonen im Familienalbum und in der Gesellschaft ein. Hier kommt ihr Gastbeitrag.

Fotos von Müttern: Ein Akt der Sichtbarmachung

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»Es ist ein Paradox: Obwohl Mütter* immer noch die meiste Care-Arbeit leisten, sind so wenige auf (Familien-)Bildern zu sehen. Ich möchte Mütter* dazu ermutigen, sich selbst zu fotografieren und es einzufordern, fotografiert zu werden. Es ist kein Akt der Eitelkeit, es ist ein Akt der Sichtbarmachung. Sorgende haben das Recht auf Sichtbarkeit.«

Meine Kinder spielen am Strand mit Papa. Ich hole meine Kamera heraus und mache unendlich viele Bilder, wie sie lachen, wie sie sich mit Wasser bewerfen, bis jemand weint, Sand im Auge. Wie Papa tröstet und umarmt, schlichtet und verarztet. Am Ende wird ein ganzes Album daraus, wie sie miteinander in Verbindung waren. Damals als wir im Urlaub waren.

„Mama, wo warst du eigentlich?“

Ein paar Wochen später sitzen wir zusammen auf dem Sofa und schauen uns die Alben an. Sie sind so schön geworden, voller Emotionen, Informationen und Erinnerungen. Alle klopfen auf meine Schulter. Denn ich habe nächtelang diese Alben voller Hingabe gestaltet. Ist ja auch mein Job, als Mama, Fotografin und Erinnerungensammlerin per se. Am Ende des Buches fragt mein Kind „Mama, wo warst du eigentlich, als wir mit Papa im Urlaub waren?

Es fällt bis dato niemandem auf, dass ich auf keinem der Bilder zu sehen war. Weil ich hinter der Kamera war. Weil ich schon immer hinter der Kamera war. Und nun fiel es mir zum ersten Mal auch selbst auf, wie wenig ich eigentlich auf Fotos zu sehen war, im Vergleich zu dem, wie sehr ich doch die Hauptrolle in der alltäglichen Care-Arbeit einnahm. Als ich mit dieser Erkenntnis online ging, bekam ich so viele Nachrichten von Müttern* und Sorgepersonen, denen es genauso ging. Mütter*, die nie bis selten auf Bildern zu sehen waren. Das war nicht ok und ich wollte das ändern.

Entstehung der Challenge #Mamawowarstdu

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Aus dieser Überlegung heraus entstand vor 2,5 Jahren die #Mamawowarstdu Challenge, in der ich Müttern* oder Sorgepersonen Ideen zu bestimmten Themen vorgab, immerhin Selbstporträts von sich zu machen bzw. auch machen zu lassen. Texte und Fotos von sich allein zu haben, hatte irgendwie etwas Revolutionäres. Denn es ging schlussendlich nicht nur um Fotos und ein paar Gedanken dazu, sondern ums Sehen und Gesehenwerden. Um Subjektwerdung im Mutteralltag.

Und vor allem auch um Raum und Zeit für „DINGE, DIE AUF DEN ERSTEN BLICK KEINEN KAPITALISTISCHEN UND KÜMMERNDEN SINN HABEN. UND AUF DEN ZWEITEN BLICK AUCH NICHT. ZEIT IST LUXUS.“ (Zitat Mareice Kaiser). Es ging um Raum und Zeit für sich und das Aufbrechen tradierter Mutternormen.

Die Bedeutung der Bilder

Bilder sind Teil der eigenen Familiennarration und es ist wichtig, dass Mütter* und Sorgepersonen in diesen Narrativen vorkommen und sichtbar sind. Und somit auch für weitere Generationen, denn Bilder bestimmen mitunter unsere Biografien. Sie werden Teil einer bestimmten Familiengeschichte, die eingebettet sind in Welten.

In diesen Welten fehlen Mütter* schlichtweg, wenn sie nicht auf Bildern sind. Und dabei spreche ich nicht von Selfies oder ritualisierten Bildern an Weihnachten oder Gruppenfotos an Geburtstagen. Ich denke an Bilder aus dem Alltag. Bilder von Care-Arbeit, von Liebe, Freude, Trauer, Wut, all die Gefühle und Belanglosigkeiten die Mutter*- und Elternschaft ausmachen.

Das eigentlich eher belanglose, private Thema des Erinnerungen Sammelns zeigt deutlich, wie strukturelle Ungleichheit gegenüber Müttern* und Sorgepersonen auch im eigenen Familienalbum verankert ist. Auch hier wird das Private zum Politikum.

Ja, ein „Mütter*-Foto-Gap“ sozusagen

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Ja, es gibt ihn tatsächlich, einen „Mother-Foto-Gap“, also die Lücke bei der Repräsentation von Müttern* auf Familienfotos. Obwohl Mütter* in der Regel die meiste Care-Arbeit leisten, sind sie oft nicht auf alltäglichen Familienfotos zu sehen.

Ich selbst muss ja auch erstmal selbst daran glauben, dass ich ein Recht darauf habe, gesehen zu werden.

Oft wird die Schuld dabei wiederum Müttern zugeschrieben. Carepersonen könnten sich doch eine Fotografin buchen oder andere Menschen fragen, ob sie ein Bild von ihnen machen. Aber so einfach ist das oft nicht. Nicht für alle. Und das ist ein Problem! Denn es geht wie so oft auch um Ressourcen. Um finanzielle, zeitliche und individuelle Ressourcen.

Die Sehnsucht hinter den Bildern verstehen

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Es muss Menschen um uns herum geben, die die Sehnsucht hinter den Bildern verstehen, Bilder auch mal in ungestellten Momenten machen, die verstehen, welchen Wert diese Bilder haben. Auch die Mütter* selbst. Noch vor ein paar Jahren hatte ich den Glaubenssatz, dass ich es nicht wert genug bin, Fotos von mir selbst zu haben und zu machen. Dass es arrogant ist, sich selbst zu fotografieren, dass es peinlich ist, andere zu bitten, Fotos von mir zu machen. Dadurch sind mir viele wichtige Bilder und auch Erinnerungen verloren gegangen.

Es hat lange gedauert, bis ich für mich den Wert hinter den Bildern verstanden habe. Dass es eben nicht um die Anderen geht, sondern um mich. Für mich selbst. Dass ich kein Einverständnis brauche von niemandem. Um positive als auch schmerzhafte Erinnerungen zu verarbeiten. Sich von außen zu betrachten hat etwas Heilsames für mich.

Dokumentarische Familienfotografie, die den Alltag einfängt

Diese Gefühle auch in meinen Erinnerungen zuzulassen. Das habe ich lange so nicht gesehen. Deshalb liebe ich auch die dokumentarische Familienfotografie, weil sie eben alles zulässt. Es ist meine Art, Erlebtes aufzuarbeiten. Und auch ein großes Privileg, dass ich dafür überhaupt Raum und Zeit einfordern kann und auch bekomme.

Aber seitdem ich das tue, geht es mir besser. Ich sehe und spüre mich. Mehr und anders. Positiver. Fotografie ist meine Form des Ausdrucks geworden. Und das habe ich vor allem meinen Selbstporträts und der dokumentarischen Familienfotografie zu verdanken. Weil diese Bilder eben so viel mehr für mich sind als nur ein reiner Abzug.

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„Je weiter die Zeit zwischen Aufnahme und Betrachtung, desto mehr sehe ich mich konfrontiert mit dem, was im Bild ist. Ich sehe mich von außen betrachtet. Durch den Blick einer Anderen. Es ist vielmehr als die Erinnerung von etwas tatsächlich Erlebtem. Es trägt oft eine Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die ich vielleicht erst Jahre später checke, weil ich mich in diese Bilder vertiefe, weil „ich sehe, ich fühle, also bemerke ich, ich betrachte und ich denke.“ (Barthes, 1989, Die helle Kammer). Oder vielleicht auch gar nichts von all dem.“

Hier der Link für meine #mamawowarstdu Challenge, und mein Anliegen, wenn es um Selbstporträts gehen soll.

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12 comments

  1. Das ist bei 90% der Familien ganz sicher andersherum, aber dass moderne Frauen und Sternchenmenschen in einer Parallelwelt leben, in der sie aber auch wirklich immer das arme Opfer sind, ist ja nichts neues.
    (Mein Vater trägt es übrigens mit Fassung, dass er nie auf Bildern ist, weil er sie gemacht hat.)

  2. Ich kann es einfach nicht fassen wie viele Klischees über Mütter in diesem Text vorkommen. Das gibt mir wirklich zu denken: als ob Familien wirklich so stereotyp seien, dass „wenn der Papa mal Zeit hat und mitkommt“ davon sofort Bilder für’s Album produziert werden. Also ein flacheres Thema als dieses kann man wirklich nicht als Text verwursten. Schade!

    1. Danke empfinde das Thema auch an den Haaren herbei gezogen. Ich bin oft mit auf den Fotos, sogar als Alleinerziehende. Im Gegenteil in unserer Familie waren immer eher die Männer diejenigen mit dem Fotoapparat. Zumal heute Jede/r ein Handy hat und nicht mal die Kamera umständlich erklärt werden muss oder erst weitergereicht. Und Mütter sind weiblich ohne Sternchen!

  3. Was soll denn das Sternchen hinter „Mütter“ immer? Schließen wir damit jetzt auch nicht weibliche Care-Personen ein, die sich nicht als Mutter oder Vater sehen? Wieso ist dann kein Sternchen hinter „Väter“? Wenn das so weiter geht, sind deutsche Texte bald nicht mehr lesbar.

    1. Richtig. Ich brauche keine „#Challenge“, um mich in meinem privaten Urlaubsalbum abzubilden (da bin ich drauf so oft ich will), sondern fühle mich als Frau und Mutter eher dann unsichtbar gemacht, wenn ich im öffentlichen Sprachgebrauch unter ein Wortungetüm wie „Mütter* und Sorgepersonen“ subsumiert werde (dagegen kann ich nichts tun als mich zu ärgern).. achja.. und diesen Kommentar dazulassen.

  4. Tatsächlich habe ich mir schon Fotos aus dem Alltag zum Geburtstag gewünscht: Nein Bruder, der Patenonkel meiner beiden Kinder, hat uns einen Tag lang mit der Kamera begleitet. Die Ergebnisse waren so natürlich wie das Leben und unwahrscheinlich wertvoll für mich. Zeit statt Zeug ist eben oft das beste Geschenk. Aber man muss sich in Anwesenheit des Menschen mit Kamera auch tatsächlich wohlfühlen können.

  5. Das ist bei uns ebenfalls so. Ich habe es immer wieder mal angesprochen, aber trotzdem kommt mein Mann meistens nicht auf die Idee spontan die Kamera zu zücken und ein paar Schnappschüsse zu machen. Mittlerweile frage ich aktiv danach, auch wenn ich mir dabei immer noch etwas komisch vorkomme. Leider sind es aber dann eben keine spontanen Momentaufnahmen, was ich sehr schade finde. Daher finde ich es ebenfalls umso wichtiger, dass für dieses Thema eine gewisse Sensibilität geschaffen wird.

  6. Das ist meinem Mann und mir auch schon aufgefallen. Auf den Fotos sind so oft Papa und die Kinder, aber Mama nur selten…
    Um das zu Ändern muss ich wohl immer wieder Selfies machen, auch wenn mir das eigentlich widerstrebt.

    1. Häh. Also, die Frau in dem Text ist nunmal Fotografin. Ist es da nicht naheliegend, dass sie auch in der Familie häufig fotografiert? Bei uns ist es umgekehrt: mein Mann fotografiert gerne und deswegen gibt es von ihm nicht viele Fotos.

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