Liebe Regina, Du hast mir nach meinem Artikel über den Krebsverdacht bei meinem Kind geschrieben. Du kennst die Situation, wenn ein Satz das ganze Leben ändert. Dein Sohn Johannes wird im Dezember neun und ist schwer krank.
Ja, Johannes hat ein Neuroblastom. Das ist ein Tumor, der sich aus embryonal entarteten Nervenzellen entwickelt. Dieser wird je nach Befund in 4vierStadien eingeteilt und in eine Risikogruppe (Low-,Mid- oder High ). Johannes ist auf Grund seines Altes ein High Risk Patient. Neuroblastom sind typische Säuglingstumor, die sich in dieser Altersgruppe auch sehr gut behandeln lassen. Je älter das Kind umso schwieriger die Behandlung.
Wie und wann gab es die Diagnose?
Johannes hatte Rückenschmerzen, deshalb sind wir um Kinderarzt, der uns zum Orthopäden zum Röntgen schickte. Das Röntgenbild war unauffällig, deshalb wurde ihm lediglich Physiotheraphie verschrieben. Zwischendurch schien es, als würde das auch etwas bringen. Im September aber klagte Johannes wieder vermehrt über Rückenschmerzen. Er sagte , es hätte bei einer Bewegung im Rücken geknackt und seitdem hätte er wieder Schmerzen. Wir dachten, er hätte sich vielleicht einen Nerv eingeklemmt. Eine Wochs später jedoch konnte er nur noch unter Schmerzen laufen und sich nicht mehr bücken. Unser Kinderarzt hat dann ein MRT der gesamten Wirbelsäule veranlasst. Das MRT fand am 21.9. statt, Johannes war dabei unter Narkose. Er war noch nicht wieder aufgewacht, als drei Ärztinnen in unserer Zimmer kamen. Mir war sofort bewusst, dass das nichts Gutes heißen kann.
Die ganz genaue Diagnose, also Neuroblastom, bekamen wir erst drei Wochen später, nach etlichen Untersuchungen. Leider war der Tumor so groß, dass er Johannes einen Wirbelkörper gebrochen hat – Das war das Knacken gewesen, welches Johannes gehört hatte.
Kannst Du uns erzählen, was in Dir vorging, als du die Diagnose gehört hast?
Gute Frage…Ich bin Kinderkrankenschwester, mir war also klar, welches Ergebnis bei einem MRT herauskommen kann. Als die drei Ärztinnen den Raum betraten und sich die eine als Oberärztin vorstellte, wusste ich bereits, was Sache ist. Ich war total gefasst, innerlich sehr ruhig und habe auch nicht geweint. Die Muttergefühle habe ich ganz tief in mir vergraben und die Pflegekraft in mir hervor geholt.
Die Ärztinnen sagten: "Ihr Sohn hat einen Tumor an der Wirbelsäule. Wir werden sie jetzt nach Mainz in die Uni Kinderklinik verlegen." Ich glaube, dass ich abwesend geworkt habe, denn die Ärzte fragte mich noch zwei Mal, ob ich verstanden hätte, was mir eben gesagt wurde. Ja, ich hatte es verstanden. Aber ich war wie gefangen in einem Albtraum.
Ich wusste, dass ich funktionieren muss. Für mich war es sehr schlimm, meinen Mann anzurufen und ihm die neue Situation klar zu machen. Er war an dem Tag arbeiten gegangen, weil wir eigentlich nichts derartig Schlimmes beim MRT erwartet hatten. Und nun hatte ein Satz einer Ärztin alles verändert. Unser komplettes Familien-Kartenhaus war einegstürzt – nichts war mehr wie vorher.
Welche Behandlung bekommt Johannes? Und was sagen die Ärzte zu den Heilungschancen?
Johannes wird nach einem Therapieplan für Neuroblastom behandelt. Das heißt: Sechs Blöcke Chemotherapie, dazwischen werden seine Stammzellen gesammelt, aufbereitet und aufgehoben. Dann steht eine Operation an. Nach den sechs Blöcken Chemotherapie folgt eine Hochdosis-Chemotherapie, danach die Transplantation seiner eigenen Stammzellen. Darauf folgt eine Immuntherapie. Wir haben 50:50 Chance da heil raus zu kommen.
Nun habt Ihr ja auch noch weitere Kinder – wie gehen die Geschwister mit dieser Situation um?
Am Schwersten war es für unseren ältesten Sohn, er ist 11 und er versteht schon recht viel. Er hat viel geweint und sich große Sorgen gemacht. Ihm hat der Pädagoge von Station sehr geholfen. Die drei Kleinen (3 Jahre, 2 Jahre und 9 Monate) verstehen noch nicht wirklich, was ihr Bruder hat. Sie sehen nur die körperlichen Veränderungen von Johannes und erleben, dass ihr Bruder viel im Krankenhaus und Mama oft bei Johannes im Krankenhaus ist.
Die Krankheit hat Euren Alltag aber komplett auf den Kopf gestellt.
Das stimmt. Neben der Sorge um das kranke Kind kommen auch finanzielle Ängste dazu. Das sehe ich bei fast allen Eltern auf Station. Ein Elternteil, meist die Mutter, kann wegen der neuen Situation nur noch reduziert oder gar nicht mehr arbeiten und das bringt eben meist finanzielle Probleme mit sich. Diese Diagnose zieht so einen großen Rattenschwanz nach sich, der Aussenstehenden oft nicht bewusst ist.
Unsere kleineren Söhne mussten von jetzt auf gleich in eine Ganztageskita und der ganz Kleine musste mit acht Monaten in die Krippe. Das hat mir mein Mutterherz gebrochen, aber ich glaube, es ist besser für die Kinder. In Kita und Krippe kriegen sie Sicherheit und Struktur – genau das gibt es zu Hause gerade nicht. Die anderen Kinder müssen natürlich auch viel zurück stecken. Wenn zum Beispiel eine Veranstaltung in der Kita ansteht, es Johannes aber gerade schlecht geht, kann ich natürlich nicht auf das Kita fest – und meine Kinder sind wieder die Einzigen, bei denen Mama nicht da ist.
Und wie geht es Euch als Paar mit dieser schweren Situation?
Zum Glück schweißt uns das noch enger zusammen. Wir stützen uns gegenseitig und geben uns Halt.
Woher nimmst Du die Kraft nicht komplett durchzudrehen?
Ich habe schlicht keine Zeit zum durchdrehen. Vielleicht sind wir Mütter einfach so – wir wissen gar nicht, wie stark wir sind – bis wir stark sein müssen. Aber natürlich hatte auch ich Zusammenbrüche. Als wir das Diagnosegespräch hatte, konnte ich endlich weinen. Ich habe ein Minuten den ganzen Druck der letzten Wochen rausgeweint – seitdem geht es mit auch besser. Außerdem denke ich mir: Johannes ist so tapfer und positiv, er hat in den letzten Wochen so viel ertragen – da habe ich bestimmt nicht das Rest, zu jammern. Ich bin einfach so stolz auf meinen Kämpfer.
Überkommt Dich manchmal die Panik, dass es nicht gut ausgehen könnte?
Über den schlimmsten Fall möchte ich einfach nicht nachdenken. Ich glaube auch, dass es falsch wäre. Denn das macht einen nur fertig und hilft kein bisschen.
Hast Du Unterstützung von außen?
Wie schon gesagt: Das Kartenhaus Familie bricht komplett zusammen. Jeder muss wieder seinen Platz finden und das Kartenhaus muss sich langsam wieder aufbauen. Krebs verändert eine ganze Familie. Ohne die Hilfe und Unterstützung unserer Familie und Freunde wüssten wir nicht, wie wir das alles bewältigen sollten. Wir haben Glück, dass die Kinderonkologie der Mainzer Uniklinik einfach großartig ist. Die Ärzte und Pflegekräfte sind immer für uns da und auch die Psychologen kommen regelmäßig zu uns. Nicht zu Vergessen der Verein für Tumor-&Leukämiekranke Kinder Mainz e.V.
Wie geht es Johannes gerade?
Gerade geht es ihm gut. Er hat den 2. Chemoblock hinter sich gebracht und hatte schon ein Kontroll- MRT. Sein Tumormarker im Blut ist schon gesunken, was uns sehr freut und uns noch positiver in den nächsten Chemoblock gehen lässt. Für die Zukunft wünsche ich mir nur, dass mein Kind wieder ganz gesund wird.
—Anmerkung: Wir haben schon einmal über Reginas Familie berichtet – damals war sie mit ihrem fünften Sohn schwanger. HIER findet Ihr den Berich
Foto link: Johannes im Sommer, Foto recht: Johannes aktuell
3 comments
Unbekannterweise eine Umarmung…
… die virtuell geschickt wird.
Ich wünsche Euch viele gute Freunde, Nachbarn, Mitmenschen und Familie, die Euch jetzt ganz arg unterstützen und Halt geben.
Alles alles Liebe für Johannes❤️
Bitte gib nicht auf, kleiner Kämpfer!!!
…
Ich weiß genau wie du dich fühlst…. Ich glaube vor fast genau einem Jahr stand hier mein Interview….gleiches Gefühl, gleicher Tumor, gleiche Reaktion…… Ich wünsche dir und deiner Familie das ihr euch halten und stützen könnt. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen das Johannes die richtigen 50% bekommen wird ❤❤
alles gute
ich wünsche der familie von herzen alles gute und viel kraft.