Mein Sohn der Asperger-Autist: Er ist nicht nur besonders, sondern auch anders

autist Fotor

„Kannst du in mein Freundebuch schreiben?“ – „Nein“ – „Wieso nicht?“ – „Weil ich nicht dein Freund bin“
Autsch. Als ich Zeugin dieses Wortwechsels wurde, war mein heute 11jähriger Sohn grade vier Jahre alt und ging in einen bezaubernden Kindergarten. Eine Elterninitiative mit insgesamt 16 Kindern. Ein Traum! Mein Sohn war übrigens nicht etwa der Freundebuch-Besitzer, sondern der Nerd, der mit dieser altklugen Bemerkung die Ehre ablehnte, sich ins Freundebuch eines Vorschülers einzutragen.

Heute weiß ich, dass mein Großer ein Asperger-Autist ist und würde diese Situation rückwirkend als„typisch“ einordnen. Seinen zurückweisenden Satz sprach er übrigens nicht im Ansatz unfreundlich. Es war einfach…logisch. Sie waren keine Freunde. Was also hätte sein Eintrag im Freundebuch zu suchen?

Es waren immer diese kleinen Momente, die mich aufhorchen ließen. Man konnte über jedeneinzelnen irgendwie schmunzeln und ihnen einen „so sind Kinder halt“- Stempel geben, aber mein Bauch und mein Hirn haben mir ein paar Mal gesagt: Merk dir das! Das ist irgendwie anders. (Hat geklappt – Ist ja sieben Jahre her!)

Seine Zeit im Kindergarten ging glücklich zu Ende, und wir haben dann eine Grundschule gefunden, deren geborgene Atmosphäre dem Kindergarten in nichts nachstand: einzügig, Klassen à 18 Kindern, Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag und regelmäßig war eine zweite pädagogische Kraft imUnterricht. Der Traum für meinen damals noch als „schüchtern“ und „anhänglich“ beschriebenenJungen ging nahtlos weiter. Dennoch gab es auch hier bald diese kleinen Momente. Nach einigen Wochen Schule fragte ich ihn, was er in den Pausen denn immer so mache. „Nachdenken“, war seineAntwort. Entschuldigung: NACHDENKEN?? Ein sechsjähriger Junge? Warum tobt und spielt er nicht? Lässt die Energie raus?

Tja, so sind die Kinder halt, was? Jeder Jeck ist anders.

Die Krönung (bis dahin zumindest) war vermutlich die Weihnachtsfeier in der 1. Klasse: Nach einer zauberhaften Theateraufführung der Steppkes können die Kinder essen, toben und spielen, während die Eltern Zeit bekommen, sich kennenzulernen. Mein Sohn: will sofort nach Hause! Ich rede auf ihn ein, wie auf eine Zicke am Strick, er möge sich mit seinen Klassenkameraden vergnügen, herumtollen und den Nachmittag genießen. Nichts geht! Keine Chance! Auf dem Weg zum Auto frage ich endlich nach dem Grund. Seine Antwort: „Ich muss nachdenken“. Ich: „worüber?“ Er: „darüber, ob Tierheime, in denen man Haustiere kaufen kann, nicht mit Sklavenhandel vergleichbar sind“ Aha. Wir gehen wirklich besser heim.

So sind Kinder halt. Manche sind laut, manche leise. Manche haben spezielle Interessen, manche finden alles und nichts irgendwie gut. Manche sind Asperger, wieder andere haben AD(H)S oder eine Dyskalkulie.
Ich habe lange nicht verstanden, dass mein Kind nicht nur besonders ist, wie jedes Kind, sondern auch „anders“, und dass ich ihn auch nicht mit viel Liebe und Energie „normal“ machen kann. Er wird nicht auf Geburtstage gehen, egal, wie sehr ich ihn bitte, motiviere oder mit ihm darüber streite. Er würde auf Klassenreisen immer furchtbar leiden, egal wie sehr ich mir wünsche, dass er mitfährt und das Miteinander genießt. So wird es niemals sein.

Mit seiner anderen neuronalen Grundstruktur wird er das Leben niemals so erfassen und erleben wie wir Normalos, und mir, seiner Mama, wird es mit meiner neuronalen Grundstruktur niemals möglich sein, seine Welt zu erleben. Manchmal tut das weh, aber es ist wichtig, dass wir diese „anderen Kinder“ erkennen und anerkennen und ihnen denRaum geben, den sie brauchen. Vor allem, wenn es unsere eigenen sind.

—–Dieser Beitrag stammt von zweifach Mama Katrin, die auch Different Planet unter bloggt. Über ihren Blog schreibt sie: Different Planet richtet sich an Eltern und Vertrauenspersonen von Kindern, die irgendwie anderssind – weil sie (Asperger)-Autisten, hochbegabt, hypersensibel oder geistig behindert sind, AD(H)S, eine Lese-Rechtschreibschwäche, noch was anderes oder alles auf einmal haben. Es sind auch die gemeint, die „nur“ vermuten, dass ihr Kind nicht nur besonders, sondern auch irgendwie anders ist, und die nach möglichen Gründen oder Erklärungen dafür suchen. Ihr benötigt keine Diagnose, um hier richtig zu sein.

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1 comment

  1. Diese offenen und toll geschriebenen Artikel sind etwas großartiges für alle! Für jede Mama und jeden der Kinder liebt!

    Danke

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