Reizthema Hausaufgaben – Interview mit einer Lehrerin und Mutter

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Liebe Caroline, unsere Texte zum Thema Hausaufgaben bewegen immer viele Eltern. Offenbar haben viele Eltern mit den Hausaufgaben Probleme. Du bist Mutter und Lehrerin – wie siehst Du das? 

Als ich nur Lehrerin war und eben noch keine Mama von schulpflichtigen Kindern und einem Hausaufgaben-Hasser, habe ich Hausaufgaben anders gesehen als jetzt. Hausaufgaben gab ich auf, um Dinge aus dem Unterricht zu wiederholen, zu vertiefen. War das Kind im Unterricht nicht mit allem fertig geworden, kam das noch obendrauf. Das mache ich jetzt anders.

Hausaufgaben halte ich für wichtig und richtig. Aber es muss doch bei den Kindern individuell geguckt werden, was nachmittags für sie leistbar ist, und was nicht. Gerade dieses Im-Unterricht-Nicht-Fertig-Geworden-Ding finde ich schwierig. Mein jüngerer Sohn (8 Jahre, 3.Klasse) hatte von Anfang an Schwierigkeiten in der Schule. Er ist der Jüngste in der Klasse, hat große feinmotorische Schwierigkeiten und auch mit der Konzentrationsspanne ist es eher ähem… schwierig.

In der ersten Klasse wird – und muss auch –  viel geübt werden, Buchstaben und Zahlen in der korrekten Schreibweise abzubilden. Diejenigen, denen das leicht fällt, langweilen sich schnell. Diejenigen, denen es schwerfällt, brauchen für eine einzelne Reihe sehr, sehr lange. Viele mühen sich sehr ab und es sieht am Ende trotzdem so aus, dass man es am liebsten wegradieren möchte. Diese Kinder werden häufig in der Lernzeit der Schule nicht fertig und bekommen die Aufgaben nicht selten zusätzlich zu der Übungsseite der 2, der 7 oder des Aa mit nach Hause. Das mache ich nicht mehr. Da gucke ich gemeinsam mit dem Kind, was es schaffen muss. Ist ja auch nicht selten ein zweischneidiges Ding… WILL das Kind nicht oder KANN das Kind nicht? Das gilt es herauszufinden.

Bei meinem älteren Sohn (10 Jahre, 5.Klasse) waren die Hausaufgaben nie ein Thema. In der Grundschule war er meistens schnell mit den Unterrichtsinhalten durch und bekam dann bereits im Unterricht die Hausaufgaben ausgeteilt. Somit hatte er vier Jahre lang kaum Hausaufgaben und wenn doch, hat er diese leise, ordentlich und selbstständig in seinem Zimmer erledigt. Bei Fragen hat er mich gefragt und anschließend alleine weitergemacht. Seit er im Gymnasium ist, hat er wesentlich mehr Hausaufgaben auf. Die Umgewöhnung ist ihm schwer gefallen, weil er die Menge einfach nicht gewöhnt war, aber er macht seine Sache gut.

Anders sein jüngerer Bruder. Er HASST Hausaufgaben, es vergeht eigentlich kein Tag, an dem während der Hausaufgaben kein Stift durch die Gegend fliegt, er schreit und auch ich die Geduld verliere…

Du hast also auch einen Hausaufgaben-Hasser zu Hause – das kennen wir nur zu gut. Wie gehst Du damit um?

Zunächst versuche ich immer, dass wir beide entspannt in die Hausaufgaben-Situation gehen können. Das bedeutet, er ist satt (ich im besten Fall auch), wir stehen nicht unter Zeitdruck, der Tisch ist ordentlich, nichts lenkt uns ab. So weit die Theorie. Dass die Praxis häufig dann doch anders aussieht, weil er oder ich Folgetermine haben, weil der große Bruder etwas will oder oder oder, muss ich wohl nicht extra erwähnen.

Ich bleibe in der Regel bei ihm, weil er es so möchte, und weil ich es auch für gut halte. Nur wenn er anfängt, seinen Frust verbal an mir auszulassen oder er mit dem Stift schmeißt, verlasse ich den Raum. Möglichst, bevor ich die Geduld verliere. Wenn er sich wieder beruhigt hat, starten wir neu durch.

Ich halte ihn an, seine Hausaufgaben alleine zu machen. Ich bin da, erledige manchmal auch Schreibkram, spitze seine Stifte an und versuche ihn zu unterstützen.

Haben diese Kämpfe zu Hause auch Einfluss auf Deine Lehrerinnen-Tätigkeit?

Mir ist jetzt einfach deutlicher bewusst, was es bedeutet, wenn Eltern in der Schule davon sprechen, dass die Hausaufgabensituation „schwierig“ ist. Ich frage dann immer, ob es für die Familien die Möglichkeit gibt, die Hausaufgaben-Situation von jemanden anderes betreuen zu lassen. Zum Beispiel von der Oma, dem großen Bruder, Onkel, Babysitterin? Dass das in der Praxis schwierig ist, ist mir bewusst, aber es kann zwischendurch die Spannung herausnehmen. Anderen gegenüber verhalten sich die Kinder häufig ja anders. Die fernsehreifen Ausbrüche finden ja meistens bei uns Müttern statt. Natürlich nur, weil sie uns so lieben und wissen, dass sie sich bei uns fallen lassen können 😉

Hast Du also auch manchmal das Gefühl, dass Kinder die Hausaufgaben eher als Machtspielchen mit den Eltern sehen, als als Übung für die Schule?

Genau das meine ich. Hausaufgaben KÖNNEN als Machtspielchen genutzt werden, von beiden Seiten. Hier kann der Druck und der Frust über den Streit in der Pause, über den schwierigen Test, oder einfach die Erschöpfung in Form von geballter Wut raus. Das ist frustrierend – aber für alle Beteiligten. Insofern sollte man versuchen, die Hausaufgaben-Situation nicht als Machtspielchen zu sehen. Sondern als wichtige Ergänzung zum Schulvormittag.

Vielleicht sollten wir Eltern uns komplett aus dem Thema raushalten?

Wir finden es sehr schwer, zu entscheiden, wie viel Einmischung notwendig ist. Bei einem Kind von uns läuft alles wie geschmiert, es fragt höchstens mal, wenn es eine Frage hat. Das andere Kind verlangt unser Beisein und diskutiert dann schon darüber, ob das Datum am Rand sein muss oder nicht.
Nun gibt es ja auch mal Tipps, die Kinder einfach machen zu lassen. Dann fehlt halt mal was oder ist so unordentlich, dass es neu gemacht werden muss. Dann tragen die Kinder selbst die Konsequenzen. Klingt ja auch logisch, ist aber in der Praxis – als Mama, die ja auch das Beste für ihre Kinder will – doch recht schwierig, oder?

Aber ja, letztendlich müssen die Kinder lernen, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen und dazu gehört auch die hingeschmierten Hausaufgaben und das fehlende Datum. Hier muss man sich fragen: WARUM möchte ich mich hier einmischen? Ist es vielleicht viel sinnvoller, wenn die zuständige Lehrkraft die Hausaufgaben kritisiert? Und wenn das Kind alles nochmal machen muss, weil die Lehrkraft es so möchte? Das ist jedenfalls in meinem persönlichen Fall VIEL hilfreicher. Was die Lehrerin sagt, ist Gesetz. Da kann ich vorher 1000 Mal das Gleiche gesagt habe, erst wenn es von ihrer Seite kommt, wird es von meinem Sohn wirklich ernst genommen.

Meinst Du, das Abschaffen der Hausaufgaben wäre eine gute Alternative?

Nein, so pauschal würde ich es nicht formulieren. Ich finde Hausaufgaben wichtig und richtig. Aber das WAS und IN WELCHEM UMFANG finde ich wichtig. Da würde ich mir in den Grundschulen mehr Individualität wünschen. Das das im Alltag schwierig umzusetzen ist, ist mir klar. Aber wünschenswert ist es.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass Kinder lernen müssen, auch mal aus der Komfort-Zone zu kommen. Nicht alles macht zu jeder Zeit Spaß. Auch sie müssen mal Dinge erledigen, obwohl sie keine Lust dazu haben. Später im Berufsalltag können sie sich auch nicht jedes Mal, wenn ihnen etwas zuviel wird, zurücklehnen und die Arbeit verweigern oder mit ihrem Stift schmeißen.
Das Ganze ist ein sehr schmaler Grat…

Hast Du Tipps zur Motivation für die Kinder, denen Hausaufgaben ein Dorn im Auge sind?

Auf keinen Fall für sie die Hausaufgaben erledigen! Das kommt tatsächlich ziemlich häufig vor. Im Falle der Überforderung aufgrund des Hausaufgaben-Pensums würde ich als Mutter immer das Gespräch mit der Lehrkraft wählen, vielleicht findet man ja individuelle Lösungen…

Foto: Pixabay

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2 comments

  1. meine meinung:
    kinder sollten ihre hausaufgaben alleine erledigen, dann gibt es auch keinen stress.
    ich verstehe nicht, wieso sich so viele eltern dazu setzen. das führt erstens zu machtspielchen und zweitens auch zu totaler unselbstständigkeit.

  2. Ebenfalls Lehrerin und Mutter
    Hallo,
    ich gebe den Kindern Hausaufgabenpläne für die ganze Woche, darüber sind die Eltern sehr dankbar.
    So können sie einteilen, wann was gemacht wird (auch mal einen Tag nichts, an einem anderen Tag dann mehr).
    Es gibt relativ wenige Pflichtaufgaben, die alle machen müssen und zusätzliche „Sternchenaufgaben“.

    Ich habe auch schon Bammel davor, wenn mein Sohn bald zur Schule geht und dann nach der Schule auch noch Hausaufgaben anstehen.

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