Wie umgehen mit Misserfolgen? Jugend-Kolumne „Teen-Time“

Wie umgehen mit Misserfolgen

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Ihr Lieben, ich bin ja immer glücklich, wenn aus der Leserinnenschaft gute Nachfragen zu unserer Kolumne kommen, eine Leserin fragte in der letzten Woche, ob ich nicht mal etwas zum Thema „Wie umgehen mit Misserfolgen“ schreiben könne. Und na klar, supergern! Los geht´s:

Letzte Woche hat mein Sohn eine Mathearbeit geschrieben und saß am Nachmittag danach freudestrahlend bei mir im Auto, als ich ihn zur Bahn brachte, weil er mit seiner Clique nach Köln fahren wollte. Die Klausur war richtig mies gelaufen – wie immer in Mathe –, aber der Druck war endlich weg. „Wow, wie schön kann sich das Leben anfühlen, wenn man kein Lernen mehr im Nacken sitzen hat“, meinte er. Und ich sagte: Siehste. Um diese Euphorie jetzt zu erleben, musste erst diese doofe Arbeit vorausgehen.

Was ihm das zeigen kann? Na, dass wir die Leichtigkeit erst so richtig genießen können, wenn da auch mal Schwere war. Dass wir Normalität erst für wunderbar halten, wenn es mal kurz unnormal war. Was für ein schönes Lebenslearning, oder? Wir surfen die Wellen, die hohen wie die tiefen, die wilden, wie die flautigen.

Kind fällt in ein Loch: „Ich bin der Dümmste hier“

Wie umgehen mit Misserfolgen

Es gab mal eine Situation, da fiel sein Bruder in ein Loch. Bei Zwillingen gibt es nun mal ab und zu den direkten Vergleich und die beiden hatten nicht die gleiche Grundschulklasse besucht und nun in der Vierten unterschiedliche Empfehlungen für die weiterführende Schule erhalten.

Unser Sohn sank so tief, dass ich selbst nicht weiterwusste. Er versteckte sich im Garten, vergrub sich im Bett, meinte, er sei halt der Dümmste bei uns in der Familie. Es war dramatisch. Niemand möchte sein Kind so sehen. Und natürlich gab´s Umarmungen und Gesprächsangebote, bestärkende Worte – aber er glaubte uns nicht. Er hatte es ja jetzt Schwarz auf Weiß.

Manchmal hilft eine Unterstützung von außen

Ich rief also die Schulleitung an und bat um Hilfe: „Ich brauche jetzt mal Ihren pädagogischen Rat. Was würden Sie mir denn in dieser Situation grad empfehlen?“ Und sie meinte, wir könnten uns an den schulpsychologischen Dienst wenden, das Erstgespräch sei kostenlos. Und ich machte dann dort einen Termin aus.

Es gab eine sogenannte Schullaufbahnberatung mit verschiedenen Aufgaben und Testungen für unsere beiden Jungs, um zu schauen, auf welche Schule sie nach der Grundschule wohl gehen könnten, was die richtige Wahl wäre. Die Ergebnisse zeigten unsere Söhne im bundesweiten Vergleich – ganz ohne mögliche persönliche Lehrkraftsympathien und siehe da – beide waren gleichbegabt, beide bekamen hier nun dieselbe Empfehlung.

Der Knacks im Selbstbewusstsein blieb noch eine Weile, aber für uns hätte diese Zusatztestung nicht besser ausgehen können, denn so hatten nun wir wiederum Schwarz auf Weiß, dass beide recht ähnlich begabt sind und sich niemand schlechter oder besser fühlen muss.

Vieles können wir als Eltern auch auffangen

Natürlich braucht es oder gibt es bei Misserfolgen, schlechten Noten oder anderen Enttäuschungen der Kinder nicht immer eine Hilfe von außen. Als unsere Große nach Argentinien in den Austausch wollte und es wegen Corona dann abgesagt wurde war es vor allem ein Dasein, Trösten und Bestärken. Na gut, dann halt das Spanienprogramm – besser als nichts.

Nach dem Ausscheiden im Pokal-Finale (Jahr für Jahr wurden unsere Jungs immer wieder „nur“ Zweite), lernten unsere Söhne aber auch einen guten Umgang mit Misserfolgen – getröstet im Verbund, im Zusammenhalt der Mannschaft, in immer und immer wiederkehrenden Spielanalysen am Küchentisch, um das Erlebte zu verarbeiten.

Mut und Trost nach schlechten Noten

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Und was schlechte Noten angeht, erinnere ich mich gern an die Geschichte, die mein Vater uns Kindern damals erzählte, als er erfahren hatte, dass er die neunte Klasse wiederholen musste und es seinem eigenen Vater „beichten“ musste. Er erwartete alles, nur kein „Oh nein, mein Junge, du Ärmster. Komm mal in den Arm, das tut mir so leid für dich.“

So gehen wir heute auch mit unseren Kindern um. Wenn wir wissen, dass sie sich im Vorfeld engagiert haben, dann reagieren wir tröstlich. Wenn wir wissen, dass sie zu wenig getan haben, reagieren wir mit: „Hey, du weißt jetzt, dass das zu wenig war, beim nächsten Mal wird´s besser, da fängst du einfach früher an.“

Wer fragt in zehn Jahren noch nach der Halbjahresnote aus der 7. Klasse? Wen interessiert das Vortragsthema aus Geschichte in der 10? Und ja, es gibt dieses eine Fach bei zwei von drei Kindern, das einfach nicht fluppt und das ist Mathe.

Das eine Fach, das halt nicht klappt

Unsere Kinder wissen, dass wir sie für ne 4 in Mathe zum Essen einladen und Fanfaren abspielen würden. Sie wissen, dass sie nur keine 6 haben dürfen – und eben keine weitere 5 in anderen Fächern. Und wir suchen weder die Schuld bei ihnen noch bei der Lehrkraft. Die unterrichtet schließlich auch das dritte Kind – und da läufts im Einser-Zweier-Bereich.

Bei den Elterngesprächen ist es immer lustig, weil die Mathebegabungen bei den Kindern einfach so unterschiedlich aufgeteilt sind. Ich geh da ganz auf Augenhöhe und volle Transparenz bei der Lehrkraft. Ich sage: Wir haben alles versucht! Von der Studentin, die zu uns nach Hause kam bis zur Gruppennachhilfe und dem Eins-zu-Eins-Lernen mit mir selbst. Nichts funktioniert. Nichts hilft gegen die Blei-5. Wir bleiben im Gespräch, aber wir bauen einfach auf die anderen Fächer. Ich habe das Gefühl, dass das bei allen hilft.

Wie umgehen mit Misserfolgen? Tröstend vielleicht?

Wie umgehen mit Misserfolgen

Denn natürlich wissen die Zwei, dass sie vielleicht nicht Chemiker werden oder Informatikprof, aber dass ein Fach, eine Disziplin, ein Detail ihres Gehirns einfach nichts über ihre Qualitäten als Mensch aussagt. Wie viele Menschen, die später erfolgreich wurden, konnten eben auch gewisse Fächer nicht! Und ist nicht eine Eigenschaft wie Vertrauenswürdigkeit und gutes Zuhören können ebenso essentiell wichtig? Wie sähe die Welt aus, das fragte ich neulich beim Mathelernen – wenn alle nur in Zahlen, Formeln und Logik durch die Welt rennen würden? Ich glaube, da habe ich ein kleines Lächeln im Gesicht des Sohnes gesehen.

Mein Fazit: Druck machen? Höchstens punktuell und in Maßen. Aber Mut machen, anfeuern, unterstützen – oh ja. Und manchmal eben auch Trösten und Selbstbewusstsein aufbauen. Weil wir alle so viel mehr sind als unser Abschlusszeugnis (was nicht heißt, dass ich nicht auch mal ne schlaflose Nacht hab, wenn es um die Versetzungen geht). Wie geht es euch da? Erzählt es uns gern in den Kommentaren!

Wenn ihr euch auch dafür interessiert, warum unsere Zwillinge mit 5 zur Schule mussten, obwohl wir uns das anders wünschten, was das mit dem Selbstbewusstsein macht – und warum wir sie dann freiwillig die 5. Klasse haben wiederholen lassen, lest gern auch unseren Beitrag zur Verflixten Früheinschulung.

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8 comments

  1. Klasse Artikel, schön zu lesen das es auch bei anderen so läuft wie bei uns zu Hause. Ich glaube Respekt und Leichtigkeit sind für die Teens wichtiger den je. Der Leistungsdruck ist eh schon groß genug in der Gesellschaft. Klasse freue mich immer auf die Artikel.

  2. Entschuldige, aber mehr Klischee geht ja kaum: das böse Mathe, sonst alles paletti (auch wenn es so ist bei deinen Kindern). Und dass der Auslandsaufenthalt nicht klappte, war nicht beeinflussbar und daher kein Misserfolg.
    Schön, dass es bei euch so gut läuft, und sicher lässt sich manches aus Elternsicht relativieren, aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass es hier deutlicher wird… es klingt nämlich, als sei es ein leichtes, das Kind aus dem Misserfolg in den Erfolg zu ziehen, wenn man nur verständnisvoll reagiert, und das ist Quatsch.

    1. Ein Leichtes ist es nicht immer, das stimmt schon.
      Aber beim Thema „Schule“ bzw. „Mathe“ haben die Eltern einen immensen Einfluss- von Klasse 1 an! Ich bin Lehrerin und sehe das an vielen, vielen Kindern: „Die Schule“ oder „die Lehrer“können eigentlich gar keinen Druck machen! Wenn die Eltern zuhause Schulleistungen realistisch und ohne Vergleich mit anderen sehen, können Kinder schlechte Noten problemlos verarbeiten!
      Ich behaupte, dass das ganze Notenproblem größtenteils daher kommt, dass Kinder wissen, dass ihre Eltern enttäuscht sind, wenn die Noten nicht so sind, wie ihre Eltern das für notwendig halten.

    2. Was meinst du denn mit deutlicher?
      Es steht ja auch nirgends, dass durch Verständnis aus der 5 in Mathe plötzlich eine 1 wurde und das Pokalfinale gewonnen wurde, oder?

  3. Das klingt nach einer ganz respektvollen und vertrauensvollen Beziehung zwischen euch und euren Kindern.
    Und die Erfahrung aus der Grundschule ist krass und zeigt, wie sehr Noten und Einschätzungen von Lehrer*innen subjektiv sind. Und dass ihnen dementsprechend auch keine allzu große Bedeutung beigemessen werden sollte.
    Ich war auch nie gut in Mathe und habe trotzdem alles erreicht, was ich erreichen wollte. (Und trotzdem war ich meist die, die in den Budgetberechnungen auf der Arbeit die Fehler gefunden hat, einfach weil ich auf Details schaue.) Ich finde auch, hier kommt es darauf an, einige Grundlagen zu beherrschen. In der Oberstufe sollte man Mathe abwählen können. Da weiß man doch meist längst, ob es einem liegt oder nicht und wenn nicht, dann ist alles, was in der Oberstufe kommt, doch nur Quälerei. Ich hab davon auf jeden Fall nichts je wieder gebraucht. Und das ist einem dann ja auch durchaus bewusst und dementsprechend ist es umso frustrierender, sich damit herumschlagen und immer wieder Misserfolge hinnehmen zu müssen.
    Die Geschichte vom (Ur-) Großvater finde ich fantastisch. Überhaupt nicht selbstverständlich in der Zeit. Und heute ja leider immer noch nicht. Da kann man sich wirklich ein Beispiel dran nehmen.

  4. Die „Bleifünf“… danke für dieses Wort!
    Und diese beruhigenden Artikel und das Wissen darum das es auch in anderen Familien den Plan hat keine 6 und keine andere 5 zu bekommen!

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