Zöliakie: So sehr litt mein Kind bis zur Diagnose

Zoelli

Ihr Lieben, unsere Leserin Nina hat uns einen Gastbeitrag geschickt, der sicherlich viele von euch sehr interessieren wird. Immer wieder hört man ja von Gluten-Unverträglickeit – wie schlecht es einem Kind aber dabei gehen kann, wussten wir bisher tatsächlich nicht. Vielen Dank, liebe Nina, für eure Geschichte und alles Liebe!

„Seit knapp vier Wochen haben wir einen Gast. Einen ungebetenen Gast. Und naja, wir kennen ihn noch nicht gut, aber er wird bleiben. Für immer. Er hat nicht gefragt, ob er bleiben darf, sondern uns einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Aber lasst mich die Geschichte von vorne erzählen….

Es begann im Sommer 2019. Da war unsere Tochter knapp 3 Jahre alt und fing plötzlich an, ihre Verdauung einzuhalten. Ok, das ist eine Phase, das gibt’s oft bei Kleinkindern. Ich war hochschwanger mit ihrem kleinen Bruder, schob diese Phase also auf die anstehende große Veränderung. Das sah auch der Kinderarzt so. Es gab Movicol, damit der Stuhl nicht zu hart wird und es beim „loslassen“ nicht zu sehr schmerzt. Ich fand das für die akute Phase eine gute Lösung, aber mir war klar, dass das nicht dauerhaft so sein könnte…

Der kleine Bruder wurde geboren, die ersten Wochen zu viert gingen ins Land und noch immer war das mit dem Stuhlgang ein großes Thema. Da ich mit dem Baby einen Termin bei der Osteopathin hatte, lies ich dort auch gleich die Große anschauen.

Die Behandlung schien zu helfen, die Große konnte wieder zur Toilette. Doch sechs Wochen später bin der Spuck von vorne los. Ich ging zur Heilpraktikerin, es gab diverse Globuli, Bachblüten, Darmkuren. Nachdem all das nichts änderte, versuchten wir sämtliche Hausmittel wie rohes Sauerkraut, Joghurtdrinks, Buttermilch, getrocknete Pflaumen, Apfelsaft usw.  – alles ohne Erfolg. Auch der Kinderarzt wusste nicht mehr so recht, was wir tun sollten….

Unsere Tochter wurde ein ganz anderes Kind…

Es hieß, es sei alles „Kopfsache“. Dieser Gedanke machte mich fertig. Was mache ich falsch, was machen wir falsch? Warum geht es meinem Kind so schlecht? Warum kann ich ihr nicht helfen? Unsere Tochter veränderte sich total. Auf dem Spielplatz lag sie nur in der Nestschaukel, die anderen spielten, rannten herum, nur sie nicht. Zuhause saß sie in ihrer Ecke auf der Couch, hatte auf nichts mehr Lust. Trotz bis zu drei Beuteln Movicol am Tag klappte der Stuhlgang nur mit viel Mühe, irgendwann wollte sie nicht mal mehr Pippi machen gehen, aus Angst, dass „etwas Kaka mitkommt.“

Am Schlimmsten war es dann an Weihnachten 2020. Ein leuchtender Tannenbaum, Geschenke, ein Weihnachtsteller mit lauter Leckereien. Ich hatte auf strahlende Kinderaugen gehofft, doch unsere Vierjährige lag auf der Couch, wollte keine Geschenke auspacken und wollte ins Bett. Ich musste mich so zusammen reißen, um nicht loszuheulen – und beschloss, dass nun wirklich etwas passieren muss.

Die Blutwerte stimmen nicht

Wenig später fuhren wir zur Blutentnahme. Da stellte sich heraus, dass ein Entzündungswert zu hoch sei und zwar der, der auf Zöliakie hindeuten kann. Klar hatte ich davon schon mal gehört, Gluten und so. Aber hatte man da nicht Durchfälle? Das passt doch nicht, dachte ich. Wir sollten sechs Wochen später nochmal zur Blutentnahme kommen.

In der Zwischenzeit war ich so verzweifelt, dass ich jeden Strohhalm annahm. Ich ging zu einer anderen Heilpraktikerin, die auch Hypnose bei Kindern macht. Für Hypnose war die Motte zu jung, aber die Heilpraktikerin wollte dem Geist meines Kindes mitteilen, dass „loslassen“ was Gutes sein kann. Sie wollte ein positives Gefühl zum „Stinker machen“ ans Unterbewusstsein vermitteln. Und wir bekamen einen „Mut-Stein“, der immer neben der Toilette liegt. Den kann sie halten, drücken, anschauen…

Das alles brachte keine Veränderung. Dann kam die erneute Blutuntersuchung, der Entzündungswert war wieder nicht ok und wie machen einen Termin in der Kinder- Gastroenterologie. Die Oberärztin empfahl eine Magenspiegelung und klärte uns über mögliche Symptome der Zöliakie auf. Neben den 50% der Betroffenen, die an starken Durchfällen und Erbrechen leiden, gibt es auch 25% Patienten mit Verstopfung. Zu den Symptomen gehören auch Blähungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsprobleme, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Schlappheit bis zu Mangelerscheinungen und Wachstumsverzögerungen. Jetzt endlich passte es zu unserer Tochter….

Diagnose: Zöliakie

Die Spiegelung zeigte, dass die Darmzotten bereits in Mitleidenschaft gezogen waren, die eindeutige Diagnose kam dann nach dem pathologischen Befund. Am 08.10.21 kann dann der Befund. Zöliakie Stadium 3c!

Ich war so erleichtert, dass wir ENDLICH wussten, was unsere Tochter hat. Und gleichzeitig hatte sich so gro0es Mitleid mit ihr, weil sie so viel nicht mehr essen darf. Gluten ist ja quasi in allem. Wir haben natürlich schon über Zöli gesprochen. Der wohnt jetzt halt in ihrem Bauch. Und wenn der Zöli Gluten bekommt, wird der richtig verrückt und knabbert ihre Darmzotten an. Das Buch „Zöli wohnt in meinem Bauch“ von Maren Lindemann hilft uns allen sehr.

Unsere Tochter ist seit vier Wochen wieder komplett verändert. Unser Mädchen hat jetzt Lust zu spielen und die Welt zu entdecken. Sie macht beim Turnen mit, ist wissbegierig und auf der Couch wird nur noch rumgesprungen. Sie geht regelmäßig zur Toilette und hat total Bock im nächsten Sommer in die Schule zu gehen… Ich bin so stolz auf sie, wie gut sie das alles meistert.

Ich bin froh, dass wir uns nun helfen können – auch wenn das bedeutet, die Küchenausstattung doppelt zuhaben und man sich wahnsinnig viel mit Zutatenlisten und glutenfreien Rezepten auseinandersetzen muss. Alles ist besser, als unser Kind nochmal so leiden zu sehen….“

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13 comments

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag! Wir wissen seit knapp sechs Jahren, dass unsere mittlerweile neun Jahre alte Tochter Zöliakie hat. Unsere Kinderärztin kannte sich glücklicherweise gut aus.

    Es ist nicht immer einfach, aber wir und vor allem meine Tochter hat sich damit arrangiert. Über unsere anfängliche Unsicherheit und Überforderung habe ich mal hier etwas aufgeschrieben: https://voneff.de/de/eine-erste-bilanz-nach-drei-monaten-mit-zoeliakie/

    Wir haben am Anfang kurz versucht, zweigleisig zu fahren und parallel auch glutenhaltige Lebensmittel im Haushalt zu haben – aber das haben wir ganz schnell aufgegeben, haben komplett auf glutenfrei umgestellt und fahren jetzt sehr gut damit. Zu Hause ist damit ein Safe Space.

    Meiner Tochter hilft es auf jeden Fall auch, mit anderen Kindern in Kontakt zu kommen, die ebenfalls von Zöliakie betroffen sind. Hierbei hilft die DZG – in Berlin gibt es jetzt auch eine neue Kinder-Gruppe, auch wenn Treffen pandemiebedingt gerade eher schwierig sind.

    Alles Gute für euch und insbesondere deine Tochter!

  2. Pardon, mein Kommentar war in Bezug auf Ellis Kommentar. Finde auch, dass man sich den Besuch bei Quacksalbern, wie Homöopathen sparen sollte. Wenn die Heilpraktikerin wenigstens an Zöliakie gedacht hätte! Hat sie aber auch nicht. Behandelt aber Kinder mit Darmproblemen….kann ich nur dem Kopf schütteln (und zwar genau 10 Mal…)

  3. Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich habe so Verständnis für deine Gefühle, und ja man leidet, trotzdem die Krankheit durch Essen gelindert werden kann, mit seinem Kind mit. Außerdem muss es ja auch ausgehalten werden können. Die Gefühle sind ja auch belastend denn jeder wünscht seinem Kind Gesundheit immer und jeden Tag. Deshalb Hut ab für den tollen Bericht.

  4. Du sprichst mir aus der Seele ✨ mein Sohn hat die Diagnose seit März 2021. Bei ihm wurde bei der Schuluntersuchung festgestellt, das er zu wenig gewachsen sei. Der Kinderarzt entgegnete das das Quatsch sei. Nach einer Untersuchung beim Endokrinologen und der darauf folgenden Magen-Darmspiegelung stand dann zu 100% die Zöliakie Stadium 3 fest.

  5. Mir fallen mehrere Dinge zum Artikel ein:

    Wie schön, dass es dem Mädchen wieder gut geht!

    Mein Rat an die Eltern:“so großes Mitleid“ zu haben ist nicht hilfreich. Ich spreche als Mutter eines schwer chronisch kranken Kindes (keine Zöliakie). Natürlich möchte man als Elternteil nicht, dass das Kind krank ist und bleibt, das muss man ja leider so sagen. Aber ich sehe es als unsere Aufgabe als Eltern, dem Kind Zuversicht zu vermitteln, ihm auch zu helfen, die Situation anzunehmen, wie sie ist, sie kann nämlich nie mehr geändert werden. Das ist die neue Realität und sie ist in Ordnung. Kinder orientieren sich, vor allem wenn sie noch recht kein sind, auch an der Reaktion der Eltern auf Veränderungen und Krankheiten. Es ist nicht schön, dass die Krankheit mit allen Folgen da ist, aber wir kriegen das hin, wir schaffen das.

    Und gerade Zöliakie ist ja recht einfach in den Griff zu kriegen. Das weiß ich, weil ich selbst seit über 10 Jahren davon betroffen bin. Man muss NUR Lebensmittel weglassen. Es gibt keine Medikamente, die man nehmen muss, die wiederum Nebenwirkungen haben, die Zöliakie ist nicht lebensverkürzend und der Darm kann sich wieder vollständig erholen, wenn man die Diät einhält.

    Ja, ich gebe zu, es ist lästig, am Anfang muss man sich einschwingen, aber es gibt so viel Hilfe (Gesellschaft für Zöliakie), so viele Rezepte, so viele Lebensmittel ohne Gluten, das ist alles machbar.
    Und… es ist auch möglich, den Rest der Familie (weitgehend) auf glutenfreie Ernährung umzustellen, das hat sich bei uns in der Praxis bewährt. Dann essen eben alle glutenfreie Nudeln, Kuchen wird nur glutenfrei gebacken usw. Das wird schon!

    Alles Gute!

    1. Hallo Blüte.
      Danke für Deine Worte. Haben mir geholfen für den Umgang mit meinem Sohn. Er ist herzkrank.
      Es ist manchmal schwierig dem Kind zu helfen Krankheiten anzunehmen und Zuversicht zu verbreiten.V.a. wenn dauernd neue Sachen dazukommen.
      Also: danke und liebe Grüße an alle

      1. Liebe Ka,

        das freut mich.

        Es ist immer schwierig, schwere Krankheiten anzunehmen, es ist ein Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen. Ich brauchte auch Zeit, mein Kind hat kein Immunsystem und benötigt wöchentlich Blutplasmaspenden. D.h. ich musste lernen, dem Kind zwei Nadeln in den Bauch zu stechen, es 3 Stunden an eine Infusion zu hängen, die wegen der Abstoßungsreaktionen entsetzliche Nebenwirkungen hatte. Es dauerte, dies anzunehmen, ich suchte mir auch Hilfe, fand sie in einer Selbsthilfegruppe.
        Ich kann mein Kind bedauern, das hilft ihm nicht. Oder ich kann meine Kraft investieren und überlegen, wie wir unser Leben zurückgewinnen, trotz der Krankheit, die ab nun dazugehört. Das Kind muss für immer mit all dem leben, es gibt keine Alternative, also muss es lernen, das Beste daraus zu machen. Wir sind nun schon 7 Jahre in dieser Situation und ich kann berichten, dass es nie so wird wie früher, aber das geht ja auch nicht. Aber es die Krankheit ist nun in unseren Alltag integriert und bestimmt ihn (außer zu Corona-Zeiten, aber das ist ein anderes Thema) nicht. Das muss meiner Ansicht nach das Ziel sein.

        Alles Gute!

  6. Danke für die Geschichte, ich wünsche der Kleinen alles Gute und freue mich, dass sie wieder fröhlich ist. Ich finde, an diesem Beitrag sieht man aber auch mal wieder, wie lange die Diagnose von Krankheiten oft herausgezögert wird, weil erstmal noch herum „gequacksalbert“ wird (Homöopathie, Bachblüten, Hypnose, alles Methoden ohne Wirksamkeitsnachweis). Das arme Kind hätte die Diagnose schon viel früher haben können, wenn man einfach mal früher darauf bestanden hätte, Blut abzunehmen.

    1. Diese Antwort finde ich etwas übergriffig. Es ist oft nicht einfach, dem Arzt bzw. den Ärzten zu widersprechen und sein „Bauchgefühl“ durchzusetzen. Ich kann mir vorstellen, dass man sich zwischen leidendem Kind und Müdigkeit (Stichwort Baby) schnell hilflos fühlt und nicht immer gleich „die“ gute bzw. beste Entscheidung treffen kann, die man im Nachhinein natürlich klar und deutlich erkennen kann.
      Ich freue mich mit der Familie, dass sie jetzt eine Diagnose hat und entsprechend handeln kann! Und ich wünsche dem Kind alles Gute weiterhin.

    2. Wir haben Zöliakie auch bei uns zu Gast seit mein Sohn 2,5 Jahre alt ist. Wichtig ist, dass sich alle Angehörigen ersten Grades auch testen lassen! Bei euch könnte auch eine unentdeckte Zöliakie vorliegen.
      Ich kann dir sehr dir Deutsche Zöliakie Gesellschaft und die Facebook Gruppe „Zöliakie Austausch“ empfehlen. Da habe ich viel gelernt.
      Das mit dem Mitleid kenne ich, aber ich versuche das nicht zu sehr an ihn ran zu lassen da ich denke es hilft ihm nicht. Er kommt auch wirklich super zurecht, ist mittlerweile 4 und die Zöliakie „läuft halt so mit“.
      Ich wünsche euch alles alles Gute und vielen Dank für den Artikel! Aufklärung ist so wichtig, mein Sohn hatte auch keine typischen Symptome aber wir hatten zum Glück einen sehr aufmerksamen Kinderarzt der Schnell auf Zöliakie getestet hat.
      Liebe Grüße 🙂

    3. Gerade bei Zöliakie dauert es oft länger bis zur Diagnose durch eine große Bandbreite möglicher z.T. auch recht unspezifischer Symptome. Bei mir dauerte es über ein halbes Jahr. In der Zwischenzeit magerte ich bedenklich ab. Dennoch kamen Hausärztin und Hämatologe erst spät auf die Idee mich zum Gastroenterologen zu schicken. Also, ja, Heilpraktiker etc können dabei nicht helfen, aber auch durch mehrmalige Blutabnahmen kommen Ärzte nicht immer sofort auf Zöliakie.

    4. Diesen Kommentar kann ich nur zustimmen. Alles Gute für die Kleine. Zoliakie ist wirklich eine nicht zu unterschätzende Krankheit, die den Alltag oft ganz schön schwierig macht.
      Liebe Grüße

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