Ihr Lieben, unsere Leserin hatte uns auf Instagram geschrieben und angeboten, ihre Gedanken zu ihrer neuen Situation zu teilen. Denn plötzlich ist da eine Fernbeziehung! Ihr Mann wird für ein knappes Jahr von Montag bis Freitag in einer anderen Stadt circa fünf Stunden entfernt wohnen und arbeiten. Sie ist nun also im Alltag zu Hause mit den zwei Kindern und den Katzen allein. Sie reduziert ihre Erwerbstätigkeit bzw. wird nicht wie geplant deutlich mehr arbeiten. Für sie fühlt sich das an wie eine Rolle rückwärts in Sachen Gleichberechtigung.
Ich stelle uns mal kurz vor: Ich bin Melanie, 41, Sachbearbeiterin, seit drei Jahren in einem großen Unternehmen tätig. Mein Mann ist 52, wir sind seit 15 Jahren verheiratet. Er hat eine Führungsposition in der Industrie. Mein Sohn ist Berufsfachschüler und macht eine Ausbildung. Mein Nesthäkchen ist ein 7jähriges Mädchen.
Wie unser Jahr begann: Ich hatte im Januar begonnen, Bewerbungsunterlagen zu verschicken, da ich mich beruflich in ’25 verändern wollte. Ich wollte nochmal eine andere Herausforderung im Job, freute mich auf neue KollegInnen und unterschiedliche Themengebiete, nachdem die Kinder nun in vielen Dingen selbstständiger sind.
Als Frau in der Perimenopause suche ich auch einfach neue Aufgaben, um mich mehr um mich zu kümmern. (Ich bin eine Mutter, die sich für alle aufgibt und sich selbst immer als letztes bedenkt. Dabei geht es mir nicht immer gut). Am Tag meines ersten Vorstellungsgespräches im Januar 25, bekam allerdings nicht nur ich eine direkte Zusage, sondern am selben Tag unerwartet auch mein Mann eine lang erwartete Beförderung.
An diesem Tag hatte ich das Gefühl, dass diese Beförderung eine Befreiung für uns ist, da sie uns finanziell besser dastehen lassen würde und mein Mann sie mehr als verdient hatte. Ich war sehr stolz und für mich war es erstmal die Lösung, da mein neuer Job neben schlechten Arbeitszeiten auch schlechte Bezahlung bedeutet hätte. (Ich habe im letzten Jahr mehrere Jobs ausgeschlagen, weil man mich mit 20 Jahren Berufserfahrung für 15€ /Std. brutto einstellen wollte.)
Die Beförderung für meinen Mann bedeutet aber, in einer anderen Stadt und leider nicht wie bisher in der näheren Umgebung zu arbeiten (sowie drei Tage im Home-Office). Solch eine Beförderung auszuschlagen wäre fast undenkbar, denn wenn überall Stellen gestrichen werden. sollte man Chancen nutzen. Also überlegten wir, sprachen mit den Kindern und stimmten dann dem Ganzen zu.
Rolle rückwärts durch Fernbeziehung?
In den Wochen bis zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns kamen in mir jedoch immer mehr Ängste, Sorgen und Zweifel. Wie schaffe ich als Mutter diese Situation? Was passiert mit uns als Eltern? Wie läuft es mit der Erziehung der Kinder, wenn der Papa nur am Wochenende da ist. Was macht es mit uns als Paar? Wir haben uns schon in den letzten Jahren kaum Zeit für uns genommen.
Und was macht es mit mir als Melanie? Mache ich als Frau eine Rolle rückwärts?! Ich gehe nicht vorwärts in meinem Beruf, sondern als quasi Vollzeit-Mama zurück an den Herd. Für die Kinder und meinen Mann. Und wo bleibe ich? Ich bin traurig, teilweise wütend, teilweise nur frustriert. Da sind Ängste und Sorgen, wie ich das alles alleine schaffen soll.
Schon bevor mein Mann die neue Stelle beginnt, bekommt er viel positives Feedback und Anerkennung von Kollegen, in der Familie und bei Freunden. Er bekommt neue Aufgaben wird schon in neue Teams eingeführt usw.. Ihm glüht abends der Kopf, während ich mich mit Haushalts- und Familienorga und den Sorgen um die Zukunft teilweise überfordert fühle…. aber auf der anderen Seite hätte ich gerne auch so einen glühenden Kopf hätte voll neuer Aufgaben und Perspektiven.
Ich wollte zurück in den Beruf, um mich geistig zu fördern, neue Perspektiven aufzubauen, ich wollte die Veränderung für mich. Im Moment ist es schwierig, mit meinem Mann zu sprechen und meine Ängste und Sorgen zu teilen. Deswegen rede ich viel mit Freundinnen. Sie verstehen mich gut.
Mein Mann sagt, ich solle zuversichtlich sein und weiter einen neuen Job für mich suchen… was mich total überfordert und ich sehe momentan eben auch keine Möglichkeit. Meine möglichen Arbeitszeiten machen eine Einarbeit quasi nirgends möglich. Der Sonntagabend, an dem mein Mann das erste Mal wegfährt, kommt. Er steht kurz bevor.

Meine 7Jährige verabschiedet sich fröhlich. Beim zu Bett gehen später ist sie sehr traurig, vermisst den Papa jetzt schon. Ich bin auch sehr traurig, versuche, sie trotz Tränen in meinen Augen zu trösten. Sie schläft erst sehr spät ein. Mir ist klar, dass sie am nächsten Tag nicht in die Schule gehen wird. Plötzlich hat sie auch noch Zahnschmerzen. Wir haben eine sehr unruhige Nacht.
Der erste Morgen ohne meinen Mann ist auch der erste Schultag nach den Ferien. Meine Tochter steht auf und macht sich fertig für die Schule. Mein Sohn schafft es kaum, sich aus dem Bett zu quälen. Ich versuche, ihn zu überreden, diskutiere, ärgere mich, bin traurig, voller Sorge… Die Katze bricht auf den Küchenfußboden, ich habe Tränen in den Augen aus Zorn und Verzweiflung.
Es ist 7.15 Uhr. Ich möchte zurück ins Bett, den Kopf unter die Decke stecken. Ich habe heute frei, um meinen Haushalt zu machen. Als die Kleine aus der Grundschule kommt, klagt sie weiterhin über Zahnschmerzen. Ich versuche sie zu trösten, am Nachmittag wird ihr der Zahn gezogen. Die Ärztin spricht aus, was sie vorhat und ich sage ihr: Heute ist nicht mein Tag. Wir gehen mit dem Zahn in der Dose nach Hause und trösten uns gegenseitig. Mein Mann ist weg.
Was macht diese Trennung auf Zeit? Das hatten wir in unserem Leben so nie geplant. Warum müssen wir das tun für eine finanzielle Erleichterung? Wir haben eine Wohnung gekauft vor 15 Jahren. Wir zahlen Kredite ab. Wir wollen in den Urlaub gehen. Als Sachbearbeiterin verdiene ich nicht viel, also müssen wir das zusätzliche das Geld einfach annehmen und da durch. Doch ich merke schon jetzt an diesem ersten Tag, wie alles auf meinem Rücken und auf meinen Schultern lastet. Beim Schreiben dieser Zeilen laufen die Tränen.
Am Abend packt mein Sohn für die Klassenfahrt. Er fährt für eine Woche nach Hamburg. Ich freue mich für ihn, aber wieder ist so viel zu planen und zu bedenken. Die Kleine bringe ich ins Bett, gebe ihr Schmerzmittel und ein Eispack. Ich telefoniere 3 Minuten mit meinem Mann… die Kleine kommt die Treppe runter, weil sie nicht einschlafen kann. Also lege mich um 20.30 Uhr mit ihr ins Bett. Ich schlafe sofort ein, bin erschöpft, müde traurig.
Der zweite Tag. Mein Sohn wird früh abgeholt und zum Zug gebracht. Meine Tochter steht auf und geht in die Schule. Sie hat noch Schmerzen im Mund, ich tröste sie, schreibe ihr eine mutmachende Karte, die ich ihr mitgebe. Sie grinst. Ich bin gerührt… schon wieder hab ich Tränen in den Augen. Auch heute wird mein Tag nicht laufen wie geplant. Zum Glück hab ich die Oma, aber das ist etwas anderes, bisher hatte ich den Papa, der auch da war wenn möglich oder notwendig.
Mein Mann schreibt eine Nachricht fragt, wie es mir geht. Ich antworte nicht. Ein Teil in mir ist sauer und neidisch, der andere Teil traurig. Wieder ist er dran. Wieder läuft es bei ihm super… so war es schon öfter in den letzten Jahren. Ob im Beruf oder beim Hobby. Er hat schon immer sehr viel gearbeitet, ich hatte die Kids. Hab meine Erwerbstätigkeit reduziert, weil es so schwer vereinbar war.
Wieder sind es die Männer, die mehr Chancen bekommen, die es leichter haben. Weil der männliche Chef nicht fragt, wie die Beförderung/Umzug mit der Familie vereinbar ist. Eine Bekannte sagt, ich solle es als Privileg sehen, so wenig erwerbstätig zu arbeiten. Ob es mich erfüllt? Nein! Muss ich es jetzt durchhalten? Ja, erstmal wohl schon und ich hoffe auf einen normalen 3. Tag alleine.

Und jetzt versuche ich, länger als 3 Minuten mit meinem Mann zu telefonieren und bemühe mich, das grollige Gefühl ihm gegenüber loszuwerden, wenn er mir vom neuen und spannenden Job erzählt, mir seine neue Bleibe zeigt, per Facetime. Alles befremdlich… wir waren nie länger als eine Woche getrennt. Jetzt führt einer ein anderes Leben. Das fühlt sich hart nach Trennung an, die eigentlich keine ist und sein soll…
Das Telefonat gestern Abend war 2 Sätze lang, dann stand die Kleine weinend auf der Treppe. Danach rufe ich ihn zurück. Auch er fühlt sich alleine in seinem neuen Zuhause. Wir freuen uns alle aufs Wochenende!
Ich hoffe, es wird bald ein neues normales Gefühl, dieser neue Alltag. Ich denke, es wird auch gute Tage geben und ich werde es schaffen, aber die Rolle rückwärts für mich, hier als Frau die nur zu Hause bleibt, war so nicht geplant.
5 comments
Der Beitrag ist wirklich sehr berührend und ich kann die vielen Herausforderungen, die du beschreibst, gut nachvollziehen. Auch bei uns ist es gerade eine stressige Zeit, da wir mitten in einer Renovierung stecken, was natürlich auch viel Organisation und Zeit in Anspruch nimmt. Gleichzeitig kümmern wir uns um eine neue Einbauküche, die wir jetzt endlich einbauen lassen. Während das eigentlich eine spannende Veränderung ist, führt es auch zu einer Menge zusätzlichem Stress, da wir gleichzeitig den Haushalt, die Kinder und natürlich all die organisatorischen Aufgaben bewältigen müssen. Der Spagat zwischen Familie und Eigenverwirklichung ist nicht einfach, und ich hoffe, dass auch du in dieser schwierigen Zeit bald wieder etwas mehr Zeit für dich selbst finden kannst. Es ist wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen – das gibt mir auch immer wieder Kraft, auch wenn es mal anstrengend ist.
Das hört sich wie bei vielen an. Hier ist es 23 Jahre so gelaufen. .hab mich jetzt getrennt. Jetzt mache ich natürlich noch viel mehr allein, aber muss mich nicht mehr ärgern über ihn. Nur im Moment noch, wo er noch im Haus wohnt…psychoterror….soll mich doch bitte nicht mehr am Konto bedienen…aber seine Wäsche waschen soll ich doch noch und kochen…..freu mich auf den Tag wenn er weg ist
Dein Gefühl der „Rolle rückwärts“ kann ich gut verstehen, nachdem du bereits Schritte aus der „Vollzeit-Mama-Rolle“ unternommen und dich erfolgreich beworben hast. Dann plötzlich eure Fernbeziehung für fast ein Jahr. Zumindest liest es sich so, dass Ihr verständnisvoll miteinander umgeht, das ist schon mal Gold wert. Auch die Oma und deine Freundinnen!
Gibt es die Möglichkeit, dass du trotzdem jetzt in kleinen Schritten in die Berufswelt hinausgehst? Gerade im sozialen Bereich sind ja Ehrenamtliche oft gesucht und erhalten auch eine finanzielle Entschädigung. Wir haben z.B. eine größere Sozialeinrichtung mit Wohngemeinschaft und Werkstätte in der näheren Umgebung, die auch stundenweise Helfer suchen – mit flexiblen Zeiten – und entsprechend entlohnen. Sicher gibt es Angebote in deiner Nähe, wo du dich verwirklichen kannst und mal einen Tapetenwechsel hast. Deine Kinder sind ja schon recht groß.
Und wenn die 11 Monate Fernbeziehung geschafft sind, kannst du immer noch voll durchstarten – wenn du das möchtest und es in eure Situation passt.
Vielen Dank für das Teilen.
Es tut mir Leid, dass es dir damit nicht gut geht. Weiß dein Mann wie es dir geht?
Es sind zwar „nur“ 11 Monate, aber du solltest nicht daran kaputt gehen…
Vielleicht wird es leichter, wenn euer Alltag etwas mehr eingespielt ist und natürlich sollten sich für dich erfüllende Tätigkeiten ergeben.
Ich bin alleinerziehend mit zwei Kindern. Die Umstellung war erstmal schwer, aber dann konnte ich viele positive Aspekte für mich erkennen. Eine riesen Erleichterung war, dass ich keine Hoffnung mehr hatte, dass mein Mann mir hilft ( er hatte immer viel gearbeitet und wenig im Familienalltag und Haushalt geholfen) und ich wusste, dass ich nun alles alleine meistern musste. Ich mache was geht, plane gut und genieße die Freiheit, alles so zu machen, wie ich es für richtig halte.
Ich wünsche dir auf jeden Fall eine positive Veränderung, einen neuen Job und Unterstützung.
Ich fühle viel Schmerz und Trauer beim Lesen des Textes und habe den Eindruck, dass es nicht nur um die Fernbeziehung geht? Wo bleibe ich, was bin ich für eine Frau und wann bin ich endlich an der Reihe – das sind meine Assoziationen zu diesem Text. Nimm deine Gefühle ernst, vielleicht geht es nicht um die Möglichkeit von Jahresurlauben…